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Einleitung

Hier liegt ein Memoirenband vor, der den Leser in die brodelnde Geschichte des Jahres 1809 führt. In Süddeutschland war das große Ringen zwischen dem bis an die Zähne gerüsteten Österreich und dem französischen Machthaber, in Norddeutschland flammten die »kleinen Vendéen« empor, die Unternehmungen der Dörnberg, Katt, Schill. Sie alle versagten, endeten zum Teil in erschütternder Tragik. Aber ein in der Geschichte einzig dastehendes Unternehmen glückte: der Zug Braunschweigs des Jüngern, des schwarzen Herzogs, der beispiellos ist in seiner Kühnheit. Wir haben den Bericht über diesen merkwürdigen Marsch von Böhmens Grenzen quer durch Deutschland bis zur Wesermündung, mitten durch eine Welt von Feinden, in den Erinnerungen eines Offiziers, der als junger Leutnant in das Korps eintrat, des späteren braunschweigischen Generals von Wachholtz. – Herr von Wachholtz verließ nach der Jenaer Niederlage gezwungen den preußischen Dienst und meldete sich, inzwischen auf kümmerlichen Erwerb angewiesen, als Braunschweigs Werbetrommel Anno 1809 erklang, zum Eintritt in das schwarze Korps. Er machte dann den ganzen Feldzug unter dem Herzog in Deutschland mit und diente innerhalb des braunschweigischen Kontingentes im englischen Solde weiter. So gibt der Verfasser ein lebendiges Bild jenes außerordentlichen Unternehmens und des besonderen Mannes, der es trug, des schwarzen Herzogs. Hier offenbart sich dem Geschichtsfreunde so recht, was in sturmbewegter Zeit Mannesmut vermag, wenn auch an ein Ziel gesetzt, welches dem nüchternen Beurteiler fast abenteuerlich erscheinen muß. Sehr fesselnd und intim sind auch die ersten Monate des englischen Dienstes wiedergegeben, das Leben auf den englischen Inseln, in den Baracken, in Irland und schließlich die Landung in Portugal. Von dem Führer des kühnen Zuges, dem schwarzen Herzog, sagte der Kaiser Napoleon als er die Kunde vernahm, bewundernd: »Ah, c'est un vaillant guerrier!«

