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Die Halle der Gibichungen
Gutrune, Hagen, Gunther, Brünnhilde
Gutrune
War das sein Horn?
Nein! Noch kehrt er nicht heim.
Schlimme Träume störten mir den Schlaf!
Wild wieherte sein Roß;
Lachen Brünnhildes weckte mich auf.
Wer war das Weib,
das ich zum Ufer schreiten sah?
Ich fürchte Brünnhild'!
Ist sie daheim?
Brünnhild'! Brünnhild'!
Bist du wach?
Leer das Gemach.
So war es sie,
die ich zum Rheine schreiten sah!
War das sein Horn?
Nein! öd alles!
Säh' ich Siegfried nur bald!
Hagen
Hoiho! Hoiho!
Wacht auf! Wacht auf!
Lichte! Lichte! Helle Brände!
Jagdbeute bringen wir heim.
Hoiho! Hoiho!
(betritt die Halle)
Auf Gutrun'! Begrüße Siegfried!
Der starke Held, er kehret heim!
Gutrune
Was geschah? Hagen!
Nicht hört' ich sein Horn!
(Männer und Frauen, mit Lichtern und Feuerbränden, geleiten den Zug der mit Siegfrieds Leiche Heimkehrenden, unter denen Gunther.)
Hagen
Der bleiche Held,
nicht bläst er es mehr;
nicht stürmt er zur Jagd,
zum Streite nicht mehr,
noch wirbt er um wonnige Frauen.
Gutrune
Was bringen die?
(Der Zug gelangt in die Mitte der Halle, und die Mannen setzen dort die Leiche auf einer Erhöhung nieder.)
Hagen
Eines wilden Ebers Beute:
Siegfried, deinen toten Mann.
(Gutrune schreit auf und stürzt über die Leiche. Allgemeine Erschütterung und Trauer.)
Gunther (bemüht sich um die Ohnmächtige)
Gutrun', holde Schwester,
hebe dein Auge, schweige mir nicht!
Gutrune
Siegfried – Siegfried erschlagen!
Fort, treuloser Bruder,
du Mörder meines Mannes!
O Hilfe! Hilfe! Wehe! Wehe!
Sie haben Siegfried erschlagen!
Gunther
Nicht klage wider mich!
Dort klage wider Hagen;
er ist der verfluchte Eber,
der diesen Edlen zerfleischt'.
Hagen
Bist du mir gram darum?
Gunther
Angst und Unheil greife dich immer!
Hagen
Ja denn! Ich hab' ihn erschlagen.
Ich, Hagen, schlug ihn zu Tod.
Meinem Speer war er gespart,
bei dem er Meineid sprach.
Heiliges Beuterecht
hab' ich mir nun errungen:
drum fordr' ich hier diesen Ring.
Gunther
Zurück! Was mir verfiel,
sollst nimmer du empfahn.
Hagen
Ihr Mannen, richtet mein Recht!
Gunther
Rührst du an Gutrunes Erbe,
schamloser Albensohn?
Hagen (sein Schwert ziehend).
Des Alben Erbe fordert so sein Sohn!
(Er dringt auf Gunther ein, dieser wehrt sich; sie fechten. Mannen werfen sich dazwischen. Gunther fällt von einem Streiche Hagens.)
Her den Ring!
(Er greift nach Siegfrieds Hand; diese hebt sich drohend empor. Alles bleibt in Schauder regungslos gefesselt. Vom Hintergrunde her schreitet Brünnhilde fest und feierlich dem Vordergrunde zu.)
Brünnhilde
Schweigt eures Jammers
Jauchzenden Schwall.
Das ihr alle verrietet,
zur Rache schreitet sein Weib.
Kinder hört' ich greinen nach der Mutter,
da süße Milch sie verschüttet:
doch nicht erklang mir würdige Klage,
des hehrsten Helden wert.
Gutrune
Brünnhilde! Neiderboste!
