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Im Oktober wanderte ich zur Weinlese nach den Wiesen am Fluß und belud mich mit Trauben, deren Schönheit und Duft köstlicher waren als ihr Geschmack. Dort bewunderte ich auch, ohne sie zu pflücken, die Preißelbeeren, den roten Perlenschmuck des Wiesengrases, die kleinen Wachsjuwelen, die der Farmer mit häßlichem Rechen abreißt, wobei er die lieblichen Wiesen zerzaust. Er mißt diesen, den grünen Matten entrissenen Raub gleichgültig nach Scheffeln und barer Münze, und schickt die Beeren nach Boston oder New York zum Verkauf. Dort werden sie gepreßt und gequetscht, um den Geschmack der dortigen Naturliebhaber zu befriedigen. So reißen Schlächter den Büffeln nur die Zunge heraus und lassen im übrigen diese wilden Pflanzen der Prärien elend zugrunde gehen. Den erlegten Büffeln wurde das Fell abgezogen und die Zunge ausgeschnitten. Die anderen Teile wurden damals als nahezu oder völlig wertlos angesehen. Der Berberitze gleißende Frucht diente ebenfalls nur meinen Augen als Nahrung. Doch sammelte ich einen kleinen Vorrat wilder Äpfel zum Dämpfen, die der Besitzer oder der Wandersmann übersehen hatte. Als die Kastanien reif waren, legte ich einen halben Scheffel davon für den Winter zurück. Es machte mir großes Vergnügen, die damals endlosen Kastanienwälder Lincolns zu durchstreifen – jetzt schlafen sie ihren langen Schlaf unter der Eisenbahn – den Sack auf der Schulter und den Stock in meiner Hand, mit dem ich die rauhen Hülsen entfernte, denn ich wartete nicht den Frost ab. Es rauschte im Laub und laute Vorwürfe ertönten vom roten Eichhörnchen und von der Dohle, deren halbverzehrte Nüsse ich bisweilen stahl, weil die von ihnen ausgesuchten Hülsen mit Sicherheit gute Früchte enthielten. Gelegentlich kletterte ich auch auf einen Baum und schüttelte die Zweige. Kastanien wuchsen auch hinter meinem Hause, und ein hoher Baum dieser Art, der es fast überschattete, glich zur Blütezeit einem großen Strauß, der die ganze Nachbarschaft mit Duft erfüllte. Scharenweise kamen früh morgens die Dohlen herbei und schälten die Früchte aus den Hülsen, ehe sie herausfielen. Willig überließ ich ihnen diese Bäume und besuchte die entfernter gelegenen Wälder, die nur aus Kastanienbäumen bestanden. Diese Früchte gaben mir, solange ihr Vorrat reichte, einen guten Ersatz für Brot. Doch könnte man vielleicht noch manch anderes Ersatzmittel finden. Als ich eines Tages nach Regenwürmern grub, fand ich die Erdnuß ( Apios tuberosa) an ihrem Faden, die Kartoffel der Ureinwohner, eine Art fabelhafter Frucht. Ja, ich wußte nicht einmal genau, ob man mir erzählt habe, daß ich sie in der Kindheit gegraben und gegessen habe, oder ob das nur ein Traum gewesen sei. Seitdem habe ich oft ihre gekräuselte, rote, sammetartige Blüte gesehen, die von den Stengeln anderer Pflanzen getragen wurde, ohne daß ich wußte, daß sie der Erdnuß angehöre. Inzwischen hat die Kultur sie fast gänzlich ausgerottet. Sie hat einen süßlichen Geschmack (ähnlich wie die Kartoffel, die vom Frost gelitten hat) und mundete mir gekocht besser als geröstet. Durch diese Knollengewächse schien die Natur leise zu versprechen, in Zukunft ihre eigenen Kinder großzuziehen und sie hier einfach zu ernähren. Heute, in der Epoche gemästeter Viehherden und wogender Kornfelder ist diese bescheidene Wurzel, die einst das Totem Familienwappen der Indianer Nordamerikas. seines Indianerstammes war, ganz in Vergessenheit geraten, oder nur durch ihre blühenden Ranken bekannt. Sollte aber die Natur hier noch einmal in ungezähmter Freiheit herrschen, dann werden tausend und abertausend Feinde das zarte und üppige englische Korn vernichten. Ohne Menschenhilfe wird dann vielleicht die Krähe das letzte Saatkorn gen Südwesten zu Manito's großem Kornfeld tragen, dorthin, von wo sie einst ein Körnchen gebracht haben soll. Und dann wird die jetzt fast ausgerottete Erdnuß wieder aufleben, trotz Frost und Wildernis, als autochthon sich bewähren und ihre alte Bedeutung und Würde als Ernährerin eines Jägervolkes aufs neue betätigen. Irgend eine indianische Ceres oder Minerva muß sie erfunden und der Menschheit zum Geschenk gemacht haben. Und wenn hier das Reich der Poesie einmal beginnt, dann werden ihre Blüten und ihre Wurzelknollen auf unseren Kunstwerken vielleicht dargestellt werden.
Schon am ersten September hatte ich über den Teich hin zwei oder drei kleine Ahornbäume gesehen, welche etwas unterhalb der Stelle, wo die weißen Espenstämme auseinander wichen, nahe am Wasser gleichsam auf einem Vorgebirge standen und im schönsten Scharlachrot leuchteten. Ach, wie manche Geschichte erzählte ihre Farbe! Von Woche zu Woche kam allmählich der Charakter jedes Baumes mehr zum Vorschein, und sich selbst bewundernd blickten alle in den glatten Spiegel des Sees. Jeden Morgen ersetzte der Direktor dieser Galerie ein altes Bild an der Wand durch ein neues, das noch vollendeter war an Leuchtkraft und Farbenharmonie.
