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5.

»Erinnerst Du Dich des Herrn von Fürth? Er machte uns heute seinen Besuch. Ich nahm ihn natürlich nicht an, da Du nicht zugegen und ich unwohl war.«

Damit empfing Stella ihren Gatten, als dieser am nächsten Abend zurückkehrte.

Carl war ermüdet; er hatte eine ganze Reise durch große Fabrik-Anlagen gemacht, die ihn abgespannt. Jetzt lag er im Sessel, blätterte in seinem Notizbuche und bemerkte nicht, daß auch Stella, der er die Stunde seiner Rückkehr angegeben, noch sehr erregt, daß sie kaum Zeit gehabt, Hut und Mantille von sich zu werfen und die leidende Miene wieder anzunehmen.

» Uns machte er seinen Besuch?« fragte er, ohne aufzuschauen. »Ich erinnere mich allerdings, daß er Dir in Auershof sehr die Cour gemacht. Ich bin indeß nicht eifersüchtig.«

»Du hättest auch wenig Ursach dazu. Du weißt doch, daß er die aschgraue Hanna heirathete, natürlich um ihres Geldes willen.«

»Was treibt er denn hier?«

»Was weiß ich! Wenn ich nicht sehr irre, sah ich ihn gestern Abend flüchtig in einer Loge des Theaters erscheinen mit einigen Herren unseres Hofes, und mir war's sogar, als sei der eine davon der jüngste Prinz selbst gewesen. Sie sind wohl auf Reisen.«

»Hast Du Dich wirklich nicht ein bischen für ihn interessirt?« Carl erhob sich und setzte sich zu ihr. »Mir ist der Tag ohne Dich heute so lang geworden, als sei ich eine ganze Woche von Dir.«

»Mir auch!« Sie versteckte ein Gähnen und schützte Migräne vor. »Hast Du gar keine Bekannte hier, mit denen Du Dich zerstreuen könntest? Ich fürchte, Dir langweilig zu werden mit meinem Unwohlsein.«

»Es ist mir zu unbequem, sie aufzusuchen.« Er wollte sie liebkosen. Sie rückte verstimmt von ihm.

Seit dem gestrigen Abend sah sie einen Abgrund zwischen ihm und ihr. Er erschien ihr wie ein Mann, der zu unbedeutend, als daß man ihn verabscheuen konnte, der eben nur lästig, der langweilte. Sie hatte den Tag draußen am Seine-Ufer in Asnières in der heitersten Gesellschaft der Hof-Kavaliere und einiger Damen vom Theater verbracht. Man war auf der Seine umher gerudert; sie hatte die schönen, zierlichen Regatten-Böte gesehen und darin die Damen, als Gondolièren gekleidet. Man hatte dinirt im Garten und sie hatte sich von dieser Gesellschaft gerade um die Abendstunde trennen müssen, wo es am schönsten zu werden versprach.

Man hatte ihr erzählt von Trouville und Etretat, vom Meeresstrand, wohin jetzt Alles hinaus ziehe, um sich in die blauen Fluten zu stürzen, von dem lustigen Durcheinander der gemeinschaftlich in ihren Badekostümen im Wasser plätschernden Geschlechter, von der glänzenden Gesellschaft, die sich dort sammle, von den kleinen Dampfjachten, auf denen man in's Meer hinaus steche, und von hunderterlei Anderem.

Das Alles ging ihr im Kopf herum. Sie warf sich auf die Causeuse zurück und preßte das Taschentuch vor die Stirn. Carl trat wieder zu ihr und küßte den kleinen Fuß; sie zog ihn unmuthig zurück.

»Du weißt, ich bin leidend; schone meine Nerven! Ich ließ ohne Dein Wissen heute schon den Arzt des Hôtels rufen. Er rieth mir die Seebäder. Ich bereue, Deinen Vorschlag nicht angenommen zu haben, drüben in Brighton einige Wochen zu verweilen. Ich will's Dir nur offen gestehen, ich lehnte es ab um einiger Deiner Freunde willen, die mir in einer lästigen Weise den Hof machten, sobald Du nicht zugegen warst. Henry Norton, der große Blonde, war noch der anständigste von ihnen. Ich gehöre nicht zu denen, die hinter dem Rücken ihres Mannes ...«

Carl nahm ihre Hand und küßte sie dankbar.

