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Krinkhof lag noch grauer im Nebeldunst als unten die Mosel. Zehn Feuerstellen hatte das Dörfchen, die scharten sich um das Kirchlein mit dem spitzigen Schieferturm. Gottesdienst wurde nicht viel drin gehalten, selten nur ritt der alte geistliche Herr von Dorf Bertrich unten im Üßtal auf seinem Esel herauf.
Hans Bast, der Schmied zu Krinkhof, trat vor seine Tür, er hatte Pferdegetrappel gehört. Aber das Trappen war ungleich, der Gaul mußte ein Eisen verloren haben, das hörte er auch gleich.
Im Nebel tauchte ein Mann auf, triefend von Nässe, er zerrte einen Gaul hinter sich her. Scheu sah er sich um. »Seid Ihr der Schmied? Ihr seid mir empfohlen.«
»Von wem dann?«
»Dat tut nit nötig zu sagen. Hier dat« – er zog die Schwanzfeder einer Eule heraus – »dat sagt Euch Bescheid.«
Der Schmied nickte, aber gleich darauf zuckte er mit den Achseln: »En riskierte Sach, gestohlene Peerd zu beschlagen. Et steht Stock und Eisen drauf, wenn et nit den Hals kost't.«
»Beschlagt mir et doch, beschlagt et geschwind, ich komm sonst nit weiter. Verflucht, dat Tier lahmt seit den Berg schon.«
»Ihr habt et unten an der Mosel gestohlen?« Hans Bast sah den anderen durchdringend an.
Der nickte. »En Bagagepeerd von den Franzosen – ich hab' et losgeschnitten, derweil sie in Bengel im Wirtshaus drinnen tranken.«
Der Schmied lachte kurz und rauh, er blinzelte. »Dat is 'n andre Sach – 'n französ'scher Gaul! Steh, französ'sche Kanaille!« Er packte das widerspenstige Tier mit gewaltiger Faust: »Du kriegst ein deutsch Eisen jetzt. Freund, hierhin!« Er wies den Dieb an, das jetzt zitternde Pferd vorn am Kopf zu halten. Mit großer Geschwindigkeit probierte er ein neues Hufeisen und schlug es an, daß die Funken sprühten. Als ob das Tier seinen Meister spürte, stand es wie ein Lamm und ließ alles mit sich geschehen.
»So, Gaul, nu kannst du laufen!« Der Schmied gab ihm einen Schlag mit der flachen Hand. »Wohin bringt Ihr dat Peerd?«
Der andere antwortete nicht gern, das merkte man ihm an. Er wich aus: »Ich weiß et noch nit.«
»Ich will et Euch sagen. Ihr müßt früher aufstehen, wenn Ihr Hans Bast wat verbergen wollt. Ihr bringt et nach Gillenfeld zum Bauer Martin. Der hat 'n Peerd nötig.«
Ganz dumm, fast erschrocken, sah ihn der Pferdedieb an: »Woher wißt Ihr dat?«
Der große Mann lachte, daß ihm der lange Bart, schwarz mit Silberfäden durchwirkt, auf der Brust tanzte. »Mir sagt et der Wind, der im Schornstein pfeift. Der weiß alles.« Er dämpfte die Stimme und sagte dann so seltsam, daß es den anderen abergläubisch überschauerte: »Und mir sagt er auch: macht fort jetzt! He Ihr, fort! Zwei Karolin zahlt mir aber noch für meine Müh'!«
Es war für ein Hufeisen ein hoher Preis, doch der Dieb zahlte willig.
»Habt Ihr wieder französ'sche Peerd, bringt sie nur her. Merkt, Füchse können auch Braune werden und Schimmel Rappen. Und en Langschweif en Kurzschwanz.«
Der Schmied sprach es ernsthaft, ohne Zwinkern im Auge, ohne Zucken in seinem Gesicht. Aber der andere verstand ihn. Sie schüttelten sich die Hände. Der Dieb saß auf, nun lief das Pferd gut. Hans Bast sah ihm nach, bis der Nebel den Reiter verschlungen hatte.
