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Dreizehntes Capitel.
Bei den Indas

Der Stamm der Indas, der aus einigen Hundert Eingebornen bestand, hielt sich um diese Zeit an den Ufern des Fitz-Roy auf, ungefähr hundertvierzig Meilen von seiner Mündung entfernt. Diese Schwarzen kamen aus den Gegenden Tasmaniens, welche von dem Oberlaufe des Flusses bewässert werden. Seit einigen Tagen waren sie zufällig auf ihren Nomadenzügen ungefähr bis auf fünfundzwanzig Meilen in die Nähe der Stelle gekommen, wo die Karawane ihre letzte Rast hielt, nachdem sie übermenschliche Qualen erduldet hatte.

Capitän John und Harry Felton hatten neun volle Jahre bei den Indas gelebt. Mit Zuhilfenahme der folgenden Ereignisse wurde es möglich, ihre Lebensgeschichte in dieser langen Zeit zusammenzustellen, welche der Bericht Harry Felton's auf dem Sterbebette ergänzte.

In den Jahren zwischen 1867 und 1881 – der Leser hat es wohl nicht vergessen – fand die Bemannung des »Franklin« auf der Insel Browse eine Zufluchtsstätte. Zwei der Matrosen waren während des Sturmes zu Grunde gegangen, und die zwölf Schiffbrüchigen lebten nun sechs Jahre auf dieser Insel, ohne jedes Mittel, in die Heimat zurückzukehren, bis ein Boot an den Strand geworfen wurde.

Der Capitän John, der dieses Boot zur Rettung Aller verwenden wollte, ließ es in einen solchen Stand setzen, um auf demselben Australien zu erreichen. Aber es faßte nur sieben Matrosen; daher schifften sich John, Harry Felton und fünf andere Gefährten ein und ließen die übrigen zurück, welche warten sollten, bis sie ein Schiff holen werde. Wir wissen, wie diese Unglücklichen zu Grunde gingen und unter welchen Umständen der Capitän Ellis ihre Ueberreste fand, als er im Jahre 1883 mit dem »Dolly-Hope« die zweite Fahrt unternahm.

Nach einer gefährlichen Fahrt durch diese klippenreiche See landete das Boot auf der Höhe des Cap Lévêque und gelangte in den Golf, in den der Fitz-Roy mündet. Aber das Unglück wollte, daß der Capitän von den Eingebornen angegriffen wurde, wobei vier Matrosen im Kampfe fielen.

Diese Eingebornen, welche zu dem Stamme der Indas gehörten, schleppten John, Harry Felton und den letzten Matrosen in das Innere des Landes. Der Matrose, welcher verwundet worden war, sollte nicht aufkommen, und John Branican mit Harry Felton waren die einzigen Ueberlebenden der Katastrophe des »Franklin«.

Nun begann für sie ein Leben, das in den ersten Tagen ernstlich bedroht war. Man weiß, daß diese Indas, wie alle herumziehenden Stämme des südlichen Australien, wild und blutdürstig sind. Die Gefangenen, welche sie in ihren fortwährenden Kriegen mit den anderen Stämmen machen, werden getödtet und gegessen, da bei keinem Stamm der Cannibalismus noch so eingewurzelt ist wie bei diesem.

Warum wurden nun John und Harry Felton geschont?

Es ist bekannt, daß seit undenklichen Zeiten ein steter Krieg zwischen den Stämmen des Innern und der Küste wüthet. Sie greifen gegenseitig die Dörfer an, zerstören sie, führen die Gefangenen fort und feiern den Sieg durch eine große Menschenfresserei.

