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8

Chefinspektor Hallick kam im Auto mit einem Fotografen und seinem Assistenten von London. Sowohl er als auch der Polizeiinspektor, in dessen Bereich Monkshall lag, erkannten den Toten sofort.

Connor! Joe Connor, der noch vor einigen Monaten im Gefängnis gesagt hatte, daß er O'Shea bis ans Ende der Welt folgen würde! Und nun lag er hier am Boden mit gebrochenem Genick. Alle Anzeichen sprachen dafür, daß O'Shea der Täter, war. Connor war nicht sein erstes Opfer.

Hallick ließ die Gäste einzeln in die Halle kommen und fragte sie, was sie gehört hätten, dann auch die Dienstboten. Cotton war sehr gesprächig und erzählte viel. Er konnte sich auf den Mann besinnen, sagte aber, er könne sich nicht erklären, wie dieser ins Haus gekommen seil Die Türen waren verschlossen und verriegelt, und keins der Fenster war erbrochen.

Goodman mußte einen guten Schlaf haben, denn er hatte nichts gehört, allerdings wohnte er in einem anderen Flügel des Gebäudes. Mrs. Elvery war aufgeregt und suchte den Polizeibeamten alle möglichen Theorien vorzutragen, die sie sich sofort gebildet hatte, aber sie konnte auch nichts Wichtiges aussagen.

»Fane – wer ist denn nur Fane?« fragte Hallick.

Cotton berichtete ausführlich über den neuen Gast und die genauen Umstände, unter denen er ins Haus gekommen war.

»Ich werde später mit ihm sprechen. Haben Sie sonst noch einen andern Gast hier?« fragte er und sah das Fremdenbuch ein.

»Der neue Gast kommt erst morgen, es ist ein Pfarrer«, erwiderte der Butler. Hallick sah Cotton scharf an.

»Habe ich Sie nicht schon früher einmal gesehen?«

»Nein, mich nicht«, entgegnete Cotton, aber seine Stimme klang nervös.

»Hm«, brummte Hallick. »Das wäre im Moment alles. Ich will jetzt Miss Redmayne sprechen.«

Goodman, der ebenfalls in der Halle war, wandte sich an den Chefinspektor.

»Ich hoffe, daß Sie Miss Redmayne nicht zu sehr beunruhigen. Sie ist wirklich ein äußerst gutmütiges, liebes Mädchen – ich habe sie gern, und wenn ich jünger wäre ...« Er lächelte. »Sie sehen, selbst Kaufleute können romantisch sein.«

»Kriminalbeamte ebenfalls«, bemerkte Hallick trocken.

Er sah Goodman interessiert an. Dieser Mann hatte ihm ein Geständnis gemacht, das er nicht erwartet hatte. Goodman liebte also das junge Mädchen und hatte wahrscheinlich die Tatsache vor allen anderen Leuten geheimgehalten.

»Sie glauben wohl, daß ich sentimental bin –«

Hallick schüttelte den. Kopf.

»Daß Sie verliebt sind, ist kein Verbrechen, Mr. Goodman«, sagte er ruhig.

»Das denke ich auch. Torheit ist kein Verbrechen, aber sie kommt mit dem Alter.«

Goodman ging zur Tür, durch die Mary kommen mußte, aber Hallick hielt ihn zurück. Gehorsam verließ er, obwohl er hier ein bevorzugter Gast war, den Raum durch eine andere Tür.

Mary hatte schon erwartet, daß man sie rufen würde. Sie war niedergeschlagen und fürchtete sich, als einer der Polizeibeamten sie in die Halle rief. Sie hatte den Chefinspektor noch nicht gesehen und war angenehm enttäuscht, da sie einen vierschrötigen Polizeibeamten erwartet hatte und einen liebenswürdigen, freundlich lächelnden Herrn vorfand. Als sie eintrat, sprach er gerade mit Cotton und nahm eine Weile keine Notiz von ihr.

»Haben Sie wirklich keine Ahnung, wie dieser Mann ins Haus gekommen sein kann?«

»Nein«, entgegnete Cotton.

»Es war kein Fenster erbrochen? Und die Haustür war verschlossen und verriegelt?«

Der Butler nickte.

»Ich habe ihn nicht hereingelassen«, sagte er laut.

Hallick kniff die Augen zusammen.

»Das haben Sie nun schon zweimal gesagt. Als ich Sie heute morgen fragte, haben Sie genau dieselben Worte gebraucht. Außerdem haben Sie mir erzählt, daß Sie an Mr. Fanes Zimmer vorbeikamen, daß die Tür offenstand und sein Zimmer leer war.«

Cotton nickte.

»Ferner habe ich hier notiert, daß der Mann, der die Polizei benachrichtigte, sich als Mr. Cotton ausgab, daß Sie es aber nicht gewesen wären.«

»Das stimmt alles ganz genau.«

Jetzt erst sah der Chefinspektor, daß sich Miss Redmayne im Zimmer befand, und er gab Cotton ein Zeichen, daß er hinausgehen sollte.

