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Sinngedichte.

Distichen.

An Apollo, den Schmetterling.

Göttlicher Alpensohn, sei huldreich uns Epigrammen!
Ueber der nächtlichen Kluft flatterst du, spielend im Glanz.

Achill.

1.

Durch der Schlachten Gewühl bist du stets sicher gewandelt,
Aus Skamanders Gewog tratst du gerettet hervor;
Als du der Jungfrau Hand empfingst im Tempel des Friedens,
Göttergleicher Achill! traf dich der tödliche Pfeil.

2.

Dort nun thronet Achill, ein Gott, in der Seligen Lande;
Wogen umschlingen es; du, Göttin der Wogen, den Sohn.

Narziß und Echo.

1.

Seltsam spielest du oft mit Sterblichen, Amor! Es liebet
Einen Schatten Narziß, aber ihn liebet ein Hall.

2.

Das noch tröstete sie, das Wort des spröden Geliebten
Nachzustöhnen; nun gar ist er zur Blume verstummt.

3.

Schmerzlich dachte Narziß: »O, wär' ich wieder ein Jüngling!«
Echo dachte sogleich: »Könnt' ich als Mädchen zurück!«

4.

Amor, und dies dein Spiel! Bald lockst du die zärtliche Echo,
Bald in der kindischen Hand drehst du den goldnen Narziß.

Die Götter des Altertums.

Sterbliche wandeltet ihr in Blumen, Götter von Hellas!
Ach, nun wurdet ihr selbst Blümchen des neuen Gedichts.

Tells Platte.

Hier ist das Felsenriff, drauf Tell aus der Barke gesprungen;
Sieh! ein ewiges Mal hebet dem Kühnen sich hier.
Nicht die Kapelle dort, wo sie jährliche Messen ihm singen,
Nein, des Mannes Gestalt, siehst du, wie herrlich sie steht?
Schon mit dem einen Fuße betrat er die heilige Erde,
Stößt mit dem andern hinaus weit das verzweifelnde Schiff.
Nicht aus Stein ist das Bild, noch von Erz, nicht Arbeit der Hände,
Nur dem geistigen Blick Freier erscheinet es klar;
Und je wilder der Sturm, je höher brauset die Brandung,
Um so mächtiger nur hebt sich die Heldengestalt.

Die Ruinen.

Wandrer! es ziemet dir wohl, in der Burg Ruinen zu schlummern;
Träumend baust du vielleicht herrlich sie wieder dir auf.

Begräbnis.

Als des Gerechten Sarg mit heiliger Erde bedeckt war,
Deckte der Himmel darauf freundlich den silbernen Schnee.

Mutter und Kind.

Mutter.

Blicke zum Himmel, mein Kind! dort wohnt dir ein seliger Bruder;
Weil er mich nimmer betrübt, führten die Engel ihn hin.

Kind.

Daß kein Engel mich je von der liebenden Brust dir entführe,
Mutter, so sage du mir, wie ich betrüben dich kann!

Märznacht.

Horch! wie brauset der Sturm und der schwellende Strom in der Nacht hin!
Schaurig süßes Gefühl! lieblicher Frühling, du nahst!

Im Mai.

Blumen und Blüten, wie licht, und das Glorienlaub um die Bäume!
Bleib' nur, Himmel, bewölkt! Erde hat eigenen Glanz.

Tausch.

Als der Wind sich erhob, da flog zerblättert die Blume,
Aber der Schmetterling setzt in dem Laube sich fest.

Amors Pfeil.

Amor! dein mächtiger Pfeil, mich hat er tödlich getroffen;
Schon im elysischen Land wacht' ich, ein Seliger, auf.

Traumdeutung.

Gestern hatt' ich geträumt, mein Mädchen am Fenster zu sehen;
Doch was sah ich des Tags? Blumen der Lieblichen nur.
Heute nun war mir im Traum, als säh' ich am Fenster die Blumen;
Darum schau' ich gewiß heute die Liebliche selbst.