Diese Hinschlachtungen werden die unvermeidliche Vernichtung der australischen Rasse herbeiführen. Dazu kommt noch die unerhörte Grausamkeit der Weißen gegen die Schwarzen, von der die Worte eines australischen Colonisten am besten zeugen: »Alle Männer, denen ich auf meinen Weideplätzen begegne, erschieße ich, weil sie das Vieh tödten; alle Frauen, weil sie solche Schwarze in die Welt setzen, alle Kinder, weil sie Männer werden.«

Man kann daher den Haß der Schwarzen gegen ihre Henker begreifen, und es ist selten, daß ein Weißer, der ihnen in die Hände fällt, geschont wird. Warum wurden nun die Schiffbrüchigen des »Franklin« geschont?

Sehr wahrscheinlich würde dem Matrosen, der bald nach der Gefangennahme gestorben war, dasselbe Schicksal zutheil geworden sein. Aber der Häuptling des Stammes, Namens Willy, der mit den Colonisten an den Küsten in Verbindung stand, erkannte sofort in ihnen zwei Officiere, von denen er einen doppelten Vortheil haben konnte. Im Kriege mit den feindlichen Stämmen würden sie ihm durch ihre Erfahrungen zum Siege verhelfen, und in geschäftlicher Beziehung würde er für ihre Befreiung ein hohes Lösegeld beanspruchen und auch erhalten. Sie blieben also am Leben, mußten aber mit diesen Nomaden überall herumziehen, was ihnen um so peinlicher war, als sie Tag und Nacht scharf bewacht wurden. Sie konnten sich keinen Schritt vom Lager entfernen, so daß ihre Fluchtversuche stets mißlangen.

Zeitweilig verhalfen sie in den häufigen feindlichen Zusammenstößen mit den anderen Stämmen durch ihre Rathschläge Willy stets zum Siege, wodurch dieser Stamm einer der mächtigsten wurde, welche die verschiedenen Länder von Westaustralien durchziehen.

Die Völkerschaften des Nordwestens gehören sicher den Mischrassen der Australier und der Eingebornen von Papuasien an. Die Indas tragen, wie ihre Mitbrüder, langes, gekraustes Haar; ihre Gesichtsfarbe ist nicht so dunkel wie die der Eingebornen der südlichen Provinzen und ihre Größe hält sich zwischen hundertzwanzig bis hundertdreißig Centimeter. Die Männer sind kräftiger gebaut als die Frauen. Die Stirn ist ein wenig zurücktretend, die Brauen sind buschig, die Augen leuchten feurig, das Haar ist braun, der Schädel groß.

Man nennt sie Schwarze, obwohl sie nicht jene schwarze Körperfarbe haben wie die Nubier: man könnte sie »Chocoladebraun« nennen, wenn diese Bezeichnung, welche ihre eigenthümliche Farbe genau trifft, erlaubt wäre.

Der Geruchssinn der australischen Neger ist außerordentlich entwickelt, so daß sie es darin mit den besten Jagdhunden aufnehmen können. Sie erkennen sofort die Spuren eines menschlichen Wesens oder eines Thieres, indem sie sich bücken und die Gräser oder das Strauchwerk beriechen. Auch ihr Gehörsinn ist außerordentlich entwickelt, so daß sie, wie es scheint, sogar die Ameisen in ihrem Baue arbeiten hören. Ihre Geschicklichkeit im Klettern ist bewunderungswerth, denn es ist kein Gummibaum zu hoch, dessen Gipfel sie nicht erreichen würden, indem sie sich dabei eines biegsamen Rotangs bedienen, den sie »Kâmin« nennen.

Die Frau altert schnell und erreicht kaum das vierzigste Lebensjahr; die Männer werden in einem Theile von Queensland gewöhnlich fünfzig Jahre alt. Die unglücklichen Weiber haben die härtesten Arbeiten der Hauswirthschaft zu verrichten. Sie sind die Sklaven eines äußerst grausamen Herrn und müssen Bündel, Werkzeuge, Waffen tragen, eßbare Pflanzen, Eidechsen, Würmer, Schlangen suchen, welche dem Stamme zur Nahrung dienen. Aber sie pflegen in hohem Grade ihre Kinder, um die sich der Vater gar nicht kümmert, denn ein Kind fällt nur der Mutter zu. Welch grausame Sitte! Wenn gewisse Stämme, bei denen der Cannibalismus noch ganz in Blüthe steht, in Noth gerathen, so essen sie ihre kleinen Kinder!