Wespen kamen im Oktober zu Tausenden nach meiner Hütte, als ob hier ihr Winterquartier sei. Sie ließen sich innen an den Fenstern und oben an der Zimmerdecke nieder, und schreckten nicht selten Besucher vom Eintritt ab. Morgens waren sie vor Kälte erstarrt, dann fegte ich einige von ihnen hinaus. Im übrigen gab ich mir nicht viel Mühe sie los zu werden. Im Gegenteil, ich fühlte mich geehrt, daß sie mein Haus als passenden Zufluchtsort betrachteten. Sie belästigten mich niemals ernstlich, obwohl sie bei mir im Bette schliefen. Allmählich verschwanden sie in – wer weiß welchen – Spalten, um dem Winter und der unsäglichen Kälte zu entgehen.
Wie die Wespen pflegte ich, bevor ich definitiv Winterquartier im November bezog, die Nordostseite des Walden zu besuchen. Sonnenstrahlen, die von dem Pechtannenwald und vom steinigen Ufer zurückgeworfen wurden, bildeten hier gleichsam den Kamin des Teiches. Es ist angenehmer und gesünder, sich so lange wie möglich von der Sonne anstatt von einem künstlichen Feuer wärmen zu lassen. So wärmte ich mich denn an der noch glühenden Asche, die der Sommer – wie ein Jäger, der fortzog – zurückgelassen hatte.
Als ich mit dem Bau meines Kamins begann, studierte ich das Maurerhandwerk. Da meine Ziegelsteine aus zweiter Hand gekauft waren, mußten sie zunächst mit einer Mauerkelle gereinigt werden, Ich gewann dadurch genauere Kenntnisse über die Qualität der Ziegel und Mauerkellen, als man durchschnittlich besitzt. Der Mörtel an den Steinen war fünfzig Jahre alt und sollte angeblich noch immer härter werden. Das ist jedoch nur eine jener Phrasen, die von den Menschen mit Vorliebe nachgeplappert werden, einerlei ob sie wahr sind oder nicht. Solche Redensarten werden selbst härter und hängen sich im Verlauf der Zeit immer fester an, so daß gar manche Schläge mit der Kelle oder mit der Keule notwendig sein würden, um einen alten, superklugen Hansnarren davon zu säubern. Viele Dörfer Mesopotamiens sind aus vorzüglichen Ziegelsteinen gebaut, die aus den Ruinen Babylons, mithin aus zweiter Hand, stammten, und der Mörtel, der an diesen Steinen haftet, ist älter und wahrscheinlich noch härter. Doch abgesehen davon: ich war erstaunt über die eigenartige Stärke des Stahls, der so viele energische Hiebe austeilen konnte ohne sich abzunutzen. Da meine Ziegelsteine zuvor bei einem Kamin verwendet waren (Nebukadnezars Name war allerdings nicht auf ihnen eingemeißelt), suchte ich aus dem Vorrat möglichst viele Ziegel heraus, um Mühe und Verlust zu vermeiden, füllte die Räume zwischen den Ziegeln mit Steinen vom Teichufer aus, und gebrauchte Teichsand zum Mörtel. Wegen ihrer großen Wichtigkeit für das Haus wurde diese Feuerstelle sehr bedachtsam gebaut. Ja, ich arbeitete recht langsam daran. Obwohl ich bereits früh morgens mit dem Aufbau begann, konnte eine Reihe Ziegelsteine, die nur ein paar Zoll über den Boden sich erhob, mir während der Nacht als Kissen dienen. Soweit ich mich erinnern kann, bekam ich davon keinen steifen Hals. Der war schon älterer Herkunft. Um diese Zeit wohnte nämlich vierzehn Tage lang ein Dichter bei mir und da bot die Raumfrage die einzige und große Schwierigkeit. Er brachte sein Messer mit, obwohl ich selbst zwei besaß. Die pflegten wir zu reinigen, indem wir sie in die Erde stachen. In die Arbeit des Kochens teilte er sich mit mir. Es machte mir Freude, mein Werk allmählich so zweckentsprechend und festgefügt wachsen zu sehen, und ich dachte im stillen: Was lange währt, wird gut und dauerhaft. Der Kamin ist gewissermaßen ein selbstständiges Gebäude, das auf dem Erdboden steht und durch das Haus himmelwärts sich erhebt. Selbst wenn das Haus abgebrannt ist, steht er noch bisweilen da und dokumentiert seine Wichtigkeit und Unabhängigkeit. Der Kaminbau fand am Ausgang des Sommers statt. Jetzt war es November.
