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XIII.

Aus den Bekenntnissen.

Nun muß ich darauf bedacht sein, dem heiligen Franziskus mein Gelübde zu halten und überaus streng und eifrig in seinem Dienste zu sein. Es hat deswegen unter den Mönchen bereits viel Murrens gegeben; unter der Regierung des Abtes Evaristus, für dessen Seelenheil ich zahlreiche Messen lese und die anderen unaufhörlich beten lasse – ist er doch unvorbereitet eines jähen Todes gestorben – ich sage: bei meinem Vorgänger in der Abtswürde sind die Mönche gänzlich verlottert, so daß eine gute Zucht ihnen nötiger ist als das tägliche Brot. Nachdem sie mich einstimmig erwählt haben, und ihre Wahl in Rom bestätigt ist, bin ich daher unter sie gefahren wie ein feuriges Schwert, und peitscht jetzt mein Wille ihre Rücken, als ob eine Geißel sie schlüge. So soll es sein, und so wird es bleiben.

Immer noch ist in meiner Seele ein großer Wirrwarr und Tumult: ich muß mich voller Mühe erinnern, wie alles gewesen, und wie alles geworden ist. Wir fanden Abt Evaristus zerschmettert in einem Abgrund – ich fand ihn! Seine Gestalt war von dem furchtbaren Sturze gänzlich zermalmt, kaum noch einem menschlichen Leibe gleich; am schrecklichsten anzusehen war sein Antlitz, mit Augen, die weit offen standen, und die einen bösen, schier satanischen Blick hatten. Mir war's, als ob der zerschmetterte Abt mit seinen beredten Augen mich anschaute, daß ich vor Grausen laut aufschrie und beinahe mein Bewußtsein verlor. Wir vermuten alle, daß der Abt, welcher bekannterweise seit kurzem das einsame Wandern in der Felsenwildnis liebte, an einer überaus jähen Stelle plötzlich vom Schwindel befallen worden und abgestürzt sei. Der Herr möge seiner Seele gnädig sein. Er war kein reiner und wahrhaft frommer Mensch, hat mich bitter gehaßt und ist als mein Todfeind dahingegangen. Aber man soll von den Toten nichts Uebles reden. Möchte er Frieden haben und auch die Lebendigen nicht mehr stören.

Als der Abt im Sarge lag, kehrte ich in meine Klause zurück, woselbst ich mich in Betrachtungen über das menschliche Leben versenkte, mich vor dem Herrn demütigte und hart kasteite. Dazwischen dachte ich wohl: Wen mögen sie zum Abte wählen? Und ich bekenne, daß mir der Gedanke kam: Vielleicht wählen sie dich. Vielleicht ist es der Wille des Herrn, daß sie dich wählen, der du ein Jude gewesen und während langer Zeit ein schlechter Christ. Aber auch Paulus hieß zuerst Saulus, und sind des Herren Wege wunderbar.

Ich lag im Gebet, als die Thüre meiner Klause sich öffnete, und ich draußen alle Brüder versammelt sah. Da wußte ich, daß die Wahl auf mich gefallen, und es war mein erstes Gefühl ein heftiger Schrecken, so daß ich aufstand und mit abwehrender Geberde den Eintretenden beide Arme entgegenstreckte. Alle drängten herein, und alle riefen meinen Namen. Es brauste mir in den Ohren, ein Schwindel ergriff mich, und ich mußte die Augen schließen. Dann plötzlich war mir's, als stünde ich am Rande eines furchtbaren Abgrundes und stürzte hinab.

Da sah ich es wie eine Vision. Ich erblickte mich zerschmettert in einer dunklen Tiefe, aber um mein Haupt strahlte ein Glanz wie von einem Heiligenschein. Und ich hörte eine Stimme rufen: »Dieses ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.«

Als ich endlich meine Augen wieder öffnen und reden konnte, bat ich sie – obgleich ich wußte, daß sie es nicht thun würden – einen andern Abt zu erwählen. Sie erhoben einen großen Tumult, wollten mich in ihre Mitte nehmen und mit Gewalt in das Kloster führen. Ich aber gebot ihnen, mich sogleich zu verlassen: erst müßte ihre Wahl in Rom bestätigt worden sein. Sogleich wollten sie Boten absenden nach Rom, baten mich um meinen Segen und verließen mich. Bis aus Rom die Bestätigung eintraf, verharrte ich in meiner Klause, fastete streng, kasteite mich und that heiße Gelübde. Dann kamen sie, brachten die Bestätigung, nahmen mich in ihre Mitte, führten mich im Triumph nach dem Kloster, setzten mich auf den Abtstuhl und huldigten mir.