T. R.

Öls ist von Brieg acht Meilen entfernt. Mich eines Wagens zu bedienen, erlaubten meine beschränkten Mittel nicht. Ich eilte zu Fuß dahin, meine Schritte beflügelte das Verlangen, dem Herzoge mich vorzustellen und ihm meinen Wunsch selbst vorzutragen. Schon am Nachmittage des zweiten Tages meines Abganges aus Brieg langte ich in Öls an; aber zu meiner Betrübnis erfuhr ich, daß der Herzog am nämlichen Morgen abgereist sei und nicht wieder zurückkehren werde. Ein Offizier, welchen der Fürst in Öls zurückgelassen hatte, bestätigte zwar die Errichtung des Korps, war aber außerstande, eine nähere Auskunft über die Organisation desselben zu geben. Er riet mir dringend, keine Zeit zu verlieren und nach Nachod, einem an der schlesisch-böhmischen Grenze gelegenen Städtchen, wohin der Herzog sich begeben habe, zu eilen, indem der Andrang von Offizieren zu der Freischar, wie er zuverlässig wisse, sehr stark sei. Diese Nachricht entmutigte mich; mißtrauisch blickte ich auf meine müden und wunden Füße und überlegte, was zu tun sei, denn der Weg von Öls nach Nachod beträgt einige zwanzig Meilen. Doch der Gedanke, unter Österreichs Fahnen gegen die Unterdrücker meines Vaterlandes zu kämpfen und vielleicht einer besseren Zukunft entgegenzugehen, befestigte meinen Entschluß und flößte mir neue Kräfte ein. Unverzüglich trat ich den Rückweg an. Nur einen Tag blieb ich, mich erholend, in Brieg, nahm von meiner guten Mutter Abschied und setzte dann meinen Wanderstab nach Nachod weiter. Das schönste Wetter begünstigte meine Pilgerfahrt, die über Strehlen, Frankenstein und Glatz ging, von welcher letzteren Stadt Nachod nur noch eine Tagereise entfernt liegt. Ziemlich erschöpft von der viertägigen Wanderung, kehrte ich in dem Wirtshause »zur Krone« in Glatz ein. Nach der Abendmahlzeit brachte mir ein Dienstmädchen den Nachtzettel, auf welchem ich meinen Namen eintragen sollte. – »Sie gehen wohl auch hin?« – fragte sie mich lächelnd. Ich stutzte. »Seit ein paar Tagen schon«, fuhr sie fort, »ist's bei uns nicht leer geworden, alle Nächte sind Offiziere hier, die hingehen. In der Stube unten ist eben schon wieder einer angekommen, der morgen früh weiter will.« Kaum hatte ich das von dem ebenso gutmütigen als neugierigen Mädchen gehört, als ich sie bat, mich zu dem fremden Offizier zu führen. Derselbe war ein Rittmeister von Fehrentheil, welcher zu dem Herzoge von einer ihm aufgetragenen Mission nach Nachod, wie er mir später erzählte, zurückkehrte. Bald wurden wir miteinander bekannt; bis tief in die Nacht saßen wir zusammen, unsere Gläser oft auf das Wohl des ritterlichen Herzogs und auf unser zukünftiges Kriegsglück leerend. Am folgenden Tage, dem 31. März, nahmen wir Postpferde, passierten hinter Reinerz die österreichische Grenze und fuhren am Nachmittage in Nachod ein. Überall erblickte ich in den Gassen und auf dem Marktplatze des Städtchens ein kriegerisches Treiben, da auch hier eine bedeutende Abteilung des böhmischen Landsturms organisiert wurde; aber das erste, was ich vernahm, war, daß die Anzahl der Offiziere für das Korps bereits vollzählig sei und schon einige von ihnen, ohne daß man ihre Dienste angenommen habe, nach Preußen zurückgekehrt wären. Diese Nachricht bestürzte mich in einem nicht geringen Grade, doch mein Reisegefährte flößte mir Vertrauen ein, in meinen Erwartungen nicht zu verzagen. Er versprach mir seinen Beistand und seine Fürsprache bei dem Herzoge. Noch an dem Nachmittage stellte er mich dem Adjutanten desselben, Kapitän von Sander, wie auch einem Kapitän von Herzberg, welcher letztere, wie er mir sagte, bei dem Herzoge viel gelte, vor. Beide kamen mir mit großer Freundlichkeit entgegen und gaben mir die Versicherung, daß der Herzog meine Dienste auf das Zeugnis des ihm wohlbekannten, so ausgezeichneten Oberstleutnants von Raumer annehmen werde. Nachdem von Fehrentheil seinen Rapport bei dem Fürsten abgestattet hatte, kam er eilends zu mir und setzte mich in Kenntnis, daß derselbe mich um 7 Uhr zu sprechen verlangte. Zu der bestimmten Zeit begab ich mich nach der Wohnung des Herzogs. An der Tür begegnete mir der Adjutant von Sander, der mich sogleich bei dem Herzoge meldete. Ich trat schüchtern in das Zimmer und stand vor einem Mann von mittlerer Größe, welcher eine einfache schwarze Kutka trug, und dessen Haupt eine kleine schwarze Mütze bedeckte, die er bei meinem Eintritte lüftete, aus einer kurzen Pfeife mit großem hölzernem Kopf rauchend. Unter einer hohen, schön gewölbten, mit einigen finsteren Falten durchfurchten Stirn glänzten, von sehr starken Augenbrauen tief beschattet, ein Paar lebhafte blaue Augen hervor, zwischen denen sich eine fein geformte Nase erhob; der untere Teil des Gesichts war von einem buschigen, äußerst starken Barte bewachsen, der keine Züge unterscheiden ließ. Freundlich, mit ungemeiner Höflichkeit und wohlklingender, sanfter Stimme fragte der Herzog nach meinem Begehren. Nicht ohne Befangenheit trug ich es ihm vor. »Ich werde«, erwiderte er, »Ihren Wunsch gewähren und Ihnen eine Leutnantsstelle bei der Infanterie geben, doch kann ich nicht umhin, Sie zu fragen, ob Sie den Schritt, den Sie zu tun im Begriff sind, reiflich überlegt haben. Das Korps geht manchem Ungemach, mancher Gefahr entgegen, ungewiß ist der Erfolg, für alles einzustehen bin ich nicht imstande, und was gedenken Sie dann zu beginnen, wenn das Unternehmen mißlingt, da Ihnen die Rückkehr in den preußischen Dienst verschlossen ist?« Bei diesen fast in einem väterlichen Tone gesprochenen Vorstellungen glättete sich seine Stirn, die Augen nahmen einen freundlichen und sanften Ausdruck an, sein ganzes Wesen wurde so einnehmend, daß ich Vertrauen faßte, meine Schüchternheit ablegte und dem Herzoge antwortete, daß ich jedenfalls unter den obwaltenden Verhältnissen nicht länger in meinem Vaterlande ausdauern könne und wolle, daß ich mich glücklich schätze, unter einem deutschen Fürsten für die Freiheit Deutschlands fechten zu können, und bereit sei, jedwedes Ungemach, jedwedes Schicksal in einem solchen Kampfe zu tragen. Der Herzog schien durch diese Erklärung befriedigt zu sein, er wiederholte nochmals meine Anstellung in dem Korps und gab mir zugleich Urlaub auf einige Tage, um meine Angelegenheiten zu Hause in Ordnung zu bringen. Er hatte die Gnade, mich für den Abend einzuladen. Das Zimmer füllte sich bald mit Offizieren, welche sämtlich im Überrock erschienen und ihre Pfeifen anzuzünden nicht lange zögerten. Auf einen Nebentisch wurden einige Teller mit Butterbrot und Braten und eine Bowle Punsch gestellt; ein jeder der Eingeladenen bediente sich nach Belieben. Die Unterhaltung war gleichfalls ohne Zwang, sie drehte sich natürlich um die nächste Zukunft; man politisierte, entwarf Operationspläne für die österreichische Armee und das Korps, äußerte fromme Wünsche für den Beitritt Preußens, reihte Siege und Erfolge aneinander und bemühte sich, freilich oft vergebens, die aufgestellten Behauptungen und Ansichten durch die Lage der Orte auf einer vor uns ausgebreiteten Landkarte zu beweisen. Aus den Gesprächen des Herzogs entnahm ich so viel, daß es der Hauptzweck des Korps sei, nach dem Norden Deutschlands, besonders nach den Erbstaaten des Fürsten vorzudringen, dort im Rücken der französischen Armee eine Insurrektion zu erregen oder vielmehr die, wie verschiedene Andeutungen mich vermuten ließen, schon vorbereitete und glimmende anzufachen und zum Ausbruch zu bringen; derselben sollte unsere Schar zum Kern und Anschluß dienen.

