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Frühere Bewohner und Besuch im Winter

Ich überstand einige lustige Schneestürme und brachte manch behaglichen Abend an meinem Kamin zu, während draußen die Schneeflocken wild herumstoben und selbst der Eule Schrei verstummte. Wochenlang traf ich auf meinen Spaziergängen nur ab und zu einen jener Menschen, die in den Wald gekommen waren, um Holz zu fällen und es im Schlitten zur Stadt zu bringen. Mit Hilfe der Elemente gelang es mir übrigens, in den tiefsten Schnee einen Pfad zu machen. Der Wind blies nämlich in meine ersten Fußstapfen Eichenblätter hinein, die dort liegen blieben, Sonnenstrahlen absorbierten und dadurch den Schnee zum Schmelzen brachten. Auf diese Weise erhielt ich nicht nur einen trockenen Weg für meine Füße, sondern auch – durch die dunkele Linie – einen Führer in der Nacht. Wollte ich Menschen um mich sehen, so mußte ich schon die früheren Bewohner dieser Wälder heraufbeschwören. In der Erinnerung vieler meiner Mitbürger klingt noch das Lachen und Geplauder nach, das von den Anwohnern jener Landstraße, in deren Nähe sich mein Haus befand, herüberschallte. Die Wälder, die diese Straße einfaßten, waren hier und da durch kleine Gärten und Häuschen getüpfelt und eingekerbt, obwohl sie damals noch mehr durch den Wald verborgen wurde wie heute. Ich kann mich selbst noch an Stellen erinnern, wo die Tannen zu gleicher Zeit beide Seiten des Wagens streiften, weiß auch noch, daß Frauen und Kinder, wenn sie allein und zu Fuß nach Lincoln gehen mußten, sich fürchteten und oft einen großen Teil der Entfernung laufend zurücklegten. Obwohl dieser meistens von Holzfällern befahrene Weg, der die benachbarten Dörfer verband, im großen und ganzen nur recht primitiv war, so erfreute er doch einst den Wanderer mehr als jetzt durch seine Mannigfaltigkeit und blieb länger in der Erinnerung haften. Wo jetzt wohlbegrenzte und offene Felder vom Dorf zum Walde sich erstrecken, lief die Straße damals durch einen Ahornsumpf; ihr Fundament wurde durch Stämme gebildet, deren Überreste zweifellos noch jetzt unter der staubigen Landstraße zwischen der Strattenfarm – jetzt ist diese zum Armenhaus umgewandelt – und dem Bristerhügel liegen.

Östlich von meinem Bohnenfeld, jenseits der Landstraße wohnte Cato Ingraham, der Sklave von Duncan Ingraham, Esquire, einem Herrn aus Concord. Der baute seinem Sklaven ein Haus und gab ihm die Erlaubnis, im Waldenwald zu wohnen. Also: Cato Concordiensis, nicht Uticensis. Es soll ein Guineaneger gewesen sein. Ein paar Menschen können sich noch an sein Fleckchen Erde unter den Wallnußbäumen erinnern, die er wachsen ließ, um sie im Alter eventuell verwerten zu können. Doch ein jüngerer, weißer Spekulant ward schließlich der Eigentümer. Jetzt wohnt auch dieser schon in einem gerade so engen Haus wie Cato, dessen halbverschüttetes Kellerloch noch vorhanden ist. Nur wenige kennen es, weil es vor den Augen des Wanderers durch einen Kranz aus Fichten verborgen wird. Jetzt ist es mit glattem Sumach ( Rhus glabra) angefüllt, und eine der am frühesten blühenden Goldrutenarten ( Solidago stricta) wächst hier in verschwenderischer Fülle.

Gerade hier, im Winkel des Feldes, doch mehr nach der Stadt zu, hatte Zilpa, ein farbiges Weib, ihre kleine Hütte, wo sie Leinwand für die Stadtleute spann. Ihr schriller Gesang hallte durch den Waldenwald, denn sie hatte eine laute, merkwürdige Stimme. 1812 wurde während des Krieges in ihrer Abwesenheit ihr Haus von englischen Soldaten (Gefangenen auf Ehrenwort) in Brand gesteckt, und alles kam zugleich mit Katze, Hund und Hühnern in den Flammen um. Sie führte ein hartes, fast etwas menschenunwürdiges Dasein. Ein alter Waldbesucher wußte zu erzählen, daß er einst, als er um die Mittagstunde am Haus vorbeiging, gehört habe, wie sie über ihren brodelnden Kessel die Worte murmelte: »Alles ist Knochen . . . Knochen!« Ich habe in dem Unterholz, welches dort von Eichen gebildet wird, Ziegelsteine gefunden . . .

