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Zehntes Kapitel.
Peter wird bescheiden

Um vier Uhr morgens wurde auf Trömerhof geweckt. Kikeriki – der Hahn schrie sich die Kehle heiser. Wer Landarbeit machen will, muß mit der Sonne aus den Federn.

»Hu – a – uh.« Peter gähnte herzbrechend. Was, jetzt sollte er schon aufstehen? Er war doch eben erst schlafen gegangen. Fritz war eins, zwei, drei aus dem Bett. Der war daran gewöhnt, früh aufzustehen. Der half des Morgens noch vor der Schule dem Vater Zeitungen austragen.

»Du – die Gäule werden schon vor den Leiterwagen gespannt«, rief Fritz, der am offenen Fenster Toilette machte.

Da bequemte sich auch Peter zum Aufstehen. Die kalte Dusche machte ihn vollends munter. Das Anziehen dauerte keine fünf Minuten. Hemd und Hose – fertig war er.

»Gehste barfuß?« erkundigte sich Fritz.

»Klar, Mensch – auf dem Lande. Da sollen dich wohl die Hühner auslachen, wenn du mit Schuh und Strümpfen wie ein Geck zur Landarbeit einherstolzierst.«

Frau Trömer, die trotz der frühen Stunde schon am Frühstückstisch war, schien anderer Meinung zu sein als Peter.

»Barfuß könnt ihr nicht laufen. Bei uns im Gebirge gibt's scharfe Steine; ihr könnt euch was in die Füße treten, Kinder. Zieht euch wenigstens Schuhe an.«

Zu Hause bei Mutti hätte Peter sicherlich allerlei Einwendungen gemacht. Hier wagte er das nicht. Nachdem die Jungen genügend Milch und Butterschnitten vertilgt hatten, traten sie in Schuhen zur Landarbeit an.

»Ihr sollt mit dem Leiterwagen auf die Wiesen zum Kleeschneiden fahren und hernach auf dem Acker Frühkartoffeln buddeln«, ordnete der Gutsherr an. »Joseph, satteln Sie mir die Betti.«

»Hurra!« Leiterwagen – Kartoffelnbuddeln – das war nach Peters Sinn. Er klopfte den braunen Gäulen wohlwollend auf den Rücken und war mit einem Sprung auf dem Wagen. Fritz wollte es ihm nachmachen und stieß sich dabei sein Knie. Es tat eklig weh, aber ein richtiger Junge verbeißt den Schmerz.

Joseph in seiner blauen Joppe nahm auf Kartoffelsäcken Platz. Er schnalzte mit der Zunge. Die Gäule zogen an.

Da kam es schreiend hinterhergejagt. »Halt – halt – wir wollen mit – wir müssen auch noch mit!« Zwei kleine Hemdenmätze, Hansel und Maxel, waren aus der Kinderstube ausgekniffen. Sie wurden von der Mutter und dem Kindermädchen wieder eingefangen.

»Später, wenn ich mit der Erdbeerernte fertig bin, gehen wir nach«, vertröstete die Mutter ihre Kleinen.

»Nee, Muttel, wir wollen halt mit dem Leiterwagen fahren – ich will auf dem Braunen reiten – Fritzel und Päterle sollen auf uns warten!« Ihr Geheul mischte sich mit dem Gekläff der beiden Dackel. Max und Moritz waren ebenfalls empört, daß sie zu Hause bleiben mußten, während der Herr dem Schäferhund Wolf pfiff.

Es war ein wonniger Sommermorgen. In den Ebereschenbäumen, die den Karrenweg besäumten, zwitscherte und jubilierte es in allen Tonarten. Würziger Wiesenduft erfüllte die Luft; Schmetterlinge gaukelten um Phlox und Rosen in den Bauerngärten. In zartblauem Dunst wellte sich die Riesengebirgskette.

»Wir in dem ollen Berlin wissen jar nich, wie schön's in der Welt is«, meinte Fritz, die gute Luft tief einatmend.

»Bei uns am Wannsee und an der Havel ist es auch sehr schön«, widersprach Peter als Berliner Patriot. »Und auch der Lietzensee ist nicht zu verachten.«

»Na ja, wenn du Jeld hast rauszufahren.«

»Ich radele.«

»Zum Rad jehört auch Jeld.«

Peter schwieg nachdenklich. War er nicht manchmal unzufrieden gewesen, weil er auf irgendwas verzichten mußte, was seine Schulfreunde, deren Väter nicht stellungslos waren, bekamen? Fritz, der im Hinterhause in einer bevölkerten Straße im Norden Berlins wohnte, war dankbar für jeden grünen Baum, den er sah. Oben auf dem Leiterwagen wurde Peter auf einmal klar, wie gut er es eigentlich hatte.

