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Eine fidele Stunde

Seit zwei Tagen wohnte im Boberhotel zu Hirschberg der Vertreter der Firma Schrei & Muterli, der die verschiedensten Geschäftsleute besuchte. In seinem Reisekoffer befanden sich Zahnringe für Säuglinge, Badepuppen, Gummitiere, aber auch – und darauf war der Vertreter ganz besonders stolz – die verschiedensten Gummilutscher, die von seiner Firma hergestellt wurden. Die Wirtin des Boberhotels und ihre jung verheiratete Schwiegertochter hatten mit großem Vergnügen und vielem Lachen die vielartigen Schnuller angesehen.

»Ist ja nicht mehr modern«, meinte die junge Frau, »es wird immer wieder gesagt, man solle Säuglinge nicht erst an Lutscher gewöhnen, lieber ein wenig schreien lassen.«

»Nervöse Eltern sind anderer Meinung, verehrte Frau«, erwiderte der Vertreter. »Unsere Lutscher sind außerdem derart hygienisch, daß sie der Säugling mit Behagen in sein Mäulchen steckt. – Hier zum Beispiel den Schnuller ›Eia-Popeia‹ oder hier Marke ›Wonneschnuller‹. Auch dieser ›Hygienia‹. Sie können alles bei mir haben. Machen Sie also einen Versuch. Kinder mit unserem Schnuller ›Eia-Popeia‹ machen den Eltern keine unruhige Stunde mehr. ›Eia-Popeia‹ ist ein Wunderschnuller, der das Glück ins Heim trägt!«

»Schon gut, schon gut«, lachte die Wirtin vom Boberhotel. »Haben Sie gute Geschäfte in Hirschberg gemacht?«

»Gewiß, ganz gewiß! Meine Firma Schrei und Muterli ist eine anerkannt gute Firma. Wer von dort kommt, empfiehlt sich schon im voraus selbst!«

»Wollen Sie heute weiterreisen, Herr Herzich?«

»Ich glaube, ich bin hier fertig. – Oder wäre noch ein Geschäft, das ich übersah? Meine ständige Kundschaft ist besucht.« Mit außergewöhnlichem Zungenschlag zählte der junge Vertreter die Firmen auf, denen er in der Stadt einen Besuch abgestattet hatte. »Vielleicht gehen Sie noch ins Mütterheim«, sagte die Schwiegertochter.

Herzich horchte hoch auf. »Ein Mütterheim? Es gibt in Hirschberg ein Mütterheim?«

»Sogar ein sehr schönes!«

»Wo ist es? Selbstverständlich besuche ich heute noch das Mütterheim. Eine Mutter ohne den Schnuller ›Eia-Popeia‹ ist keine rechte Mutter. Heute noch bringe ich in das Mütterheim meinen ›Wonneschnuller‹ und ähnliche Fabrikate! – Ich danke Ihnen, daß Sie mich auf das Mütterheim aufmerksam machten. Wo finde ich es?«

»Wenn Sie am Markt stehen, gehen Sie die breite Straße, an der die Post steht, hinunter, Sie kommen dann an einem Denkmal vorüber und sehen die Villenkolonie. Das zweite oder dritte Haus rechts ist das Mütterheim.«

»Danke, ich habe noch einen geschäftlichen Gang zu machen; gegen vier Uhr werde ich dann das Heim besuchen. Wahrscheinlich treffe ich um diese Zeit die meisten jungen Mütter an.«

»Augenblicklich sind ganz junge Mütter darin«, ergänzte die Schwiegertochter. »Sie werden das Haus bestimmt finden. Es steht in einem Garten, eine Glasveranda befindet sich an der einen Seite. Einige Stufen führen hinauf.«

»Danke, danke, ich frage mich zurecht!« Das Gesicht des Vertreters strahlte. Heute nachmittag würde er noch ein gutes Geschäft abschließen. Die jungen Mütter sollten alle Vorteile des Schnullers ›Eia-Popeia‹ oder des ›Wonneschnullers‹ zu hören bekommen. – –

In der Villa von Professor Bender saßen in der Veranda, die durch Dampfheizung erwärmt wurde, neun junge Mädchen. Vor ihnen lagen zahlreiche Bücher und Schulhefte.