Der Nordwind hatte schon begonnen den Teich abzukühlen, doch erst nach vielen Wochen war er damit fertig, denn der Walden ist sehr tief. Als ich anfing abends ein Feuer anzumachen – damals, als das Haus noch nicht beworfen war – zog der Rauch vorzüglich durch den Kamin ab, weil so viele Spalten zwischen den Brettern sich befanden. Dennoch verbrachte ich manch fröhlichen Abend in dem kühlen, luftigen Zimmer innerhalb der ungeglätteten, braunen Bretter und unter einer Decke, deren Balken noch mit Rinde bedeckt waren. Nachdem das Haus Bewurf erhalten hatte, machte es meinen Augen nicht mehr so viel Freude, obwohl ich gestehen muß, daß es wohnlicher geworden war. Sollte nicht jedes Zimmer, in welchem Menschen wohnen, so hoch sein, daß über ihren Häuptern eine leichte Dunkelheit herrscht, wo am Abend flackernde Schatten am Gebälk ihr Spiel treiben können? Solche Gebilde wirken auf die Stimmung und die Phantasie anziehender als Freskomalereien oder die kostbarsten Möbel. Jetzt erst, da ich mein Haus der Wärme und des Schutzes wegen benutzte, fing ich wirklich an, es zu bewohnen. Ich hatte ein paar eiserne Feuerböcke, welche verhinderten, daß brennende Holzscheite auf den Fußboden vor den Kamin glitten. Es tat mir wohl zu sehen, wie der Ruß sich an der Rückwand des Kamins niederschlug. Darum schürte ich das Feuer mit mehr Recht und mehr Befriedigung als gewöhnlich. Meine Wohnung war klein und ich konnte wohl kaum ein Echo darin unterhalten, doch da sie nur aus einem einzigen Zimmer bestand und fern von den Menschen lag, erschien sie größer. Alle Annehmlichkeiten des Hauses waren in einem Raum vereinigt, welcher zugleich Küche, Kammer, Empfangs- und Wohnzimmer war. So wurde mir die Summe all jener Befriedigung zuteil, welche Eltern und Kinder, Herr und Diener durch das Wohnen im Hause genießen. Cato sagt: Der Hausvater ( pater familias) soll in seinem Landhaus haben: » cellam oleariam, vinariam, dolia multa, uti lubeat caritatem expectare, et rei, et virtuti, et gloriae erit,« d. h. einen Öl- und Weinkeller und viele Fässer, damit er unbesorgt harten Zeiten entgegensehen kann. Das wird ihm Vorteil, Ehre und Ruhm eintragen.« Ich hatte in meinem Keller ein Fäßchen Kartoffeln, ungefähr zwei Liter Erbsen, in denen der Kornwurm war, und im Speiseschrank ein wenig Reis, einen Krug Sirup und je ¼ Scheffel Roggen- und Maismehl.
Bisweilen träume ich von einem größeren Haus, in welchem mehr Menschen wohnen. Es steht in einem goldenen Zeitalter, ist aus dauerhaftem Material ohne Pfefferkuchenornamente gebaut, enthält nur ein einziges Zimmer, eine weite kunstlose, festgefügte einfache Halle ohne Decke und ohne Bewurf. Dachsparren und Querbalken tragen gleichsam einen niedrigen Himmel über den Häuptern der Menschen und schützen vor Regen und Schnee. Die Eckpfosten stehen da wie König und Königin und nehmen den ehrfürchtigen Gruß der Besucher entgegen, welche beim Überschreiten der Schwelle bereits dem überwundenen Saturn Hier wird vielleicht darauf angespielt, daß der in späteren Zeiten mit dem griechischen Kronos identifizierte Ernte- und Saatgott Saturn im »goldenen Zeitalter« geherrscht haben soll. aus einer älteren Dynastie gehuldigt haben. Ich träume von einem Höhlenhaus, wo man eine an einem Stab befestigte Fackel emporhalten muß, um das Dach zu sehen, wo die einen am Kamin, die anderen in der Fensternische oder auf Sesseln, wo die einen an dem einen Ende und die anderen am anderen Ende der Hallen, oder auch, wenn's ihnen besser gefällt, hoch oben im Gebälk bei den Spinnen sich aufhalten können, von einem Haus, in welchem man sich wirklich befindet, wenn man die Außentür geöffnet und damit zugleich alles Zeremoniell erledigt hat; wo der ermüdete Wandersmann sich waschen und unterhalten, wo er schlafen und speisen kann, ohne weiterpilgern zu müssen. Ich träume von einem Haus, das man in stürmischer Nacht froh begrüßt, das alles notwendige Hausgerät enthält und nichts zum Haushalten, wo man alle Schätze des Hauses mit einem Blick überschaut, wo jeder Gegenstand, den der Mensch gebraucht, an seinem bestimmten Pflock hängt, von einem Haus, das Küche und Speisekammer, Empfangs- und Schlafzimmer, Magazin und Dachkammer zugleich ist; wo man etwas so Notwendiges wie ein Faß und eine Leiter, oder etwas so Bequemes wie einen Speiseschrank zu sehen bekommt, wo man den Kessel brodeln hört, wo man dem Feuer, das die Nahrung kocht, und dem Ofen, der das Brot backt, Reverenz erweisen kann; wo die notwendigen Möbel und Geräte den Hauptschmuck bilden; wo man die Wäsche nicht auswärts waschen, das Feuer nicht ausgehen und die Hausherrin nicht außer Atem kommen läßt, sondern wo man bisweilen ersucht wird, wenn die Köchin in den Keller hinabsteigen will, von der Falltür wegzutreten, wo man also ohne mit dem Fuß zu stampfen erfährt, ob der Boden unter den Füßen fest oder hohl ist. Ich träume von einem Haus, das so offenkundig sein Inneres zeigt wie eines Vogels Nest, bei dem man nicht durch die Vorderseite hinein und durch die Hintertüre hinausgehen kann, ohne einen Bewohner gesehen zu haben, wo »Gast sein« so viel heißt wie »benutze das ganze Haus nach Belieben«, wo man nicht von sieben Achteln desselben ausgeschlossen und in eine besondere Zelle mit der Aufforderung eingesperrt wird, sich » hier zu Hause zu fühlen« – in Einzelhaft. Heutzutage ladet uns der Wirt nicht zu seinem Herde ein, sondern zu jenem, den er irgendwo, rechts oder links von seinem Korridor, In früheren Zeiten lag ein breiter Korridor in der Mitte des meistens einstöckigen Hauses. Rechts und links von ihm befanden sich die Zimmer. für seine Gäste hat errichten lassen. Für ihn ist Gastfreundschaft die Kunst, den Gast in möglichst großer Entfernung zu fesseln. Das Kochen wird so geheimnisvoll betrieben, als habe man den Plan, uns zu vergiften. Ich weiß, ich habe manches Menschen Grundstück betreten, von wo man mich mit Fug und Recht hätte fortweisen können, aber ich weiß nicht, daß ich in vieler Menschen Häusern war. Ich könnte wohl in meinen alten Kleidern einen König und eine Königin besuchen, die schlicht und einfach in einem Hause leben, wie ich es soeben beschrieb. Sollte man mich aber jemals in einem modernen Palaste antreffen, so ist's nur eines, was ich dort lernen will: wie schnell ich ihm den Rücken kehren kann.
