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Sonette. Oktaven. Glossen.

Vermächtnis.

Ein Sänger in den frommen Rittertagen,
Ein kühner Streiter in dem heil'gen Lande,
Durchbohrt von Pfeilen lag er auf dem Sande,
Doch konnt' er dies noch seinem Diener sagen:

»Verschleuß mein Herz, wann es nun ausgeschlagen,
In jener Urne, die vom Heimatstrande
Ich hergebracht mit manchem Liebespfande!
Drin sollst du es zu meiner Herrin tragen.«

So ich, Geliebte, der nur dich gefeiert,
Verblute fern von dir in Liebesschmerzen,
Schon decket meine Wangen Todesblässe.

Wann deinen Sänger Grabesnacht umschleiert,
Empfange du das treuste aller Herzen
In des Sonettes goldenem Gefäße!

An Petrarca.

Wenn du von Laura Wahres hast gesungen,
Von hehrem Blick, von himmlischer Gebärde
(Und ferne sei, daß angefochten werde,
Was dir das innerste Gemüt durchdrungen!):

War sie ein Zweig, im Paradies entsprungen,
Ein Engel in der irdischen Beschwerde,
Ein zarter Fremdling auf der rauhen Erde,
Der bald zur Heimat sich zurückgeschwungen;

So fürcht' ich, daß auch auf dem goldnen Sterne,
Wohin du, ein Verklärter, nun gekommen,
Du nimmer das Ersehnte wirst erringen;

Denn jene flog indes zur höhern Ferne,
Sie ward in heil'gern Sphären aufgenommen,
Und wieder mußt du Liebesklage singen.

In Varnhagens Stammbuch.

Als Phöbus stark mit Mauern, Türmen, Gittern
Die Königsburg von Nisa half bereiten,
Da legt' er seiner Lyra goldne Saiten
Auf einen Mauerstein mit leisem Schüttern.

Die Zinne konnte nicht so sehr verwittern,
Daß nicht den Marmor noch in späten Zeiten
Selbst bei des Fingers leichtem Drübergleiten
Durchklungen hätt' ein sanft melodisch Zittern.

So legt' auch ich auf dies Gedächtnisblatt,
Das du wohl öfters, blätternd, wirst berühren,
Mein Saitenspiel, auch gab es einen Ton:

Und dennoch zweifl' ich, ob an dieser Statt
Du jemals einen Nachklang werdest spüren,
Denn ich bin Phöbus nicht, noch Phöbus' Sohn.

Auf Karl Gangloffs Tod.

(† am 16. Mai 1814, 24 Jahre alt, zu Merklingen im Württembergischen, an einer Nervenkrankheit. Die nachstehenden Sonette beziehen sich auf die letzten Zeichnungen und Entwürfe des genialen jungen Künstlers.)

1.

In dieser Zeit, so reich an schönem Sterben,
An Heldentod in frühen Jugendtagen,
Ward dir's nicht, auf dem Siegesfeld erschlagen,
Den heil'gen Eichenkranz dir zu erwerben;

Beschleichend Fieber brachte dir Verderben,
Du wurdest bei der Eltern Weheklagen
Aus deinem Heimathause hingetragen
Zur Stätte, die nicht Blut, nur Blumen färben.

Doch nein, auch dich ergriff die Zeit des Ruhmes,
Dich drängt' es, eine Hermannsschlacht zu schaffen,
Ein sinnig Denkmal deutschen Heldentumes.

Wohl hörtest du noch scheidend Kampfruf schallen,
Es wogt' um dich von Männern, Rossen, Waffen;
So bist du in der Hermannsschlacht gefallen.

2.

Nach Hohem, Würd'gem nur hast du gerungen,
Das Kleinliche verschmähend wie das Wilde;
So faßtest du in kräftige Gebilde
Das wundervolle Lied der Nibelungen.

Schon hatte Hagens Größe dich durchdrungen,
Schon stand vor dir die Rächerin Kriemhilde,
Vor allem aber rührte dich die Milde
Des edeln Sifrids, Giselhers, des jungen.

Mit Fug ward Giselher von dir beklaget,
Der blühend hinsank in des Kampfs Bedrängnis;
Dich selbst hat nun so früher Tod erjaget.