Ich aber erwählte für mich den Namen Theodorus – nicht Eustachius, wie ich erst im Sinne hatte – zum Gedächtnis jenes Mönches, welcher mich zum Christentum bekehrt, und welcher darnach auf dem tarpejischen Felsen sich selber gerichtet hatte. – Bruder Angelikus war tot, es lebt Abt Theodorus.

Gleich nachdem aus Rom die Bestätigung eingetroffen und die Zeremonien vorüber, ordnete ich das Leichenbegängnis für den Abt Evaristus an, dessen Leichnam noch über der Erde stand. Ich ließ im Chor vor dem Hochaltäre einen prächtigen Katafalk aufstellen, welcher den Sarg des Abtes trug: der Katafalk sollte zwanzig Tage stehen bleiben, und jeden Tag sollte während dieser Zeit eine Totenmesse von mir gelesen werden. So hoffe ich, o Abt Evaristus, trotz Deiner Sünden, Deine Seele aus dem Fegefeuer zu erlösen, obgleich Du es um mich nicht verdient hast.

*

Zu gleicher Zeit setzte ich für Rom einen Brief auf, darin ich mit aller Wahrhaftigkeit die Zustände des Klosters, und wie dieselben unter den letzten Aebten – vornehmlich unter Abt Evaristus – sich ausgebildet hatten, darlegte; ich klagte heftig über die Haltlosigkeit des Ordens, über seine Weltlichkeit, erklärte meine Grundsätze, entwarf meinen Plan zu einer Reform des ganzen Klosters und erbat in Demut die Erlaubnis, in dem Heiligtum, zu dessen Hüter ich berufen worden, eine neue Zucht einsetzen zu dürfen.

Diese Schrift sendete ich durch einen eigenen Boten nach Rom, voller Ungeduld seiner Rückkehr harrend. Nach einer Abwesenheit von beinahe einer Woche kam der Bruder zurück und überbrachte mir ein Schreiben, darin ich mit aller Vollmacht beliehen und ob meines Eifers höchlichst belobt ward.

Alsbald begann ich meine Reformen, alsbald begann der Sturm wider mich. Das aber kümmert mich nicht, denn ich gebiete ihnen nicht in meinem, sondern in des Heiligen Namen, dessen Kleid sie tragen, und von dessen Geist sie nichts wissen. Ich habe ihre Fasten verschärft, ihre Andachten vermehrt, ihnen Bußübungen auferlegt, allen die Beichte abgenommen und nur etlichen Absolution erteilt. So seufzen sie denn dem toten Abte nach und beklagen unter sich, daß sie mich zum Nachfolger des Gestorbenen wählten: es ist nicht leicht, einem Heiligen zu dienen! Warum gaben sie mir einen solchen falschen Namen. Nun mögen sie den Mann Gottes ertragen.

Je härter ich meine störrischen, jeglicher geistlichen Zucht entratenen Mönche bedrücke, um so unerbittlicher bin ich gegen mich selbst, was sie auch anerkennen. Weder bewohne ich das große und immerhin prunkvolle Gemach des verstorbenen Abtes, noch gestatte ich mir die mindeste Erleichterung meiner vielen, schweren geistlichen Pflichten. Meine Zelle ist von allen die schlechteste und kleinste. Sie liegt in einem feuchten Gange, hat niedrige Wände und die nackte Erde als Fußboden. Nie fällt ein Sonnenstrahl hinein, denn ihr einziges kleines Fenster führt auf einen finsteren, modrigen Hof hinaus. Ich trage unter meiner Kutte ein härenes Kleid und schlafe in meinem Sarge, welchen ich mir sogleich zimmern ließ. Meine Nahrung ist die der Mönche an ihren strengsten Fasttagen, meine Erquickung liegt in der stillen Betrachtung göttlicher Dinge, und mein Ausruhen finde ich im Gebet. Ich lebe also nicht, sondern ich sterbe dem Leben ab.

*

Juden sind da die Ebräer aus dem Thal der Egeria und viele, die im römischen Ghetto wohnten – die den Knaben Dahiel kannten! Sie sind vertrieben worden. Alle wurden sie vertrieben, weil – nun, weil sie Juden waren.

Sie wanderten fort, sie flüchteten in die Wildnis der Felsenberge, sie kamen in die Oede, in welcher das Haus des Heiligen steht.

Zwei aus der Schar kamen zum Kloster, ein jüdischer Mann und sein Weib – Mose und Myrrha.