An einer roten Kleewiese hielt der Wagen. Peter sprang herunter. Fritz folgte langsamer. Das Knie schmerzte noch immer. Joseph spannte die Pferde aus und trieb sie auf Weideland. Er nahm Sense und Rechen unter einem Sack hervor. »Nu wärden mer halt a Klää schneiden«, sagte er und zog die blaue Jacke aus.

»Darf ich – bitte, Herr Joseph, darf ich schneiden?« rief Peter eifrig.

»Nu nä, Jungele, nu nä. Klää schneiden lernt man halt nä in a Stadt.«

»Aber hier will ich es lernen. Dazu bin ich ja nach Trömerhof gekommen.«

»Nu wart ooch, Jungele. Alles will amal verstanden sein.« Dabei dengelte Joseph seine Sense.

»Rasierklingen von Vater habe ich auch schon geschärft«, teilte Peter mit.

»Nu jo jo, nä nä.« Die Rasierklingen machten weiter keinen Eindruck auf Joseph. »So, Jungele, jetzt fange ich amal an zu schneiden. Und ihr nähmt halt die Rechen und gäht zähn Schritte hinter mir här, daß ich euch nä treffen tu mit a Sense.« Joseph begann kunstgerecht den Klee zu mähen. Links und rechts sanken die roten Blütenschwaden. Bienen schwirrten aufgescheucht empor.

Schade um den schönen Klee, dachte Peter. Wie gern würden Renate und Gitta den zu einem Strauß pflücken.

Die Jungen gingen mit ihren Rechen in ungefährlichem Abstand hinter Joseph her. Sie warteten auf weitere Anweisungen. Aber die erfolgten nicht. Nachdem sie so eine ganze Weile mit ihren Rechen untätig hinterdreingezogen waren, kam Peter die Sache doch etwas merkwürdig vor.

»Herr Joseph, was sollen wir denn eigentlich mit unsern Rechen machen?« rief er dem mit dem Arm weit Ausholenden zu. Er mußte zweimal fragen. Joseph war so in seine Arbeit vertieft, daß er nichts sah und nichts hörte. Verdutzt schaute er sich um.

»Nu natierlich doch a Klää zum Trocknen ausananderklauben. Weeß man denn gor nä in a Stadt, wozu a Rechen is?« verwunderte der sich.

»Na und ob.« Peter wollte als Großstädter auf dem Lande um keinen Preis für dämlich gehalten werden. »Im Park harken sie damit das Gras zusammen.«

»Nu jo jo, nä nä«, sagte Joseph und nichts weiter. Die Sense durchschnitt aufs neue die Luft. Sollten sie nun eigentlich den geschnittenen Klee zusammenharken oder auseinandertun? Peter meinte, man müsse ihn zusammenharken. Dazu sei ein Rechen da. Er hätte das oft im Lietzenseepark beobachtet. Fritz widersprach: »Nee, Joseph hat jesagt, wir soll'n ihn aus'nandermachen.«

»Na, ich harke den Klee zusammen.« Peter war nun mal ein Besserwisser und wollte alles verstehen. Er begann den Klee in Haufen zusammenzuharken. Fritz, der ihm folgte, streute ihn wieder auseinander. So war das eine ganz amüsante, aber wenig fördernde Tätigkeit.

Joseph drehte sich erst um, nachdem er die ganze Wiese hinuntergeschritten war. Da machte er kehrt und dengelte die Sense aufs neue. Dabei warf er einen Blick auf seine landwirtschaftlichen Schüler.

»Nu, Jungele, was macht denn ihr da? Ihr mißt halt a Klää nach beeden Seiten ausananderklauben. Nä zusammenrechen, Päterle. Stadtjungele sein halt a bissel tumm in a Landwirtschaft, nu jo jo, nä nä.« Damit zog Josephs Sense wieder ihre Bogen durch den Klee.

So, Peter, nun weißt du, was du bist. »Tumm« bist du. Und das mußt du dir von einem einfachen Landmann als Großstädter sagen lassen. Fritz, der Knirps, war schlauer gewesen als er. Die Sache funktionierte jetzt, da Peter auf seine eigenen landwirtschaftlichen Kenntnisse verzichtete. Einer breitete jetzt hüben, der andere drüben die roten Blüten zum Trocknen aus. Das schaffte besser. Peter aber hatte noch eine besondere Arbeit dabei, er suchte nach einem vierblättrigen Kleeblatt. Renate sammelte Glücksklee. Er wollte ihn der Schwester im Brief zuschicken.