»Ach, Pommerle«, sagte Karin, »du wirst Ostern bestimmt versetzt werden, aber bei mir sieht es windig aus!«

»Ich komme auf keinen Fall hinüber«, gähnte Maria Bergell. »Es ist eigentlich ein Unsinn, daß wir uns die Köpfe heiß machen. Was wir bis heute nicht wissen, lernen wir nicht mehr!«

»O doch«, widersprach Ilse Torlege, »ich bin der festen Überzeugung, daß uns die Nachhilfestunden, die wir uns selbst geben, sehr fördern.«

»Ihr würdet euch allein allerlei dummes Zeug einlernen«, rief Nora Bauer, die um zwei Jahre ältere Schwester Elfriedes. Sie wollte zu Ostern das Abiturium machen und hatte sich bereit erklärt, den Sekundanerinnen zweimal in der Woche Aufgaben zu stellen und das Gelernte zu überhören. Sie hatte auch noch ihre Freundin Dagmar mitgebracht, die ihr Abiturientenexamen im vorigen Jahr gemacht hatte. So saßen sieben Sekundanerinnen, eine Abiturientin und die neunzehnjährige Dagmar beieinander, um fleißig zu wiederholen.

»In Erdkunde ist euer Wissen sehr mangelhaft«, erklärte Nora, »ich weiß, welche Angst ich hatte, als man mich über Afrika fragte und ich recht wenig wußte. Jetzt bin ich in Afrika zu Hause wie in meiner Kommode. Also mal los, Ilse – nenne mir einmal die Länder, die am Indischen Ozean liegen.«

»Am Indischen Ozean«, wiederholte Ilse Torlege gedehnt, »am Indischen Ozean? – – Da ist ganz unten das Kapland, dann dann kommt das andere Land, daran schließt sich das Land mit der schwarzen Bevölkerung – – «

»Das ist keine Antwort, mit der man zufrieden ist. – Maria, hilf du mal.«

»Lieber Himmel, was kümmert mich Afrika, ich werde niemals dorthinkommen! Ich werde heiraten, ganz bestimmt keinen Schwarzen werde auch keinen Kaufmann heiraten, der mit Afrika Handel treibt, sondern einen Arzt. Er darf in Afrika nicht praktizieren. – Am Indischen Ozean liegt ich glaube der Kongo-Staat und Marokko.«

»Entsetzlich«, rief Nora und schlug die Hände zusammen, »dir ist Afrika wirklich ein böhmisches Dorf!«

»Meinst du wirklich, daß Afrika wichtig ist? Afrika ist sehr weit weg. Aber ein wenig muß man schon davon wissen«, behauptete Karin. »Man redet sich geschickt heraus, und wenn ich gefragt werde, was am Indischen Ozean liegt, halte ich zunächst einen Vortrag über den Ozean und seine Meerestiere. Ihr wißt, das ist meine Stärke.«

»Ich sehe schon«, tadelte Nora, »die einzige von euch, die in Afrika Bescheid weiß, ist wieder Pommerle. – Kinder, Kinder, wenn ihr so weiter macht, bleibt ihr alle kleben. Dann ist es nicht euer letztes Schuljahr, dann kommt ihr zu Ostern nicht von der Schulbank herunter – – «

»Gräßlich wäre das«, rief Ilse, »meine Zukunft ist bereits nach Jahren festgelegt!«

»Meine auch«, sagte Pommerle, »mir ist mein Leben vorgezeichnet. Ich muß Ostern meine Versetzung bekommen, muß von der Schule 'runter, denn mir winkt nach dem Pflichtjahr meine Lehrzeit als Gärtnerin. Ich will endlich auf eigenen Füßen stehen, will zeigen, was in mir steckt, und ich hoffe, versetzt zu werden.«

»Wirst du ganz bestimmt, Pommerle. Dich werden sie in Botanik sogar extra loben. Da weißt du jedes Unkraut zu benennen.«

»Seht ihr«, sagte Dagmar, »wenn man regelmäßig seine Aufgaben lernt, wie Pommerle es tat, braucht man sich vor Ostern nicht zu fürchten. – Also noch einmal: Wie heißen die Länder, die am Indischen Ozean liegen?«

»Da kommt jemand!«

Aller Augen richteten sich auf die Gartenpforte, die von der Veranda aus zu sehen war. Ein junger Mann, einen Koffer in der Hand, schaute das Haus prüfend an und nickte freundlich in die Veranda hinein, in der die neun jungen Mädchen saßen.