Sie traten zu mir, da ich allein in der Kirche war, am Katafalk des toten Abtes – zum letztenmale; denn andern Tages sollte der Gestorbene bestattet werden, damit die Lebenden vor ihm Ruhe gewännen.

Das Herz erbebte mir, als ich die beiden vor mir sah. Aber der Jude verleugnete mich, war voll kriechender Demut, zagte und zitterte und kniete vor mir.

Mose Halarki kniete vor mir! Hinter ihm stand sein Weib, anzusehen gleich einem Cherubim. Das Weib erkannte mich, des Weibes Augen und Seele grüßten mich. Ich sah es ihr an, wie sie Todesschmerzen litt – um mich, wie sie voll göttlichen Mitleids, voll blutigen Erbarmens war – für mich! Eine Thräne! Daß meine brennenden Augen eine einzige Thräne weinen könnten, ein Tropfen Balsams in meine glühende Seele.

Der Jude schrie mich an, daß ich seinem vertriebenen Volk eine Stätte gewähren sollte, darauf ihre Hütten zu bauen; aber des Weibes Augen flehten zu mir, Mitleid zu haben – nicht mit dem verjagten Volke, sondern mit mir, dem Hehren und Heiligen. Ich verstand Dich wohl, Myrrha, Du Weib des Mose Halarki.

Ich ließ sie stehen, ging zu den Mönchen und sagte ihnen:

»Vertriebene Juden sind gekommen, suchen Zuflucht bei uns und werden Zuflucht finden.«

Denn ich wollte kein Mitleid haben mit mir.

Da empörten sich die Brüder wider mich. Einer von ihnen wagte sogar, mich zu mahnen, daß ich selber ein Jude gewesen. Dazu schwieg ich. Ein zweiter fragte:

»Weshalb sollen die Juden bleiben?«

Diesem entgegnete ich:

»Weil ihr Hiersein eine Prüfung für uns ist, und weil wir die Prüfung bestehen sollen.«

Da schwiegen die meisten. Also bleiben die Juden. Der Herr, der meine Gedanken kennt und meine Nieren prüft, möge mir gnädig sein.

*

Die Mönche murren nicht mehr. Ich wies ihnen das Schreiben aus Rom, und sie sind gänzlich Gehorsam und Demut geworden. Doch weiß ich wohl, daß ihr Groll gegen mich mächtig gewachsen ist, vornehmlich wegen der Juden, welche sich nun auf dem Alpenfeld, wo vor vielen Jahren der Bergsturz niederging, ihre Hütten errichten. Es ist ein trostloser Ort, wahrlich eine Stätte der Verdammnis hier auf Erden.

Ich halte mich streng im Kloster; aber die Brüder berichten mir getreulich alles, was unsere jüdischen Nachbarn betrifft. Die Weiber und Kinder schleppen Steine herzu, die Männer mauern sie auf, so daß die Hütten mit der Rückwand gegen die großen Felsblöcke lehnen. Daran thun die Ebräer weise, denn sie schützen sich dadurch vor dem wilden Berg. Wenn sie nur nicht so jammervoll wohnten! Allerdings ist auch meine Zelle ein jammervoller Aufenthalt – dem Höchsten sei Dank.

Auch müssen sie die Wasser des Himmels sammeln. Die Armen! Das Kloster hat einen köstlichen Quell, ich könnte den Weibern und Kindern gestatten, aus dem Quell zu schöpfen. Derselbe ergießt sich außerhalb der Mauern in ein weites Becken, so daß die Juden das Heiligtum nicht entweihen würden. Freilich ist es ein mühseliger Weg, jeden Morgen und Abend herab und hinauf zu steigen; aber dieses Volk ist der Mühsal gewohnt.

Mir fällt ein: ich weiß einen Platz, von dem ich zuschauen könnte, wenn die Weiber und Kinder Wasser schöpfen, ohne daß jemand mich zu erspähen vermöchte. – Nie mehr soll über meine Lippen ein Trunk frischen Quellwassers kommen. Entweder will ich mich am sumpfigen Zisternenwasser erquicken oder Durst leiden.

Wie werden sie es mit der Feuerung halten? Droben wächst kein Grashalm! Die armen Kindlein werden sich wunde Füße laufen, denn bis in den Buschwald hinab ist es weit. Mehl für ihr Brot, Oel und was sie sonst zu ihrem Leben nötig haben, müssen sie sich aus Arsoli oder Subiaco beschaffen. Gut, daß sie gewohnt sind, zu wandern und unstät zu sein. Sie werden magere Kost haben dort droben, und obgleich sie Juden sind, das ganze Jahr über strenge Fasten halten müssen. Daran will ich denken bei meinem harten grauen Brot und meiner Suppe aus gewässertem Essig und ranzigem Oel. Die Mönche sollen mir noch einmal murren, daß sie schlechte Speise hätten und hungerten. Ich will ihnen das Schwelgen und Schlemmen verleiden!