»Also, Miss Redmayne, Sie haben diesen Mann vorher nicht gesehen?«

»Doch, aber nur einen Moment.«

»Haben Sie ihn wiedererkannt?«

Sie nickte.

Hallick sah auf den Fußboden und überlegte.

»Wo ist Ihr Schlafzimmer?«

»Direkt über der Eingangshalle.« Sie sah, daß einer der Beamten alles protokollierte, was sie aussagte.

»Sie müssen aber etwas gehört haben. Unten hat irgendein Kampf stattgefunden – das müssen Sie doch bemerkt haben –, haben Sie einen Schrei gehört?« Als sie den Kopf schüttelte, fragte er: »Wissen Sie, um welche Zeit der Mord geschehen ist?«

»Mein Vater sagt, es muß ein Uhr gewesen sein.«

»Lagen Sie zu der Zeit im Bett? Wo war Ihr Vater – etwa hier in der Nähe der Eingangshalle?«

»Nein«, erwiderte sie mit Nachdruck.

»Warum sind Sie so sicher in diesem Fall?« fragte er interessiert.

»Als ich hörte, wie die Tür geschlossen wurde –«

»Was für eine Tür?«

Sie geriet durch seine Zwischenfrage in Verwirrung.

»Diese Tür.« Sie zeigte auf den Eingang zur Halle. »Als sie geschlossen wurde, habe ich über das Geländer gesehen und meinen Vater unten im Gang bemerkt.«

»Wohin ging er? Nach der Halle zu? Und wie war er gekleidet?«

»Ich« habe ihn nicht gesehen«, entgegnete sie verzweifelt. »Es brannte kein Licht im Korridor. Ich weiß auch nicht genau, ob es diese Tür war.«

Hallick lächelte.

»Werden Sie nicht nervös, Miss Redmayne. Der Ermordete hieß Joe Connor und war der Polizei als Einbrecher bekannt. Es ist sehr leicht möglich, daß Ihr Vater ihn beim Einbruch überraschte und während des Kampfes, der dann folgte, tötete. So etwas kann doch vorkommen.«

Mary schüttelte den Kopf.

»Glauben Sie nicht, daß so etwas passiert sein könnte? Schließlich erschrak er, als er merkte, daß der Mann tot war, und sagte, daß er nichts mit alledem zu tun habe.«

»Nein.« Ihre Stimme klang laut und bestimmt.

»Haben Sie denn in der letzten Nacht nichts Außergewöhnliches gehört, das auf einen Kampf hier unten hätte deuten können?«

Sie antwortete nicht.

»Haben Sie überhaupt einmal etwas Außergewöhnliches hier in Monkshall gesehen?«

»Es muß alles Einbildung gewesen sein«, erwiderte sie leise. »Aber einmal glaubte ich, daß ich eine dunkle Gestalt draußen auf der Wiese vor dem Hause gesehen hätte. Sie trug ein Gewand wie ein Mönch!«

»Also war es ein Geist?« fragte er lächelnd.

Sie nickte.

»Sie sehen, ich bin sehr nervös«, fuhr sie fort. »Ich bilde mir ein, Dinge zu sehen, die gar nicht existieren. Manchmal, wenn ich in. meinem Zimmer war, glaubte ich, daß Leute über den Steinfußboden gingen – und dann habe ich auch Orgelspiel gehört.«

»Ist das Geräusch klar, so daß Sie es deutlich unterscheiden können?«

»Ja, der Fußboden ist nicht sehr dick.«

»Ich verstehe«, entgegnete er sachlich. »Und doch haben Sie gestern abend nichts von dem Kampf gehört, Miss Redmayne? Erinnern Sie sich doch, Sie müssen etwas gehört haben.«

Sie wurde unruhig.

»Nein, ich kann mich an nichts erinnern – ich habe nichts gehört.«

»Wirklich nicht?« fragte er freundlich, aber dringend. »Meiner Meinung nach muß Connor zu Boden gestürzt sein, und das muß doch Lärm gemacht haben. Sie wären sicherlich aufgewacht, wenn Sie geschlafen hätten – und Sie waren doch nervös und konnten nicht schlafen. Also, Miss Redmayne, Sie sehen, daß es keinen Zweck hat, mir etwas zu verheimlichen. Sie sind also furchtbar erschrocken, als Sie diesen Mönch sahen – oder als Sie glaubten, einen Mönch zu sehen? Und Sie waren daher außerordentlich nervös. Sie hörten ein Geräusch, öffneten Ihre Tür, und die Stimme Ihres Vaters sagte, es sei alles in Ordnung oder so etwas Ähnliches. Hat es sich nicht so zugetragen?«

Er sprach so freundlich und liebenswürdig, daß sie sich einen Augenblick lang täuschen ließ.

»Ja«, erwiderte sie leise.

»Er hatte seinen Morgenrock an, wie ich annehme – und wollte zu Bett gehen.«

»Ja«, entgegnete sie wieder.

Er nickte.

»Kurz vorher haben Sie mir aber gesagt, daß Sie Ihren Vater nicht gesehen hätten und daß kein Licht im Korridor brannte.«

Sie sprang auf und trat ihm gegenüber.

