Richard Wagner
Götterdämmerung
Richard Wagner

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Zweite Szene

Siegfried, Hagen, Gunther und Gutrune

Hagen
Heil! Siegfried, teurer Held!

Siegfried
Wer ist Gibichs Sohn?

Gunther
Gunther, ich, den du suchst.

Siegfried
Dich hört' ich rühmen weit am Rhein:
nun ficht mit mir oder sei mein Freund!

Gunther
Laß den Kampf! Sei willkommen

Siegfried
Wo berg' ich mein Roß?

Hagen
Ich biet' ihm Rast.

Siegfried
Du riefst mich Siegfried:
sahst du mich schon?

Hagen
Ich kannte dich nur an deiner Kraft.

Siegfried
Wohl hüte mir Grane! Du hieltest nie
von edlerer Zucht am Zaume ein Roß.

Gunther
Begrüße froh, o Held,
die Halle meines Vaters;
wohin du schreitest,
was du ersiehst,
das achte nun dein Eigen:
dein ist mein Erbe, Land und Leut'
hilf, mein Leib, meinem Eide!
Mich selbst geb' ich zum Mann.

Siegfried
Nicht Land noch Leute biete ich
noch Vaters Haus und Hof:
einzig erbt' ich den eignen Leib;
lebend zehr' ich den auf.
Nur ein Schwert hab' ich,
selbst geschmiedet:
hilf, mein Schwert, meinem Eide!
Das biet' ich mit mir zum Bund.

Hagen
Doch des Niblungenhortes
nennt die Märe dich Herrn?

Siegfried (zu Hagen)
Des Schatzes vergaß ich fast:
so schätz' ich sein müß'ges Gut!
In einer Höhle ließ ich's liegen,
wo ein Wurm es einst bewacht'.

Hagen
Und nichts entnahmst du ihm?

Siegfried
Dies Gewirk, unkund seiner Kraft.

Hagen
Den Tarnhelm kenn' ich,
der Niblungen künstliches Werk:
er taugt, bedeckt er dein Haupt,
dir zu tauschen jede Gestalt;
verlangt dich's an fernsten Ort,
er entführt flugs dich dahin.
Sonst nichts entnahmst du dem Hort?

Siegfried
Einen Ring.

Hagen
Den hütest du wohl?

Siegfried
Den hütet ein hehres Weib.

Hagen (für sich)
Brünnhild'!...

Gunther
Nicht, Siegfried, sollst du mir tauschen:
Tand gäb' ich für dein Geschmeid,
nähmst all mein Gut du dafür.
Ohn' Entgelt dien' ich dir gern.

Gutrune
Willkommen, Gast, in Gibichs Haus!
Seine Tochter reicht dir den Trank.

Siegfried
Vergäß' ich alles, was du mir gabst,
von einer Lehre lass' ich doch nie!
Den ersten Trunk zu treuer Minne,
Brünnhilde, bring' ich dir!

(Er setzt das Trinkhorn an und trinkt in einem langen Zuge. Er reicht das Horn an Gutrune zurück, die verschämt und verwirrt ihre Augen vor ihm niederschlägt. Siegfried heftet den Blick mit schnell entbrannter Leidenschaft auf sie.)

Die so mit dem Blitz den Blick du mir sengst,
was senkst du dein Auge vor mir?

(Gutrune schlägt errötend das Auge zu ihm auf.)

Ha, schönstes Weib!
Schließe den Blick;
das Herz in der Brust
brennt mir sein Strahl:
zu feurigen Strömen fühl' ich
ihn zehrend zünden mein Blut!
Gunther, wie heißt deine Schwester?

Gunther
Gutrune.

Siegfried
Sind's gute Runen,
die ihrem Aug' ich entrate?
Deinem Bruder bot ich mich zum Mann:
der Stolze schlug mich aus;
trügst du, wie er, mir Übermut,
böt' ich mich dir zum Bund?

(Gutrune trifft unwillkürlich auf Hagens Blick. Sie neigt demütig das Haupt, und mit einer Gebärde, als fühle sie sich seiner nicht wert, verläßt sie schwankenden Schrittes wieder die Halle.)

Hast du, Gunther, ein Weib?

Gunther
Nicht freit' ich noch,
und einer Frau soll ich mich schwerlich freun!
Auf eine setz ich den Sinn,
die kein Rat mir je gewinnt.