Weiter unten an der Landstraße, rechterhand beim Bristerhügel, dort wo die Apfelbäume stehen, die Brister pflanzte und pflegte, lebte Brister Freemann, »ein geschickter Neger«, der einst ein Sklave von Herrn Cummings war. Jetzt sind die Bäume alt und groß geworden, aber ihre Früchte haben noch immer einen seltsamen, obstweinartigen Geschmack. Erst vor kurzem las ich seine Grabschrift auf dem Friedhof zu Lincoln. Sie stand ein wenig schief, befand sich neben den unbezeichneten Gräbern einiger britischer Grenadiere, die beim Rückzug von Concord fielen, und lautete: »Sippio Brister« – er hatte eigentlich etwas Anspruch auf den Titel Scipio »Africanus« – »ein farbiger Mann«, gerade als ob er nicht schwarz auf die Welt gekommen sei. Die Grabschrift erzählte mir ferner höchst eindringlich, wann er starb. So wurde ich auf indirektem Wege darüber unterrichtet, daß er je gelebt hatte. Mit ihm zusammen wohnte sein gastfreundliches Weib Fenda. Sie war eine Wahrsagerin vom harmlosen Schlage, groß, rund und schwarz, schwärzer als irgend ein anderes Kind der Nacht. Ein Stern, so dunkel wie sie, ging weder vorher noch nachher je wieder über Concord auf.

Weiter am Hügel hinab, zur linken Seite an der alten Waldstraße, finden sich Spuren von dem sogenannten Haus der Familie Stratten. Ihr Obstgarten bedeckte einst den ganzen Abhang des Bristerhügels, war aber seitdem längst durch die Pechtannen vertrieben. Nur ein paar Stümpfe waren noch vorhanden, und die Schößlinge dieser alten Wurzeln dienten dazu, den wilden Stamm manchen Baumes im Dorfe zu veredeln.

Noch mehr nach der Stadt zu kommt man zu Breeds Wohnung. Dieser Platz ist berühmt durch die Schandtaten eines Dämon, dessen Namen die alte Mythologie nicht kennt, der aber in unserm neuenglischen Leben eine hervorragende und erschreckende Rolle spielt und der, wie jeder mythologische Charakter, verdient, daß eines Tages seine Biographie geschrieben wird. Dieser Dämon kommt zuerst in der Gestalt eines Freundes oder eines gedungenen Knechtes, um hernach die ganze Familie zu berauben und zu ermorden. Sein Name ist: neuenglischer Rum. Über die Tragödien, die sich hier abspielten, soll die Geschichte zunächst noch schweigen. Erst mag die Zeit ihre mildernde Wirkung ausüben und ein wenig Himmelblau sich darüber breiten. Eine vage und fragwürdige Überlieferung berichtete, hier habe ein Wirtshaus gestanden. Und die gleiche Quelle, die das Pferd erfrischte, verdünnte des Wanderers Trank . . . Hier also begrüßten die Menschen einander. Hier erzählten und hörten sie Neuigkeiten, und setzten dann ihre Reise fort.

Noch vor zehn Jahren stand Breeds Hütte hier. Sie war allerdings schon seit langer Zeit unbewohnt. Sie war ungefähr so groß wie mein Häuschen. Mutwillige Buben steckten sie – wenn ich nicht irre in der Nacht nach einem Wahltag – in Brand. Ich lebte damals am Ausgang des Dorfes und war gerade in Davenants Gondibert William Davenant, englischer Dramatiker, 1606-1668, schrieb das Heldengedicht Gondibert zum Teil im Gefängnis. Es erschien 1651, während er im Tower saß. Von Hobbes ward es der Ilias und der Äneide gleichgestellt, von Kritikern mit besserem Geschmack verworfen. Davenant wurde in der Westminsterabtei beigesetzt. vertieft. Es war in jenem Winter, wo ich mit einer Lethargie zu kämpfen hatte, von der ich beiläufig noch immer nicht weiß, ob die Familie hereditär mit ihr belastet ist, denn ich habe einen Onkel, der beim Rasieren einschläft und der Sonntags im Keller Kartoffeln abkeimen muß, um den Feiertag wachend zu heiligen, oder ob sie darauf zurückzuführen ist, daß ich Chalmers Alexander Chalmers, Biograph und Kritiker, 1759 in Aberdeen geboren. Er gab ein allgemeines biographisches Lexikon in zweiunddreißig Bänden heraus, das mehr als neuntausend Artikel enthielt, darunter etwa sechstausend, die von ihm neu geschrieben waren. Ferner erschienen von ihm einundzwanzig Bände: British poets from Chaucer to Cowper. »Anthologie englischer Dichter« durchzulesen versuchte, ohne eine Seite zu überschlagen. Das hielten meine Nervi nicht aus. Kurzum, mein Kopf war gerade auf dieses Buch herabgesunken, als die Feuerglocke ertönte, und die Spritze, von einem Schwarm aufgeregter Männer und Knaben begleitet, in höchster Eile vorbeisauste. Ich war sofort unter den Führern, denn ich hatte den Bach übersprungen. Wir glaubten, das Feuer sei sehr weit südlich hinter dem Walde – wir waren ja schon zu manchem Feuer gerannt –, eine Scheune brenne, ein Laden oder ein Wohnhaus oder alles zusammen. »Das ist Bakers Scheune,« schrie der eine. »Codmans Farm,« behauptete ein anderer. Da stiegen frische Funken über dem Wald in die Luft, als ob das Dach eingestürzt sei, und wir schrieen: »Concord, zu Hilfe!« Wagen rasten in fürchterlicher Eile und mit schwerer Ladung vorbei. Auf einem derselben saß vielleicht unter anderen auch der Agent der Versicherungsgesellschaft, der die Verpflichtung hatte, dabei zu sein, auch wenn das Feuer noch so weit entfernt war. Ab und zu klingelte die Spritzenglocke hinter uns. Und zu böserletzt kamen langsam aber sicher, wie man sich hernach ins Ohr raunte, diejenigen, die das Feuer angelegt und die Bewohner alarmiert hatten. Wir rannten als ehrliche Idealisten blindlings weiter, bis wir schließlich bei einer Straßenbiegung ein Krachen hörten, über die Mauer hinweg die Glut spürten und zu unserem Leidwesen wahrnahmen, daß wir an Ort und Stelle seien. Gerade die Nähe des Feuers kühlte unsere Hitze wesentlich ab. Erst wollten wir eine Froschpfütze ins Feuer gießen, dann wurde jedoch beschlossen, es brennen zu lassen. War doch das Haus schon so weit eingeäschert und so wertlos! So standen wir denn um die Spritze herum, drängten und stießen einander, gaben unsern Gefühlen durch Sprachrohre Ausdruck oder unterhielten uns mit gedämpfter Stimme über die großen Feuersbrünste, die auf Erden bereits stattgefunden hatten. Man denke nur an den Brand von Bascoms Laden! Untereinander waren wir alle darüber einig, daß wir den letzten drohenden Weltbrand in eine zweite Sintflut verwandeln könnten, wenn wir zur rechten Zeit mit unserer »Pumpe« zur Stelle sein könnten, und wenn ein voller Froschteich in der Nähe sei. Schließlich traten wir den Rückzug an, ohne irgend ein Unheil angerichtet zu haben. Ich kehrte heim zum Schlafen und zu Gondibert. In bezug auf Gondibert möchte ich übrigens noch bemerken, daß ich mich dem in der Vorrede stehenden Ausspruch, daß der Witz das Schießpulver der Seele sei, gern anschließe: »denn den meisten Menschen ist der Witz etwas Unverständliches, wie den Indianern das Schießpulver.«

