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Die Halle der Gibichungen am Rhein
Gunther, Hagen und Gutrune
Gunther
Nun hör, Hagen, sage mir, Held:
sitz' ich herrlich am Rhein,
Gunther zu Gibichs Ruhm?
Hagen
Dich echt genannten acht' ich zu neiden:
die beid' uns Brüder gebar,
Frau Grimhild' ließ mich's begreifen.
Gunther
Dich neide ich: nicht neide mich du!
Erbt' ich Erstlingsart,
Weisheit ward dir allein:
Halbbrüderzwist bezwang sich nie besser.
Deinem Rat nur red' ich Lob,
frag' ich dich nach meinem Ruhm.
Hagen
So schelt' ich den Rat,
da schlecht noch dein Ruhm;
denn hohe Güter weiß ich,
die der Gibichung noch nicht gewann.
Gunther
Verschwiegst du sie,
so schelt' auch ich.
Hagen
In sommerlich reifer Stärke
seh' ich Gibichs Stamm,
dich, Gunther, unbeweibt,
dich, Gutrun', ohne Mann.
Gunther
Wen rätst du nun zu frein,
daß unsrem Ruhm es fromm'?
Hagen
Ein Weib weiß ich,
das herrlichste der Welt:
auf Felsen hoch ihr Sitz;
ein Feuer umbrennt ihren Saal;
nur wer durch das Feuer bricht,
darf Brünnhildes Freier sein.
Gunther
Vermag das mein Mut zu bestehn?
Hagen
Einem Stärkren noch ist's nur bestimmt.
Gunther
Wer ist der streitlichste Mann?
Hagen
Siegfried, der Wälsungen Sproß:
der ist der stärkste Held.
Ein Zwillingspaar,
von Liebe bezwungen,
Siegmund und Sieglinde,
zeugten den echtesten Sohn.
Der im Walde mächtig erwuchs,
den wünsch' ich Gutrun' zum Mann.
Gutrune
Welche Tat schuf er so tapfer,
daß als herrlichster Held er genannt?
Hagen
Vor Neidhöhle den Niblungenhort
bewachte ein riesiger Wurm:
Siegfried schloß ihm den freislichen Schlund,
erschlug ihn mit siegendem Schwert.
Solch ungeheurer Tat
enttagte des Helden Ruhm.
Gunther
Vom Niblungenhort vernahm ich:
er birgt den neidlichsten Schatz?
Hagen
Wer wohl ihn zu nützen wüßt',
dem neigte sich wahrlich die Welt.
Gunther
Und Siegfried hat ihn erkämpft?
Hagen
Knecht sind die Niblungen ihm.
Gunther
Und Brünnhild' gewänne nur er?
Hagen
Keinem andren wiche die Brunst.
Gunther
Was weckst du Zweifel und Zwist!
Was ich nicht zwingen soll,
darnach zu verlangen machst du mir Lust?
Hagen
Brächte Siegfried die Braut dir heim,
wär' dann nicht Brünnhilde dein?
Gunther
Was zwänge den frohen Mann,
für mich die Braut zu frein?
Hagen
Ihn zwänge bald deine Bitte,
bänd' ihn Gutrun' zuvor.
Gutrune
Du Spötter, böser Hagen,
wie sollt' ich Siegfried binden?
Ist er der herrlichste Held der Welt,
der Erde holdeste Frauen
friedeten längst ihn schon.
Hagen
Gedenk des Trankes im Schrein;
vertraue mir, der ihn gewann:
den Helden, des du verlangst,
bindet er liebend an dich.
Träte nun Siegfried ein,
genöss' er des würzigen Tranks,
daß vor dir ein Weib er ersah,
daß je ein Weib ihm genaht,
vergessen müßt' er des ganz.
Nun redet: wie dünkt euch Hagens Rat?
Gunther
Gepriesen sei Grimhild',
die uns den Bruder gab!
Gutrune
Möcht' ich Siegfried je ersehn!
Gunther
Wie fänden ihn wir auf?
Hagen
Jagt er auf Taten wonnig umher,
zum engen Tann wird ihm die Welt:
wohl stürmt er in rastloser Jagd
auch zu Gibichs Strand an den Rhein.
Gunther
Willkommen hieß' ich ihn gern.
Vom Rhein her tönt das Horn.
Hagen
In einem Nachen Held und Roß!
Der bläst so munter das Horn!
Ein gemächlicher Schlag,
wie von müßiger Hand,
treibt jach den Kahn wider den Strom;
so rüstiger Kraft in des Ruders Schwung
rühmt sich nur der, der den Wurm erschlug.
Siegfried ist es, sicher kein andrer!
Gunther
Jagt er vorbei?
Hagen
Hoiho! Wohin,
du heitrer Held?
Siegfrieds Stimme
Zu Gibichs starkem Sohne.
Hagen
Zu seiner Halle entbiet' ich dich.
Hieher! Hier lege an!