Die finsteren Tannen, die sich, breit geästet und ineinander verzweigt, wie ein Dickicht um die wenigen Felder von Krinkhof stellten, schlossen von der Welt ab. Ein armseliges Eifeldörfchen, armseliger als die meisten anderen. Hier war nicht Korn zu ernten, nur ein paar Kartoffeln baute der Krinkhofer an, das übrige war alles Weide fürs Vieh. Warum hatte Hans Bast Nikolai sich gerade hier angesiedelt, wohnte hier, seitdem er bei den kurtrierischen Grenadieren gedient hatte, der schönste Mann in der schönen Garde? Er sprach niemals von jener Zeit. Auch das Weib, das er sich mit hier heraufgebracht hatte, hatte sich nichts zu erzählen getraut, so neugierig andere Weiber sie auch befragten.
Margareta Nikolai ging nicht in die Spinnstube, einsam spann sie an ihrem kalten Herd. Sie wußte, Nikolai würde sie schlagen, wenn sie schwatzte. Sie fürchtete ihn und liebte ihn. Ob sie ihm angetraut war, wußte niemand; sie war dem Manne gefolgt, als er Trier verließ. Willig war sie mit ihm ins Elend gegangen. Denn elend genug ging es ihnen zuerst. Sie zogen in eine verlassene Hütte, die er um ein Geringes erstand, weil sie ablag von den anderen Hütten. Sie hatten nichts als die eigenen Leiber, um sich aneinander zu wärmen. Nach und nach erst wurde es besser. Der Mann war oft fort. Und kam er heim, dann brachte er jedesmal Geld mit. Bett, Tisch, Stuhl, Truhe, das nötigste Leinen und auch Küchengerät wurden angeschafft.
Sie hatten Respekt in Krinkhof vor Hans Bast Nikolai. Daß er wenig sprach, sich nicht mit ihnen zusammensetzte, wenn sie Branntwein tranken, daß er noch immer ging wie der Flügelmann der trierischen Garde, aufrecht, so strack gerichtet wie bei der Parade, das bewunderten sie. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen, wie finstere Nacht lag ihm der auf der Brust. Und in seinen schwarzen Augen wohnte etwas, das zwang nicht nur sein Weib allein, das zwang auch andere. In der Verlassenheit von Krinkhof befragten sie den, der klüger war als sie und mehr von der Welt gesehen hatte, in vielem. Hans Bast hatte, vordem er sich anwerben ließ, beim Grobschmied gelernt, nun nahm er das Handwerk wieder auf. An seiner Hüttenwand richtete er ein rohes Gerüst und legte Schindeln darüber. Hier im offenen Schuppen stand der Schmiedeamboß, glühte das Schmiedefeuer, das der Eifelwind ihm auch ohne Blasebalg anblies.
Der Schmied von Krinkhof war bald bekannt, ein geschickter Mann; aus den verstreuten Dörfern kamen sie alle zu ihm mit Pflugschar und Ackergerät. Aber sein Hauptgeschäft war das Pferdebeschlagen. Die Hufeisen, die er schmiedete, paßten den Tieren besser als alle anderen; er verstand sich auf Pferde, auf Vieh überhaupt, er galt wie ein Doktor. Trat er wo in den Stall, stand der Gaul gleich auf, der niedergefallen war, und kalbte die Kuh noch einmal so rasch. In seinem unbewegten Gesicht war Freundlichkeit selten, nur wenn er mit dem Vieh sprach, lächelte er.