Diese Neger Australiens, die nicht würdig sind, als Menschen angesehen zu werden, concentriren ihr Leben nur in dem einzigen Worte: »Ammeri! ... Ammeri!« das fortwährend in ihrer Sprache vorkommt und Hunger bedeutet. Ihre häufigste Handbewegung besteht darin, daß sie sich an den Bauch schlagen, denn ihr Bauch ist nur allzu oft leer. In diesen wild- und culturlosen Ländern ißt man bei Tag und Nacht, wenn sich gerade die Gelegenheit bietet. Wovon können sich denn diese Eingebornen ernähren, diese unglücklichsten Menschen, die je die Natur auf die Oberfläche der Erde verpflanzt hat? Sie haben eine Art grobes Brot, das sie aus Getreide ohne Hefe nicht im Ofen, sondern unter glühender Asche backen; dann manchmal Honig, den sie in den Gipfeln der Bäume finden, wo die Bienen ihre Stöcke aufschlagen; Eier, welche eine Hühnerart in den Sand legt und von der Sonne ausbrüten läßt; jene Tauben, die ihre Nester an der äußersten Spitze der Aeste hoher Bäume bauen, dann noch die Larven gewisser Insecten, die sie hinter der Rinde der Bäume oder aus der Mitte verfaulten Holzes graben. Das ist Alles.

Aus diesem steten Kampfe um das tägliche Brot erklärt sich auch ihr Cannibalismus mit all seinen Schrecken, der nicht ein Zeichen natürlicher Wildheit, sondern die Folge einer Nothwendigkeit ist, wozu die Natur den Australier treibt, denn er müßte sonst verhungern. Wird dieser Cannibalismus daher eines Tages schwinden?

Die Stämme am Unterlaufe des Murray und in den nördlichen Gebieten haben die Gewohnheit, ihre eigenen Kinder zu verzehren. Furchtbar! Wenn man nichts mehr zu essen hat, so verzehrt die Mutter ihr Kind, dem sie das Leben gegeben hat, und die Reisenden haben die Unglücklichen von dieser Grausamkeit wie von etwas ganz Natürlichem sprechen hören!

Aber nicht der Hunger allein treibt die Australier zum Cannibalismus, sondern auch ein besonderer Geschmack für Menschenfleisch, das sie »Talgoro« nennen. Dank ihren fortwährenden Kriegen, die nur zu diesem Zwecke unternommen werden, verschaffen sie sich »Talgoro« und essen es nicht nur frisch, sondern heben es sich auch auf.

Dr. Carl Lumholtz sagt bei der Beschreibung seiner Reise durch die nordöstlichen Provinzen, daß die Schwarzen seiner Escorte stets diese Ernährung im Auge hatten, denn »Menschenfleisch geht dem Australier über Alles«. Und doch verschmähen sie das Fleisch der Weißen, weil es einen unangenehmen, salzigen Nachgeschmack haben soll.

Die Australier haben noch einen Grund, sich gegenseitig aufzufressen, indem sie ungemein grausam sind. Was ihre Religion anbelangt, so geben sie die Gegenwart eines höheren und bösen Wesens zu, dessen Stimme Kving'gan' sie fürchten; es eilt die Länder entlang und wohnt in den Klüften der hohen Gebirge, obwohl diese Stimme nur der melancholische Gesang eines reizenden Vogels ist, eines der sonderbarsten der Ornithologie Australiens. Aber diese Wilden beten nie, wie wir aus den Reiseberichten hören, und nirgends kann bei ihnen die Spur eines Cultus gefunden werden.