Friedrich Wilhelm war der vierte Sohn des berühmten Herzogs von Braunschweig-Lüneburg Carl Wilhelm Ferdinand, des Neffen, Schülers und Kriegsgefährten Friedrichs des Großen, des Eroberers Hollands, des unglücklichen Führers der preußischen Armee 1806. Da die drei ältesten Söhne desselben an einer beinahe an Blindheit grenzenden Augenschwäche litten, so beruhte auf ihm die einzige Hoffnung des Vaters, durch dessen Fürsorge ihm schon zeitig die Erbschaft des Onkels, des Herzogs Friedrich August, welcher in Schlesien die Fürstentümer Öls und Bernstadt besaß, zugesichert worden und ihm auch nach dem Tode desselben (1805) zufiel. Im Jahre 1802 vermählte sich der Herzog mit der Prinzessin Marie von Baden, die ihm am 30. Oktober 1804 den Prinzen Karl und am 25. April 1806 den Prinzen Wilhelm gebar. Seine militärische Laufbahn hatte er in der preußischen Armee begonnen, sich in der Rheinkampagne, in welcher er bei Etsch am 27. November 1791 verwundet ward, durch Kühnheit und Mut ausgezeichnet und im Kriege 1806 das in Prenzlau garnisonierende Infanterieregiment als dessen Chef geführt. Sein ältester Bruder, der Erbprinz Karl Georg August, starb am 20. September desselben Jahres kinderlos auf dem Lustschlosse Antoinettenruh bei Wolfenbüttel, und wenige Wochen nachdem der Vater diese Trauerbotschaft in dem Hauptquartier zu Naumburg empfangen hatte, traf diesen selbst die tödliche Kugel bei Auerstädt. Nach Braunschweig getragen, fand er schon die Seinigen nicht mehr daselbst; sie waren vor dem daherbrausenden Sturme geflüchtet, seine Gemahlin, seine Schwester, die Äbtissin von Gandersheim, seine beiden Söhne Georg und August hatten nach Rostock, die Erbprinzessin nach Schwerin, die Herzogin Marie mit ihren Söhnen nach Stralsund sich eiligst begeben. Am 21. Oktober traf der Herzog auf dem Rückzuge den seines Augenlichts beraubten Vater in Braunschweig, der ungeachtet seiner Leiden doch die Sorge für das Land und den geliebten Sohn nicht vergaß und daselbst die Urkunde ausfertigen ließ, kraft welcher letzterem die Regierungsnachfolge überlassen wurde, welchen Vertrag seine Brüder durch zwei Entsagungsdokumente zu Rostock auch bestätigten. – Nach der Erstürmung Lübecks durch die Franzosen eilte der Herzog kriegsgefangen mit dem General Blücher zu seinem Vater nach Ottensen, einem Dorfe bei Altona, wohin man den Schwerverwundeten gebracht hatte. Aber es sollte ihm nicht vergönnt sein, denselben noch lebend anzutreffen. Zwei Tage vor seiner Ankunft, am 10. November, war der einundsiebzigjährige Greis entschlafen. Währenddessen hatten die Franzosen das Herzogtum besetzt und solches für ein erobertes Land erklärt. Napoleon dekretierte, daß das Haus Braunschweig aufgehört habe zu regieren. »La maison de Brunsvic a cessé de régner. Que le Général Brunsvic s'en aille chercher une autre patrie au delà des mers. Partout, où mes troupes le trouveront, ils le rendront prisonnier,« lautete der Befehl des französischen Kaisers. Nur von einer glücklichen Wendung des in Ostpreußen fortgesetzten Krieges ließ sich eine günstige Änderung für Friedrich Wilhelm hoffen, und in Erwartung dieser Zukunft lebte er, nachdem er auf sein Ersuchen von dem Könige von Preußen einen ehrenvollen Abschied aus dem Kriegsdienste erhalten, mit seiner Gemahlin auf einem Landhause unfern Ottensen.