Du brachtest uns diese Not:
die du die Männer ihm verhetztest,
weh, daß du dem Haus genaht!
Brünnhilde
Armselige, schweig!
Sein Eheweib warst du nie,
als Buhlerin bandest du ihn.
Sein Mannesgemahl bin ich,
der ewige Eide er schwur,
eh Siegfried je dich ersah.
Gutrune
Verfluchter Hagen,
daß du das Gift mir rietest,
das ihr den Gatten entrückt!
Ach, Jammer!
Wie jäh nun weiß ich's,
Brünnhild' war die Traute,
die durch den Trank er vergaß!
Brünnhilde (allein in der Mitte; nachdem sie lange, zuerst mit tiefer Erschütterung, dann mit fast überwältigender Wehmut das Angesicht Siegfrieds betrachtet, wendet sie sich mit feierlicher Erhebung an die Männer und Frauen)
Starke Scheite schichtet mir dort
am Rande des Rheins zuhauf!
Hoch und hell lodre die Glut,
die den edlen Leib
des hehrsten Helden verzehrt.
Sein Roß führet daher,
daß mit mir dem Recken es folge;
denn des Helden heiligste Ehre zu teilen,
verlangt mein eigener Leib.
Vollbringt Brünnhildes Wunsch!
(Die jüngeren Männer errichten während des Folgenden vor der Halle nahe am Rheinufer einen mächtigen Scheiterhaufen, Frauen schmücken ihn mit Decken, auf die sie Kräuter und Blumen streuen.)
Wie Sonne lauter strahlt mir sein Licht:
der Reinste war er, der mich verriet!
Die Gattin trügend, treu dem Freunde,
von der eignen Trauten, einzig ihm teuer,
schied er sich durch sein Schwert.
Echter als er schwur keiner Eide;
treuer als er hielt keiner Verträge;
lautrer als er liebte kein andrer:
und doch, alle Eide, alle Verträge,
die treueste Liebe trog keiner wie er!
Wißt ihr, wie das ward?
(Nach oben blickend.)
O ihr, der Eide ewige Hüter!
Lenkt euren Blick auf mein blühendes Leid,
erschaut eure ewige Schuld!
Meine Klage hör, du hehrster Gott!
Durch seine tapferste Tat,
dir so tauglich erwünscht,
weihtest du den, der sie gewirkt,
dem Fluche, dem du verfielest:
mich mußte der Reinste verraten,
daß wissend würde ein Weib!
Weiß ich nun, was dir frommt?
Alles, alles, alles weiß ich,
alles ward mir nun frei!
Auch deine Raben hör' ich rauschen;
mit bang ersehnter Botschaft
send' ich die beiden nun heim.
Ruhe, ruhe, du Gott!
(Sie winkt den Mannen, Siegfrieds Leiche auf den Scheiterhaufen zu tragen; zugleich zieht sie von Siegfrieds Finger den Ring und betrachtet ihn sinnend.)
Mein Erbe nun nehm' ich zu eigen.
Verfluchter Reif! Furchtbarer Ring!
Dein Gold fass' ich und geb' es nun fort.
Der Wassertiefe weise Schwestern,
des Rheines schwimmende Töchter,
euch dank' ich redlichen Rat.
Was ihr begehrt, ich geb es euch:
aus meiner Asche nehmt es zu eigen!
Das Feuer, das mich verbrennt,
rein'ge vom Fluch den Ring!
Ihr in der Flut löset ihn auf,
und lauter bewahrt das lichte Gold,
das euch zum Unheil geraubt.
(Sie hat sich den Ring angesteckt und wendet sich jetzt zu dem Scheiterhaufen, auf dem Siegfrieds Leiche ausgestreckt liegt. Sie entreißt einem Manne den mächtigen Feuerbrand, schwingt diesen und deutet nach dem Hintergrund.)
Fliegt heim, ihr Raben!
Raunt es eurem Herren,
was hier am Rhein ihr gehört!