Es bestand für den Reisenden kein Zweifel, daß hier das Mütterheim sei. Hatte er doch vor wenigen Augenblicken eine Frau, die einen Kinderwagen stieß, aus dem Garten kommen sehen. Herr Herzich konnte freilich nicht wissen, daß es die Schuhmachersfrau gewesen war, die für Professor Bender die besohlten Schuhe gebracht hatte und diese Gelegenheit benutzte, ihr Kleinstes ein wenig an die frische Luft zu fahren.

»Schade«, murmelte der Reisende, »daß mir eine Mutter entging. Sie hätte gewiß einen ›Wonneschnuller‹ mit Wonne gekauft. – Aber ich sehe dort noch eine Menge junger Mütter sitzen.«

Das einfachste war daher, er begab sich geradeswegs nach der Veranda. Man brauchte ihn nicht erst anzumelden, er würde den Müttern sogleich seine Waren vorlegen und einen guten Abschluß erzielen.

»Er kommt hierher«, sagte Pommerle. »Was will er nur?«

Der Reisende stieg die wenigen Stufen empor, öffnete die Tür und machte eine tiefe Verbeugung. »Herzich!«

Einige der jungen Mädchen kicherten unterdrückt. »Herzich«, wiederholte der Vertreter, sich noch einmal vorstellend.

Karin stieß Pommerle verstohlen an. »Du, ›herzig‹ sagt er – der ist aber frech!«

»Sie wünschen?« fragte Nora. »Ich freue mich, Sie so zahlreich versammelt zu sehen.« Er machte nochmals eine Verbeugung vor Dagmar und wiederholte: »Herzich.«

Unwillig wandte sie sich ab. Doch die kecke Karin rief:

»Sehr liebenswürdig. Was möchten Sie von uns haben?«

»Darf ich meinen Koffer auf den Stuhl setzen? Ich sehe, Sie sind mit dem Atlas beschäftigt. Soll es bald heimgehen? Schon Reisevorbereitungen?«

»Geradeswegs nach Afrika«, rief Karin lachend.

»Hahaha – nach Afrika! – Schauen Sie her, meine lieben jungen Frauen, was Ihnen meine Firma zu bieten vermag. Ich komme von der Firma Schrei und Muterli.«

»Schrei nicht, Mutterli«, lachte Maria übermütig, »nein, Min, sie schreit nicht!«

»Was wünschen Sie von uns?« forschte Pommerle. »Meine lieben jungen Frauen, liebe junge Mütter«, Herzich machte eine Pause, weil einige der Anwesenden gar zu laut kicherten. In diesem Augenblick trat Irene, die hinausgegangen war, wieder in die Veranda, und abermals verneigte sich der Reisende vor ihr: »Herzich!«

Irene zog unwillig die Stirn kraus. »Bitte, unterlassen Sie den Unsinn!«

»Herzich!« klang es mit Nachdruck.

Irene wandte sich ab.

Da neigte sich der junge Geschäftsmann über seinen Koffer und entnahm ihm eine Gummipuppe. »Für den Liebling, für das erste Kleinchen, alles vollkommen unschädlich. – Und hier – die Spezialität meiner Firma – Gummischnuller – – Vor allem möchte ich die Marke ›Eia-Popeia‹ empfehlen.«

»Gummischnuller«, lachte Ilse.