Mit dem Abschlusse des Tilsiter Friedens schwanden seine letzten Hoffnungen; die braunschweigischen Lande wurden dem neugeschaffenen Königreiche Westfalen einverleibt; nach Bruchsal in stille Eingezogenheit zog er sich mit seiner Gemahlin zurück. Da traf den edlen Fürsten der letzte Schlag des Schicksals: die Herzogin Marie starb am 20. April 1808 nach der Entbindung von einer toten Prinzessin. Dieser tiefgefühlte Verlust, welcher wohl nur als eine Folge jener von der Fürstin auf der Flucht erduldeten Mühseligkeiten und Beschwerden angesehen werden konnte, erfüllte den Herzog mit noch größerem Hasse gegen den Urheber seines Mißgeschicks, der ihm den Vater, sein Land und jetzt auch sein häusliches Glück geraubt hatte. Mit welcher Innigkeit er an der nur zu früh Dahingeschiedenen hing, mag folgender wenige Tage nach ihrem Tode an den Etatsrat von Zimmermann zu Braunschweig eigenhändig von ihm geschriebene Brief beurkunden: »Sie kannten das unaussprechliche Glück, welches mir meine Verhältnisse mit meiner seligen Frau in dieser Welt gewährten; sie war es, die so manches Unangenehme mit mir teilte; durch sie wurde mir das Herbe weniger empfindlich; sie gab mir Freude, beruhigte meine Empfindungen und war in allen Lagen meine Zuflucht. Dieses meinem Herzen so unendlich teuere Wesen habe ich verloren und mit ihm alles, was mich früher an diese Welt fesselte. Meine gute Marie ist tot, und damit mir alles übrige gleichgültig. Nach diesem schmerzhaften Ereignisse kann mir nichts mehr begegnen, was mein innerstes Gefühl so unglücklich machte. Unglück und Prüfungen sind gewiß oft in der Welt nötig, um uns zu einer besseren Zukunft vorzubereiten, sowie hier auf der Erde kälter und überlegter zu machen. Ob dieses letztere mir so nötig war, wage ich nicht zu beurteilen.«

