Voltaire
Kandide oder Die beste aller Welten
InhaltInhalt
- Erstes Kapitel: Was maßen Kandide in einem schönen Schlosse erzogen und aus selbigem fortgejagt wird
- Zweites Kapitel: Wie's Kandiden unter den Bulgaren geht
- Drittes Kapitel: Wie Kandide den Bulgaren entkam und wie's ihm nachher erging
- Viertes Kapitel: Wie Kandide seinen alten Lehrmeister in der Philosophie, den Magister Panglos, wiederfand und was weiter geschahe
- Fünftes Kapitel: Seesturm, Schiffbruch, Erdbeben, Schicksal des Magister Panglos, Kandidens und des Wiedertäufers Jakob Schwezinger
- Sechstes Kapitel: Probates Mittel der hochehrwürdigen Inquisition fürs Erdbeben, bestehend in einem schönen Autodafe, wobei Kandide den Staupbesen bekommt
- Siebentes Kapitel: Kandide wird von der Alten wohl gepflegt und findet unverhofft seine Geliebte
- Achtes Kapitel: Baroneß Kunegundens Geschichte
- Neuntes Kapitel: Was sich mit Kunegunden, Kandiden, dem Großinquisitor und einem Juden zuträgt
- Zehntes Kapitel: Kandide, Kunegunde und die Alte kommen in einer gar schlimmen Lage zu Cadix an und schiffen sich ein
- Elftes Kapitel: Geschichte der Alten
- Zwölftes Kapitel: Wie übel es der Alten weiter erging
- Dreizehntes Kapitel: Wie sich Kandide genötigt sahe, die schöne Kunegunde und die Alte zu verlassen
- Vierzehntes Kapitel: Wie Kandide und Kakambo in Paraguay von den Jesuiten aufgenommen werden
- Fünfzehntes Kapitel: Weshalb Kandide den Bruder seines Mädchens tötet
- Sechzehntes Kapitel: Zwei Mädchen und zwei Paviane stoßen unsern Reisenden auf. Wie's ihnen bei den Wilden, die Langohren genamst, ergeht
- Siebzehntes Kapitel: Kandide kommt mit seinem Bedienten nach Eldorado. Was sie da gesehn
- Achtzehntes Kapitel: Was sie in Eldorado sahen
- Neunzehntes Kapitel: Was ihnen zu Surinam begegnet, und wie Kandide mit Martinen bekannt wird
- Zwanzigstes Kapitel: Seeabenteuer Kandidens und Martins
- Einundzwanzigstes Kapitel: Kandide und Martin nähern sich den französischen Küsten. Wovon sie sich unterhalten
- Zweiundzwanzigstes Kapitel: Was Kandiden und Martinen in Frankreich begegnet
- Dreiundzwanzigstes Kapitel: Kandide und Martin kommen an die englischen Küsten; was sie dort sehn
- Vierundzwanzigstes Kapitel: Von Gertruden und Bruder Viola'n
- Fünfundzwanzigstes Kapitel: Besuch beim Signor Pocourante, Nobile di Venezia
- Sechsundzwanzigstes Kapitel: Kandide und Martin speisten mit sechs Ausländern. Wer diese Ausländer waren
- Siebenundzwanzigstes Kapitel: Kandidens Reise nach Konstantinopel
- Achtundzwanzigstes Kapitel: Baron von Donnerstrunkshausen und Panglos erzählen, was ihnen bisher begegnet ist
- Neunundzwanzigstes Kapitel: Was maßen Kandide Kunegunden und die Alte wiederfand
- Dreißigstes Kapitel: Schlußszene
Voltaire
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Neunundzwanzigstes Kapitel: Was maßen Kandide Kunegunden und die Alte wiederfand
Indes, daß Kandide, der Baron, Panglos, Martin und Kakambo sich ihre Abenteuer erzählten, über die zufälligen und nichtzufälligen Begebenheiten auf dem Weltall vernünftelten, über Wirkungen und Ursachen, über das moralische und physische Übel, über Freiheit und über Notwendigkeit herumdisputierten und über die Seelenstärkungen, die man auf den türkischen Galeeren bekommen kann, war ihr Schiff an das Haus des siebenbürgischen Fürsten angelandet, am Strande des Mare di Marmara.
Das erste, was ihnen ins Auge fiel, war Kunegunde und die Alte, die Servietten über eine Leine zum Trocknen hingen. Bei diesem Anblick erblaßte der Baron. Kandide, der zärtlich liebende Kandide, wich drei Schritt zurück, es überfiel ihn ein Grauen, als er die schöne Kunegunde so verwandelt sahe. Ihre Augen waren rot, triefend, ihr Busen brettern, ihre Wangen verschrumpft, ihre Arm' und Hände scharlachfarben und schuppicht. Um sie aber nicht zu kränken, naht' er sich ihr. Sie umarmte Kandiden und ihren Bruder; man umarmte die Alte, und Kandide kaufte sie alle beide los.
In der Nachbarschaft lag ein kleines Vorwerk. Die Alte tat Kandiden den Vorschlag, es in Erwartung glücklicherer Zeiten zu kaufen. Kunegunde wußte nicht, daß sie war häßlich geworden; es hatte niemand davon einen Wink fallen lassen. Sie erinnerte Kandiden an sein Versprechen in einem so gebietrischen Tone, daß der gute Kandide sich nicht unterstand, ihr einen Korb zu geben. Er ging also hin zum Baron und notifizierte ihm, daß er seine Schwester heiraten würde.
Diese Niederträchtigkeit von Seiten meiner Schwester und diese Frechheit von Seiten Ihrer, Kandide, werd' ich nie zugeben, sagte der Baron. Bei Gott! diese Infamie soll man mir nie vorwerfen! Die Kinder meiner Schwester würden nie Stifts- und turnierfähig sein! Nein, meine Schwester soll nie einen andern bekommen als einen Reichsfreiherrn.
Kunegunde warf sich ihm zu Füßen und badete sie mit Tränen; er blieb unbeweglich. Hans Hasenfuß! rief Kandide. Ich habe dich von den Galeeren gerettet, habe für dich und für deine Schwester das Lösegeld bezahlt. Sie war hier Scheuermädel, ist häßlich wie die Sünde, ich bin so gutherzig und will sie zum Weibe nehmen, und du willst es nicht zugeben. — Töten kannst du mich, aber heiraten sollst du nie die Baroneß, meine Schwester, so lang' ich lebe, rief der Baron.
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