Warst du vielleicht zu innig schon versunken
In jenes Lied, des furchtbares Verhängnis
Zum Tode jedem, nun auch dir, gewunken?

3.

Bedeutungsvoll hast du dein Künstlerleben
Mit jenem frommen, stillen Bild geschlossen:
Wie Abraham mit seines Stamms Genossen
Das Land begrüßt, das ihm der Herr gegeben.

Da lehnen sie auf ihren Wanderstäben,
Von Wald und Felsenhang noch halb umschlossen,
Doch herrlich sehn sie unter sich ergossen
Das weite Land voll Kornes und voll Reben.

So bist auch du nun, abgeschiedne Seele,
Aus dieses Erdenlebens rauher Wilde
An deiner Wandrung frohes Ziel gekommen,

Und durch das finstre Tor der Grabeshöhle
Erblickst du schon die seligen Gefilde,
Das himmlische Verheißungsland der Frommen.

An Kerner.

Es war in traurigen Novembertagen,
Ich war gewallt zum stillen Tannenhaine
Und stand gelehnet an der höchsten eine,
Da hielt ich deine Lieder aufgeschlagen.

Versunken war ich in die frommen Sagen:
Bald kniet' ich vor Sankt Albans Wundersteine,
Bald schaut' ich Regiswind' im Rosenscheine,
Bald sah ich Helicenas Münster ragen.

Welch lieblich Wunder wirkten deine Lieder!
Die Höh' erschien in goldnem Maienstrahle,
Und Frühlingsruf ertönte durch die Wipfel.

Doch bald verschwand der Wunderfrühling wieder,
Er durfte nicht sich senken in die Tale,
Im Fluge streift' er nur der Erde Gipfel.

An den Unsichtbaren.

Du, den wir suchen auf so finstern Wegen,
Mit forschenden Gedanken nicht erfassen,
Du hast dein heilig Dunkel einst verlassen
Und tratest sichtbar deinem Volk entgegen.

Welch süßes Heil, dein Bild sich einzuprägen,
Die Worte deines Mundes aufzufassen!
O selig, die an deinem Mahle saßen!
O selig, der an deiner Brust gelegen!

Drum war es auch kein seltsames Gelüste,
Wenn Pilger ohne Zahl vom Strande stießen,
Wenn Heere kämpften an der fernsten Küste:

Nur um an deinem Grabe noch zu beten
Und um in frommer Inbrunst noch zu küssen
Die heil'ge Erde, die dein Fuß betreten.

Todesgefühl.

Wie Sterbenden zu Mut, wer mag es sagen?
Doch wunderbar ergriff mich's diese Nacht:
Die Glieder schienen schon in Todes Macht,
Im Herzen fühlt' ich letztes Leben schlagen,

Den Geist befiel ein ungewohntes Zagen,
Den Geist, der stets so sicher sich gedacht,
Erlöschend jetzt, dann wieder angefacht,
Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen.

Wie? hielten schwere Träume mich befangen?
Die Lerche singt, der rote Morgen glüht,
Ins rege Leben treibt mich neu Verlangen.

Wie? oder ging vorbei der Todesengel?
Die Blumen, die am Abend frisch geblüht,
Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.

Erstorbene Liebe.

Wir waren neugeboren, himmlisch helle
War uns der Liebe Morgen aufgegangen;
Wie glühten, Laura, Lippen dir und Wangen!
Dein Auge brannt', es schlug des Busens Welle.

Wie wallt' in mir des neuen Lebens Quelle!
Wie hohe Kräfte rastlos mich durchdrangen!
Sie ließen nicht des Schlafes mich verlangen,
Lebendig kurzer Traum vertrat die Stelle.

Ja, Lieb' ist höher Leben im gemeinen;
Das waren ihre regen Lebenszeichen;
Nun such' ich sie an dir, in mir vergebens.

Drum muß ich, Laura, dich und mich beweinen:
Wir beide sind erloschner Liebe Leichen,
Uns traf der Tod des liebelosen Lebens.

Geisterleben.

Von dir getrennet, lieg' ich wie begraben,
Mich grüßt kein Säuseln linder Frühlingslüfte;
Kein Lerchensang, kein Balsam süßer Düfte,
Kein Strahl der Morgensonne kann mich laben.