Die Rosen.

Oft einst hatte sie mich mit duftigen Rosen beschenket;
Eine noch sproßte mir jüngst aus der Geliebtesten Grab.

Antwort.

Das Röschen, das du mir geschickt,
Von deiner lieben Hand gepflückt,
Es lebte kaum zum Abendrot,
Das Heimweh gab ihm frühen Tod;
Nun schwebet gleich sein Geist von hier
Als kleines Lied zurück zu dir.

Die Schlummernde.

Wann deine Wimper neidisch fällt,
Dann muß in deiner innern Welt
Ein lichter Traum beginnen:
Dein Auge strahlt nach innen.

An Sie.

Deine Augen sind nicht himmelblau,
Dein Mund, er ist kein Rosenmund,
Nicht Brust und Arme Lilien.
Ach, welch ein Frühling wäre das,
Wo solche Lilien, solche Rosen
Im Tal und auf den Höhen blühten,
Und alles das ein klarer Himmel
Umfinge wie dein blaues Aug'!

Greisenworte.

Sagt nicht mehr: »Guten Morgen! guten Tag!«
Sagt immer: »Guten Abend! gute Nacht!«
Denn Abend ist es um mich, und die Nacht
Ist nahe mir; o, wäre sie schon da!

Komm her, mein Kind! o du mein süßes Leben!
Nein, komm, mein Kind! o du mein süßer Tod!
Denn alles, was mir bitter, nenn' ich Leben,
Und was mir süß ist, nenn' ich alles Tod.

Auf den Tod eines Landgeistlichen.

Bleibt abgeschiednen Geistern die Gewalt,
Zu kehren nach dem ird'schen Aufenthalt,
So kehrest du nicht in der Mondennacht,
Wann nur die Sehnsucht und die Schwermut wacht;
Nein, wann ein Sommermorgen niedersteigt,
Wo sich im weiten Blau kein Wölkchen zeigt,
Wo hoch und golden sich die Ernte hebt,
Mit roten, blauen Blumen hell durchwebt,
Dann wandelst du, wie einst, durch das Gefild
Und grüßest jeden Schnitter freundlich mild.

Nachruf.

1.

Du, Mutter, sahst mein Auge trinken
Des ird'schen Tages erstes Licht;
Auf dein erblassend Angesicht
Sah ich den Strahl des Himmels sinken.

2.

Ein Grab, o Mutter, ist gegraben dir
An einer stillen, dir bekannten Stelle,
Ein heimatlicher Schatten wehet hier,
Auch fehlen Blumen nicht an seiner Schwelle.

Drin liegst du, wie du starbest, unversehrt,
Mit jedem Zug des Friedens und der Schmerzen;
Auch aufzuleben ist dir nicht verwehrt:
Ich grub dir dieses Grab in meinem Herzen.

3.

Verwehn, verhallen ließen sie
Den frommen Grabgesang;
In meiner Brust verstummet nie
Von dir ein sanfter Klang.

4.

Du warst mit Erde kaum bedeckt,
Da kam ein Freund heraus,
Mit Rosen hat er ausgesteckt
Dein stilles Schlummerhaus.

Zu Haupt zwei sanft erglühende,
Zwei dunkle niederwärts,
Die weiße, ewig blühende,
Die pflanzt' er auf dein Herz.

5.

Zu meinen Füßen sinkt ein Blatt,
Der Sonne müd', des Regens satt;
Als dieses Blatt war grün und neu,
Hatt' ich noch Eltern lieb und treu.

O, wie vergänglich ist ein Laub,
Des Frühlings Kind, des Herbstes Raub!
Doch hat dies Laub, das niederbebt,
Mir so viel Liebes überlebt.

6.

Die Totenglocke tönte mir
So traurig sonst, so bang;
Seit euch geläutet ward von ihr,
Ist sie mir Heimatklang.