Trotz der frühen Morgenstunde brannte die Gebirgssonne schon heiß. Die Köpfe der Berliner Jungen wurden rot und röter. Peter empfand alsbald wieder Durst und Hunger. Doch unentwegt, Wiese auf, Wiese ab schritt Joseph mit seiner Sense vor ihnen her. Sie mußten hinterdrein. Puh – Peter stieß den Atem wie eine Lokomotive aus. Nur mal einen Augenblick verpusten. Es war eigentlich ganz leichte Arbeit, die sie da verrichteten; aber sie war ungewohnt. Und bei der großen Hitze zählten die Stunden doppelt.

»Fritz, jetzt kannst du vorangehen«, schlug Peter vor, als man wieder mal am Ende der Wiese angelangt war. Noch nicht ein Drittel des Kleefeldes war geschnitten. Fritz war einverstanden. Er empfand die Sonne nicht so störend. In Berlin, in den steinernen Straßen brannte sie oft viel doller. Da mußte er mit schweren Tüten für den Kaufmann treppauf, treppab laufen.

Peter, der jetzt den Schluß machte, verlangsamte seinen Schritt. Nur ein paar Minuten wollte er sich niedersetzen und verpusten. Er holte die beiden andern schon wieder ein. Sein Hemd klebte am Körper. Er zog es aus. So – mit freiem Oberkörper empfand man die Hitze weniger. Bienen umschwirrten ihn. Heupferdchen geigten. Es wurde Peter schläfrig zumute. Er legte den Kopf auf den frisch geschnittenen, süß duftenden Klee. Und da fielen ihm auch schon die Augen zu. Peter war das frühe Aufstehen nicht gewöhnt.

Pferdegetrappel – eine lachende Stimme: »Ei, Peter, machst du schon Feierabend?« Neben dem emporfahrenden Jungen hielt Herrn Trömers Fuchs. Wolf umkreiste ihn bellend. »Kusch dich, Wolf!«

Peter rieb sich die Augen. Er wußte im ersten Augenblick gar nicht, wo er war. Eben noch hatte er geträumt, daß er in die Schule gehen müsse. Aber statt in seinem Berliner Bett lag er in einem Kleefeld, und neben ihm stand groß gegen den blauen Horizont ein Pferd mit einem Reiter.

Erschreckt sprang Peter auf die Füße. Wie peinlich, daß Herr Trömer ihn für einen Faulpelz halten mußte.

»Es war so heiß«, begann er sich zu entschuldigen und griff rasch nach seinem Rechen.

»Macht nichts. Junge. Wenn du auch mal am hellichten Tage einschläfst. Man kann Latein und Mathematik verstehen und bei der Landarbeit schlappmachen«, beruhigte ihn der Gutsherr.

Na, so ein hervorragender Latein- und Mathematikschüler war Peter nun gerade nicht. Das ließ er nicht auf sich sitzen, daß er schlappmachte.

»Beim Sportturnen habe ich schon einen Preis bekommen im Langstreckenlauf. Und beim Weitspringen war ich auch neulich der Allerbeste«, rühmte er sich.

Herr Trömer lächelte. »Dann beweise hier nur auch deine Tüchtigkeit. Den Klee mußt du halt noch mehr auseinanderstreuen. Nimm dir an Fritzel ein Beispiel. Der macht's richtig.«

Was, der Knirps machte es besser als er? Peter setzte seinen ganzen Ehrgeiz darein, nicht hinter Fritzens Leistungen zurückzustehen. Betti, die Fuchsstute, trabte davon. Ihr Herr mußte noch woanders nach dem Rechten sehen.

Eine Wiese nimmt auch mal ein Ende, wenn sie auch noch so groß ist. Es kam der Augenblick, wo Joseph sich mit seinem blauweiß gewürfelten Taschentuch die Stirn trocknete und dazu »uff« sagte. »Soweit wären mer halt nu, Kinderle. Nu kennen mer halt a bissel verschnaufa.« Er holte den Rucksack vom Wagen und händigte jedem seiner jungen Gehilfen ein umfangreiches Paket Schnitten ein. Mamsell hatte Schinken raufgelegt – das mundete. Peter hatte schon Angst gehabt, daß er bis zur Mittagsmahlzeit hungern müßte. Auch eine große Emailleflasche mit Milch fand sich im Rucksack. Wie das nach der heißen Arbeit erfrischte.