Der Zufall wollte, daß ich in der folgenden Nacht fast zur gleichen Stunde über dieses Feld wanderte. Da hörte ich plötzlich ein leises Stöhnen, und als ich mich in der Dunkelheit diesem Ort näherte, entdeckte ich den einzigen, mir bekannten Überlebenden dieser Familie, den Erben sowohl ihrer Tugenden als auch ihrer Laster, den allein dieser Brand überhaupt etwas anging. Er lag auf dem Bauche, sah über die Kellermauer hinunter auf die noch rauchende Asche und murmelte gewohnheitsgemäß etwas vor sich hin. Er hatte den ganzen Tag lang in den Niederungen im Fluß gearbeitet und jetzt die ersten Augenblicke, die ihm selbst gehörten, benutzt, um das Heim seiner Väter und seiner Jugend aufzusuchen. Von allen Seiten und nach allen Stellen des Kellers hielt er Umschau, als ob dort ein ihm bekannter Schatz zwischen den Steinen verborgen sei. Es gab dort aber weiter nichts als ein Häuflein Steine und Asche. Das Haus war dahin – nun sah er sich das an, was davon übrig geblieben war. Die Anteilnahme, die ihm durch meine Anwesenheit allein schon bewiesen zu sein schien, schmeichelte ihm. Er zeigte mir, so gut es in der Dunkelheit möglich war, den verschütteten Brunnen. Der konnte, dem Himmel sei Dank, niemals verbrennen. Dann tastete er lange Zeit an dem Mauerwerk herum, um den Brunnenschwengel zu finden, den sein Vater selbst geschnitten und hergerichtet habe. Er suchte auch nach dem eisernen Haken und nach der Öse, durch welche die Last an dem schwereren Ende des Brunnenschwengels befestigt wurde – kurz, nach allem, woran er sich jetzt klammern konnte – um mich zu überzeugen, daß dies kein gewöhnlicher »Apparat« sei. Ich befühlte ihn und sehe ihn noch jetzt fast täglich auf meinen Spaziergängen – eine ganze Familiengeschichte hängt an ihm.

Etwas mehr zur linken Seite, wo man den Brunnen und die Fliederbüsche sieht, lebten in dem jetzt freien Felde Rutting und Le Grosse. Doch wir wollen wieder die Richtung nach Lincoln einschlagen.