Wann sich die Lebenden dem Schlummer gaben,
Wann Tote steigen aus dem Schoß der Grüfte,
Dann schweb' ich träumend über Höhn und Klüfte,
Die mich so fern von dir gedränget haben;

Durch den verbotnen Garten darf ich gehen,
Durch Türen wandl' ich, die mir sonst verriegelt,
Bis zu der Schönheit stillem Heiligtume.

Erschreckt dich Geisterhauch, du zarte Blume?
Es ist der Liebe Wehn, das dich umflügelt.
Leb' wohl! ich muß ins Grab, die Hähne krähen.

Oeder Frühling.

Wohl denk' ich jener sel'gen Jugendträume
(Obschon sich die Gefühle mir versagen),
Wann in den ersten milden Frühlingstagen
Im Busen sich mir drängten volle Keime.

Die Ahnung lockte mich in ferne Räume,
Wenn wo ein Laut des Lenzes angeschlagen;
Die Hoffnung wollte sich zum Lichte wagen,
Wie aus den Knospen frisches Grün der Bäume.

Doch nun, da ich das Höchste jüngst genossen,
Gerissen aus dem innigsten Vereine,
Vom reichsten Paradiese kaum verstoßen:

Was sollen nun mir halbergrünte Triften,
Einsamer Amselschlag im toten Haine,
Ein armes Veilchen, noch so süß von Düften?

Die teure Stelle.

Die Stelle, wo ich auf verschlungnen Wegen
Begegnete dem wunderschönen Kinde,
Das, leicht vorübereilend mit dem Winde,
Mir spendete des holden Blickes Segen:

Wohl möcht' ich jene Stelle liebend hegen,
Dort Zeichen graben in des Baumes Rinde,
Mich schmücken mit der Blumen Angebinde,
Zu Träumen mich in kühle Schatten legen.

Doch so verwirrte mich des Blickes Helle,
Und so geblendet blieb ich von dem Bilde,
Daß lang ich wie ein Trunkner mußte wanken

Und nun mit allem Streben der Gedanken,
So wie mit allem Suchen im Gefilde
Nicht mehr erforschen kann die teure Stelle.

Die zwo Jungfraun.

Zwo Jungfraun sah ich auf dem Hügel droben,
Gleich lieblich von Gesicht, von zartem Baue;
Sie blickten in die abendlichen Gaue,
Sie saßen traut und schwesterlich verwoben.

Die eine hielt den rechten Arm erhoben,
Hindeutend auf Gebirg und Strom und Aue;
Die andre hielt, damit sie besser schaue,
Die linke Hand der Sonne vorgeschoben.

Kein Wunder, daß Verlangen mich bestrickte
Und daß in mir der süße Wunsch erglühte:
»O, säß' ich doch an einer Platz von beiden!«

Doch wie ich länger nach den Trauten blickte,
Gedacht' ich im besänftigten Gemüte:
»Nein, wahrlich, Sünde wär' es, sie zu scheiden.«

Der Wald.

Was je mir spielt' um Sinnen und Gemüte
Von frischem Grün, von kühlen Dämmerungen,
Das hat noch eben mich bedeckt, umschlungen
Als eines Maienwaldes Lustgebiete.

Was je in Traum und Wachen mich umglühte
Von Blumenschein, von Knospen, kaum gesprungen,
Das kam durch die Gebüsche hergedrungen
Als leichte Jägerin, des Waldes Blüte.

Sie floh dahin, ich eilte nach mit Flehen,
Bald hätten meine Arme sie gebunden;
Da mußte schnell der Morgentraum verwehen.

O Schicksal, das mir selbst nicht Hoffnung gönnte!
Mir ist die Schönste nicht allein verschwunden,
Der Wald sogar, drin ich sie suchen könnte.

Der Blumenstrauß.

Wenn Sträuchen, Blumen manche Deutung eigen,
Wenn in den Rosen Liebe sich entzündet,
Vergißmeinnicht im Namen schon sich kündet,
Lorbeere Ruhm, Cypressen Trauer zeigen;

Wenn, wo die andern Zeichen alle schweigen,
Man doch in Farben zarten Sinn ergründet,
Wenn Stolz und Neid dem Gelben sich verbündet,
Wenn Hoffnung flattert in den grünen Zweigen:

So brach ich wohl mit Grund in meinem Garten
Die Blumen aller Farben, aller Arten
Und bring' sie dir, zu wildem Strauß gereihet.