Fast scheint es, als ob selbst die Sprache in unseren Salons ihre Nerven einbüßt und gänzlich zu saloppem Geschwätz entartet, als ob unser Leben sich weit von ihren Symbolen entfernt, und als ob ihre Metaphern und Tropen gleichsam aus Versenkungen und mit stummen Dienern herbeigeschafft werden müssen. Mit anderen Worten: Unser Salon liegt zu weit abseits von Küche und Werkstatt. Selbst das Mittagessen ist meistens nur eine Parabel des Mittagessens. Vielleicht wohnt nur der Wilde nahe genug bei der Natur und bei der Wahrheit, um Tropen von ihnen entlehnen zu dürfen. Was weiß der Gelehrte, der hoch oben in Canada oder auf der » Isle of Man« haust, vom »Küchenreglement«?
Es waren übrigens nur einige wenige Gäste vertrauensvoll genug, um zu bleiben und einen Schnellpudding aus Mais mit mir zu verzehren. Meistens zog man es vor, schleunigst den Rückzug anzutreten, sobald man diese Krisis herannahen sah, als ob dieselbe das Fundament des Hauses erschüttern müßte. Es überdauerte indessen eine ganze Anzahl von Schnellpuddingen.
Erst als der Frost einsetzte, begann ich den Bewurf. Zu diesem Zwecke holte ich mir von der entgegengesetzten Seite des Sees weißeren und reineren Sand im Boote herüber, und dieser Transport auf dem Wasser machte mir so viel Freude, daß ich noch viel weiter gefahren wäre, wenn die Notwendigkeit vorgelegen hätte. Mein Haus hatte ich inzwischen an allen Seiten bis zum Erdboden hin mit Schindeln bedeckt. Beim Festnageln der Bretter machte es mir Spaß, jeden Nagel mit einem einzigen Hammerschlag ganz ins Holz zu treiben, und mein Ehrgeiz war, den Mörtel vom Brett sauber und rasch an die Wand zu bringen. Dabei fiel mir die Geschichte von jenem aufgeblasenen Burschen ein, der in eleganter Kleidung im Dorfe herumzubummeln und den Arbeitern Ratschläge zu geben pflegte. Als er eines Tages seinen Worten die Tat folgen lassen wollte, schob er die Manschette in die Höhe, packte das Mörtelbrett und warf, nachdem er die Mauerkelle ohne Unfall mit Mörtel beladen hatte, die feuchte Masse mit vergnügtem Blick und mutigem Schwung nach oben gegen die Bretter. Sofort saß diese zu seinem größten Kummer und Unbehagen auf seinem gekräuselten Hemdeinsatz . . . Ich bewunderte aufs neue die Billigkeit und das Zweckmäßige des Bewurfs, der die Kälte so wirksam ausschließt und dabei nicht schlecht aussieht. Auch lernte ich die verschiedenen Zufälligkeiten kennen, denen der Verputzer ausgesetzt ist. Mit Erstaunen sah ich, wie durstig die Ziegel sind. Sie hatten alle Feuchtigkeit aus meinem Mörtel gesogen, bevor ich das Glätten beenden konnte. Und wie viele Eimer voll Wasser sind nötig, um einen Herd zu taufen! Ich hatte mir im vorigen Winter zu Versuchszwecken eine kleine Quantität Kalk dadurch verschafft, daß ich Muscheln von Unio Fluviabilis, welche in unserem Fluß hier vorkommt, verbrannte. Ich wußte also, woher meine Materialien stammten. Guten Kalkstein zum Brennen konnte ich, wenn mir daran lag, wohl auch ein bis zwei Meilen weit von hier aus bekommen.
In den schattigsten und seichtesten Buchten des Teiches hatte sich inzwischen eine zarte Eishaut gebildet, einige Tage oder selbst Wochen bevor die ganze Oberfläche gefror. Das erste Eis ist besonders interessant und rein. Es ist hart, dunkel und durchscheinend und bietet die beste Gelegenheit den Grund dort, wo er seicht ist, zu untersuchen. Denn man kann sich, selbst wenn das Eis nur einen Zoll dick ist, der Länge nach darauf ausstrecken, wie ein Wasserläuferinsekt auf dem Wasserspiegel, und den Boden mit Muße in einer Entfernung von zwei bis drei Zoll, wie ein Bild unter Glas studieren. Dabei ist das Wasser selbstverständlich immer glatt. Viele Furchen gibt's in dem Sande, dort, wo ein Geschöpf denselben Pfad hin und her wandelte. Und statt mit Wracks ist der Boden mit den aus feinsten weißen Quarzkörnchen geformten Hüllen der Köcherfliegenlarven Köcherjungfern (Phryganeidae), Familie aus der Ordnung der Netzflügler. Insekten mit kleinem Kopf, langen borstenförmigen Fühlern, halbkugeligen Augen, zuweilen undeutlichen Nebenaugen. Sie sind zum Teil lichtscheu, finden sich meist im Frühjahr oft massenhaft an Holz und Gesträuch in der Nähe des Wassers, fliegen in der Dämmerung und setzen die Eier in Form eines von einer gallertartigen Masse umhüllten Klumpens an Pflanzen, Steine usw. ab. Die raupenähnlichen Larven vereinigen mit Hilfe eines auf der Unterlippe