Sie saßen im Schatten einer Eberesche und schmausten. Joseph wies den Jungen die Berge seiner Heimat. »Do is erscht amol a Koppenkägel. Do gäht ihr halt mal nuff, ihr Jungele. Da wärdet ihr noch a bissel mähr schwitza als bei a Klää. Und uff a Prinz-Heinrichs-Baude und zur Schnäägrubenbaude mißt ihr ooch amal, gelt jo? Und uff a Brunnenberg, wo der Herr Riebezohl wohnt.«

»Ja, den Herrn Rübezahl müssen wir besuchen, Fritz«, lachte Peter. »Der alte Herr freut sich sicher, zwei so nette Berliner Jungen kennenzulernen.«

»Nu, spotte ooch nich, Jungele. Der Herr Riebezohl läßt sich halt nä spotten. Der hat schon ganz a andern a Schabernack gespielt, der Herr Riebezohl. Nu jo jo, nä nä.« Joseph nickte bedeutungsvoll und stopfte sich seine Pfeife.

»Was 'n richtiger Berliner Junge ist, der nimmt's mit Rübezahl noch allemal auf«, lachte Peter. Er ballte die Fäuste, als ob er den Herrn der Berge gleich zu einem Boxkampf herausfordern wollte.

»Daß er dich ooch nä straft, der Herr Riebezohl.« Joseph klopfte seine Pfeife aus. Die Frühstückspause war beendet.

»Jibt's hier irjendwo Wasser?« erkundigte sich Fritz.

»'s hat noch a bissel Milch in a Flasche, Jungele.«

»Nee, ich will man bloß mein Taschentuch naß machen und um das Knie wickeln. Es tut eklig weh.«

Peter untersuchte das Knie, als ob er Arzt wäre. »Du, das ist geschwollen. Da mußte 'n nassen Wickel rummachen und ruhen.«

»Quatsch! Ick bin doch nich von Pappe, Mensch.« Der Knirps feuchtete sein Taschentuch im nahen Bach an und band es um das Bein. So, nun konnt's mit der Arbeit weitergehen.

Joseph marschierte voran zu einem unweit gelegenen Kartoffelacker. Blaue Frühkartoffeln wuchsen dort.

»Hier wärden mer halt Kartuffeln nausmacha«, erklärte Joseph.

»Au ja, Pellkartoffeln mit Hering.« Peter war gleich dabei. Er begann an den Kartoffelpflanzen aus Leibeskräften zu ziehen. Aber er behielt nur die abgerissenen Stengel in der Hand. »Da wächst überhaupt gar keine Kartoffel dran«, meldete er.

»Mensch, biste doof?« lachte ihn Fritz aus. »Die Kartoffel ist doch die Wurzelknolle und steckt in der Erde drin.«

»Weiß ich alleine. So schlau wie du bin ich noch alle Tage.« Bloß nicht zeigen, daß er geglaubt hatte, die Kartoffel wachse als Frucht am Stengel. Er wollte sich doch von dem Knirps nicht auslachen lassen.

Joseph hatte inzwischen Hacke und Korb herbeigeschafft. Er begann damit das Erdreich um die Pflanzen ringsum aufzuhacken. »Nu kennt ihr halt die Kartuffeln nausziehn und in a Korb klauba, Kinderle«, ordnete er an.

Peter und Fritz bückten sich und buddelten die Kartoffeln aus der gelockerten Erde. Mit Stumpf und Stiel, mit Blüten und Blättern wunderten sie in den bereit stehenden Korb.

Joseph ging wie ein Pferd vorm Pflug, ohne umzuschauen, mit seiner Hacke den Acker entlang.

»Herr Joseph, der Korb ist voll«, rief Peter nach einer Weile. »Wo sollen wir denn die andern Kartoffeln hintun?«

»Schon?« verwunderte sich Joseph. »Do hob'n mer doch sunst noch amal soviel neingeklaubt.« Da sah er die Bescherung. »Nä nä, Stadtjungele sein tümmer als tumm!« sagte er dann kopfschüttelnd.

»Wieso denn bitte?« fuhr Peter, in seiner Ehre gekränkt, los.

»Freßt ihr in a Stadt Kartoffelkraut? Bei uns uff a Land freßt's nä amal 's Vieh!« Joseph schüttelte sich vor Lachen. »Ihr mißt's Kraut halt abmacha, Jungele.«

»Das hätten Sie uns vorher sagen sollen.«

»Nu, das weeß doch a jedes Rindviech.« Joseph griff wieder nach seiner Hacke. Nicht sehr erfreut über das Kompliment, machten sich die Jungen daran, die Kartoffeln von dem Kraut zu lösen. Der einzige Trost für die beiden bestand darin, daß der andere ebenfalls »tümmer als tumm« war.