Aber sie sind sehr abergläubisch, und da sie der Meinung sind, daß ihre Feinde sie durch Zauberei vernichten, so trachten sie dieselben zu tödten, wodurch diese dem Cannibalismus ergebenen Gegenden allmählich entvölkert werden.

Wir müssen noch erwähnen, daß die Australier Achtung vor den Todten haben. Sie bringen dieselben nicht mit der Erde in Berührung, sondern umgeben den Leichnam mit Blüthen und Rinde, legen ihn dann in ein wenig tiefes Grab, mit den Füßen gegen Sonnenaufgang; doch machen sie das Grab nicht zu, wie dies auch bei anderen Stämmen Sitte ist. Das Grab eines Häuptlings wird mit einer Hütte bedeckt, deren Eingang gegen Osten ist. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß die Wilden glauben, die Todten stehen als weiße Menschen auf; nach der Bemerkung des Dr. Carl Lumholtz haben diese Australier für den Geist und den Weißen dasselbe Wort.

So beschaffen sind die Stämme des australischen Continentes, die ebenso einmal verschwinden werden, wie die Bewohner von Tasmanien. So waren nun auch die Indas, in deren Hände Capitän John und Harry Felton gefallen waren.

Nach dem Tode der Matrosen mußten John und Harry Felton die Indas auf ihren fortwährenden Wanderungen durch die Gegenden des Nordwestens und des Centrums begleiten. Bald von anderen Stämmen angegriffen, bald sie angreifend, gelangten sie allmählich, Dank den Rathschlägen ihrer Gefangenen, zu großer Macht. Sie legten mehrere hundert Meilen zurück, von dem Königsgolfe bis zu dem von Van-Diemensland zwischen dem Thale des Fitz-Roy und Victoria und bis in die Ebenen des Alexandralandes. So kamen John und Harry Felton in ganz unbekannte Länder, die auf den neuesten Karten noch nicht angegeben sind, östlich von dem Tasman- und Arnheimlande, neben der »Großen Sandywüste«.

Wenn dieses Herumwandern ihnen sehr lästig wurde, so kümmerten sich die Wilden nicht darum, denn es ist ihre Gewohnheit, so zu leben, ohne Rücksicht aus Zeit oder Entfernung, wovon sie kaum eine Vorstellung haben. Wie alt der Wilde ist, weiß er nicht, wie viel Uhr es ist, weiß er noch weniger. Es scheint, als ständen die Australier auf derselben Stufe der Wesen, wie gewisse Thiere ihres Landes.

Aber sie wurden scharf bewacht.

Solchen Gebräuchen mußten sich nun Capitän John und Harry Felton anbequemen. Die Strapazen dieser Wanderzüge mußten sie ertragen, sich mit der oft ungenügenden und immer ekelerregenden Nahrung begnügen, gar nicht von den kannibalischen Scenen zu reden, deren Schrecken sie nicht verhindern konnten, wenn in den Schlachten Hunderte von Feinden gefallen waren.

Es ist kein Gummibaum zu hoch.

John und Harry Felton trachteten nun die Wachsamkeit ihres Stammes einzuschläfern, um bei Gelegenheit entfliehen zu können. Aber sie wurden so scharf bewacht, daß sie in den neun Jahren nur selten Gelegenheit fanden, das zu versuchen. Ein einzigesmal – und zwar gerade ein Jahr vor der Expedition der Mrs. Branican nach Australien – hätte die Flucht gelingen können. Das kam auf folgende Weise zu Stande.