»Karin«, flüsterte Pommerle, »du hast in wenigen Tagen Geburtstag, ich schenke dir einen Schnuller.«

»Oder wollen Sie den ›Wonneschnuller‹ einmal näher betrachten? Auch der Nuckel ›Hygienia‹ ist etwas Hervorragendes! Die Kleinen werden ihre helle Freude daran haben. – Sehen Sie her, meine liebe junge Mutter«, er wandte sich an Pommerle, »bei Ihnen ist es gewiß das erste Kleinchen. Ein so hübsches Frauchen will seinem Liebling eine besondere Freude bereiten. Der Schnuller ›Eia-Popeia‹ – – «

Herzich schwieg. Pommerle konnte das Lachen nicht mehr zurückhalten. Bei Beginn der Rede war sie recht erstaunt gewesen, doch nun lachte sie so hell, daß sie sich schüttelte.

Der Reisende wurde für einen Augenblick stutzig. Dann wandte er sich an Dagmar. »Ich kann Ihnen den ›Wonneschnuller‹ auf das wärmste empfehlen. Kein Geschrei mehr, das den lieben Gatten des Nachts stört. Das Kindchen schläft mit dem Schnuller vom Abend bis zum Morgen. Unser ›Wonneschnuller‹ verursacht auch keine hängende Unterlippe, wie das junge Mütter oftmals fürchten – – «

Karin war die einzige, die ernst geblieben war. Die anderen lachten mehr oder weniger unterdrückt.

»Haben Sie vielleicht noch etwas Besonderes für meinen Säugling, der sehr viel schreit? Ich kann das Geschrei kaum noch aushalten.«

»O ja«, sagte Herzich und kramte in seinem Koffer. »Wenn Ihnen der Schnuller ›Eia-Popeia‹ nicht zusagen sollte, hätte ich hier noch den zartrosa Schnuller ›Weine nicht‹. Etwas wirklich Hervorragendes. Das liebe Kindchen wird sofort ruhig sein. Junge Mutter, ich kann Ihnen diesen Schnuller ›Weine nicht‹ wirklich warm empfehlen.«

»Jedes Geschrei hört also auf, wenn ich den zartrosa Schnuller dem Kleinen in den Mund stecke?« fragte Karin, noch immer ernst bleibend.

»Wenn das Kindchen nicht durch etwas anderes beeindruckt wird, schwindet das Schreien, sobald der zartrosa Schnuller ›Weine nicht‹ ins Mündchen kommt. – Junge Mutter, ich kann Ihnen diesen Schnuller warm empfehlen.«

Karin blickte zu Ilse hinüber, die sich unauffällig die Tränen aus den Augen wischte, so lachte sie.

»Ich möchte einen Schnuller ›Weine nicht‹ sogleich haben. Sie wissen – wegen des Kindchens, das beständig schreit. – Könnten Sie mir einen solchen Schnuller sogleich hierlassen?«

»Eigentlich sind es Muster, aber da Ihr Kindchen gar so sehr weint – – «

Karin verdrehte die Augen. »Ach ja, es schreit beständig!«

»Dann will ich Ihnen einen Schnuller zurücklassen.«

»Den zartrosa Schnuller.«

»Sei still, sei doch still«, flüsterte Pommerle, »sonst stirbt Ilse noch vor Lachen!«

»Junge Frau«, der Reisende wandte sich an Pommerle, »wie wäre es mit einem Schnuller ›Eia-Popeia‹?«

Pommerle bist sekundenlang die Zähne zusammen, dann sagte sie mühsam: »Mein Kindchen – schreit auch immer fort – ich möchte – auch den – zart – – « Weiter kam sie nicht. Wieder drängte sich ein lautes Lachen über ihre Lippen.

»Gewiß, junge Mutter«, sagte Herzich, »ich notiere den zartrosa Schnuller ›Weine nicht‹.«

»Haben Sie nicht auch einen Schnuller – der – der – jungen Schülerinnen hilft, wenn sie versetzt werden wollen? Etwa einen Weisheitsschnuller oder einen Versetzungsschnuller?«

Mißtrauisch schaute Herzich auf Maria. Man hatte ihn doch in dieses Haus, in das Mütterheim gewiesen! Die Mütter dünkten ihm freilich noch sehr jung. – Warum lachten sie alle so sehr? Schließlich war er es gewohnt, daß die eigenartigen Namen seiner Schnuller Belustigung hervorriefen.