Klaubt mal ein paar Stunden in der Julisonne Kartoffeln. Dann werdet ihr euren Buckel schon spüren. So ein guter Turner Peter auch war, es war ihm zumute, als ob ihn einer braun und blau geprügelt hätte. Die Landarbeit erschien ihm jetzt gar nicht mehr verlockend. Wäre er doch lieber mit zur Oma an die Waterkant gefahren. Wie herrlich mußte es jetzt an der See sein. Da brauchte man keine Kartoffeln zu buddeln und konnte ins kühle Meer hinausschwimmen. Ein Kamel war er gewesen, daß er die Eltern bestürmt hatte, ihm die Erlaubnis zur Landarbeit zu geben. Aber was hatte doch damals der Lehrer gesagt? Die Jungen, die sich zur Landarbeit melden, erfüllen eine vaterländische Pflicht. Peter richtete sich hoch und rieb seinen schmerzenden Rücken. Hatten andere nicht viel größere Anstrengungen und Schmerzen für ihr Vaterland ertragen? Hatten sie nicht ihre gesunden Gliedmaßen, ja ihr Leben geopfert? Und da wollte er sich um das bißchen Kreuzschmerzen haben? Die Scholle, aus der er die Kartoffeln buddelte, war deutsche Erde. Er half, dem Heimatboden seinen Ertrag abzugewinnen. Also Zähne zusammenbeißen und feste drauf los.

Bald kam noch Hilfe. Hansel und Maxel erschienen, nur mit Badeanzug und Sandalen bekleidet. Sie machten sich sofort daran, buddeln zu helfen. Die warfen die Kartoffeln nicht mit dem Kraut in den Korb. Die beiden waren schon heute angehende kleine Landwirte. Ein Mädchen brachte Joseph das Mittagessen. Die Jungen sollten in einer halben Stunde nach Haus zu Tisch kommen. Als sie auf dem Trömerhof erschienen, humpelte Fritz, und Peter ging krumm. Alle vier mußten sie erst unter die Dusche. Wie die Mohren schauten sie aus.

»Na, Landarbeit ist doch nicht so ganz einfach, was, Peter?« fragte bei Tisch der Hausherr.

»Man muß sich erst dran gewöhnen.« Peter war heute schon ein wenig bescheidener als am Tage zuvor.

Von Tag zu Tag erkannte Peter mehr, wieviel es hier für ihn zu lernen gab. Was noch so leicht aussah, wenn man es selbst machen mußte, war es schwierig.

Nahm Peter die Zügel, um den Leiterwagen vom Felde heimzulenken, gingen die Pferde durch. Bat er Joseph, ihn mal reiten zu lassen, bäumte der Gaul und warf ihn ab. War es nun bei der Heu- oder bei der Roggenernte, überall mußte man Lehrgeld bezahlen. Selbst Heuverladen verlangt seinen richtigen Griff, und Garben binden und schichten ist sogar eine Kunst. Ein Meister fällt nun mal nicht vom Himmel, selbst wenn er aus Berlin ist.

Sonnentage reihten sich aneinander voll Wiesenduft und Erntesegen. Fleißig schafften die Jungen bis Mittag bei der Landarbeit. Allerdings galt Peters Interesse bei weitem mehr den landwirtschaftlichen Maschinen als der Arbeit selbst. Nachmittags wurden Wanderungen in Rübezahls Reich unternommen. Durch ihr offenes, freundliches Wesen und ihre Hilfsbereitschaft gewannen sich die Berliner Jungen die Herzen von groß und klein. Hansel und Maxel folgten »Fritzel und Päterle« auf Schritt und Tritt wie die beiden Dackel Max und Moritz. Klein-Christel jauchzte hellauf, wenn sie Peter nur von weitem erblickte. Auch die Hausfrau mochte den geschickten, anstelligen Jungen gern. Und dann gab es noch eins auf Trömerhof, wobei Peter seine Kunst beweisen konnte. Das war der Rundfunk. Herr Trömer besaß einen großen, besonders guten Apparat. Es machte ihm Spaß, abends auswärtige Stationen zu suchen. Er war erstaunt über Peters Findigkeit.

Herrliche Ferienwochen wurden es auf dem Lande für die Berliner Jungen. Schade, daß sie mal ein Ende nahmen.


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