mündenden Sinnesorgans Pflanzenteile, kleine Schneckengehäuse, Sandkörnchen und ähnliches zu einem meist länglichen, röhrenförmigen, stets charakteristisch geformten, zuweilen schneckenhausähnlichen Gehäuse, welches ihnen als schützende Hülle dient und entweder von dem Tier herumgeschleppt oder im Grunde des Wassers festgesponnen wird. bestreut. Vielleicht haben sie den Boden gefurcht – jedenfalls liegt eine Anzahl dieser Hüllen in den ziemlich breiten und tiefen Furchen. Das interessanteste Objekt ist indessen das Eis selbst. Allerdings muß man die erste Gelegenheit benutzen, um es zu studieren. Betrachtet man es genau am frühen Morgen nach einer Frostnacht, so wird man finden, daß der größere Teil jener Blasen, die auf den ersten Blick im Eise selbst sich zu befinden scheinen, der unteren Fläche des Eises anliegen, und daß fortwährend neue vom Boden aufsteigen, solange das Eis noch relativ fest und dunkel ist, das heißt, solange man das Wasser durchsieht. Der Durchmesser dieser Blasen schwankt zwischen einem achtel und einem ganzen Zoll; sie sind so vollkommen rein und schön, daß man sein Gesicht durch das Eis hindurch in ihnen spiegeln kann, ungefähr dreißig bis vierzig solcher Blasen sind in einem Quadratzoll vorhanden. Im Eise selbst sieht man ferner schmale, längliche, senkrecht stehende und ungefähr einen halben Zoll lange Blasen, die einem spitzen Kegel gleichen, dessen Spitze nach oben zeigt. Häufiger jedoch kann man, wenn das Eis ganz frisch ist, überaus kleine, runde, rosenkranzartig übereinander gereihte Blasen bemerken. Die Bläschen im Eis sind indessen nicht so zahlreich und nicht so leicht aufzufinden wie die unter demselben. Bisweilen warf ich Steine auf das Eis, um seine Stärke zu prüfen. Brechen sie durch, so nehmen sie Luft mit sich, wodurch ausgedehnte und deutlich sichtbare weiße Blasen unter dem Eis gebildet werden. Und als ich eines Tages nach achtundvierzig Stunden wieder an diese Stelle kam, da waren diese großen Blasen noch ganz unverändert, obwohl der Durchmesser des Eises um einen Zoll zugenommen hatte. Das konnte ich deutlich an der Grenzlinie zwischen altem und neuem Eis erkennen. Da aber die letzten beiden Tage sehr warm gewesen waren, so warm wie im Spätsommer, so war das Eis jetzt nicht durchsichtig, besaß auch nicht die dunkelgrüne Farbe des Wassers und des Grundes, sondern hatte ein dunkelweißes oder graues Aussehen. Obwohl es doppelt so dick war als zuvor, hatte seine Tragkraft nicht zugenommen, denn die Luftblasen hatten sich unter der Wärmewirkung bedeutend ausgedehnt, waren ineinander gelaufen und hatten ihre regelmäßigen Formen eingebüßt. Jetzt lag nicht mehr die eine genau über der anderen, sondern wie Silbermünzen, die aus einem Sack geschüttelt wurden, bedeckten die flachen Blasen einander an vielen Stellen. Hier und da glichen sie Flocken, die kleine Ritzen auszufüllen schienen. Die Schönheit des Eises war verschwunden, zu spät war's, den Teichboden zu untersuchen. Da ich erfahren wollte, welche Lage meine großen Blasen in bezug auf das neue Eis eingenommen hatten, brach ich ein Stück davon, das eine mittelgroße Blase enthielt, heraus und drehte seine Unterseite nach oben. Das neue Eis hatte sich unter der Blase und um dieselbe herum gebildet, so daß sie zwischen den beiden Eisschichten eingeschlossen war. Sie befand sich völlig in der unteren, aber nahe an der oberen Eisschicht, war etwas abgeflacht oder leicht linsenförmig, ein viertel Zoll dick, hatte abgerundete Ecken und einen Durchmesser von vier Zoll. Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, daß das Eis gerade unter den Blasen mit großer Regelmäßigkeit geschmolzen war, daß sich eine Art Untertasse dort gebildet hatte, die in der Mitte fünf achtel Zoll tief war, und daß nur eine zarte, ungefähr ein achtel Zoll dicke Wand Blase und Wasser noch trennte. An vielen Stellen hatten die kleinen Bläschen indessen diese schmalen Scheidewände nach unten gesprengt. Vielleicht befand sich unter den größten Blasen, deren Durchmesser einen Fuß betrug, überhaupt kein Eis. Ich folgerte daraus, daß die unzähligen Bläschen, welche ich anfangs unter der Oberfläche des Eises gesehen hatte, jetzt ebenfalls eingefroren waren, daß ein jedes in seiner Weise als Brennglas gewirkt und das unter ihr liegende Eis völlig geschmolzen habe. Das sind die kleinen Windbüchsen, die dazu beitragen, daß das Eis kracht und keucht.