Dir ist ja meine Lust, mein Hoffen, Leiden,
Mein Lieben, meine Treu', mein Ruhm, mein Neiden,
Dir ist mein Leben, dir mein Tod geweihet.

Entschuldigung.

Was ich in Liedern manchesmal berichte
Von Küssen in vertrauter Abendstunde,
Von der Umarmung wonnevollem Bunde,
Ach, Traum ist leider alles und Gedichte.

Und du noch gehest mit mir ins Gerichte,
Du zürnest meinem prahlerischen Munde,
Von nie gewährtem Glücke geb' er Kunde,
Das, selbst gewährt, zum Schweigen stets verpflichte.

Geliebte, laß den strengen Ernst sich mildern
Und lächle zu den leichten Dichterträumen,
Dem unbewußten Spiel, den Schattenbildern!

Der Sänger ruhet schlummernd oft im Kühlen,
Indes die Harfe hänget unter Bäumen
Und in den Saiten Lüfte säuselnd wühlen.

Vorschlag.

Dem Dichter ist der Fernen Bild geblieben,
Bei dem er einsam oftmals Trost gefunden,
Und hält des Lebens Wirrung ihn umwunden,
Er fühlt am Busen doch das Bild der Lieben.

Auch, was der Dichter sang, sehnsuchtgetrieben,
Die Schöne liest es oft in Abendstunden,
Und manches hat so innig sie empfunden,
Daß ihr es tief im Herzen steht geschrieben.

Ein teures Bild, wohl wirkt es wunderkräftig,
Wohl mancher Kummer weicht des Liedes Tönen,
Doch ewig bleibt der Trennung Schmerz geschäftig.

O Schicksal, wechsle leicht nur mit den Losen:
Den Dichter führe wieder zu der Schönen,
Die Lieder mögen mit dem Bilde kosen!

Die Bekehrung zum Sonett.

Der du noch jüngst von deinem krit'schen Stuhle
Uns arme Sonettisten abgehudelt,
Der du von Gift und Galle recht gesprudelt
Und uns verflucht zum tiefsten Höllenpfuhle:

Du reines Hermelin der alten Schule,
Wie hast du nun dein weißes Fell besudelt!
Ja, ein Sonettlein hast du selbst gedudelt,
Ein schnalzend Seufzerlein an deine Buhle.

Hast du die selbstgesteckten Warnungszeichen,
Hast du, was halb mit Spott und halb mit Knirschen
Altmeister Voß gepredigt, all vergessen?

Fürwahr! du bist dem Lehrer zu vergleichen,
Der seinen Zögling ob gestohlnen Kirschen
Ausschalt und scheltend selber sie gefressen.

Schlußsonett.

Wie, wenn man auch die Glocke nicht mehr ziehet,
Es lange dauert, bis sie ausgeklungen;
Wie, wer von einem Berge kam gesprungen,
Umsonst, den Lauf zu hemmen, sich bemühet;

Wie oft aus Bränden, welche längst verglühet,
Ein Flämmchen unversehens sich geschwungen;
Und spät noch eine Blüte vorgedrungen
Aus Aesten, die sonst völlig abgeblühet;

Wie den Gesang, den zu des Liebchens Preise
Der Schäfer angestimmt aus voller Seele,
Gedankenlose Halle weiter treiben:

So geht es mir mit der Sonettenweise.
Ob mir's an Zweck und an Gedanken fehle,
Muß ich zum Schlusse dies Sonett doch schreiben.

*

An die Bundschmecker.

1816.

Die ihr mit scharfen Nasen ausgewittert
Viel höchst gefährlicher geheimer Bünde,
Vergönnt mir, daß ich einen euch verkünde,
Vor dem ihr wohl bis heute nicht gezittert!