»Mir auch einen zartrosa Schnuller ›Weine nicht‹«, stieß Wanda Horgitt mühsam hervor.

»Ich werde die Bestellungen aufschreiben, meine jungen Mütter – – «

»Nein«, rief Pommerle, »wir müssen die Schnuller sofort haben. Wenn nicht anders, nehme ich den Schnuller ›Eia-Popeia‹!«

Mehrere Mädchenhände suchten in dem Musterkoffer herum.

»Aber, meine Verehrten«, wehrte der Reisende, »das geht nicht! Ich zeige Ihnen alles, was ich anzubieten habe!«

Karin hatte den zartrosa Schnuller in den Mund gesteckt. »Herrlich«, klang es überschwenglich von ihren Lippen. »Es rinnt eine Beruhigung durch meinen Körper. Oh, ich merke es an mir, der Schnuller ›Weine nicht‹ ist erstklassig.«

Irma war hinausgelaufen. Sie fürchtete, sie könne sich das Zwerchfell zerreißen, wenn sie noch länger Karins ernsthaften Reden lauschte. Sie konnte Karin nicht mehr ansehen, die noch immer an dem Schnuller ›Weine nicht‹ lutschte. – Jetzt hatte sogar Pommerle den Schnuller ›Eia-Popeia‹ zwischen die roten Lippen geschoben, und wieder brach ein lustiges Gelächter aus.

Dagmar, die älteste im Kreise, faßte sich zuerst. »Sagen Sie uns, mein Herr, was wollen Sie eigentlich in diesem Hause?«

»Ich bin der Vertreter der Firma Schrei und Muterli und möchte den jungen Insassen des Mütterheims unsere entzückenden Schnuller und Gummispielsachen anbieten. Ich freue mich, eine so fröhliche Schar anzutreffen.«

»Ach – Sie wollten ins Mütterheim? Au! – Au!« Ilse hatte Dagmar so heftig auf den Fuß getreten, daß sie schmerzhaft aufschrie. Dieser herrliche Spaß durfte noch nicht beendet werden. Mit einem Schlage war den jungen Mädchen klar geworden, daß sich Herzich im Hause geirrt hatte. Das Mütterheim lag weiter draußen.

»Wir bestellen natürlich Schnuller«, zitterte es von Ilse Torleges Lippen.

»Für mich zwei Stück«, rief Wanda, »für meine Zwillinge! Bitte, zweimal ›Eia-Popeia‹!«

Wieder dieses unterdrückte Gelächter, das Nora unterbrach. »Ich denke, wir nehmen ein halbes Dutzend ›Eia-Popeia‹ und ein halbes Dutzend ›Weine nicht‹.«

»Wieviel Mütter beherbergt das Haus?«

»Fünfzig«, klang es von einer Ecke herüber. »Dreißig!« rief eine andere, und »achtzig« klang es von dritter Seite.

Da wurde der Reisende stutzig. »Augenblicklich sind es fünfundzwanzig. An einem Dutzend haben wir vorläufig genug. Manche Mütter schwärmen nicht für Schnuller – wegen der – – hängenden Unterlippe.« Wieder konnte Nora nicht weiterreden.

Lautes Gelächter tönte durch die Veranda. In diesem Augenblick trat Frau Bender ein. Der Reisende hatte sie erblickt und verneigte sich: »Herzich!«

Pommerle war aufgesprungen und eilte zur Mutter. »Bitte, geh rasch wieder hinaus! Mütterchen, wir lachen uns tot! – Mütterli – verdirb uns den Spaß nicht!«

»Wer ist der Herr?«

Der junge Geschäftsmann hatte die Worte gehört. »Herzich – – Herzich«, wiederholte er lauter.

»Mütterli, er kommt von der Firma Schrei nicht, Mütterli, oder ähnlich. – Bitte, laß uns allein! Ich erzähle dir später alles.«

»Ich will euch den Spaß gewiß nicht verderben, aber wissen möchte ich, was hier vorgeht.« So blieb Frau Bender an der Tür stehen.