Mit einer gewissen Scheu schauten die Bauersleute nach dem Schmied. Um seine Hütte wob sich ein Dämmer. Wirr war die Zeit und ohne Aussicht auf Besserung; wer heute noch etwas sein nannte, war morgen vielleicht schon ein Bettler, so klammerte man sich ängstlich gern an Übernatürliches. Der Schmied von Krinkhof wußte, daß man ihn einen Teufelsbanner hieß, er widersprach nicht, wenn man ihm zuschob, das zu wissen, was anderen geheim blieb und unerklärlich. Daß er sein Weib bald verlieren würde, das hatte er auch vorausgesehen. Den anderen erschien die Margareta ein rotbackiger Apfel, er sah schon den Wurm. Die ersten Jahre waren zu hart für sie gewesen; Kälte, Hunger und seine schwere Hand, die Hans Bast nicht leicht machen konnte, selbst wenn er's gewollt hätte, brachen die Frau. Maria war drei Jahre alt, als die Mutter ihr starb. –
Seit Nikolai die Tochter im Sommer nach Trier gebracht, hatte er nichts von ihr gehört; Schreiben war nicht in der Mode. Ob die Buzliese es auch richtig verstand? Er hatte ihr ausdrücklich eingeschärft, langsam mit der Maria zu tun. Die mußte erst nach und nach sehen, wie das Leben heutzutage anzupacken ist, erst allmählich lernen, wie man's macht, um es zu etwas zu bringen. Mit der Redlichkeit kam man heutzutage nicht durch – alle waren Schurken und Gauner, die großen Herren viel schlimmer als der gemeine Mann! Nur daß man die großen Diebe laufen läßt und die kleinen hängt. Ein bitterer Zug entstellte für Augenblicke des Mannes schönes Gesicht. Was war aus dem Kurfürstentum heute geworden? Ein Haufen Dreck. Und es war eine Heimat gewesen, die man lieben konnte: reinlich und fürnehm. So reinlich und stolz, wie auch er es gewesen war, als er noch im roten Rock, den bordierten Hut auf der weißen Perücke, das Gewehr präsentiert hatte vor Seiner Kurfürstlichen Gnaden.
Der stolze Grenadier von Trier jetzt ein armseliger Schmied im armseligen Dorf, ein Kurpfuscher, ein Roßtäuscher, ein – zum Teufel, was nutzte das Räsonnement, nun steckte man einmal drin, nun mußte man weiter so! Wenn er nur wüßte, ob die Buzliese es nicht allzu arg mit der Maria trieb? Es packte den Mann plötzlich wie Reue. Er hätte sich von der alten Hexe nicht beschwatzen lassen sollen, ihr seine Tochter hinzugeben. Sie hatte es ihm zwar geschworen, der Ehre des Mädchens würde niemals ein Leid geschehen – ja, bei anderen Mädchen, die sie bei sich hatte, da war's etwas anderes –, aber die Maria, o nein, bei Gott und den Heiligen nicht! Die sollte nur erlernen, was man heute wissen muß in einem »Kochemer« Haus Kochemer Haus = Diebsherberge.. Aber war den Schwüren der alten Kupplerin wohl zu trauen?
Hans Bast hatte bei der Buzliese oft genächtigt, wenn sein Weg ihn durch Faid an der Mosel führte. Bei ihr hatte er auch die anderen kennengelernt: den schwarzen Peter, Iltis-Jakob, Schnallen-Joseph, den Johannes Bückler und noch andere mehr. Die Buzliese gab sicheren Unterschlupf, aber – –! Unruhig wurde es in des Vaters Brust. Er mußte baldmöglichst nach Trier hinunter, sich nach der Maria umsehen. Es hatte ihm heute nacht so häßlich geträumt. Aufgefahren war er im Schreck.
Er hatte sein Weib, an das er so selten nur dachte, ganz deutlich sprechen gehört. Margareta wimmerte leis; so wie sie gewimmert hatte in ihrer letzten Stunde. Da hatte sie nach seiner Hand getastet, schon halb im Jenseits, und hatte etwas zu sagen versucht. Ein klägliches Stammeln: »Ma–ria – Kind – Obacht!« Sie hatte das Kind sehr liebgehabt. War sie nicht lange schon tot und verwest? Was wollte sie nun wieder im Diesseits? Es wehte den Mann an mit unheimlichem Schauer.
Hei, zog das eisig von Norden her! Alle Geister der Eifel schienen zu klagen, die Tannen bückten sich tief mit Stöhnen. Hans Bast zog das Hemd über der offenen Brust zusammen, ihn, den sonst nie fror, fröstelte es jetzt. Er sah einen Raubvogel schweben über der traurigen Höh', er sah den schweben ob einer Taube – was sollte das Schlimmes bedeuten?
Das wettergerötete Gesicht wurde bleich; die Brauen düster zusammengezogen, ging er in seine Hütte.