An Brünnhildes Felsen fahrt vorbei.
Der dort noch lodert,
weiset Loge nach Walhall!
Denn der Götter Ende dämmert nun auf.
So – werf' ich den Brand
in Walhalls prangende Burg.
(Sie schleudert den Brand in den Holzstoß, der sich schnell hell entzündet. Zwei Raben sind vom Felsen am Ufer ausgeflogen und verschwinden nach dem Hintergrunde zu.
Brünnhilde gewahrt ihr Roß, welches zwei junge Männer hereinführen. Sie ist ihm entgegengesprungen, faßt es und entzäumt es schnell; dann neigt sie sich traulich zu ihm.)
Grane, mein Roß, sei mir gegrüßt!
Weißt du auch, mein Freund,
wohin ich dich führe?
Im Feuer leuchtend, liegt dort dein Herr,
Siegfried, mein seliger Held.
Dem Freunde zu folgen, wieherst du freudig?
Lockt dich zu ihm die lachende Lohe?
Fühl meine Brust auch, wie sie entbrennt;
helles Feuer das Herz mir erfaßt,
ihn zu umschlingen, umschlossen von ihm,
in mächtigster Minne vermählt ihm zu sein!
Heiajoho! Grane!
Grüß deinen Herren!
Siegfried! Siegfried! Sieh!
Selig grüßt dich dein Weib!
(Sie hat sich auf das Roß geschwungen und sprengt mit einem Satze in den brennenden Scheiterhaufen. Sogleich steigt prasselnd der Brand hoch auf, so daß das Feuer den ganzen Raum vor der Halle erfüllt und diese selbst schon zu ergreifen scheint. Entsetzt drängen sich die Männer und Frauen nach dem äußersten Vordergrunde. Als der ganze Bühnenraum nur noch von Feuer erfüllt erscheint, verlischt plötzlich der Glutschein, so daß bald bloß ein Dampfgewölk zurückbleibt, welches sich dem Hintergrunde zu verzieht und dort am Horizont sich als finstere Wolkenschicht lagert. Zugleich ist vom Ufer her der Rhein mächtig angeschwollen und hat seine Flut über die Brandstätte gewälzt. Auf den Wogen sind die drei Rheintöchter herbeigeschwommen und erscheinen jetzt über der Brandstätte. Hagen, der seit dem Vorgange mit dem Ringe Brünnhildes Benehmen mit wachsender Angst beobachtet hat, gerät beim Anblick der Rheintöchter in höchsten Schreck. Er wirft hastig Speer, Schild und Helm von sich und stürzt wie wahnsinnig sich in die Flut.)
Hagen
Zurück vom Ring!
(Woglinde und Wellgunde umschlingen mit ihren Armen seinen Nacken und ziehen ihn so, zurückschwimmend, mit sich in die Tiefe. Floßhilde, den anderen voran dem Hintergrunde zuschwimmend, hält jubelnd den gewonnenen Ring in die Höhe. Durch die Wolkenschicht, welche sich am Horizont gelagert, bricht ein rötlicher Glutschein mit wachsender Helligkeit aus. Von dieser Helligkeit beleuchtet, sieht man die drei Rheintöchter auf den ruhigeren Wellen des allmählich wieder in sein Bett zurückgetretenen Rheines, lustig mit dem Ringe spielend, im Reigen schwimmen. Aus den Trümmern der zusammengestürzten Halle sehen die Männer und Frauen in höchster Ergriffenheit dem wachsenden Feuerschein am Himmel zu. Als dieser endlich in lichtester Helligkeit leuchtet, erblickt man darin den Saal Walhalls, in welchem die Götter und Helden, ganz nach der Schilderung Waltrautes im ersten Aufzuge, versammelt sitzen. Helle Flammen scheinen in dem Saal der Götter aufzuschlagen. Als die Götter von den Flammen gänzlich verhüllt sind, fällt der Vorhang.)