»Und wohin rieth Dir denn der Arzt zu gehen?«

»Er sprach von Trouville, das ja ganz in der Nähe. Er sagte, das Klima in Paris sei im Sommer nervösen Naturen sehr schädlich.«

»Gut! Es ist im Grunde gleich, wohin wir gehen, liebe Stella! Vor dem Herbst ist ja an meine Geschäfte doch nicht zu denken. Du brauchst nur zu bestimmen.«

Stella überließ ihm ihre Hand; sie wehrte nicht seinen Liebkosungen, denn sie war zufrieden mit ihm. Sie sprach dabei von der Nothwendigkeit, ihre Toilette für einen Bade-Aufenthalt in Ordnung zu bringen, denn sie habe gelesen, daß in Trouville die Damen alle in großem Aufwand erschienen.

Sie müsse Bade-Kostume, Roben für jede Tageszeit haben; es werde ihr viel Mühe machen, das Alles zu beschaffen; indeß werde sie in acht Tagen reisefertig sein können.

Carl war mit Allem einverstanden. Er war so glücklich, wenn sie sich seinen Liebkosungen überließ, ohne nervös zu werden. Ihre Nerven bestanden heute jede Probe.

»Armer Carl,« sagte sie endlich, ihm die Wange streichelnd, »weißt Du, daß Du mir leid thust? Ich werde von morgen ab den halben, vielleicht den ganzen Tag für mich haben müssen, um alle die Magazine zu besuchen; man wird mir im Hotel alle die Adressen geben, aber Du sollst dafür den Trost haben, daß Deine Frau recht schön, sogar sehr schön sein wird, denn mit diesen Pariserinnen nimmt es jede Deutsche noch auf, wenn sie ihre Bedürfnisse aus denselben Quellen schöpft.«

Es gab an diesem Abend keinen glücklicheren Gatten als Carl. Am Morgen aber schon begann er, sich dafür doppelt verlassen zu fühlen.

Stella fuhr im Fiaker davon zu dem berühmtesten Schneider, in die größten Magazine, zu den Modistinnen, die ihr als en vogue genannt waren. Er sollte sie nicht erwarten, sollte allein diniren, seine Freunde aufsuchen, denn sie brauche ganze Stunden in einem einzigen Magazin. Am Abend werde er sie im Hotel finden, aber voraussichtlich werde sie sehr erschöpft sein von all den Lasten, die eine Dame von Welt unter diesen Französinnen zu tragen habe, wenn sie den Kampf mit ihnen aufnehmen will.

Carl ging seufzend seinen eigenen Weg und dachte seinerseits nach über die süße Last, die eine schöne und liebenswürdige Frau doch sei. Es war ihm recht, in ein Bad zu gehen. Vor dem Herbst, versicherte er sich selber immer wieder, sei an die Geschäfte ja doch nicht zu denken.

Er sah sie erst am Abend wieder und als das glücklichste, zufriedenste Weib. Sie war ermüdet von den vielen Kommissionen, warf sich behaglich in ihre Hausrobe und lächelte ihn an.

»Du wirst Dein Wunder haben an den schönen Stoffen und Toiletten! Aber nicht wahr, es ist ja Dein Wille, daß ich als Deine Frau vor den Anderen nicht zurückstehe!«

Sie schmeichelte ihm; Carl mußte glauben, von ihr geliebt zu sein, denn es lag ein so warmer Herzenston in ihrer Stimme.

Ihm war Alles recht, was sie that. Als sie spät am Abend die Ruhe gesucht, richtete sie sich im Bette auf.