*

Die Hirten kamen und beschwerten sich, daß die Ebräer Gras von den Abhängen schnitten und die Kühe auf ihre Weideplätze trieben. Die Männer geberdeten sich überaus zornig und drohten, jeden Juden, den sie auf ihrer Weide anträfen, zu erschlagen gleich einem wilden Tier. Ich mußte mit strengen Worten unter die Zügellosen fahren und erst nach langem, heftigem Zureden versprachen sie mir, die Fremden in Frieden zu lassen, worauf ich ein Abkommen mit ihnen traf, so daß sie nunmehr den Ebräern ihre Weiden gönnen.

*

Der Jude Mose Halarki kam und dankte mir für den Schutz, den ich seinem Volke angedeihen lasse. Beinahe hätte er wiederum vor mir gekniet. Ich mußte mir Gewalt anthun, den Mann nicht von mir zu jagen, denn er ist mir wegen seiner Demut im tiefsten Herzen verhaßt – und wohl auch, weil er ein Jude ist. Diesesmal kam er ohne sein Weib.

*

Ich habe wegen der Juden nach Rom berichtet. Denn meine Feinde sind zahlreich und werden nicht säumen, in Rom wider mich zu reden, wie sie nur können, auch falsch Zeugnis wider mich abzulegen.

Vor einigen Tagen begehrte ein Judenweib mit mir zu reden. Ich glaubte, es wäre Myrrha, das Weib des Juden Mose Halarki, ging voller Eile in die Vorhalle und schaute mich nach der holdseligen Ebräerin um. Es war aber ihre Mutter Judäa. Die Frau sah übel aus, als wäre sie krank und schaute finster und feindselig drein. Um ihrer Tochter willen blieb ich und hörte sie an. Sie sagte:

»Du bist hoch gestiegen. Hüte Dich, nicht tief zu fallen; es möchte ein großes Freuen geben in Israel.«

Ich fragte:

»Kamst Du, mir das zu sagen?«

»Ich kam, Dich zu bitten. Wähne aber nicht, daß ich hinfallen werde vor Dir und den Boden küssen, darauf Du stehst.«

»Was willst Du von mir?«

»Daß Du mit mir gehst.«

»Wohin?«

»Hinauf mit mir.«

»Was soll ich droben?«

»Du bist ja wohl ein Heiliger und Wunderthäter?«

Ich fuhr sie hart an: was sie, die Jüdin, das kümmerte?

Doch sie versetzte:

»Euer Christus, den ihr Gottes Sohn nennt, hat auch ein jüdisches Weib vom Tode erweckt.«

»Wer ist gestorben?«

»Wenn sie schon tot wäre, würde ich nicht zu Dir gekommen sein; aber sie ist krank und wird sterben.«

»Myrrha wird sterben –«

»Warum schreist Du so auf? Was kümmert Dich die Jüdin?«

Und sie starrte mir ins Gesicht, recht wie ein Satan.

»Myrrha ist krank?«

»Ja.«

»Was fehlt dem Weibe des Mose Halarki?«

»Weißt Du das nicht?«

»Wie sollte ich das wissen können?«

Da brach Judäa in wilde Klagen aus, daß ich im tiefsten Herzen erbebte. Sie rief:

»Sie schwindet dahin gleich Reif in der Morgensonne. Nichts wirken meine Mittel, nichts helfen meine Gebete. Sie ist mein einziges Kind und alles, was mir lieb ist auf der Welt. Was hätte es mich gekümmert, daß ich zu den Juden im Thale der Egeria gehörte? Nicht meinetwillen ging ich in den Ghetto, um meinen Leib, welchen der Herr gesegnet hatte, von einem Priester des Herrn segnen zu lassen; nicht meinetwillen wand ich mich zu Füßen des Rabbiners Simeon Sarfadi, da dessen Weib Hannah die Jüdin aus dem Thal der Egeria von ihrer Schwelle stieß. Als ich dastand, gleich einer Aussätzigen und Verfluchten, siehe, da ergriff mich ein Jammer um das Leben, welches unter meinem Herzen sich regte, daß ich am liebsten mein Haupt an dem ersten besten Stein zerschmettert hätte – nicht meinetwillen! Und es war zu jener Stunde, daß in dem Jammer um das Ungeborene der Herr meine Augen öffnete, und ich die Dinge der Zukunft sah. Und ich kündete sie dem Weibe und dem Manne, der mich ungesegnet von sich wies.

