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Endlich kam der Tag, wo er vom General seine Freiheit forderte, konnte er doch darauf verweisen, daß er die gestellten Bedingungen erfüllt hatte. Ja, er forderte die Freiheit, obgleich er fühlte, daß man sie ihm vorenthalten würde, obgleich eine noch schwärzere Furcht in ihm keimte.
Hernando de Soto, der immer mehr das Vertrauen des Gefangenen gewonnen hatte und ihm viele kleine Dienste und Gefälligkeiten erwies, war sein Mittler beim General. Pizarro hörte ihn an, verweigerte jedoch eine bestimmte Antwort. Nach einigen Stunden ließ er dem Inka durch den Schatzmeister Riquelme, der mit Don Almagro zu uns gekommen war, mitteilen, das Lösegeld sei nicht völlig bezahlt worden, der Raum nicht bis zum roten Strich gefüllt gewesen.
Darüber erstaunte Atahuallpa und wandte ein, was ja auch richtig war, es sei nicht seine Schuld, daß das volle Maß nicht erreicht worden war; hätte man nur drei Tage länger gewartet, so wäre alles verlangte Gold dagewesen; im übrigen sei es ein leichtes, das fehlende nachträglich zu liefern.
Der General zuckte die Achseln und sagte, darauf gehe er nicht ein. Er wußte warum; kamen doch noch immer Sendungen aus den Städten, die vor der Stadt aufgehalten wurden. Er ließ eine Schrift abfassen und im Lager öffentlich bekanntmachen, nach welcher er den Inka zwar von jeder weiteren Verpflichtung, Lösegeld zu zahlen, freisprach, zugleich aber erklärte, seine und seines Heeres Sicherheit erheische es, daß Atahuallpa so lange in Gefangenschaft verbleibe, bis aus Panama Verstärkungen eingetroffen seien.
Als de Soto von dieser hinterlistigen Umgehung des Vertrags hörte und außerdem das Manifest gelesen hatte, suchte er den General auf und hatte eine heftige Auseinandersetzung mit ihm. Der General sagte, er habe genaue Nachrichten über die Ränke und Zettelungen Atahuallpas, und die Soldaten, insbesondere Almagros Leute, verlangten seinen Tod.
De Soto war betroffen. Er beteuerte die Lügenhaftigkeit der Gerüchte und nannte die Leute Almagros eine Horde von Halsabschneidern und Wegelagerern. Sich dem unablässigen Zureden de Sotos mit scheinbarer Gutmütigkeit fügend, entschloß sich der General, mit ihm zum Inka zu gehen und ihm Aug’ in Auge zu eröffnen, wessen man ihn beschuldigte. Von seinem Gesicht könne man dann ablesen, ob die Anklage auf Wahrheit beruhe oder nicht, meinte de Soto, denn zur Verstellung sei er ganz und gar unfähig.
Von de Soto begleitet, trat er in das Gemach Atahuallpas, es war um die fünfte Stunde nachmittags, und wiederholte ihm das beunruhigende Gerede. „Welch ein Verrat ist es, den du geschmiedet hast“, sagte er finster, „gegen mich, der dir vertraut hat wie ein Bruder?“
De Soto hatte mich im Vorüberschreiten aus der Eingangshalle herzugewinkt, und ich stand hinter dem General, dem Inka gegenüber.
„Du scherzest“, erwiderte Atahuallpa, der vielleicht die Wirkung dieses Vertrauens nicht spürte, noch je gespürt hatte, „du scherzest fortwährend mit mir. Wie könnte ich und mein Volk daran denken, euch zu schaden? Wie können Adler, seien sie auch noch so kühn, daran denken, wider Blitz und Erdbeben aufzustehen? Scherze nicht auf solche Weise mit mir, ich bitte dich.“
Er sagte dies vollkommen ruhig und natürlich, indem er dabei ein wenig lächelte, was Pizarro für einen Beweis seiner Tücke hielt; er sagte es in unserer Sprache, die er in seiner monatelangen Haft und im Verkehr mit de Soto und mir und andern Rittern besser zu sprechen wußte als ich oder irgendeiner von den Unsern die seine.
„Bin ich nicht ein wehrloser Mensch in deiner Hand?“ fuhr er mit seiner leisen Stimme fort; „wie könnte ich die Absichten nähren, die du mir zuschreibst, da ich ja bei ihrer Verwirklichung das erste Opfer wäre? Du kennst mein Volk schlecht, wenn du glaubst, daß ein Aufstand ohne meinen Befehl stattfinden kann, da doch selbst die Vögel in meinem Land nicht wagen würden, ohne meinen Willen zu fliegen.“
Dieses Bild von eigentümlich tragischer Prahlerei in seiner gegenwärtigen Lage stimmte uns unwillkürlich zum Spott, indes seine Edlen schweigend auf die Knie fielen. So bestätigte sich abermals meine Wahrnehmung, daß ihm von seinen Vasallen eine höhere Huldigung gezollt wurde als sonst einem Herrscher der Erde; seine Macht erstreckte sich auf das verborgenste Tun, ja auf die Gedanken eines jeden. Alle Gesetze des Lebens mußten ihm aufgehoben erscheinen, alle Gesetze der Natur und das Maß aller Dinge zerstört, da er sich einer Schar von Fremdlingen, von bösen Schattenwesen, die wir vor ihm waren, auf Gnade und Ungnade preisgegeben sah, er, ohne dessen Willen kein Vogel in seinem Reich zu fliegen wagte.
Der General gab ihm zu verstehen, daß man über sein Schicksal beraten werde, und verließ das Zimmer.
In der Nacht erhielt Hernando de Soto den Auftrag, mit fünfzig Reitern einen Streifzug ins Gebirge zu unternehmen. Da war kein Zweifel, es war darauf abgesehen, ihn während der nächsten Tage aus Caxamalca zu entfernen. Aber dem Befehl widersetzen durfte er sich nicht. So ritt er an der Spitze seiner Leute voll trüber Ahnungen fort.