Endlich setzte der Winter ernstlich ein. Gerade als ich meinen Bewurf beendet hatte, begann der Wind um das Haus herum zu heulen, als ob ihm dazu bislang die Erlaubnis verweigert worden sei. In jeder Nacht kamen die Wildgänse mit hellem Geschrei und pfeifendem Flügelschlag in der Dunkelheit herbeigepoltert, selbst als ringsum Schnee lag. Einige ließen sich auf dem Walden nieder, andere flogen dicht über den Baumwipfeln, um über Fair Haven nach Mexiko zu wandern. Manchmal hörte ich, wenn ich um zehn oder elf Uhr nachts vom Dorf heimkehrte, hinter meinem Haus die Tritte einer Schar Wildgänse oder auch Enten auf dem dürren Laub, nicht weit von einer kleinen Wasserlache, zu welcher sie gekommen waren, um zu fressen. Auch das leise »Honk« oder »Quack« des Führers konnte ich hören, wenn sie weiterflogen. Anno 1845 fror Walden in der Nacht vom 22. Dezember gänzlich zu, während Flints Teich, andere seichtere Gewässer und der Fluß bereits seit zehn Tagen oder noch länger mit Eis bedeckt waren. 1846 am 16. und 1849 am 31., 1850 ungefähr am 27. Dezember, 1852 am 5. Januar, 1853 am 31. Dezember. Der Schnee bedeckte bereits seit dem 25. November den Erdboden und umgab mich plötzlich mit einer Winterlandschaft. Ich zog mich jetzt tiefer in mein Gehäuse zurück und suchte im Innern meiner Hütte und meiner Brust ein helles Feuer zu unterhalten. Außer dem Hause beschäftigte ich mich nunmehr damit, dürres Holz im Walde zu sammeln, das ich in meinen Händen oder auf den Schultern heimtrug. Bisweilen schleppte ich auch unter jedem Arm einen abgestorbenen Tannenbaum nach meinem Unterschlupf. Ein alter Waldzaun, der seine besten Tage hinter sich hatte, war mein bester Lieferant. Ich opferte ihn dem Vulkan, denn dem Gotte Terminus Terminus eigentlich der Grenz- oder Markstein. Sodann aber auch der Gott, unter dessen Obhut die Grenzen gestellt waren, daher der Beschützer des Eigentums, dem alle Grenzsteine heilig waren. konnte er nicht mehr dienen. Doch wie sehr gewinnt das Abendessen für den Menschen an Bedeutung, der noch soeben im Schnee sein Feuerholz zum Kochen aufstöberte, ja, man kann sagen, stahl! Wie köstlich munden ihm Brot und Fleisch! Es gibt genug Reisig und Holzreste aller Art in den Wäldern, um viele Feuer zu unterhalten. Aber diese Dinge dienen nicht dazu, die Menschen zu wärmen, sondern hindern nur, wie man vielfach annimmt, das Wachstum des jungen Holzes. Auch gab es Treibholz im Teiche. Während des Sommers hatte ich ein Floß aus Pechtannenstämmen, an denen noch die Rinde saß, entdeckt. Irländer, die beim Eisenbahnbau beschäftigt waren, hatten es gezimmert. Ich zog es teilweise auf den Ufersand. Nachdem es zwei Jahre lang im Wasser und dann sechs Monate lang am Ufer gelegen hatte, war das Holz desselben noch vollkommen gesund, aber so sehr mit Wasser durchtränkt, daß an ein Austrocknen nicht mehr zu denken war. An einem Wintertage machte ich mir beim Schlittschuhlauf ein Vergnügen daraus, das Floß stückweise über den Teich gleiten zu lassen: das eine Ende eines ungefähr fünfzehn Fuß langen Stammes ruhte dabei auf meiner Schulter, das andere vor mir auf dem Eise. Bisweilen band ich mehrere Stämme mit einem Birkenreis zusammen und zog sie an einer längeren Birke oder Erle, welche an einem Ende einen Haken hatte, über die Eisfläche. Obwohl sie mit Wasser durchtränkt und fast so schwer wie Blei waren, brannten sie nicht nur lange, sondern gaben auch starke Hitze. Ja, ich glaube, daß sie wegen ihres Wassergehaltes besser, und da das Pech, gerade wie bei einer Lampe, unter Abschluß sich befand, auch länger brannten.
Gilpin Wahrscheinlich Henry Dilwood Gilpin, amerikanischer Jurist, 1801 in England geboren. erzählt in seinem Bericht über englische Waldanwohner, daß »die Leute, welche gesetzwidrig fremde Wälder betraten, Häuser und Zäune am Waldesrande errichteten, sich gewaltsamer Eingriffe und einer groben Verletzung des alten Waldrechtes schuldig machten, daß sie als purprestures schwer bestraft wurden, weil sie ad terrorem ferarum, ad nocumentum forestrae usw. – zum Verscheuchen des Wildes und zur Zerstörung des Waldes – beitrugen«. Mir persönlich lag die Schonung des Waldes und Wildes mehr am Herzen als den Jägern und Holzfällern, ja so sehr, als ob ich »Lord Walden« selbst gewesen sei. Wenn irgend ein Teil des Waldes niederbrannte oder unglücklicherweise durch meine Schuld dem Feuer zum Opfer fiel, so betrübte mich dieses Ereignis länger und tiefer als die Eigentümer. Ja, es stimmte mich auch traurig, wenn die Besitzer selbst den Wald fällten. Ich möchte nur wünschen, daß unsere Farmer beim Abforsten eines Waldes etwas von jener ehrfürchtigen Scheu empfinden würden, welche in den alten Römern sich regte, wenn sie einen heiligen Hain lichteten, dem Tageslicht preisgaben ( lucum conlucare). Ich wünsche mit anderen Worten, daß unsere Farmer glauben möchten, der Wald sei einer Gottheit geweiht. Der Römer vollzog ein Sühnopfer und betete: Welchem Gott oder welcher Göttin auch immer Du geweiht seist, o Hain – laß deine Gnade walten über mir, meiner Familie, meinen Nachkommen . . .