Das glühendste Rachegefühl gegen Frankreich entflammte seine Brust. Als daher im Frühjahr 1809 jener Krieg auszubrechen drohte, zu welchem sich Österreich, alles aufbietend gegen Napoleon, gerüstet hatte, mit neuem Mute jedes deutsche Herz belebend, ergriff der Herzog diese Gelegenheit begierig, wiederum das Schwert gegen Frankreich zu ziehen. Schon im Februar reiste er von Karlsruhe nach Wien, woselbst er eine Übereinkunft mit Österreich abschloß, vermöge welcher er als deutscher Reichsfürst auf eigene Kosten ein Korps von 2000 Mann zu stellen sich bereit erklärte, wofür ihm alle Zusicherungen eines Alliierten des Kaiserhauses gegeben wurden. Einen ihm vom Kaiser angebotenen Grad in der österreichischen Armee lehnte er ab, um die von ihm ausbedungene Unabhängigkeit fortwährend zu behaupten und sich keine Verantwortlichkeit aufzubürden.

Um aber die Kosten bestreiten zu können, welche die Stellung und Ausrüstung der Schar notwendigerweise erforderte, sah er sich gezwungen, die Fürstentümer Öls und Bernstadt, deren dauernder Besitz für ihn, den Feind Napoleons, ohnedies zweifelhaft war, mit so bedeutenden Schulden zu belegen, daß von seiten Preußens eine Sequestrationskommission in Öls ernannt werden mußte. Die auf diese Weise erhaltenen Summen und einen großen Teil des väterlichen Erbes verwandte er auf die Errichtung des Korps, also fast sein ganzes Gut einsetzend, um entweder auf dem Felde der Ehre alles wieder zu gewinnen oder im Kampfe unterzugehen. Da jedoch unter solchen Umständen die Sicherheit seiner bei ihrer Großmutter, der Markgräfin Amalie, in Bruchsal weilenden Söhne in Deutschland gefährdet war, so ließ sie der Herzog im Monat April 1809 nach Öls kommen. Von dort aus folgten sie ihm nach Nachod, woselbst ich die beiden zarten Knaben zu verschiedenen Malen zu sehen das Glück hatte. Bei dem Aufbruche des Korps sandte er sie unter der Obhut des Majors von Nordenfels nach Kolberg, und erst am 14. Oktober drückte er sie im Hafen von Greenwich nach gefahrvoller Trennung wieder an sein väterliches Herz.

Über den Etat und die Organisation des Korps hörte ich von mehreren Offizieren, welche der Herzog für sein Unternehmen schon in Öls gewonnen hatte, daß es aus einem in zwei Bataillone geteilten Infanterieregimente von acht Kompagnien, einem Husarenregimente zu sechs Eskadrons und einer reitenden Batterie bestehen sollte. Die Stärke eines jeden Regiments war vorläufig auf 1000 Mann bestimmt, doch beabsichtigte der Herzog bei einem glücklichen Erfolge des Unternehmens in Norddeutschland noch zwei Regimenter zu errichten, zu welchem Zwecke der Offizieretat schon jetzt sehr zahlreich angenommen war.