Auf einen Grabstein.

Wenn du auf diesem Leichensteine
Verschlungen siehest Hand in Hand,
Das zeugt von irdischem Vereine,
Der innig, aber kurz bestand;
Es zeugt von einer Abschiedsstunde,
Wo Hand aus Hand sich schmerzlich rang,
Von einem heil'gen Seelenbunde,
Von einem himmlischen Empfang.

Auf den Tod eines Kindes.

Du kamst, du gingst mit leiser Spur,
Ein flücht'ger Gast im Erdenland;
Woher? wohin? Wir wissen nur:
Aus Gottes Hand in Gottes Hand.

In ein Stammbuch.

Die Zeit in ihrem Fluge streift nicht bloß
Des Feldes Blumen und des Waldes Schmuck,
Den Glanz der Jugend und die frische Kraft:
Ihr schlimmster Raub trifft die Gedankenwelt.
Was schön und edel, reich und göttlich war
Und jeder Arbeit, jeden Opfers wert,
Das zeigt sie uns so farblos, hohl und klein,
So nichtig, daß wir selbst vernichtet sind.
Und dennoch wohl uns, wenn die Asche treu
Den Funken hegt, wenn das getäuschte Herz
Nicht müde wird, von neuem zu erglühn!
Das Echte doch ist eben diese Glut;
Das Bild ist höher als sein Gegenstand,
Der Schein mehr Wesen als die Wirklichkeit.
Wer nur die Wahrheit sieht, hat ausgelebt.
Das Leben gleicht der Bühne: dort wie hier
Muß, wann die Täuschung weicht, der Vorhang fallen.

Auf Wilhelm Hauffs frühes Hinscheiden.

Dem jungen, frischen, farbenhellen Leben,
Dem reichen Frühling, dem kein Herbst gegeben,
Ihm lasset uns zum Totenopfer zollen
Den abgeknickten Zweig, den blütenvollen!

Noch eben war von dieses Frühlings Scheine
Das Vaterland beglänzt. – Auf schroffem Steine,
Dem man die Burg gebrochen, hob sich neu
Ein Wolkenschloß, ein zauberhaft Gebäu;
Doch in der Höhle, wo die stille Kraft
Des Erdgeists rätselhafte Formen schafft:
Am Fackellicht der Phantasie entfaltet,
Sahn wir zu Heldenbildern sie gestaltet,
Und jeder Hall, in Spalt' und Kluft versteckt,
Ward zu beseeltem Menschenwort erweckt.
Mit Heldenfahrten und mit Festestänzen,
Mit Satirlarven und mit Blumenkränzen
Umkleidete das Altertum den Sarg,
Der heiter die verglühte Asche barg;
So hat auch er, dem unsre Träne taut,
Aus Lebensbildern sich den Sarg erbaut.

Die Asche ruht, der Geist entfleugt auf Bahnen
Des Lebens, dessen Fülle wir nur ahnen,
Wo auch die Kunst ihr himmlisch Ziel erreicht
Und vor dem Urbild jedes Bild erbleicht.

Schicksal.

Ja, Schicksal, ich verstehe dich:
Mein Glück ist nicht von dieser Welt,
Es blüht im Traum der Dichtung nur.
Du sendest mir der Schmerzen viel
Und gibst für jedes Leid ein Lied.

Auf die Reise.

Um Mitternacht auf pfadlos weitem Meer,
Wann alle Lichter längst im Schiff erloschen,
Wann auch am Himmel nirgends glänzt ein Stern,
Dann glüht ein Lämpchen noch auf dem Verdeck,
Ein Docht, vor Windesungestüm verwahrt,
Und hält dem Steuermann die Nadel hell,
Die ihm untrüglich seine Richtung weist.
Ja, wenn wir's hüten, führt durch jedes Dunkel
Ein Licht uns, stille brennend in der Brust.

*


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