Es ist bemerkenswert, wie hoch selbst heutzutage in diesem neuen Lande das Holz im Preise steht, und daß dieser Preis konstanter und allgemeiner verbreitet ist als der des Goldes. Trotz aller Entdeckungen und Erfindungen will kein Mensch einen Holzstoß missen. Holz ist für uns geradeso kostbar wie für unsere sächsischen und normannischen Vorfahren. Sie machten ihre Bogen daraus, wir unsere Gewehrkolben. Michaux François André Michaux, geb. 1770 in Versailles, bereiste mit seinem Vater Nordamerika und starb 1850. Er schrieb: Histoire des arbres forestiers de l'Amérique septentrionale (3 Bände). berichtete vor mehr als dreißig Jahren, daß der Preis für Feuerholz in Newyork und Philadelphia »sich mit dem für das beste Holz in Paris bezahlten Preis beinahe deckt, ihn bisweilen sogar übersteigt, obwohl die gewaltige Metropole jährlich mehr als dreihunderttausend Klafter verbraucht und in einer Ausdehnung von dreihundert Meilen von bebauten Feldern umgeben ist.« In Concord steigt der Preis des Holzes beständig; immer handelt es sich nur darum, wieviel mehr in diesem Jahr als im Vorjahr bezahlt werden muß. Mechaniker und Handwerker, die persönlich durch keinen anderen Anlaß in den Wald gelockt werden, finden sich unfehlbar ein, wenn Holz verauktioniert wird, ja, sie zahlen sogar eine große Summe für die Erlaubnis, nach dem Holzfäller Nachlese halten zu dürfen. Schon seit vielen Jahren versorgen sich die Menschen aus den Wäldern mit Brennholz und mit Materialien für ihre Kunsterzeugnisse. Der Neuengländer und der Neuholländer, der Perser und der Kelte, der Farmer und Robin Hood Robin Hood, der bekannte Held einer ganzen Reihe englischer Volksballaden. Deutsche Übersetzung der Robin Hood-Balladen von Fontane und Anastasius Grün. Goody Blake und Harry Gill, Siehe »Goody Blake and Harry Gill« in Wordsworth-Gedichten. Herausgegeben von Morley, pag. 79 u. folg. Die arme Goody Blake verflucht den reichen Harry Gill, der ihr das mühsam im Walde gesammelte Reisig nicht lassen will. Harry Gill muß nun zeit seines Lebens frieren. der Bauer und der Prinz, der Gelehrte und der Wilde: sie alle gebrauchen überall in der Welt ein paar Holzscheite aus dem Walde, um sich zu wärmen und um ihre Nahrung zu kochen. Auch ich konnte ohne dieselben nicht fertig werden.
Jedermann blickt gewissermaßen mit Zuneigung auf seinen Holzstoß. Ich liebe es, den meinigen vor meinem Fenster zu haben, und je mehr Späne mich an meine angenehme Arbeit erinnern, desto besser. Ich besaß eine alte Axt, auf welche niemand Anspruch erhob. Mit ihr hackte ich von Zeit zu Zeit an Wintertagen an der Sonnenseite des Hauses auf den Stümpfen, die ich aus meinem Bohnenfeld gegraben hatte, herum. Wie mir mein Rosselenker damals beim Pflügen prophezeit hatte, wärmten sie mich zweimal: zuerst als ich sie hackte und dann, als ich sie ins Feuer legte. Mehr Wärme konnte kein Brennmaterial abgeben. Was übrigens die Axt anbetrifft, so hatte man mir geraten, sie beim Dorfschmied ausbessern zu lassen. Ich besserte aber den Schmied nicht auf, machte ihr selbst einen Nußbaumstiel aus dem Walde, so daß sie wieder gebrauchsfähig wurde. Sie war zwar stumpf, aber Griff und Schneide waren wohl ineinander gefügt.
Ein paar dicke Stücke mit Pech durchtränkten Tannenholzes waren ein großer Schatz. Es ist interessant sich zu vergegenwärtigen, wieviel von dieser Feuernahrung noch in den Eingeweiden der Erde verborgen ist. In früheren Jahren hatte ich oft »Inspektionsreisen« über einen kahlen Hügelabhang hin gemacht, auf dem vor Zeiten ein Pechtannenwald stand. Die kräftigsten Wurzeln hatte ich dort herausgeholt. Sie sind nahezu unverwüstlich. Selbst die Stümpfe, die wenigstens dreißig bis vierzig Jahre alt waren, besaßen noch gesundes Mark, obwohl der Splint schon zu Pflanzenerde zerfallen war, wie durch die kreisförmigen Abschuppungen der dicken Rinde bewiesen wurde, die in gleicher Höhe mit dem Erdboden, etwa vier bis fünf Zoll vom Mark des Baumes entfernt, sich befanden. Mit Axt und Schaufel wurde diese Mine durchforscht und das markige Magazin, das so gelb wie Rindsfett aussieht oder einer Goldader tief unten in der Erde gleicht, weiter verfolgt. Gewöhnlich machte ich mein Feuer mit trockenen Blättern aus dem Walde an, die ich in großer Menge in meinem Schuppen angehäuft hatte, bevor der Schnee einsetzte. Der Holzhauer benutzt, wenn er im Walde wohnt, grüne feingespaltene Nußbaumspäne dazu. Hier und da verwandte ich auch diese. Wenn die Dorfbewohner jenseits des Horizontes ihre Feuer anzündeten, dann pflegte auch ich die verschiedenen wilden Bewohner des Waldentales durch einen rauchigen Strom aus meinem Kamin zu benachrichtigen, daß ich erwacht sei. –
»Leichtbeschwingter Rauch, ikarischer Vogel,
»Wenn Du zu sonnigen Höhen schwebst,
»Schmelzen Deine Flügel!
»Du gleichst einer schweigenden Lerche, bist der Morgenröte Herold,
»Und über dem Dörfchen ziehst du Deine Kreise
»Als sei's Dein Nest.
»Dem Traume gleichst Du, der enteilt, dem Schattenbild
»Mittnächtiger Erscheinung, die ihr Gewand rafft und entschwindet.
»In dunkler Nacht verhüllst Du mir die Sterne und bei Tag
»Verdunkelst Du der Sonne Glanz.