Ich kenne, was das Leben euch verbittert,
Die arge Pest, die weitvererbte Sünde:
Die Sehnsucht, daß ein Deutschland sich begründe,
Gesetzlich frei, volkskräftig, unzersplittert;

Doch andres weiß ich, und vernehmt ihr's gerne,
So will ich einen mächtigen Bund verraten,
Der sich in stillen Nächten angesponnen:

Es ist der große Bund zahlloser Sterne,
Und wie mir Späher jüngst zu wissen taten,
So steckt dahinter selbst das Licht der Sonnen.

An K. M.

Wann die Natur will knüpfen und erbauen,
Dann liebt in stillen Tiefen sie zu walten;
Geweihten einzig ist vergönnt, zu schauen,
Wie ihre Hand den Frühling mag gestalten,
Wie sie erzieht zu Eintracht und Vertrauen
Die Kinder früh in dunkeln Aufenthalten.
Nur wann sie will zerstören und erschüttern,
Erbraust sie in Orkanen und Gewittern.

So übet auch die Liebe tief und leise
Im Reich der Geister ihre Wundermacht;
Sie zieht unsichtbar ihre Zauberkreise
Am goldnen Abend, in der Sternennacht;
Sie weckt durch feierlicher Lieder Weise
Verwandte Chöre in der Geister Schacht;
Sie weiß durch stiller Augen Strahl die Seelen
Zu knüpfen und auf ewig zu vermählen.

Dort in des Stromes wild empörte Wogen
Warf sich ein Jüngling, voll von raschen Gluten;
Doch jene Wallung, die ihn fortgezogen,
Sie mußt' ihn wieder an das Ufer fluten.
Ich aber sah es, wie des Himmels Bogen,
Der Erde Glanz im stillen Teiche ruhten:
Da sank ich hin, von sanfter Wonne trunken,
Ich sank und bin auf ewig nun versunken.

Ein Abend.

Als wäre nichts geschehen, wird es stille,
Die Glocken hallen aus, die Lieder enden,
Und leichter ward mir in der Tränen Fülle,
Seit sie versenket war von frommen Händen.
Als noch im Hause lag die bleiche Hülle,
Da wußt' ich nicht, wohin nach Ihr mich wenden;
Sie schien mir, heimatlos, mit Klaggebärde
Zu schweben zwischen Himmel hin und Erde.

Die Abendsonne strahlt', ich saß im Kühlen
Und blickte tief ins lichte Grün der Matten;
Mir dünkte bald, zwei Kinder säh' ich spielen,
So blühend, wie einst wir geblühet hatten.
Da sank die Sonne, graue Schleier fielen,
Die Bilder fliehn, die Erde liegt im Schatten;
Ich blick' empor, und hoch in Aethers Auen
Ist Abendrot und all mein Glück zu schauen.

Rückleben.

An ihrem Grabe kniet' ich festgebunden
Und senkte tief den Geist ins Totenreich;
Zum Himmel reichte nicht mein Blick, es stunden
Des Wiedersehens Bilder fern und bleich.
Da so ich vorwärts Grauen nur gefunden,
Vergangne Tage, flüchtet' ich zu euch:
Ich ließ den Sarg des Grabes Nacht entheben,
Zurück Sie tragen in das schöne Leben.

Schon huben sich die bleichen Augenlider,
Ihr Auge schmachtete zu mir empor;
Bald strebten auf die frischverjüngten Glieder,
Sie schwebte blühend in der Schwestern Chor;
Der Liebe goldne Stunden traten wieder,
Selbst mit des ersten Kusses Lust, hervor:
Bis sich verlor ihr Leben und das meine
In sel'ger Kindheit Duft und Morgenscheine.

Gesang und Krieg.

1.

Wühlt jener schauervolle Sturm aus Norden
Zerstörend auch im frischen Liederkranze?
Ist der Gesang ein feiges Spiel geworden?
Wiegt fürder nur der Degen und die Lanze?
Muß schamrot abwärts fliehn der Sängerorden,
Wann Kriegerscharen ziehn im Waffenglanze?
Darf nicht der Harfner wie in vor'gen Zeiten
Willkommen selbst durch Feindeslager schreiten?