Tiefer im Walde als alle anderen hatte sich dort, wo die Landstraße am meisten an den Teich herantritt, Wyman der Töpfer angesiedelt, der seinen Mitbürgern irdenes Geschirr lieferte und dessen Kinder dem gleichen Beruf oblagen. Auch sie waren nicht reich an weltlichen Gütern und besaßen das Land Zeit ihres Lebens widerrechtlich. Der Sheriff kam oft und immer vergeblich, um die Steuern einzuziehen. Er pflegte dann »einen Holzspan mit Beschlag zu belegen« um der Formalität zu genügen, denn etwas anders gab es dort, wie er selbst in seinen Protokollen berichtet, nicht zu holen. Als ich eines Tages im Hochsommer auf meinem Feld hackte, hielt ein Mann, der eine Ladung Töpferware zu Markte fuhr, sein Pferd an und erkundigte sich bei mir nach dem jüngeren Wyman. Er habe vor längerer Zeit eine Töpferscheibe von ihm gekauft und möchte wissen, wie es ihm ergehe. Ich hatte zwar in der Bibel über Töpferton und Töpferscheibe gelesen, jedoch nie daran gedacht, daß die von uns benutzten Töpfe nicht zerbrochen von damals auf uns gekommen oder wie Kürbisse auf den Bäumen gewachsen sein können. Darum hörte ich mit Vergnügen, daß solch eine irdene Kunst früher einmal in meiner Nachbarschaft ausgeübt worden sei.

Der letzte Einwohner dieser Wälder vor mir war ein Irländer, Hugh Quoil – falls ich mich mit dem Buchstabieren seines Namens genug gequält habe – Major Quoil nannte man ihn. Es hieß, er habe bei Waterloo mitgekämpft. Hier war er von Beruf Grabenzieher. Napoleon ging nach St. Helena, Quoil kam zum Waldenwald. Alles, was ich von ihm weiß, ist tragisch. Er hatte gute Manieren wie einer, der viel in der Welt herumgekommen ist und seine Reden waren mit mehr Höflichkeit durchtränkt als man genießen konnte. Im Hochsommer trug er einen großen Überzieher, da er an delirium tremens litt. Sein Gesicht war karminrot. Er starb auf der Straße am Fuß des Bristerhügels, als ich soeben in den Wald gezogen war, so daß ich an ihn keine nachbarlichen Erinnerungen besitze. Ich besuchte sein Haus, das von seinen Kameraden als die »Unglücksburg« bezeichnet wurde, kurz bevor man es abbrach. Da lagen seine alten Kleider, die durch den Gebrauch ganz faltig geworden waren, auf dem niedrigen Bretterbett, als ob er selbst es sei. Der Pfeifenkopf lag zerbrochen auf dem Herde und der Eimer zertrümmert am Born. Siehe: Prediger Kap. XII Vers 6. Dieser »Born« konnte übrigens nicht einmal als Symbol seines Todes gelten, denn er gestand mir dereinst, daß er wohl von der Bristerquelle gehört, sie aber nie gesehen habe. Schmutzige Karten, Ecksteinkönig, Schippen und Herzen lagen auf dem Boden verstreut. Ein schwarzes Huhn, das der »Testamentsvollstrecker« nicht hatte fangen können, erwartete schwarz und schweigend wie die Nacht, ohne auch nur zu krächzen, Meister Reinecke und stieg im nächsten Zimmer auf seine Stange. Hinter dem Hause war ein Garten schwach angedeutet. Er war zwar angepflanzt, aber nie von Unkraut gesäubert – wegen der schrecklichen Schüttelanfälle. Alles war mit römischem Wurmkraute überwuchert und mit Kletten, die sich an meine Kleider hingen. Ein frisches Murmeltierfell hing ausgestreckt an der Rückwand des Hauses, die Trophäe seines letzten Waterloo. Er brauchte jedoch keine Mütze und keine Armhandschuhe mehr.

Jetzt weist nur ein Einschnitt in der Erde auf die Lage dieser Hütte hin. Er ist mit Kellersteinen angefüllt und darüber wachsen Erdbeeren, Himbeeren, rot und schwarz; Rubus occidentalis. Haselnußbüsche und Sumach gedeihen rund herum auf sonnigem Plan. Eine Pechtanne oder eine knorrige Eiche nimmt die ehemalige Kaminecke ein und eine hold duftende Schwarzbirke schwankt vielleicht dort, wo die Türschwelle sich befand, im Winde. Manchmal ist der Brunneneinschnitt sichtbar, wo einst die Quelle hervorsprudelte. Jetzt wächst dort trockenes, tränenloses Gras. Vielleicht wurde sie auch, als der Letzte seines Stammes fortzog, unter dem Rasen mit einem flachen Steine zugedeckt, um erst nach langer, langer Zeit wieder entdeckt zu werden. Eine trauervolle Handlung muß das sein! Während man den Quell verschließt, quellen die Tränen hervor . . . Diese Kellereinsenkungen, die verlassenen Fuchsbauten oder alten Höhlen gleichen, sind die einzigen Überreste jener Stätten, wo einst Menschen lebten, sich mühten und plagten, und über »Schicksal, freien Willen und absolute Vorsehung« auf diese oder jene Art, in dem einen oder andern Dialekt, abwechselnd sich unterhielten. Aus all ihren Schlußfolgerungen kann ich jedoch nur das eine lernen: »Cato und Brister lagen sich in den Wollhaaren«, und das ist fast gerade so erbaulich wie die Geschichten berühmterer Philosophenschulen.

