Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Bohnenfeld

Inzwischen warteten meine Bohnen, deren Reihen aneinander gelegt wohl an die sieben Meilen betrugen, mit Ungeduld aufs Sacken, denn die ersten waren schon beträchtlich ins Kraut geschossen, bevor die letzten gepflanzt wurden. Das ließ sich tatsächlich jetzt nicht länger hinausschieben. Wozu ich diese stetige, sorgfältige Herkulesarbeit en miniature verrichtete, weiß ich nicht. Ich fing an meine Reihen, meine Bohnen zu lieben, trotzdem ihrer mehr waren als ich gebrauchte. Sie fesselten mich an die Erde, und so erstarkte ich wie Antäus. Doch warum zog ich sie groß? Ja, das mag der Himmel wissen! Während des ganzen Sommers beschäftigte ich mich damit, diesen Teil der Erdoberfläche, der bisher nur Fünffingerkraut, Brombeeren, Beifuß und andere wildwachsende, süße Früchte und holde Blumen hervorgebracht hatte, mit Hülsenfrüchten zu befreunden. Was soll ich von den Bohnen lernen oder sie von mir? Ich pflege sie, ich hacke sie, früh und spät beschäftigen sie mich. Das ist mein Tagewerk. Wie ein breites, schönes Blatt liegt das Feld vor meinen Blicken! Meine Mitarbeiter sind nicht nur Tau und Regen, welche diesen trockenen Boden wässern, mir hilft auch die Fruchtbarkeit des Bodens selbst, der zum größten Teil mager und abgenutzt ist. Meine Feinde sind Würmer, kühle Nächte und hauptsächlich Murmeltiere. Diese Tiere haben schon nahezu hundert Quadratfuß abgeknabbert. Wer gab mir aber auch ein Recht dazu, Beifuß und alles andere zu verjagen und den alten Kräutergarten zu vernichten? Die übrig gebliebenen Bohnen werden indessen bald zu kleberig für sie werden und in Zukunft neuen Feinden anheimfallen.

Ich kann mich noch ganz gut erinnern, wie ich im Alter von vier Jahren durch diesen Wald, durch dieses Feld hier am Teichufer entlang zu meiner Heimatstadt gebracht wurde. Das ist eine der frühesten Erinnerungen, die in meinem Gedächtnis haften blieb. Und heute im nächtlichen Dunkel hat meine Flöte das Echo über demselben Wasser erweckt. Die Tannen stehen noch immer hier: sie sind älter als ich; einige sind gefällt oder gefallen – mit ihren Stümpfen habe ich mein Abendbrot gekocht. Ein neues Werden ringsum! Für der Jugend frische Augen ein jugendfrisches Bild! Fast der gleiche Beifuß sproßte aus der gleichen perennierenden Wurzel auf dieser Weide hier empor. Ich selbst habe geholfen, diese mythische Landschaft meiner Kinderträume zu bekleiden und eines der Ergebnisse meiner Gegenwart und meines Einflusses zeigt sich in diesen Bohnen- und Maisblättern, in den Ranken der Kartoffeln.

Ich bepflanzte ungefähr zwei und einhalb Morgen Hochland. Da dieses erst vor fünfzehn Jahren abgeholzt war und ich selbst ungefähr zwei bis drei Klafter Wurzelholz herausgeholt hatte, brachte ich keinen Dünger hinauf. Im Laufe des Sommers wurde aber durch die Pfeilspitzen, die beim Hacken zum Vorschein kamen, bewiesen, daß ein ausgestorbenes Volk hier in alten Zeiten gewohnt, Mais und Bohnen gezogen hatte, ehe die weißen Männer kamen, um das Land urbar zu machen. Der Boden war also bis zu einem gewissen Grade für diese Erträgnisse schon erschöpft.

Bevor noch ein Murmeltier oder ein Eichhörnchen über die Straße lief oder die Sonne über die Zwergeichen emporstieg, begann ich die Reihen der hochmütigen Unkrautpflanzen in meinem Bohnenfeld zu Boden zu strecken und Staub auf ihre Häupter zu werfen. Obwohl Farmer mir rieten, mit dieser Beschäftigung zu warten, bis der Tau sich verflüchtigt habe, rate ich jedermann, alle Arbeit zu verrichten, wenn der Tau noch leuchtet! Früh am Morgen arbeitete ich barfuß und plantschte wie ein plastischer Künstler in dem feinkörnigen, taubedeckten Sand herum; später am Tage brannte mir die Sonne Blasen auf die Füße. Die Sonne leuchtete mir beim Bohnenhacken, wenn ich langsam über das gelbe, sandige Hochland zwischen den grünen, fast zweihundertundvierzig Fuß langen Reihen bald herauf bald hinunter arbeitete. Das eine Ende mündete in eine Zwergeichen-Pflanzung, wo ich im Schatten mich ausruhen konnte, das andere in Brombeergesträuch, dessen grüne Beeren sich tiefer färbten in der kurzen Zeit, die ich gebrauchte, um eine andere Reihe zu hacken. Unkraut zu jäten, frische Erde um die Bohnenpflanzen zu schaufeln, das Unkraut, das ich gepflanzt hatte, zum Wachsen zu ermutigen, den gelben Boden zu veranlassen, seine sommerlichen Gedanken in Bohnenblätter und Blüten, und nicht in Wermut, Pfeifenkraut und Hirsegras zu kleiden –, das war mein Tagewerk. Da Pferde und Ochsen mir nicht halfen, auch nicht Tagelöhner, junge Burschen oder verbesserte Ackergeräte, so gings mit meiner Arbeit nur langsam vorwärts. Doch ich wurde um so vertrauter mit meinen Bohnen.