Der Uniformrock der Infanterie bestand aus einer schwarzen Kutka (polnischem Rock) mit einfachem Besatz, hellblauen Aufschlägen und stehendem Kragen, der mit einer schwarzen Schnur eingefaßt war. Zu dem Rocke wurden schwarze, lange Beinkleider getragen; ein Tschako mit einem weißmetallenen Totenkopfe und schwarzem Federbusche, welcher später mit einem schwarzen Roßschweife vertauscht wurde, diente zur Kopfbedeckung. Die Uniform der Husaren glich im allgemeinen jener der Infanterie. Sie trugen statt der Kutka schwarze Dolmans mit hellblauem Kragen und dergleichen Aufschlägen, schwarzem Schnurbesatz und übersponnenen Knöpfen, eine gelbe Schnurschärpe mit hellblauen Knöpfen, schwarze Reitbeinkleider mit blauem Streif. An dem Tschako befanden sich gelbmetallene Sturmbänder, ein weißmetallener Totenkopf und ein Roßschweif zierte denselben; das Lederzeug war schwarz. Die Offiziere hatten indes Polenröcke und keine Dolmans. Der Herzog selbst trug während des Zuges für beständig gleichfalls einen nur einfachen, mit wenigen Schnüren besetzten schwarzen polnischen Rock mit hellblauem stehendem Kragen und Aufschlägen von gleicher Farbe, anliegende schwarze Tuchbeinkleider ohne Besatz, ungarische, mit schwarzer Schnur eingefaßte Stiefel und stählerne Anschraubesporen. Sein Haupt bedeckte stets eine kleine Feldmütze ohne Schirm von schwarzem Tuch mit schmaler blauer Einfassung von gleichem Stoffe. Seinen Säbel mit Stahlgriff und Korb, in lederner, mit Stahlblech beschlagener Scheide, trug er an einer schwarzlackierten, mit weißmetallenen Löwenköpfen gezierten Koppel.

Das Material zu der Ausrüstung des Korps war bereits vorrätig und befand sich größtenteils in Nachod; doch waren die Gewehre der Infanterie schlecht; das schwarze Lederzeug aber hatte man dafür besser geliefert erhalten. Die Besoldung war reichlich; so bekam monatlich der Oberstleutnant 600 Gulden W. W. (200 Taler), der Major 450 Fl. (150 Taler), der Kapitän 300 Fl. (100 Taler), der Stabskapitän 180 Fl. (60 Taler), der Premierleutnant 150 Fl. (50 Taler), der Sekondeleutnant 120 Fl. (40 Taler), der Unteroffizier jeden fünften Tag 3 Fl. und der Jäger 1 Fl. Die Besoldung der Kavallerie und Artillerie war höher. Überdem wurden noch einem jeden der Infanterieoffiziere 150 Fl. Equipierungsgelder ausbezahlt und denen von der Kavallerie verhältnismäßig mehr. Diese Einrichtungen und Vorbereitungen zeugten von dem edlen Sinne und dem kühnen, mutigen Streben des Herzogs, aber es fehlte uns noch die Mannschaft selbst, denn so groß auch der Andrang von Offizieren war, so bestand doch das ganze Korps (in den ersten Tagen des Aprils) aus kaum zwanzig Soldaten. Vom Ersten jenes Monats fing die etatsmäßige Zahlung an, und ich erhielt sogleich das Gehalt für den laufenden Monat nebst den Equipierungsgeldern.

Meine Mutter teilte innig mit mir die Gefühle der Wehmut und der Freude, welche die glückliche Ausführung meines raschen Entschlusses in mir erregt hatte; denn so angenehm es ihr sein mußte, daß ich den Weg einer neuen, ehrenvollen Tätigkeit betrat, so war es ihr äußerst schmerzlich, daß ich den preußischen Dienst verließ und nicht unter Preußens Adler eine solche Bahn wandeln konnte. Ihre Besorgnisse, mich vielleicht nicht wiederzusehen, wurden noch dadurch erhöht, daß während meiner Abwesenheit von Brieg ein königliches Edikt erschienen war, infolge dessen auf alle heimliche Werbung für das braunschweigische Korps streng vigiliert und jeder, der sich derselben verdächtig mache, sofort arretiert werden solle. Dieses stimmte freilich nicht mit jenen früheren Gerüchten von des Königs stillschweigender Zustimmung überein und schlug manche geheim genährte Hoffnung nieder.