Tür, Türbalken und Schwelle sind schon seit einem Menschenalter dahin, und noch immer wächst hier der muntere Flieder, noch immer entfaltet er seine mild duftenden Blüten in jedem Frühling, damit der sinnende Wandersmann sie pflücke. Kinderhände pflanzten ihn einst auf dem Beete im Vorgärtchen, jetzt steht er am steinernen Zaun auf entlegener Weide und macht neu heranwachsenden Wäldern Platz. Er ist der letzte dieses Geschlechtes, der einzige Überlebende aus dieser Familie. Die schwarzbraunen Kinder hatten wohl kaum daran gedacht, daß der kleine Setzling mit seinen zwei Knospen, den sie im Schatten des Hauses in den Erdboden steckten und täglich wässerten, so fest Wurzel fassen, sie überleben, sich hinter dem Hause im Schatten wohlfühlen, und dereinst in alter Leute Garten stehen würde, um dem einsamen Wanderer, ein halbes Jahrhundert nachdem sie erwachsen und gestorben waren, leise ihre Geschichte zu erzählen – noch immer so lieblich blühend, so hold duftend wie damals im ersten Frühling. Ich betrachte noch immer gern seine zarten, milden, heiteren Lilafarben.

Doch warum schwand dieses kleine Dörfchen, dieser mehr versprechende Keim dahin, während Concord sich behauptete? Hatte es keine natürlichen Vorteile – keine Wasserprivilegien? Ach, der tiefe Waldenteich und der kühle Bristerquell, das Vorrecht, einen herzhaften, stärkenden Trunk aus ihnen zu tun, diente diesen Menschen nur dazu, ihr »Gläschen« zu verdünnen. Sie gehörten alle einem durstigen Geschlecht an. Hätten nicht der Korbflechter, der Stallbesenbinder, der Mattenflechter, der Maisröster, Leinenspinner und der Töpfer hier ihr gutes Fortkommen finden können, so daß die Wildnis erblüht wäre wie eine Rose und eine zahlreiche Nachkommenschaft das Land ihrer Väter ererbt hätte? Vielleicht wäre der unfruchtbare Boden hier imstande gewesen, einer Degeneration, wie man sie bei Menschen in fruchtbaren Gegenden antrifft, vorzubeugen.

Ach, wie wenig trägt die Erinnerung an diese menschlichen Bewohner dazu bei die Schönheit der Landschaft zu steigern! Vielleicht will die Natur mit mir als ersten Ansiedler einen neuen Versuch machen. Vielleicht will sie mein Haus, das ich im letzten Frühjahr baute, zum ältesten im Dörfchen machen . . .

Kein Anzeichen scheint mir dafür zu sprechen, daß je ein Mensch auf dem Fleckchen Erde, das ich bewohne, gebaut hat. Ich möchte wahrlich nicht in einer Stadt wohnen, die über einer älteren Stadt erbaut wurde, deren Material Ruinen, deren Gärten Kirchhöfe sind. Der Boden ist dort gebleicht und verflucht. Ehe man aber wirklich zu solchem Mittel greifen muß, wird die Erde selbst schon zerstört sein. Mit solchen Erinnerungen bevölkerte ich aufs neue den Wald und sang mich in Schlummer.

Um diese Zeit erhielt ich selten Besuch. Wenn der Schnee sehr hoch lag, wagte sich oft acht bis vierzehn Tage lang kein Wanderer in die Nähe meines Hauses. Ich lebte indessen dort so still versteckt wie eine Feldmaus, oder wie Haustiere und Geflügel, wie jene Tiere, die selbst ohne Futter oft lange Zeit im Schnee vergraben sind und doch, wie man sagt, am Leben bleiben. Oder wie die Familie eines der ersten Ansiedler in der Stadt Sutton in Massachusetts, dessen Hütte im Jahre 1717 während seiner Abwesenheit durch den starken Schneefall völlig bedeckt wurde, so daß ein Indianer sie nur an dem Loch, welches der Atem des Kamins sich in den Schnee gemacht hatte, entdeckte und die Rettung der Familie herbeiführen konnte. Kein freundlicher Indianer kümmerte sich indessen um mich. Es war auch nicht nötig – der Hausherr war daheim. Das große Schneetreiben! Wie lustig das klingt! Die Farmer konnten mit ihren Pferden nicht in die Wälder und zum Moor kommen, und mußten die schattenspendenden Bäume vor ihren Häusern fällen. Doch als die Schneekruste fest genug war, fällten sie Bäume im Moor – zehn Fuß über dem Erdboden, wie sich im nächsten Frühjahr herausstellte.