Die Indas lagerten damals an den Küsten des Amadäussees im Südwesten des Alexandralandes. Da es selten vorkam, daß sie so tief in das Centrum des Continentes vordrangen und die beiden Gefangenen wußten, daß die Overland-Telegraf-Line nur etwa dreihundert Meilen entfernt war, so beschlossen sie, die Gelegenheit zu benutzen und zu entfliehen. Sie hielten es für besser, wenn sie getrennt flöhen und sich einige Meilen jenseits des Lagers wieder träfen. Sie täuschten die Wachsamkeit der Eingebornen, und Harry Felton gelang es, den Ort zu erreichen, an dem er seinen Leidensgefährten erwarten sollte. Unglücklicherweise wurde John zu Willy berufen, der ihn wegen einer Wunde um Rath fragte, welche er im letzten Kampfe erhalten hatte. John konnte daher nicht fliehen und Harry Felton wartete vergebens einige Tage ... Da er nun glaubte, daß, wenn er eine Station oder eine Ortschaft erreiche, eine Expedition zur Befreiung des Capitäns unternommen werden könnte, so schlug er eine südöstliche Richtung ein. Aber er hatte so furchtbar zu leiden, daß er vier Monate nach seiner Flucht sterbend an den Ufern des Parru im Districte Ulakarasa von Neu-Südwales gefunden wurde.

Nach Sydney gebracht, lag er einige Wochen darnieder und starb, nachdem er Mrs. Branican Alles gesagt hatte, was den Capitän John betraf.

Für John brachen nun fürchterliche Tage an, und es bedurfte seiner ganzen moralischen und physischen Energie, um nicht über die Abwesenheit seines Gefährten in Verzweiflung zu gerathen. Mit wem sollte er jetzt von Allem sprechen, was ihm so theuer war: Von seiner Heimat, von San-Diego, von den Lieben, die er dort zurückgelassen hatte, von seiner muthigen Frau, seinem Sohne Wat, der schon groß sein würde, von William Andrew, von allen seinen Freunden? ... Schon seit neun Jahren war John bei den Indas gefangen, und wie viel Jahre würden noch verfließen, bis er die Freiheit wieder erlangte? Aber er verlor die Hoffnung nicht und hielt sich mit dem Gedanken aufrecht, daß Harry Felton die Küste erreichen und alles Menschenmögliche versuchen werde, um seinen Capitän zu retten ...

In der ersten Zeit seiner Gefangenschaft lernte John die Sprache der Eingebornen, die durch ihre logische Grammatik, die Fülle der Ausdrücke zu beweisen scheint, daß die Stämme Australiens einst eine gewisse Stufe der Cultur eingenommen haben müssen. Auch machte er Willy oft aufmerksam, daß er durch die Entlassung seiner Gefangenen nach Queensland oder dem südlichen Australien jedes gewünschte Lösegeld erhalten würde. Aber der Häuptling, von Natur aus mißtrauisch, hörte nicht darauf und erklärte, daß, wenn das Lösegeld käme, er John und seinen Gefährten die Freiheit geben würde. Auf bloße Versprechungen könnte er sich in keinem Falle einlassen.

Die Flucht Harry Felton's brachte es mit sich, daß Willy den Capitän John noch schärfer bewachen ließ. Man verbot ihm, während der Rast oder des Marsches hin und herzugehen, und er mußte sich der Aufsicht eines Eingebornen unterwerfen, der mit seinem Kopfe für ihn haftete.

Monate verstrichen, ohne daß John etwas von seinem Gefährten gehört hätte. War es nicht möglich, daß Harry Felton unterwegs zugrunde gegangen war? Wenn der Flüchtige Queensland oder die Provinz Adelaide erreichte, hätte er da nicht schon längst einen Versuch zu seiner Befreiung gemacht?

Im Anfange des Jahres 1881 – d. h. in den ersten Sommermonaten – zog der Stamm der Indas gegen das Thal des Fitz-Roy, wo Willy gewöhnlich die heiße Jahreszeit zubrachte, und seine Leute genügende Nahrungsmittel fanden.

Hier hielten sich die Indas auch in den ersten Tagen des April auf, und ihr Lager stand an der Mündung eines kleinen Nebenflusses, der aus den nördlichen Ebenen kam.