»Ich gebar eine Tochter, wie eine Wölfin in der Wildnis ihr Junges wirft.

»Es war ein holdseliges Kind, aber seine Mutter schaute auf der jungen Stirn das Zeichen des Fluches, welches das Mädchen für ein Leben voller Jammer und Herzeleid bestimmte. Und ich konnte das Merkmal nicht tilgen von der Stirn meines Kindes.

»Da geschah es, daß auch die Juden vom Thal der Egeria helfen mußten, für den neuen Papst die Straße vom slavischen Theater bis zum palatinischen Berg zu verzieren; und es geschah, daß ich neben meiner Tochter Myrrha den Knaben Dahiel sah: wie die Blicke der beiden Kinder waren auf einander gerichtet. Und es sprach die Stimme in mir: Von diesem wird das Unheil kommen, nicht allein für sein Volk, sondern auch für dein Kind. So trieb ich sie denn auseinander und wachte über meine Tochter. Auf den Sohn des Simeon Sarfadi und der Hannah Sarfadi, dieser gesegneten und frommen Eltern, warf ich den Haß, den ich unvertilgbar gegen sie in meinem Herzen hegte. Ich verfolgte ihn und verursachte ihm Böses, wie und wo ich nur konnte.«

Das arge Weib schwieg; da ich jedoch nichts erwiderte, redete sie weiter:

»Wie ich jubelte und frohlockte! Der Herr erhörte mein Flehen und rächte mich an dem Elternpaare Simeon und Hannah Sarfadi; sie, die meine Tochter im Mutterschoß verflucht hatten, mußten ihren Sohn verfluchen, der ihr Leben war. Aug' um Auge, Zahn um Zahn – Jehovah ist gerecht!

»Aber immer noch schwebte, obgleich Dahiel Sarfadi ein Christ und Priester geworden, über meiner Tochter Haupt das Zeichen des Unheils; da gab ich sie dem Mose Halarki zum Weib, einem Juden mit einem mächtigen Geist und einer Seele gleich einer Flamme. Dieser sollte sie schützen vor der Gewalt, die heimlich in ihrem Herzen lebte; doch er verdarb sie, denn er führte sie hin, wo Du bist.«

Sie hob den Arm, als wollte sie mir ins Gesicht schlagen. Doch ich fuhr sie hart an:

»Wovon redest Du, Judäa, schändliche Jüdin! Was habe ich gemein mit Deiner Tochter, die eine Unchristin ist und das Weib eines ungläubigen Mannes, dem ich aus Barmherzigkeit für sich und die Seinen eine Stätte zum Rasten gewährte. Ist Deine Tochter krank, so gehe zum Arzt. Was kommst Du zu mir gelaufen und schreist mir Deinen Haß in die Ohren, mich bedrohend und zu gleicher Zeit mich bittend, Deine Tochter zu heilen, ohne daß ich weiß, welches ihr Uebel ist!«

»Da Du es ihr gegeben hast – –«

»Ich –«

»Niemand anders.«

»Genug, Jüdin! Verlaß mich!«

Sie aber blieb.

»Meine Tochter stirbt – hilf ihr!«

»Wie kann ich das?«

»Sie stirbt aus Liebe zu Dir.«

Ich weiß nicht mehr, was ich sagte und that, als ich solche verruchten Reden hören mußte. Aber das Weib erschrak und wendete sich von mir. Bevor sie ging, schrie sie mit einer Geberde und einer Miene, die mir noch vor Augen stehen:

»Willst Du auch diese töten, Verfluchter? Wenn Du der Heilige und Wunderthäter bist, den sie Dich nennen, so komm mit mir und lege Deine Hand auf sie und heile sie.«

Ich winkte ihr zu gehen, rief sie indessen noch einmal zurück:

»Weiß des Weibes Mann von dem Wahnsinn, den Du mir vorgeredet?«

Judäa erwiderte:

»Mose Halarki hat sein Weib verstoßen; sie lebt in der Hütte ihrer Mutter.«

»Weshalb that das der Mann? Er hat sein Weib heiß geliebt.«

»Ich sagte Dir schon: Mose Halarki hat einen mächtigen Geist. – Du gehst nicht mit zu meiner Tochter?«

»Nein.«

»Also fürchtest Du Dich?«

»Vor wem sollte ich mich fürchten? Vor Mose Halarki?«

»Vor der Erkenntnis!«

»Judäa!«

Sie ging davon.

Vor welcher Erkenntnis soll ich mich fürchten? ...

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