Im tiefsten Schnee sah der etwa eine halbe Meile lange Pfad, den ich benutzte, um von der Landstraße nach meinem Häuschen zu gelangen, wie eine ganz unregelmäßig gewundene und besprenkelte Linie aus, zwischen deren Tüpfeln sich große Zwischenräume befanden. Eine ganze Woche lang machte ich bei dem gleichen Wetter genau die gleiche Anzahl Schritte beim Hin- und Rückweg, indem ich bedachtsam und mit der Präzision eines Zirkels in meine eigenen, tiefen Fußtapfen trat. Zu solchem Schlendrian verlockt uns der Winter. Oft waren sie jedoch mit des Himmels eigenem Blau bedeckt. Durch kein Wetter ließ ich mich je von meinen Spaziergängen oder vielmehr von meinen Streifzügen abschrecken, denn oft stampfte ich acht bis zehn Meilen weit durch den tiefsten Schnee, um eine Verabredung mit einer Buche, mit einer Gelbbirke oder mit einer alten Bekannten unter den Tannen einzuhalten. Die Tannen aber wandelten sich in Kiefern, wenn Eis und Schnee ihre Glieder niederbeugten und ihre Spitzen schärften. Auch zu den Spitzen der höchsten Hügel watete ich empor, wenn der Schnee fast zwei Fuß tief war. Bei jedem Schritt schüttelte ich dabei einen zweiten Schneefall auf mein Haupt herab. Oft kroch und glitt ich auf allen Vieren dorthin, wenn die Jäger ihre Winterquartiere bezogen hatten. Eines Nachmittags belustigte ich mich damit, eine gestreifte Eule ( Strix nebulosa) zu beobachten, die auf dem niederen, abgestorbenen Ast einer Weißtanne nahe am Stamm im halben Tageslicht saß, während ich ungefähr fünfzehn Fuß von ihr entfernt war. Sie konnte hören, wenn ich mich bewegte, wenn der Schnee unter meinen Füßen knirschte, konnte mich aber nicht genau sehen. Wenn ich stärkeren Lärm machte, streckte sie den Hals heraus, sträubte die Halsfedern und öffnete die Augen weit. Doch bald schlossen sich die Lider aufs neue und sie begann einzunicken. Auch ich fühlte einen einschläfernden Einfluß, als ich sie, die geflügelte Schwester der Katze, die katzengleich mit halbgeschlossenen Augen dasaß, etwa eine halbe Stunde lang beobachtet hatte. Nur ein kleiner Spalt blieb zwischen den Lidern frei, wodurch sie einen halbinselförmigen Zusammenhang mit mir behielt. So spähte sie aus ihrem Traumland mit halbgeschlossenen Augen heraus und bemühte sich, mich – das verschwommene Objekt oder das Stäubchen, welches ihre Träume störte – zu erkennen. Als ich schließlich noch mehr Lärm machte, wurde sie unruhig und drehte sich träge auf ihrem Ruheplatz herum, als ob sie es nun satt sei, sich in ihren Träumen noch weiter stören zu lassen. Als sie sich dann erhob und durch die Tannen dahinflog, wobei sie ihre Flügel zu überraschender Breite ausspannte, konnte ich auch nicht das leiseste Geräusch vernehmen. Bei ihrem Flug durch die Tannenzweige wurde sie mehr durch das zarte Gefühl, mit welchem sie ihre Umgebung erkannte, als durch die Sehkraft geleitet. Mit ihren sensitiven Schwingen tastete sie sich durch das Dämmerlicht dahin nach einem neuen Ruheplatz, wo sie in Frieden den Anbruch ihres Tages erwarten konnte.

Wenn ich an dem langen und hohen Damm, der in den Niederungen für die Eisenbahn hergestellt war, hinging, blies mir manch stürmischer, schneidender Wind entgegen, denn nirgends kann er sich besser austoben. Und wenn er mir seine eisigen Streiche auf die eine Wange verabfolgt hatte, dann hielt ich Heide, der ich war – ihm auch die andere hin. Auch auf der Fahrstraße nahe bei Bristers Hügel wars nicht besser. Ich ging nämlich, wie ein freundlicher Indianer, selbst dann noch zur Stadt, wenn der auf den offenen, weiten Feldern liegende Schnee in großen Massen zwischen die Steinmauern der Waldenstraße geweht war, wenn eine halbe Stunde genügte, um die Spuren des letzten Wanderers zu verwischen. Kam ich zurück, so hatten sich namentlich dort, wo der zudringliche Nordwestwind bei einer scharfen Straßenbiegung den staubartigen Schnee zusammengeblasen hatte, neue Schneeverwehungen gebildet. Ich stampfte munter hindurch und suchte vergeblich nach einer Kaninchenspur oder nach der feinen Fährte, dem kleinen Abdruck einer Feldmaus. Doch selbst mitten im Winter gelang es mir fast immer, irgend ein warmes quellenreiches Moor aufzufinden, wo Gras und Zehrwurz Dracontium foetidum. ihr immerfrisches Grün zeigten und ein widerstandsfähiger Vogel bisweilen den Frühling erwartete.

Bisweilen sah ich, wenn ich abends von meinem Spaziergang heimkehrte, im Schnee die tiefen Fußstapfen eines Holzhauers, die aus meiner Hütte herausführten. Dann fand ich ein Häuflein feinster Holzschnitzel auf meinem Herde Der Holzfäller hatte sich – man kann das oft in Amerika beobachten – beim Rauchen die Zeit damit vertrieben, daß er mit einem Taschenmesser an einem Stückchen Holz herumschnitzelte. und das Haus vom Duft seiner Pfeife erfüllt. Oder ich hörte am Sonntagnachmittag, wenn ich zufällig zu Hause war, den Schnee unter den Schritten eines intelligenten Farmers knirschen, der von weither durch die Wälder nach meinem Haus gewandert war, um mit mir gemütlich zu »plauschen«. Er gehörte zu den wenigen seines Berufes, welche »Herren ihrer Güter« sind, der statt des Professorentalars den Kittel angezogen hatte, und der ebenso geschwind die Moral aus Kirche und Staat zog wie er eine Ladung Mist aus seinem Stallhof schleppte. Wir sprachen von der biederen einfachen Zeit, wo die Menschen bei kaltem, stärkendem Wetter mit klaren Köpfen an großen Feuern saßen. Und wenn wir keinen anderen Nachtisch zu verzehren hatten, dann erprobten wir unsere Zähne an mancher Nuß, die von den klugen Eichhörnchen längst beiseite geworfen war. Denn die mit der dicksten Schale sind meistens hohl.