So trennte ich mich nach einem kurzen Aufenthalte von den Meinigen, nach Nachod zurückkehrend. Ich fand hier aber noch alles so, wie ich es verlassen hatte; Offiziere in Menge, aber keine Leute. Eine meiner Sorgen war jetzt, ein Quartier in dem kleinen Städtchen zu erhalten, mein Bemühen war aber vergeblich, da alle hierzu passenden Wohnungen schon eingenommen waren. Nur die Freundschaft eines Kameraden, der mich in sein Zimmer aufnahm, ersparte mir das Biwakieren auf dem eben nicht einladenden Kaffeehause des Orts. Dasselbe war das große Quartier der Offiziere, in welchem von einem Morgen zum andern manche Flasche geleert und ein großer Teil der empfangenen Equipierungsgelder verausgabt wurde. Ich hatte hier Gelegenheit, viele meiner künftigen Kameraden näher kennen zu lernen. Von ihnen fesselte mich besonders der österreichische Rittmeister Buchner vom Chevaulegersregimente Klenau, der dem Herzoge als Adjutant von seiten Österreichs beigegeben war, ein junger, schöner Mann, voll Kraft und Ausdruck und von gebildetem und empfehlendem Wesen; Kapitän Corfes, ein Braunschweiger, zum Kommandeur der Artillerie bestimmt; die Kapitäne von Rabiel und von Kessel, der Leutnant von Pröstler, der Kapitän und Brigadeadjutant von Lüder und mehrere andere. Von Bekannten aus früherer Zeit fand ich nur wenige; einen alten Freund erblickte ich, dessen Lebensweg ein besonderes Geschick eng mit dem meinigen zu vereinigen schien, den Leutnant von Wolffradt. Schon als derselbe vier Jahre zählte, waren wir in Breslau Nachbarn gewesen, und die Spiele der Kindheit hatten uns vereint.

An ein tätiges Leben in der letzten Zeit gewöhnt, drückte mich hier der erschlaffende Müßiggang; meine Lebensweise in dem engen, schlechten Quartier und auf dem geräuschvollen Kaffeehause war höchst unbehaglich. Dienstgeschäfte gab es noch nicht; denn obwohl man auf einen bedeutenden Andrang der brotlosen preußischen Soldaten in dem benachbarten Schlesien gerechnet hatte, so belief sich die Stärke des Infanterieregiments noch nicht auf dreißig Mann. Der Herzog glaubte die Ursache dieser Teilnahmlosigkeit darin suchen zu müssen, daß die Errichtung des Korps noch nicht hinlänglich in Schlesien bekannt sei, und hielt es für zweckmäßig, einige Offiziere unter der Hand dahin abzuschicken, um die Kunde von seinem Vorhaben im Lande zu verbreiten und zugleich Leute anzuwerben. Auch mir wurde von ihm der Befehl, sofort nach Schlesien zurückzukehren und taugliche Subjekte für das Korps zu gewinnen. Um aber meinen Auftrag mit Erfolg auszuführen, bedurfte ich zuvörderst einiger Unteroffiziere als Unterhändler, doch konnte ich diese nur in meiner früheren Garnison finden. Ich schrieb deshalb aus Grottkau, wohin ich mich von Nachod begeben hatte, nach Brieg, und es gelang mir, drei tüchtige Leute zu diesem Zwecke zu engagieren. Indes mußte ich sehr behutsam und vorsichtig in meinem Geschäfte zu Werke gehen, da ein neues königliches Edikt erschienen war, durch welches, wegen Errichtung eines Freikorps in Nachod, alle heimliche Werbung streng verboten und jedermann gewarnt wurde, sich nicht in Verbindungen einzulassen, welche die Ruhe des Landes gefährden könnten; auch erhielten die Behörden in demselben die Weisung, besonders an den Grenzen die Aufsicht zu verdoppeln. Dessenungeachtet glückte es mir, Leute anzuwerben, und ich würde eine noch bedeutendere Anzahl zusammengebracht haben, wenn nicht die Geworbenen selbst zuviel von mir und ihrem neuen Engagement geplaudert hätten. Die Weiber von mehreren derselben kamen weinend zu mir und wollten Auskunft haben, was für sie von Seiten des Herzogs geschehen würde, wenn ihre Männer blieben oder in Jahr und Tag nicht zurückkämen. Die gerechte Besorgnis stieg daher in mir auf, daß die Sache noch bekannter werden könne und ein Einschreiten der Behörden wohl zu befürchten sei, weshalb ich es jetzt fürs beste hielt, nachdem ich die Geworbenen gehörig instruiert hatte, wie sie am sichersten über die Grenze gelangen könnten, das Österreichische eiligst zu erreichen.