Siegfried
Was wär dir versagt, steh' ich zu dir?

Gunther
Auf Felsen hoch ihr Sitz –

Siegfried
»Auf Felsen hoch ihr Sitz;«

Gunther
ein Feuer umbrennt den Saal –

Siegfried
»ein Feuer umbrennt den Saal.«...?

Gunther
Nur wer durch das Feuer bricht –

Siegfried
»Nur wer durch das Feuer bricht«...?

Gunther
– darf Brünnhildes Freier sein.

(Siegfried drückt durch eine Gebärde aus, daß bei Nennung von Brünnhildes Namen die Erinnerung ihm vollends ganz schwindet.)

Nun darf ich den Fels nicht erklimmen;
das Feuer verglimmt mir nie!

Siegfried
Ich – fürchte kein Feuer,
für dich frei' ich die Frau;
denn dein Mann bin ich,
und mein Mut ist dein,
gewinn' ich mir Gutrun' zum Weib.

Gunther
Gutrune gönn' ich dir gerne.

Siegfried
Brünnhilde bring' ich dir.

Gunther
Wie willst du sie täuschen?

Siegfried
Durch des Tarnhelms Trug
tausch' ich mir deine Gestalt.

Gunther
So stelle Eide zum Schwur!

Siegfried
Blut-Brüderschaft schwöre ein Eid!

(Hagen füllt ein Trinkhorn mit frischem Wein; dieses hält er dann Siegfried und Gunther bin, welche sich mit ihren Schwertern die Arme ritzen und diese eine kurze Zeit über die Öffnung des Trinkhorns halten. Siegfried und Gunther legen zwei ihrer Finger auf das Horn, welches Hagen fortwährend in ihrer Mitte hält.)

Blühenden Lebens labendes Blut
träufelt ich in den Trank.

Gunther
Bruder-brünstig mutig gemischt,
blüh' im Trank unser Blut.

Beide
Treue trink' ich dem Freund.
Froh und frei entblühe dem Bund
Blut-Brüderschaft heut!

Gunther
Bricht ein Bruder den Bund:

Siegfried
Trügt den Treuen der Freund:

Beide
Was in Tropfen heut hold wir tranken,
in Strahlen ström es dahin,
fromme Sühne dem Freund!

Gunther
So – biet' ich den Bund.

Siegfried
So – trink' ich dir Treu'!

(betrachtet Hagen, welcher während des Schwures hinter ihm gestanden)

Was nahmst du am Eide nicht teil?

Hagen
Mein Blut verdürb' euch den Trank;
nicht fließt mir's echt und edel wie euch;
störrisch und kalt stockt's in mir;
nicht will's die Wange mir röten.
Drum bleib' ich fern vom feurigen Bund.

Gunther
Laß den unfrohen Mann!

Siegfried
Frisch auf die Fahrt!
Dort liegt mein Schiff;
schnell führt es zum Felsen.
Eine Nacht am Ufer harrst du im Nachen;
die Frau fährst du dann heim.

Gunther
Rastest du nicht zuvor?

Siegfried
Um die Rückkehr ist's mir jach!

(Er geht zum Ufer, um das Schiff loszubinden.)

Gunther
Du, Hagen, bewache die Halle!

(Er folgt Siegfried zum Ufer. Gutrune erscheint an der Tür ihres Gemachs, als soeben Siegfried das Schiff abstößt, welches sogleich der Mitte des Stromes zutreibt.)

Gutrune
Wohin eilen die Schnellen?

Hagen
Zu Schiff – Brünnhild' zu frein.

Gutrune
Siegfried?

Hagen
Sieh, wie's ihn treibt,
zum Weib dich zu gewinnen!

Gutrune
Siegfried – mein!

(Sie geht, lebhaft erregt, in ihr Gemach zurück.)

Hagen
Hier sitz' ich zur Wacht, wahre den Hof,
wehre die Halle dem Feind.
Gibichs Sohne wehet der Wind,
auf Werben fährt er dahin.
Ihm führt das Steuer ein starker Held,
Gefahr ihm will er bestehn.
Die eigne Braut ihm bringt er zum Rhein;
mir aber bringt er – den Ring!
Ihr freien Söhne, frohe Gesellen,
segelt nur lustig dahin!
Dünkt er euch niedrig, ihr dient ihm doch,
des Niblungen Sohn.


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