*
Hubert, Niklas, Martin, die drei Söhne des Üßmüllers bei Dorf Bertrich unten, waren auf der Jagd gewesen. Hasen und Rehe gab es nicht mehr so wie ehemals – der Vater erzählte von Zeiten, da sie zu sehen waren in Herden wie die Schafe –, es wurde zuviel gewildert jetzt. Man hielt sich an keine Schonzeit. Was der fremde Herr im Lande übrigließ, das nahm der Strauchdieb, und was der übrigließ, das nahm der Bauer. Ihn hungerte auch. Was waren Gesetze? Wenn keiner nach denen fragte, fragte er auch nicht nach ihnen; man wohnte schier drin im Wald, sollte man denn laufen lassen, was einem vor die Flinte kam?
Des Müllers Söhne hatten nach ihrem Fuchseisen gesehen; das Raubzeug mehrte sich, bis auf den Hof kam nachts das dreiste Gesindel. Die Marder schrien in den Felsen der Schlucht wie kleine Kinder; sie holten der Müllerin ein Huhn nach dem anderen, es war schwer, die Räuber zu Schuß zu bekommen, und das Tellereisen mieden sie scheu. Heut hatte der Hubert Glück gehabt, eine mächtige Wildkatze hing ihm über den Rücken. Oben an den Steinen, wo's hinauf zu den Dachslöchern geht, hatte das Tier gesessen. Es hatte einen Waldhasen geholt für seine Jungen. Nun saß es und ruhte, mit dem grauschwarzen Fell kaum zu erkennen auf dem von Alter und Nässe gedunkelten Lavagestein. Aber der Hubert hatte es doch erspäht; Jäger und Katze starrten sich an einen Augenblick, die Lichter des Raubtiers funkelten gelb, der dickbuschige Schwanz mit den schönen Ringeln schlug wie beim Tiger die Flanken. Da krachte auch schon der Schuß des schnell Zielenden. Tödlich getroffen. Sonst wäre das Tier der Wildnis ihm aber auch angesprungen, hätte ihn erbärmlich zugerichtet mit Zähnen und Krallen. Der Jubelschrei rief die Brüder heran, neugierig brachen sie sich durchs Gestrüpp Bahn. Das war ein Schuß, der sich verlohnte! Die hatte schon das Winterfell, und so groß war die Katze, daß es für die Mutter einen warmen Muff daraus gab oder für den Vater einen Fußsack.
Alle drei Söhne waren noch unbeweibt. Hubert hatte eine Braut zu Bremm, Niklas auch eine an der Mosel, aber zum Heiraten war jetzt schlechte Zeit; besser, man wartete noch, die Aussteuer war sehr teuer, zudem ging ihnen zu Haus ja nichts ab. Der Martin würde wohl gar nicht heiraten, der war ein Einspänner. Am liebsten saß er, anstatt bei Mädchen, oben beim Taubenschlag im obersten Giebel, von wo man einen Blick hat aus der Enge der Mühlschlucht hinaus in blaue Weiten. Er träumte. Mit dem Pfarrer von Bertrich hatte er oft lange Gespräche. Der alte Pastor, ein gelehrter Herr, hatte dem Jüngsten des Müllers früher besonderen Unterricht erteilt, der Jung' war gescheit. Der Martin wäre am besten geistlich geworden, aber jetzt war auch hierfür – ebenso wie fürs Heiraten – nicht die geeignete Zeit.
Martin ging langsamer hinter den Brüdern drein. Er wandte sich, sein Ohr vernahm Tritte: wer kam denn da hinter ihm her? So oft er anhielt und stehenblieb, hielt der heimliche Tritt auch an. Der da hinter ihm kam, wollte wohl nicht gesehen sein? Er ging rascher, dann duckte er sich aber nach einer Wegbiegung hinter einem Brocken von Lavagestein. Nun sah er den heimlich Schleichenden. Eine Frauensperson.