Bleibt Poesie zu Wald und Kluft verdrungen,
Bis nirgends Kampf der Völker Ruhe störet,
Bis das vulkan'sche Feuer ausgerungen,
Das stets sich neu im Erdenschoß empöret:
So ist bis heute noch kein Lied erklungen
Und wird auch keins in künft'ger Zeit gehöret;
Nein, über ew'gen Kämpfen schwebt im Liede,
Gleich wie in Goldgewölk, der ew'ge Friede.

Ein jedes weltlich Ding hat seine Zeit;
Die Dichtung lebet ewig im Gemüte,
Gleich ewig in erhabner Herrlichkeit,
Wie in der tiefen Lieb' und stillen Güte,
Gleich ewig in des Ernstes Düsterheit,
Wie in dem Spiel und in des Scherzes Blüte.
Ob Donner rollen, ob Orkane wühlen,
Die Sonne wankt nicht, und die Sterne spielen.

Schon rüsten sich die Heere zum Verderben,
Der Frühling rüstet sich zu Spiel und Reigen;
Die Trommeln wirbeln, die Trommeten werben,
Indes die wilden Winterstürme schweigen;
Mit Blute will der Krieg die Erde färben,
Die sich mit Blumen schmückt und Blütenzweigen.
Darf so der ird'sche Lenz sich frei erschließen,
So mög' auch unser Dichterfrühling sprießen!

2.

Nicht schamrot weichen soll der Sängerorden,
Wann Kriegerscharen ziehn im Waffenglanze;
Noch ist sein Lied kein schnödes Spiel geworden,
Doch ziert auch ihn der Degen und die Lanze;
Wohl schauervoll ist jener Sturm aus Norden,
Doch weht er frisch und stärkt zum Schwertertanze.
Wollt, Harfner, ihr durch Feindeslager schreiten,
Noch steht's euch frei, den Eingang zu erstreiten.

Wann »Freiheit! Vaterland!« ringsum erschallet,
Kein Sang tönt schöner in der Männer Ohren;
Im Kampfe, wo solch heilig Banner wallet,
Da wird der Sänger kräftig neugeboren.
Hat Aeschylos, des Lied vom Siege hallet,
Hat Dante nicht dies schönste Los erkoren?
Cervantes ließ gelähmt die Rechte sinken
Und schrieb den Don Quichotte mit der Linken. Dieses ist unrichtig; dem Cervantes wurde in dem Seetreffen bei Lepanto die linke Hand gelähmt.

Auch unsres deutschen Liedertempels Pfleger,
Sie sind dem Kriegesgeiste nicht verdorben,
Man hört sie wohl, die freud'gen Telynschläger,
Und mancher hat sich blut'gen Kranz erworben.
Du, Wehrmann, Leo, du, o schwarzer Jäger,
Wohl seid ihr ritterlichen Tods gestorben.
Und Fouqué, wie mir du das Herz durchdringest!
Du wagtest, kämpftest, doch du lebst und singest.

Den Frühling kündet der Orkane Sausen,
Der Heere Vorschritt macht die Erde dröhnen,
Und wie die Ström' aus ihren Ufern brausen,
So wogt es weit von Deutschlands Heldensöhnen;
Der Sänger folgt durch alles wilde Grausen,
Läßt Sturm und Wogen gleich sein Lied ertönen.
Bald blüht der Frühling, bald der goldne Friede
Mit mildern Lüften und mit sanftrem Liede.

Katharina.

Die Muse, die von Recht und Freiheit singet,
Sie wandelt einsam, ferne den Palästen;
Wenn Lustgesang und Reigen dort erklinget,
Sie hat nicht Anteil an des Hofes Festen.
Doch, nun der laute Schmerz die Flügel schwinget,
Da kommt auch sie mit andern Trauergästen,
Und hat sie nicht die Lebenden erhoben,
Die Toten, die nicht hören, darf sie loben.

Die Stadt erdröhnt vom Schall der Totenglocken,
Die Menge brüstet sich im schwarzen Kleide,
Kein Antlitz lächelt, und kein Aug' ist trocken,
Ein Wettkampf ist im ungemeßnen Leide.
Doch all dies kann die Muse nicht verlocken,
Daß sie das Falsche nicht vom Echten scheide;
Die Glocke tönet, wenn man sie geschwungen,
Und Tränen gibt es, die nicht tief entsprungen.