Ein Dichter wars, der im tiefsten Schnee und beim schrecklichsten Sturm den weitesten Weg zurücklegte, um zu meiner Hütte zu gelangen. Farmer, Jäger, Soldaten, Berichterstatter für Zeitungen, ja sogar Professoren lassen sich abschrecken. Nichts schreckt jedoch einen Dichter zurück: ihn treibt die Liebe. Wer kann sein Kommen und Gehen voraussagen? Sein Beruf ruft ihn zu jeder Zeit hinaus, selbst dann, wenn die Ärzte schlafen. Wir ließen lärmenden Frohsinn in dieser kleinen Hütte widerhallen, gar vielen ernsthaften Gesprächen konnten die Wände lauschen, und das Waldental ward für seine langdauernde Stille entschädigt. Mit meinem Haus verglichen erschien der Broadway dann ruhig und öde. In schicklichen Zwischenräumen gab es regelrechte Lachsalven, die man gerade so gut auf den soeben gemachten wie auf den jetzt kommenden Scherz beziehen konnte. Wir bauten manche »funkelnagelneue« Theorie des Lebens auf bei einer Schüssel mit dünnem Haferschleim, welche die Vorzüge des fröhlichen Schmauses mit jener Klarheit des Denkvermögens vereint, welche die Philosophie verlangt.

Ich möchte auch nicht vergessen, daß während des letzten Winters, den ich am Teich zubrachte, ein anderer willkommener Besucher kam, der einmal durch das Dorf bei Schnee, Regen und Finsternis wanderte, bis er meine Lampe durch die Bäume schimmern sah. Er verbrachte einige lange Winterabende mit mir. Er war einer der letzten Philosophen – Connecticut hat ihn der Welt geschenkt –, der anfangs mit den Waren seiner Heimat hausieren ging, hernach mit seinem Gehirn. Damit hausiert er noch immer, singt Gottes Lob, obwohl die Menschen von dem Sänger nichts wissen wollen und trägt keine andere Frucht wie sein Gehirn, wie die Nuß ihren Kern. Er ist meiner Ansicht nach von allen lebenden Menschen am stärksten im Glauben. Seine Worte und Gebärden verraten stets, daß er alle Dinge von einem besseren Gesichtspunkt aus betrachtet als andere Menschen. Er wird der letzte sein, der sich durch den Wandel der Zeiten enttäuscht fühlt. Von der Gegenwart ist er äußerlich nicht berührt. Mag er auch jetzt verhältnismäßig wenig gelten: Dereinst, wenn seine Zeit herannaht, werden Gesetze, die den meisten Menschen unbekannt sind, zur Anwendung kommen und Familienväter und Staatsmänner ihn zu Rate ziehen . . .