Sie ging wie jemand, der sehr müde ist; kaum hielt sie sich aufrecht an einem Aststecken, auf den sie sich stützte wie auf einen Wanderstab. Ihr Rock war zerfetzt, aus dem Mieder hing ihr das Hemd. Eine Vagabundin. Aber als Martin ihr Gesicht sah – ein todbleiches Gesicht, mit Augen, die wie geistesabwesend vor sich blickten –, sah er, daß es keine Vagabundin war.
Jesus, das war ja Hans Bast seine Tochter, wo kam die denn her? Die sollte doch zu Trier im Dienst sein. War es ihr Geist? Nein, sie war es leibhaftig. Martin hatte das Mädchen zuweilen gesehen, ein hübsches Mädchen – wie sah sie jetzt aus? Er trat hinterm Stein vor und sprach sie an.
Sie erschrak so, daß sie strauchelte. Hätte er sie nicht am Arm gefaßt, sie wäre gefallen. Wie eine Verwirrte sah sie ihn an, verstört stieß sie seine Hand weg.
»Laßt mich! Laßt mich doch gehen!«
»Ich dachte, Ihr wär't krank. Wollt Ihr nach Krinkhof?« Es war noch weit bis hinauf, er hatte das Gefühl: die kann man ja gar nicht allein gehen lassen, die bleibt liegen am Weg. All seine Gutmütigkeit im Ton, fragte er: »Fehlt Euch was?«
»Nein, nein, gar neist!« Sie wehrte ab, wie ein Ruck ging es durch ihre mühselige Gestalt, sie raffte sich zusammen, hielt sich aufrecht, nickte kurz und ging weiter. Aber nur wenige Schritte, dann brachen die Knie unter ihr ein.
Schon war er bei ihr. Ein großes Mitleid erfaßte ihn: »Laßt mich Euch führen!« Er legte stützend den Arm um sie, und sie mußte es leiden.
Nun bald am Ziel, nach tagelangem, oft irrem Wandern endlich der Heimat so nahe, übermannte die Schwäche sie. Schwere Tränen rannen über ihre eingefallenen Wangen, sie suchte sie zu verbergen, aber der junge Mann sah sie doch.
Sie brauchten ziemlich lange für den Weg hinauf, denn sie konnte nur langsam gehen. Er fragte sie, ob sie nicht ein wenig rasten wolle bei ihnen daheim in der Mühle, aber sie schüttelte verneinend den Kopf. Sie sprachen nichts auf dem ganzen Weg. Ausfragen konnte man die nicht, und der junge Mann hätte es auch nicht gemocht. Er kam sich ganz seltsam vor mit dem traurigen Mädchen am Arm, das die bleichen Lippen aufeinanderpreßte, um sein Schluchzen nicht laut werden zu lassen. Es kam ihn Achtung an vor diesem stummen Leid und vor dieser Beherrschtheit. Sorgsam leitete er sie. Der Pfad war steil, die Tannennadeln, die auf ihm lagen, machten ihn spiegelglatt; wenn sie ausglitt auf zerrissenen Sohlen, hielt seine Hand sie.
Sie kamen oben an. Da lagen die Hütten von Krinkhof klein um das Kirchlein geduckt. Der Wind, der hier oben blies, rötete des Mädchens bleiches Gesicht. Es schien ruhiger geworden und auch wieder kräftiger. Am Waldrand gab es dem Burschen zum Abschied die Hand: »Seid vielmals bedankt. Ich geh jetzt allein.«
Voll sah sie ihn an, er war schier erschrocken über den Blick ihrer Augen, so nah in die seinen. Er sah ihr nach. Sie ging dahin, vom Winde gefegt. – –
Hans Bast trat an seine Tür, er fühlte es, da kam was gegangen. Er wollte öffnen, da sprang die Tür auch schon auf – mit einem Aufheulen des Windes flog seine Tochter herein. »Maria!« Er war doch erschrocken.
»Vater, Vater!« Mit einem Aufschrei warf sie sich gegen ihn, sie klammerte sich an ihn, schutzsuchend, hilfeheischend.
Hans Bast hatte einen Raubvogel schweben sehen über trauriger Höhe, schwebend ob einer Taube – nun war der niedergestoßen auf die Taube.
»Wer hat dir etwas getan?« fragte er finster. Er wurde bleich vor Zorn, seine Hand ballte sich.