Der reiche Sarg, von Künstlerhand gezimmert,
Mit einer Fürstin purpurnem Gewande,
Mit einer Krone, die von Steinen flimmert,
Bedeutet er nicht großes Weh dem Lande?
Doch, wie der Purpur, wie die Krone schimmert,
Die Muse huldigt nimmermehr dem Tande;
Der ird'sche Glanz, kann er die Augen blenden,
Die sich zum Licht der ew'gen Sterne wenden?

Sie blickt zum Himmel, blickt zur Erde wieder,
Sie schaut in alle Zeiten der Geschichte:
Da steigen Königinnen auf und nieder,
Und viele schwinden hin wie Traumgesichte
Und sind verschollen in dem Mund der Lieder
Und sind erloschen in des Ruhmes Lichte,
Indes in frischem, unverblühtem Leben
Die Namen edler Bürgerinnen schweben.

Drum darf die Muse wohl, die ernste, fragen:
»Hat dieser goldne Schmuck ein Haupt umfangen,
Das würdig und erleuchtet ihn getragen?
Hat unter dieses Purpurmantels Prangen
Ein hohes, königliches Herz geschlagen,
Ein Herz, erfüllt von heiligem Verlangen,
Von reger Kraft, in weitesten Bezirken
Belebend, hilfreich, menschlich groß zu wirken?«

So fragt die Muse, doch im innern Geiste
Ward ihr voraus der rechten Antwort Kunde;
Da spricht sie manches Schmerzliche, das meiste
Verschließt sie bitter in des Busens Grunde;
Und daß auch sie ihr Totenopfer leiste,
Ihr Zeichen stifte dieser Trauerstunde,
Legt sie zur Krone hin, der goldesschweren,
Bedeutsam einen vollen Kranz von Aehren:

»Nimm hin, Verklärte, die du früh entschwunden!
Nicht Gold noch Kleinod ist dazu verwendet,
Auch nicht aus Blumen ist der Kranz gebunden
(In rauher Zeit hast du die Bahn vollendet),
Aus Feldesfrüchten hab' ich ihn gewunden,
Wie du in Hungertagen sie gespendet;
Ja, gleich der Ceres Kranze flocht ich diesen.
Volksmutter, Nährerin, sei mir gepriesen!«

Sie spricht's, und aufwärts deutet sie, da weichen
Der Halle Bogen, die Gewölke fliehen,
Ein Blick ist offen nach des Himmels Reichen,
Und droben sieht man Katharinen knien;
Sie trägt nicht mehr der ird'schen Würde Zeichen,
Sie ließ der Welt, was ihr die Welt geliehen,
Doch auf die Stirne fällt, die reine, helle,
Ein Lichtstrahl aus des Lichtes höchstem Quelle.

Glossen.

1. Der Rezensent.

Süße Liebe denkt in Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern,
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.

Tieck

Schönste, du hast mir befohlen,
Dieses Thema zu glossieren;
Doch, ich sag' es unverhohlen:
»Dieses heißt die Zeit verlieren,«
Und ich sitze wie auf Kohlen.
Liebtet ihr nicht, stolze Schönen,
Selbst die Logik zu verhöhnen,
Würd' ich zu beweisen wagen,
Daß es Unsinn ist, zu sagen:
» Süße Liebe denkt in Tönen

Zwar versteh' ich wohl das Schema
Dieser abgeschmackten Glossen,
Aber solch verzwicktes Thema,
Solche rätselhafte Possen
Sind ein gordisches Problema.
Dennoch macht' ich dir, mein Stern,
Diese Freude gar zu gern;
Hoffnungslos reib' ich die Hände,
Nimmer bring' ich es zu Ende,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Laß mein Kind, die span'sche Mode!
Laß die fremden Triolette!
Laß die welsche Klangmethode
Der Kanzonen und Sonette!
Bleib bei deiner sapph'schen Ode!
Bleib der Aftermuse fern
Der romantisch süßen Herrn!
Duftig schwebeln, luftig tänzeln
Nur in Reimchen, Assonänzeln,
Nur in Tönen mag sie gern.