»Wie blind ist der, der nicht die heitere Ruhe sieht!«

Ein wahrer Menschenfreund ist er, fast der einzige Freund menschlichen Fortschritts. Ein » Old Mortality« »Old mortality« ist der Titel eines Romans von Scott. Old mortality war der Spitzname für einen Robert Paterson, einen »Wandergeistlichen«, der in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts die Friedhöfe aufsuchte, die grauen Grabsteine vom Moos befreite und mit einem Meißel die halb verwitterten Inschriften und die Symbole des Todes, mit denen diese Erinnerungszeichen geschmückt waren, wiederherstellte. oder vielmehr ein » Immortality«, der mit unermüdlicher Geduld und Zuversicht Gottes Ebenbild in den Zügen der Menschen wieder ausmeißeln wollte, des Gottes, der in ihnen so entstellt ist, wie sie selbst auf den schrägen Grabsteinen. Sein großmütiger Geist ladet sie alle zu Gaste: Kinder, Bettler, Geistigarme und Gelehrte. Er bewirtet die Gedanken aller, und entläßt sie meistens noch mit erweitertem Blick und verbessertem Geschmack. Mich dünkte, er sollte eine Karavanserei an der Landstraße der Welt betreiben, wo Philosophen aller Länder einkehren können. Und auf sein Türschild sollte er schreiben: »Hier findet der Mensch, aber nicht sein Tier Speis' und Trank. Kommt herein, ihr, die ihr Muße habt und ruhigen Geistes seid, die ihr ernstlich euch bemüht den rechten Pfad zu finden.« Er ist vielleicht der gesundeste Mensch, der zielbewußteste von allen, die ich kenne. Er bleibt sich gleich – gestern wie morgen. Ehemals schlenderten wir oft miteinander herum, schwätzten und ließen die Welt weit hinter uns. Denn er hatte nichts mit ihren Einrichtungen zu schaffen, er war freigeboren, ingenuus. Wohin wir auch immer wandelten: stets schienen Himmel und Erde sich vereint zu haben, denn er erhöhte die Schönheit der Landschaft. Ein Mann im blauen Gewande. Das beste Dach für ihn ist das Himmelsgewölbe, welches seine heitere Ruhe widerspiegelt. Daß er je sterben wird, kann ich nicht fassen. Die Natur kann ihn nicht entbehren. Dieses Loblied ertönt zum Preis von Amos Bronson Alcott, der 1799 in Connecticut als Sohn eines Farmers geboren wurde. Nachdem er eine Zeitlang in einem kleinen Laden auf dem Lande als Laufbursche gedient hatte, ging er nach dem Süden Nordamerikas, um dort mit den Waren seiner Heimat zu hausieren. Man nahm ihn zwar freundlich auf, kaufte ihm aber nichts ab. 1823 gründete er, in die Heimat zurückgekehrt, eine Kinderschule, die bald zur Ortsberühmtheit wurde. 1828 ging er nach Boston, wo er bis zum Jahre 1836 eine ähnliche Schule leitete, die schnell die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, durch sein ganz hervorragendes Lehrtalent, seine völlig neuen Methoden und durch seinen ehrfürchtigen, hohen Respekt vor dem Verstand des Kindes. In der Presse wurde er jedoch heftig angegriffen und fiel allmählich beim Publikum in Ungnade. 1836 zog er nach Goncord, wo er als Reformator auf fast allen Gebieten wirkte, in der Theologie, Erziehung, Politik, Moral und Metaphysik. Als öffentlicher Redner wurde er bewundert. 1843 besuchte er England, wo eine Pestalozzi-Schule in der Nähe Londons »Alcott-Haus« genannt wurde. Mit zwei Freunden kehrte er von dort zurück, von denen der eine, Charles Lane, ein Grundstück in Harward kaufte und einer kommunistischen Niederlassung zur Verfügung stellte. Das Unternehmen schlug fehl. Alcott lebte eine Zeitlang in Boston, zog dann aber wieder nach Concord und verbrachte den Rest seines Lebens als »Peripatetiker«, d. h. er hielt über alle menschlichen Gebiete in den Dörfern und Städten seiner Heimat Vorträge. Er war unter den neuenglischen Transzendentalisten die leitende Persönlichkeit, und selbstverständlich auch ein glühender Abolitionist.

Da jeder von uns einige gut getrocknete Gedankenschindeln hatte, setzten wir uns beieinander und schnitten sie in passende Formen, versuchten an ihnen die Schärfe unserer Messer und bewunderten die deutliche, gelbe Faserung der Kürbistanne. Wir wateten so leise und andächtig oder ruderten so glatt, daß die Gedankenfische nicht aus dem Strom verscheucht wurden und sich vor den Anglern am Ufer nicht fürchteten, sondern stattlich hin und her schwammen, wie die Wolken, die im Westen am Himmel schweben, oder wie die Perlmutterflocken, die sich bisweilen dort bilden und wieder auflösen. Da arbeiteten wir, revidierten die Mythologie, rundeten hier und da eine Legende ab und bauten Schlösser in die Luft, für welche die Erde keine würdige Basis bot. Du großer Seher! Du großer Erwarter! Wenn Du Dich mit mir unterhieltest, dann wars wie ein Märchen aus Neuenglands »Tausend und eine Nacht«. Ja, wie wir uns unterhalten konnten, wir drei: der Eremit, der Philosoph und der alte Ansiedler, von dem ich schon sprach! Da dehnte sich mein Haus und krachte in den Fugen. Ich wage nicht zu sagen, um wie viele Pfund der atmosphärische Druck auf jeden Quadratzoll erhöht wurde. Meine Hütte öffnete aber ihre Nähte so sehr, daß sie hernach an recht stillen Tagen wieder zugekalkt werden mußten, um ein dauerndes Leck zu vermeiden. Doch ich hatte schon im voraus Kalfaterwerg von dieser Sorte gezupft.

Es gab noch einen anderen, mit dem er »grundlegende Stunden«, die mir noch lange unvergeßlich sein werden, in seinem Haus im Dorf verlebte, und der mich von Zeit zu Zeit besuchte. Wahrscheinlich Emerson. Im übrigen unterhielt ich dort keinen Verkehr.

Auch hier, wie überall, erwartete ich bisweilen einen Gast, der niemals kommt. Die Vishnu Purana sagt: »Der Hausherr soll um die Abendzeit so lange in seinem Hofe bleiben, als man braucht, um eine Kuh zu melken, oder auch noch länger, wenn ihm der Sinn danach steht, und die Ankunft eines Gastes erwarten.« Ich kam dieser Pflicht der Gastfreundschaft oft getreulich nach, wartete so lange, daß eine ganze Kuhherde hätte gemolken werden können. Doch den Mann, der sich von der Stadt aus genähert hätte, sah ich nicht.


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