»Damit Du weißt, daß ich Dir nichts von meinen Begegnungen verheimliche: ich traf heute diesen Herrn von Fürth in einem Magazin, wohin er einige sehr vornehme Damen begleitete. Er sagte nur, wie leid es ihm sei, Dich nicht in unserer Wohnung gefunden zu haben. Wir sprachen nur wenige Worte, da er von den Damen in Anspruch genommen war. Ich meine, es sei doch schicklich, daß Du ihm einen Gegenbesuch machst. Du brauchst ja nur Deine Karte abzugeben. Der Prinz, sagte er mir, wolle auch ein französisches Bad besuchen, es sei aber noch nicht bestimmt, welches.«

»Sagtest Du ihm, wohin wir gehen?«

»Es war keine Gelegenheit dazu. Er fragte auch nicht.« Stella ließ sich auf ihr Kissen zurücksinken.

»Wie lange sind wir jetzt verheirathet?« Sie streckte die nackten Arme aus und zählte an den Fingern. »Der Honigmonat ist allerdings vorüber! Nicht wahr, wir gehen doch erst im Herbst zurück? Sonst pflegte man auf der Hochzeitsreise noch nach Italien und so da herum zu gehen ... Versprichst Du mir, lieber erst zum Winter zurück zu kehren?« fragte sie schmeichelnd und seinen Liebkosungen gewährend.

»Ob ich meine Geschäfte einige Monate früher oder später beginne, ist ja gleichgültig! Du sollst das Alles bestimmen« ...

Am nächsten Morgen sah Carl den Salon seiner Wohnung sich in einen Bazar verwandeln. Sie schickte ihn fort, als die Commis der Magazine und die Modistinnen, gefolgt von riesigen Cartons, erschienen, denn er stehe nur im Wege. Vor dem Diner solle er gar nicht wieder kommen, dann aber werde er überrascht sein.

Unter den Händen der Schneiderin, halb ausgekleidet, stand sie in ihrem Schlafgemach, als Erwin in den Salon trat. Durch die Oeffnung der nur angelehnten Thür sah sie ihn zwischen all den Cartons und den aus diesen hervorquellenden Fluten von Seiden-, Tüll- und Gazestoffen betroffen dastehen.

Sie lachte laut auf und schickte ihn fort.

Carl gab um dieselbe Zeit seine Karte im Hôtel des Herrn von Fürth ab. Der Ahnungslose war froh, ihn nicht anzutreffen.

Als er zum Diner heimkehrte, fand er seine Gattin in der Causeuse sitzen und lachend auf das Modemagazin schauen, das, vom Louvre geliefert, den ganzen Salon füllte.

Geblendet, verwirrt, noch ohne Ahnung von Dem, was Alles einem gefallsüchtigen Weibe zum unentbehrlichen Bedürfniß werden kann, rieb er sich die Augen und lachte stüpid zu Allem, als er Stella's innere Zufriedenheit sah, mit der sie, die Hände im Schooß, auf die Hüte, Shawls, Roben und Jupons blickte. Und jetzt erst gewahrte er auch den Diener des Magazins, der bescheiden seitwärts an der Thür stand und ihm respektvoll eine lange Nota überreichte.

»Es ist doch etwas viel, Stella!« sagte er, die Hand hinter das Ohr hebend, als er am Fuße der Rechnung eine Summe von mehr als achttausend Francs las. »Aber wenn Du glaubst, daß dies Alles nicht zu entbehren ...?«

»O, Du Schäfchen!« rief sie lachend. »Das ist ja nur ein Anfang! Ich habe heute noch neue Bestellungen gemacht! Die Hauptsache, die Roben vom Schneider, kommen ja erst! Andere Frauen brauchen weit mehr!«

Carl ging an den Tisch und schrieb eine Anweisung auf das Bankhaus, bei dem er accreditirt. In einer flüchtigen Anwandlung von Mitleid schaute sie ihm zu. Dann als der Diener hinaus war, sprang sie auf.

Sie nahm einen der Hüte nach dem anderen, setzte ihn kokettirend auf den Scheitel und stellte sich vor den Spiegel; sie packte ihm eine Robe nach der anderen auf die Schulter und zog ihn mit sich in das Ankleidezimmer.