Sobald der Stamm in diese Gegend kam, wußte John, daß er in der Nähe der Küste war, die er zu erreichen gedachte. Wenn er dahin gelangte, so würde es ihm vielleicht möglich sein, jene Ortschaften im Süden zu erreichen, die der Oberst Warburton auf seinem Zuge berührte.

John war fest entschlossen, Alles zu wagen und sollte er auch dabei zu Grunde gehen.

Unglücklicherweise vernichtete eine Abänderung des Reiseplanes der Indas alle seine Hoffnungen, denn Willy traf in der Mitte des April Anstalten, sein Winterlager an dem Oberlaufe des Flusses zu beziehen.

Was war da vorgefallen, und was war die Ursache, daß dieser Stamm so ganz von seiner gewohnten Richtung abwich?

Dem Capitän John gelang es nur mit Mühe zu erfahren, daß der Stamm deshalb an den Oberlauf des Flusses ziehe, weil die schwarze Polizei soeben an dem Unterlaufe des Fitz-Roy gesehen worden sei.

Wir dürfen nicht vergessen, daß auf Grund der Berichte Harry Felton's die schwarze Polizei den Befehl erhielt, den Capitän John in den Gebieten des Nordwestens zu suchen.

Diese von den Eingebornen so gefürchtete schwarze Polizei steht unter dem Befehle eines Hauptmannes, »Mani« genannt, der unter sich einen Sergeanten, etwa dreißig Weiße und achtzig Schwarze hat, die, Alle wohlbewaffnet, auf guten Pferden dahinreiten. Diese »Eingebornen-Polizei«, wie sie hieß, genügte für die Sicherheit der Bewohner in den entlegenen Gegenden, welche sie zu bestimmten Zeiten besuchte. Während die Einen vom Standpunkte der Humanität aus das Vorgehen dieser Polizei gegen die Eingebornen tadeln, loben es die Anderen wieder wegen der öffentlichen Sicherheit. Ihr Dienst ist ungemein anstrengend; trotzdem eilen sie mit unglaublicher Schnelligkeit von einem Punkte zum anderen. Auch die Nomadenstämme fürchten diese Polizei, und dies war der Grund, warum Willy beschloß, an den Oberlauf des Flusses zu ziehen.

Aber die Gefahr der Indas konnte die Rettung Johns sein. Wenn es ihm gelang, eine Abtheilung jener Polizei zu erreichen, so war seine Befreiung ebenso sicher wie seine Heimkehr. Würde es nicht möglich sein, während des Abbruches des Lagers seine Wächter zu täuschen?

Willy mußte die Absichten Johns durchblickt haben, denn die Thüre seiner Hütte wurde zu der gewohnten Stunde nicht aufgesperrt und vor derselben stand ein Wächter. Als John nach dem Grunde dieser Maßregel fragte, erhielt er keine Antwort; auch seiner Bitte, ihn zum Häuptlinge zu führen, kam man nicht nach.

Was war denn vorgefallen? Beschleunigten etwa die Indas ihre Vorbereitungen, um weiter zu ziehen? Das war wahrscheinlich, denn John hörte ein fortwährendes Kommen und Gehen in der Nähe seiner Hütte, wohin Willy ihm einige Nahrungsmittel geschickt hatte.

Ein ganzer Tag verfloß, dann noch einer. Nirgends zeigte sich eine Aenderung, denn der Gefangene wurde noch immer scharf bewacht. Endlich in der Nacht vom 22. zum 23. April konnte John bemerken, daß das unruhige Hasten und Treiben draußen aufgehört hatte, und er mußte sich fragen, ob denn die Indas wirklich das Lager am Fitz-Roy verlassen wollten.

Am folgenden Tage wurde plötzlich die Thüre der Hütte aufgerissen.

Ein Mensch – ein Weißer – stand vor dem Capitän John.

Es war Len Burker.


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