Nicht in Tönen solcher Glossen
Kann die Poesie sich zeigen;
In antiken Verskolossen
Stampft sie besser ihren Reigen
Mit Spondeen und Molossen.
Nur im Hammerschlag und Dröhnen
Deutschhellenischer Kamönen
Kann sie selbst die alten, kranken,
Allerhäßlichsten Gedanken,
Alles, was sie will, verschönen.

2. Der Romantiker und der Rezensent.

Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig auf in der allen Pracht!

Tieck

Romantiker.

Finster ist die Nacht und bange,
Nirgends eines Sternleins Funkel;
Dennoch in verliebtem Drange
Wandl' ich durch das grause Dunkel
Mit Gesang und Lautenklange.
Wenn Kamilla nun erwacht
Und das Lämpchen freundlich facht,
Dann erblick' ich, der Entzückte,
Plötzlich eine sterngeschmückte,
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Rezensent.

Laß Er doch sein nächtlich Johlen,
Poetaster Helikanus!
Was Er singt, ist nur gestohlen
Aus dem Kaiser Oktavianus,
Der bei mir nicht sehr empfohlen,
Den ich der gelehrten Welt
Von den Alpen bis zum Belt
Preisgab als ein Werk der Rotte,
Die den Unsinn hub zum Gotte,
Die den Sinn gefangen hält.

Romantiker.

Welche Stimme, rauh und heischer!
Ist das wohl der Baur Hornvilla?
Ist es Klemens wohl, der Fleischer?
Von den Fenstern der Kamilla
Heb' dich weg, du alter Kreischer!
Was die krit'sche Feder hält
Von den Alpen bis zum Belt,
Wüt' es doch zu Haus und schäume,
Nur verschon' es ihrer Träume
Wundervolle Märchenwelt!

Rezensent.

Bänkelsänger, Hackbrettschläger,
Volk, das nachts die Stadt durchleiert,
Nennt sich jetzt der Musen Pfleger;
Nächstens, wenn Apoll noch feiert,
Dichten selbst die Schornsteinfeger.
Zeit, wo man mit Wohlbedacht
Nur latein'schen Vers gemacht,
Zeit gepuderter Perücken,
Drauf Pfalzgrafen Lorbeern drücken,
Steig auf in der alten Pracht!

3. Die Nachtschwärmer.

Eines schickt sich nicht für alle;
Sehe jeder, wie er's treibe!
Sehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle!

Goethe.

Der Unverträgliche.

Stille streif' ich durch die Gassen,
Wo sie wohnt, die blonde Kleine;
Doch schon seh' ich andere passen,
Und mir war's im Dämmerscheine,
Einer würd' hineingelassen.
Regt es mir denn gleich die Galle,
Daß sie andern auch gefalle?
Sei's! doch kann ich nicht verschweigen:
Jeder hab' ein Liebchen eigen!
Eines schickt sich nicht für alle.

Der Hilfreiche.

Zu den Brunnen mit den Krügen
Kommt noch spät mein trautes Mädchen,
Rollt mit raschen, kräft'gen Zügen,
Husch, die Kette um das Rädchen.
Ihr zu helfen, welch Vergnügen!
Ja, ich zog mit ganzem Leibe,
Bis zersprang des Rädchens Scheibe.
Ist es nun auch stehn geblieben,
Haben wir's doch gut getrieben.
Sehe jeder, wie er's treibe!

Der Vorsichtige.

»Zwölf Uhr!« ist der Ruf erschollen,
Und mir sinkt das Glas vom Munde.
Soll ich jetzt nach Haus mich trollen
In der schlimmen Geisterstunde,
In der Stunde der Patrollen?
Und daheim zum Zeitvertreibe
Noch den Zank von meinem Weibe!
Dann die Nachbarn, häm'sche Tadler! –
Nein, ich bleib' im goldnen Adler.
Sehe jeder, wo er bleibe!

Der Schwankende.

Ei, was kann man nicht erleben!
Heute war doch Sonnenhitze,
Und nun hat's Glatteis gegeben;
Daß ich noch aufs Pflaster sitze,
Muß ich jeden Schritt erbeben;
Und die Häuser taumeln alle,
Wenn ich kaum an eines pralle.
Hüte sich in diesen Zeiten,
Wer da wandelt, auszugleiten,
Und wer steht, daß er nicht falle!

*


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