»Also ein halbes Dutzend Gummischnuller Marke ›Eia-Popeia‹ und ein halbes Dutzend ›Weine nicht‹. – Wie wäre es mit Zahnringen?«

»Mein Kind zahnt noch lange nicht«, meinte Ilse, während ihr Tränen über die Wangen liefen.

»Meine Zwillinge auch noch nicht«, rief Wanda, »wir sind nur für Gummischnuller. – Wie heißt Ihre Firma?«

»Schrei und Muterli in Berlin. Die Bestellung wird durch mich erledigt.«

»Und wie heißen Sie, Herr Schnullermann?« fragte die kecke Karin.

»Herzich«, lächelte er.

»Ihre Schmeicheleien brauche ich nicht, ich möchte Ihren Namen wissen. Sollte unsere Bestellung falsch ausgeführt werden, müssen wir doch eine Beschwerde loslassen.«

»Beschwerden gibt es in meiner Firma nicht. – Herzich!«

»Ihren Namen möchte ich wissen«, rief Karin ein wenig unfreundlich.

»Verehrte junge Mutter, ich habe Ihnen meinen Namen schon mehrfach gesagt: Herzich!«

»Ach so«, sagte Karin. »Also Herr Zich – Sie haben unsere Bestellung notiert? Wir bitten um baldige Zusendung, damit unsere Kleinen nicht länger schreien.«

»Vielleicht kann ich Ihnen, verehrte Frau«, damit wandte er sich an Frau Bender, »noch andere nette Sachen für die Insassen Ihres Heims empfehlen. – Ich vermute die Leiterin des Mütterheims vor mir zu sehen.«

»Sie irren, Herr Zich, das Mütterheim befindet sich einige Häuser weiter.«

»Einige Häuser weiter? Ja, wo bin ich denn hier?«

»Es bleibt bei unserer Bestellung«, rief Wanda, »ich will nicht, daß sich meine Zwillinge totschreien. – Wir erwarten die Sendung der Schnuller recht bald. – Bitte, vergessen Sie uns nicht, Herr Zich!«

»Alles wird prompt erledigt! – Bei der Firma Schrei und Muterli werden auch die kleinsten Bestellungen sorgsam ausgeführt. – Doch nun will ich Sie nicht länger belästigen. Ich danke für den Auftrag, ich bin überzeugt, daß ich Sie zufriedenstellte.«

»Lassen Sie mir doch noch einen Schnuller hier«, bat Maria.

»Leider unmöglich, ich habe schon zwei meiner Muster abgetreten, ich brauche die Schnuller.«

Herzich packte seinen Koffer ein. Unter hellem Gelächter der jungen Mädchen entfernte er sich, um das Mütterheim aufzusuchen.

»Wissen Sie denn, wohin Sie die Schnuller schicken sollen?« Es war Pommerle, die dem jungen Manne nacheilte.

Herzich wandte sich um. »Ist es wirklich Ihr Ernst?« fragte er gereizt. »Die zwei Schnuller habe ich Ihnen geschenkt, der Auftrag war doch nur ein Scherz?«

»Nein«, ertönte es vielstimmig von oben her. »Wenn Sie uns nicht glauben, senden Sie die Schnuller unter Nachnahme. Die Schnuller müssen wir haben! Wir werden bis zur Versetzung noch oft Grund zum Weinen haben. ›Weine nicht‹ wird uns trösten.«

Herzich nahm das Notizbuch aus der Tasche. »Mir ist es so recht, mein Fräulein. – Wohin darf ich die Schnuller senden?«

»Unter Nachnahme an Fräulein Hanna Bender, Hirschberg.«

Herzich notierte die Adresse, nickte Pommerle freundlich zu und verließ das Haus.

»Wir werden schnullern«, lärmte es durcheinander. »Der Wunderlutschpfropfen! Ich bekomme einen ›Eia-Popeia‹!«

»Wir werden nie mehr weinen, wenn wir den zartrosa Pfropfen in den Mund stecken!«

»War das ein Spaß!« jubelte Ilse. »Ich hätte nicht gedacht, daß unsere Nachhilfestunde so vergnügt sein könnte. – Was kümmert uns Afrika! Wir bekommen Schnuller, wir werden glücklich damit sein!«


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