»Steig' auf, mein Weihrauch, steige auf von diesem Herd
»Und fleh' die Götter an, daß sie dies helle Feuer
»In ihrer Güte mir auch künftig schenken.«
Hartes, grünes, frischgefälltes Holz entsprach, obwohl ich es nur wenig benutzte, meinem Zweck besser als irgend etwas anderes. Wenn ich an Winternachmittagen meinen Spaziergang machte, ließ ich nicht selten ein tüchtiges Feuer zurück. Kehrte ich dann nach drei bis vier Stunden heim, dann war es noch am Leben und glühte. Mein Haus war nicht leer, auch wenn ich fortgegangen war. Ich hatte gewissermaßen einen freundlichen Hausgeist zurückgelassen. Ich und das Feuer – wir wohnten hier zusammen, und gewöhnlich rechtfertigte mein Hausgeist das in ihn gesetzte Vertrauen. Einmal aber, als ich gerade beim Holzspalten beschäftigt war, dachte ich doch daran, einen Blick zum Fenster hinein zu tun, um zu sehen, ob das Haus nicht brenne. Das war das einzige Mal, soweit ich mich erinnern kann, wo ich in dieser Hinsicht wirklich besorgt war. Und als ich hineinschaute, bemerkte ich, daß tatsächlich ein Funken aufs Bett geflogen war. Ich eilte sofort ins Haus und löschte das Feuer, das bereits ein Loch so groß wie meine Hand ins Bett hineingebrannt hatte. Mein Haus stand indessen an einem so sonnigen und geschützten Platze, und das Dach war so niedrig, daß ich an Wintertagen fast täglich nur bis zur Mittagstunde heizte.
Die Maulwürfe nisteten in meinem Keller, knabberten jede dritte Kartoffel an, und schufen sich dort ein warmes Bett aus einigen beim Bewurf übriggebliebenen Haaren und aus Packpapier. Denn selbst die wildesten Tiere lieben Behaglichkeit und Wärme gerade so sehr wie die Menschen und überleben den Winter nur, weil sie sich so sorgfältig darauf vorbereiten. Einige meiner Freunde redeten so, als ob ich zum Erfrieren in den Wald gezogen sei. Das Tier macht sich nur ein Bett und wärmt dieses durch seinen eigenen Körper. Der Mensch aber, der das Feuer entdeckt hat, schließt Luft in einen größeren Raum ab und wärmt, anstatt sich selbst zu berauben, dieses Zimmer, macht es zu seinem Bett, in welchem er sich, ohne schwere Kleider zu tragen, bewegen kann. So schafft er sich eine Art Sommer mitten im Winter, ja, er läßt sogar das Licht herein und verlängert mit einer Lampe den Tag. So gehen wir ein paar Schritte über den Instinkt hinaus und gewinnen etwas Zeit für die schönen Künste. Ich war nicht selten den schneidendsten Winterstürmen lange Zeit ausgesetzt, so daß mein Körper zu erstarren begann. Sobald ich aber die freundliche Atmosphäre um mich fühlte, kehrten meine Kräfte schnell zurück, so daß ich mein Leben verlängern konnte. Selbst derjenige, der die schönste Wohnung besitzt, hat in dieser Hinsicht wenig vor den andern voraus. Auch ist es nicht nötig, darüber nachzudenken, auf welche Weise das Menschengeschlecht zugrunde gehen wird. Zu jeder Zeit kann ein noch etwas schärferer Luftzug aus Norden den Faden mit Leichtigkeit abschneiden. Wir rechnen nach irgend einem kalten Wochentag oder nach einem starken Schneefall; ein etwas kälterer Freitag oder ein noch ärgeres Schneetreiben würde der irdischen Existenz des Menschen ein Ende bereiten.
Im nächsten Winter benutzte ich aus Sparsamkeit einen kleinen Kochofen, da ich ja nicht der Besitzer des Waldes war. Doch hielt sich das Feuer darin nicht so gut wie im offenen Kamin. Das Kochen war jetzt zum großen Teil kein poetisches Ereignis mehr, sondern ein chemischer Vorgang. In dieser Epoche der Kochöfen wird es bald vergessen sein, daß wir wie die Indianer unsere Kartoffeln in der Asche zu rösten pflegten. Der Ofen hat nicht nur Raum beansprucht und das Haus durchduftet – er hat auch das Feuer verborgen und darum in mir das Gefühl erweckt, als habe ich einen Freund verloren. Man kann immer ein Gesicht im Feuer sehen. Der Arbeiter, der Abends hineinschaut reinigt seine Gedanken von den Schlacken und dem Schlamm, der während des Tages sich an sie anheftete. Wenn ich aber eine Weile vor meinem Feuer saß und hineinblickte, dann kamen mir mit neuer Kraft die prächtigen Verse eines Dichters in den Sinn:
»Leuchtende Flamme, laß nimmer mir erblassen
»Dein teures, lebenswarmes Mitgefühl!
»Nur meine Hoffnung schoß so hoch wie Du empor,
»So tief wie Du sank nur mein Glück in dunkle Nacht.
»Warum bist Du von Haus und Herd verbannt?
»Du, die wir alle froh begrüßen, alle lieben?
»War Dein Leben für unser ödes Alltagsgrau
»Zu seltsam und phantastisch? Hielt Dein heller Schein
»Geheimnisvoll mit unserer Seele Zwiesprach?
»Scheutest Du Dich, Dein Innerstes zu offenbaren?
»Kein flücht'ger Schatten zittert an dem Herde, wo wir sitzen . . .
»Nichts kümmert, nichts erheitert uns . . .
»Ein Feuer wärmt uns Händ' und Füße – das genügt!
»An diese dichte, festverschlossene Feuerstätte
»Setzt sich die Gegenwart – und schlummert ein.
»Vor Geistern, die aus früherer Zeiten Dämmerlicht
»Beim Zitterschein des alten Holzes hervor sich stahlen
»Um mit uns zu schwätzen, hat sie keine Furcht.«