»Sie wollen, mich in Widersprüche verwickeln. Ich antworte nicht mehr! Ich habe nichts gehört und ich habe nichts gesehen. Mein Vater war nicht hier in diesem Zimmer – und es war nicht seine Stimme –«

»Es war meine Stimme, alter Freund.«

Hallick wandte sich schnell um.

Fane stand in der Tür und lächelte ihn an.

»Guten Tag! Mein Name ist Fane – Ferdie Fane. Was macht denn der Mord, den Sie hier aufklären wollen?«

»So, Sie sind Fane?« fragte Hallick interessiert.

»Es war nicht Mr. Redmaynes, es war meine Stimme, alter Junge«, wiederholte Fane.

»Das ist ja sonderbar!«

Hallick brach das Verhör ab, winkte seinem Assistenten und verließ mit ihm die Halle.

Mary starrte den neuen Gast verwundert an.

»Es war aber doch gar nicht Ihre Stimme«, erwiderte sie halb vorwurfsvoll. »Warum haben Sie das nur gesagt? Sehen Sie denn nicht, daß hier alle Leute unter Verdacht stehen? Es ist doch wahnsinnig von Ihnen, so etwas zu behaupten. Die Polizei denkt nun doch, daß wir beide unter einer Decke stecken und zusammenarbeiten.«

Er sah sie strahlend an. »So, meinen Sie das?«

Sie ging zur Haustür und sah hinaus. Hallick und sein Assistent berieten miteinander, und Mary wurde etwas beklommen zumute.

Mr. Fane hatte die Whiskyflasche genommen und goß sich gerade ein Glas ein, als sie sich wieder umwandte.

»Sie kommen bald zurück, dann werden sie alle möglichen Fragen an mich stellen. Ach, ich wünschte nur, daß man sich auf Sie verlassen und vernünftig mit Ihnen reden könnte. Es ist schrecklich, wenn man einen Mann wie Sie so verkommen sieht.«

»Schimpfen Sie nur nicht«, entgegnete er ernst. »Sie sollten sich ein wenig schämen. Sagen Sie mir lieber etwas anderes.«

»Ja, wenn ich nur vernünftig mit Ihnen sprechen könnte!«

Cotton trat zu ihnen. Es war eine gewisse Verschlagenheit in seinem Benehmen; beiden fiel es auf.

»Der neue Gast ist angekommen, Miss Mary. Ich meine den Pfarrer«, sagte er und ging zur Seite.

Ein hagerer älterer Herr mit weißen Haaren und einer großen Hornbrille trat in die Halle. Seine Stimme klang sanft und manchmal ein wenig herablassend. Er blickte freundlich um sich und schien mit der ganzen Welt in Frieden zu leben.

»Habe ich die Ehre, mit Miss Redmayne zu sprechen?« fragte er. »Ich bin der Pfarrer Ernest Partridge. Ich mußte zu Fuß gehen, obwohl ich eigentlich annahm, daß man mich an der Station abholen würde.«

Sein Händedruck war weich und ausdruckslos.

Mary ärgerte sich. Im Augenblick konnte sie am allerwenigsten einen neuen Gast gebrauchen.

»Es tut mir sehr leid, Mr. Partridge, aber wir sind alle in großer Aufregung. Cotton, bringen Sie den Koffer auf Nummer 3.«

Mr. Partridge erschrak.

»Warum sind Sie denn aufgeregt? Hoffentlich hat sich kein Unfall ereignet, der die Schönheit und den Frieden dieses wundervollen Platzes stören könnte?«

»Mein Vater wird Ihnen alles Nähere mitteilen. Darf ich Sie Mr. Fane vorstellen?«

Sie mußte sich zu diesem Akt der Höflichkeit zwingen.

Eine Sekunde später kam Chef Inspektor Hallick eilig in die Halle.

»Haben Sie vielleicht einen Schauspieler in Ihrem Haus, Miss Redmayne?« fragte er.

»Schauspieler?« fragte sie und starrte ihn an.

»Ich meine Leute, die sich gerne verkleiden«, sagte er geduldig. »Filmdarsteller zum Beispiel. Die kommen doch manchmal zu solch malerischen, romantischen Plätzen. Mein Assistent hat mir soeben erzählt, daß er einen Mann in einer schwarzen Kutte gesehen hat, der aus der Gegend des Mönchsgrabes kam – er trug ein Gewehr in der Hand. – Verdammt, da ist er!«

Er zeigte durch das offene Fenster in den Park. Mary fühlte plötzlich, daß sie von starken Armen ergriffen und zur Seite gezogen wurde. Es war Fane, der sie hielt, und empört versuchte sie, sich loszureißen.

Im nächsten Moment fiel ein Schuß. Ein Geschoß sauste an ihrem Kopf vorbei und schlug in den Spiegel über dem Kamin ein. Es war so nahe, daß sie zuerst glaubte, sie sei getroffen worden. Ferdie Fane hatte ihr das Leben gerettet.


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