»Du sollst nur sehen, Carl, wie das Alles sitzt, wenn man schön gebaut ist! Wie angegossen! Es bedarf sicher nur hier und da noch einer kleinen Aenderung in der Brust, in der Taille, denn diese Französinnen sind alle so krumm und engbrüstig. Man hat überall meinen Wuchs bewundert.«

Stella schlüpfte vor seinen Augen in die erste Robe und zog lachend die Schleppe hinter sich über den Teppich. Sie warf sie achtlos von sich auf den Boden und legte die andere an, kehrte mit ihm in den Salon zurück, musterte sich in den großen Spiegeln, und er folgte ihr, bereitwillig ihrer Absicht verfallend, den schönen, geschmeidigen Körper bewundernd, den blütenweißen Nacken küssend, nach ihr haschend, wenn sie in voller Parade an ihm vorüber schritt, und endlich wie ein Kind mit ihr spielend, wie sie es einst Beide gethan zwischen den Spargelbeeten des Prinzenhauses.

Endlich ward Stella der Sache müde. Sie warf Alles über einander und klagte, daß sie keine Jungfer habe, die doch jeder vornehmen Dame unentbehrlich. Nur aus Sparsamkeit habe sie sich bis jetzt auf der Reise so beholfen, aber wenn man doch längere Zeit fortbleibe, – vielleicht sogar bis zum Ende des Winters, denn was solle man daheim in dem Schnee und Eis, wenn der Süden so nahe – dann werde eine Zofe ihr unentbehrlich sein. Carl möge nur den Portier beauftragen, ihr eine zu suchen.

Neue Cartons langten eben an. Stella befahl, sie zu den übrigen zu legen. Carl zahlte neue Rechnungen, denn seine Gattin hatte sich's bequem gemacht, einer der begehrtesten Modistinnen die Beschaffung ihrer ganzen Garderobe für einen Bade-Aufenthalt überlassend, und die leistete das Unglaublichste.

Carl warf sich mißmuthig zwischen die auf dem Divan ausgebreiteten Garderobestücken.

»Was ist denn das da?« fragte er, ein Häufchen in allen Farben zebra-gestreifter, zarter und elastischer Kleidungsstücke neben sich fassend und aufhebend. »Hält man mich etwa für einen Seiltänzer oder Hanswursten?«

Stella lachte hell auf.

»Wie Du noch unerfahren bist!« rief sie. »Das da ist ja gerade die Hauptsache für den Bade-Aufenthalt. Es ist das Schwimmkostüm! Ich kann doch nicht nackt ins Wasser gehen!«

»Hm, viel anders wirst Du darin auch nicht aussehen!« Er breitete das elastische Wams ohne Aermel, die kurzen Höschen aus, die nur bis zum Knie reichen konnten, und schüttelte den Kopf. »Ich habe allerdings noch keinen vornehmen Badeort gesehen. Also in diesem Kostüm baden die Frauen mit den Männern zusammen?«

»Nun freilich! Ist es nicht hübsch? Man muß natürlich dazu schön gewachsen sein! Im Magazin zeigte man mir die Bilder, wie die Damen am Strand erscheinen; ich fand sie reizend! Und sieh hier, der Hut, damit man nicht von der Sonne verbrannt wird, und die Badeschuhe; es ist nichts vergessen!«

Sie zog eine Art »Südwester«, der Stirn und Wangen beschatten sollte, hervor und setzte ihn auf.

»Heut Abend, ehe wir zu Bette gehen, will ich das Kostüm anprobiren. Du wirst sehen, wie schön das steht! Wir in Deutschland haben gar keine Ahnung von allen diesen Dingen!«

Carl ergab sich auch in diese Nothwendigkeit, obgleich es ihm nicht in den Sinn wollte, seine Gattin öffentlich so auszustellen. Es kam ihm eine Ahnung, als sei es keine ganz glückliche Idee, nach Trouville zu gehen.

* * *


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