In Nachod waren mittlerweile verschiedene Einteilungen und Anordnungen für das Korps getroffen worden; von den acht Infanteriekompagnien, deren jede jetzt im Durchschnitt zehn Mann stark war, erhielten drei Nachod, drei Neustadt an der Mettau, eine Politz und eine Braunau zu ihren Standquartieren, in welchem letzteren Orte und dessen Umgebung auch der größte Teil der Kavallerie lag. Ich erhielt die Order, mich zur Kompagnie des Kapitäns von Scriver in Braunau zu begeben, der als Leutnant im preußischen Infanterieregimente Schimonsky gedient und sich den Ruf eines tüchtigen Offiziers erworben hatte. Ich ging sogleich dahin ab, und eine romantisch gelegene Mühle erhielt ich zum Quartiere. Scriver war ein Mann von hoher wissenschaftlicher und sehr feiner Weltbildung; eine kurze Zeit genügte, uns fest aneinanderzuketten und eine recht innige Freundschaft zwischen uns zu begründen. Da Braunau in einem von drei Seiten durch Schlesien begrenzten Winkel Böhmens liegt, so glückte es uns, einen ziemlich starken Zulauf von Rekruten zu bekommen. Diese wurden den Tag hindurch tüchtig einexerziert und von mir besonders im Tiraillieren geübt.

*

Ein Auftrag zum Empfang einiger Montierungsstücke führte mich auf eine kurze Zeit nach Nachod zurück. Ich fand, daß während meiner Abwesenheit von dort in verschiedene Zweige, welche die Organisation eines Korps in sich faßt, noch immer nicht die durchaus erforderliche Ordnung gebracht war. Man schickte mich von diesem zu jenem, keiner wußte Bescheid, wo sich die verlangten Sachen befanden. Als ich mich bei meiner Rückkehr nach Braunau wieder bei dem Herzog meldete, drückte er seine Ungeduld und Unzufriedenheit darüber laut aus, daß die Schwäche seines Korps ihm leider noch nicht gestatten wolle, auf dem schon eröffneten Kriegsschauplatze mit zu agieren.

Der schnelle Anwuchs unserer Kompagnie erregte die Eifersucht der übrigen Abteilungen. Auf Befehl des Herzogs ward noch die Kompagnie des Majors von Kottulinsky nach Braunau verlegt und ich zu derselben versetzt. Die Werbung ging auch ferner gut vonstatten, denn beide Kompagnien zählten bald an 70 Mann, wogegen der Zuwachs der übrigen noch immer gering blieb. Diese langsame Komplettierung des Korps, die unseren feurigen Wünschen, an dem Kampfe sofort teilzunehmen, jetzt hindernd entgegentrat, war um so niederschlagender, als die Nachrichten über das Waffenglück der österreichischen Hauptarmee unter dem Erzherzog Karl nicht erfreulich lauteten; die Kunde von den blutigen Tagen von Abensberg, Landshut und Eckmühl und dem Rückzuge des Heeres nach Böhmen erfuhren wir nur zu bald. Der Herzog war über solche unerwartete Ergebnisse und über jene Hemmungen, welche sich dem Anfange seiner Operationen entgegenstellten, sehr mißmutig und unzufrieden. Die Nachricht von dem Abmarsche Schills von Berlin erhöhte noch mehr sein und unser Verlangen, in voller Tatkraft gegen die Unterdrücker des Vaterlandes denselben Schauplatz zu betreten, welchen der todesmutige Mann mit seinem Husarenregimente, wie uns berichtet wurde, gewählt hatte.


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