Handarbeit, selbst wenn sie an Plackerei grenzt, ist vielleicht nicht die schlimmste Form des Müßigganges. Sie lehrt eine ewige und unverwüstliche Moral, und wer sich ihr weiht, wird musterhafte Früchte ernten. Für die Reisenden, die westwärts über Lincoln und Wayland, Gott weiß wohin, fuhren, war ich der Typus des agricola laboriosus. Sie saßen behaglich in ihren Gigs, stützten die Ellbogen auf die Knie und ließen die Zügel lose in Bogen herniederhängen. Ich war mit der Scholle verwachsen, der erdgeborene Arbeitsmann. Doch nach einer kleinen Weile entschwand mein Heim ihren Augen, ihrem Sinn. Im weiten Umkreis war an der Landstraße nur mein Feld bebaut und sichtbar. Das bot guten Anlaß zur Kritik. So kam es, daß der Mann auf dem Felde mehr von dem Geplauder und den Bemerkungen der Reisenden vernahm, als für seine Ohren bestimmt war: »So spät noch Bohnen! So spät noch Erbsen!«, denn ich pflanzte noch neue, wenn ich die anderen schon hackte. Das hatte der superkluge Herr Landwirt nicht erwartet.

»Das gibt nur Futtermais, mein Junge, nur Futtermais!«

» Wohnt der hier auch?« fragt der schwarze Damenhut den grauen Überzieher. Und der hartherzig dreinschauende Farmer läßt seine Rosinante – zu ihrer Freude – halten, um zu fragen, was ich hier schaffe, wo er doch keinen Dünger in den Furchen sähe; er empfiehlt Humus, Abfallstoffe aller Art, Asche oder auch Gips. Doch die Furchen zogen sich über zwei und einen halben Morgen hin, statt eines Schubkarrens gabs nur eine Hacke und für diese standen nur zwei Hände zur Verfügung. Und somit war Humus schwer herbei zu schaffen, zumal da gegen andere Schubkarren und Pferde eine Abneigung vorhanden war. Andere Reisende, die vorüberrasselten, unterhielten sich mit lauter Stimme und verglichen mein Feld mit anderem, an dem sie vorübergekommen waren, so daß ich über die ackerbautreibende Welt unterrichtet wurde. Hier war ein Feld, das in Herrn Colemans Bericht nicht erwähnt war. Übrigens: wer schätzt den Wert jener Ernte, welche die Natur auf noch weniger gepflegten, von Menschen nicht verbesserten Feldern hervorbringt? Die Ernte an englischem Heu wird sorgfältig gewogen, der Gehalt an Feuchtigkeit, Silikaten und Pottasche wird sorgfältig berechnet. Doch in allen Gruben und eingetrockneten Gräben der Wälder, Wiesen und Moore wächst gar reiche und mannigfache Frucht – Menschen ernten sie allerdings nicht. Mein Feld war sozusagen ein Bindeglied zwischen bebauten und unbebauten Feldern. Wie es zivilisierte, halbzivilisierte und wilde oder barbarische Länder gibt, so war mein Feld,, wenn auch nicht im schlimmen Sinne, ein halbzivilisiertes. Hier gab es Bohnen, die fröhlich in ihren wilden, primitiven Zustand zurückkehrten und meine Hacke spielte dazu den Kuhreigen für sie.

Ganz in meiner Nähe hochoben auf einem Birkenzweig singt eine braune Drossel oder – wie andere sie gern nennen – eine rote Sangdrossel den ganzen Morgen lang. Sie erfreut sich an meiner Gesellschaft und würde eines anderen Farmers Feld aufsuchen, wenn mein Feld nicht hier wäre. Während ich den Samen ausstreue ruft sie: »Wirf ihn – wirf ihn – deck ihn zu, deck ihn zu – reiß Unkraut aus – reiß Unkraut aus – reiß Unkraut aus!« Ich pflanzte hier jedoch keinen Mais und war vor ihrer Feindschaft sicher. Man fragt vielleicht voll Erstaunen, was ihre Salbaderei, ihre dilettantischen Paganini-Kadenzen auf eine Saite oder auf zwanzig Saiten mit meinen Pflanzen zu tun haben, und doch würde man sie der Laugenasche oder dem Gips vorziehen. Diese Sorte Dünger war billig, wurde nicht untergepflügt und besaß mein volles Vertrauen. Während ich immer wieder frische Erde an die Bohnenreihen schaufelte, wühlte ich die Asche von Völkern auf, deren Geschichte nie geschrieben war, die aber in uralten Zeiten unter diesem Himmel wohnten. Ihre kleinen Kriegs- und Jagdgeräte wurden ans Licht der neuen Zeit befördert. Sie lagen unter anderen, natürlichen Steinen; einige von ihnen zeigten Spuren, daß sie von Indianerstämmen, andere, daß sie von der Sonne gebrannt waren. Auch Scherben von Vasen und Gläsern, die von den spätern Bebauern hierher gebracht waren, kamen zum Vorschein. Wenn meine Hacke klingend gegen die Steine stieß, gaben Wald und Himmel die Musik im Echo zurück; das war die Begleitung zu meiner Arbeit, welche mir also eine unmittelbare, unvergeßliche Ernte zeitigte. Es waren keine Bohnen mehr, die ich hackte – und ich war es nicht mehr, der sie hackte. Mit ebensoviel Mitleid wie Stolz gedachte ich – wenn ich überhaupt ihrer gedachte – meiner Bekannten, die sich zur Stadt begeben hatten, um sich ein Oratorium anzuhören. Der Geißmelker kreiste an sonnigen Nachmittagen (ja! manchmal schaffte ich den ganzen Tag) zu meinen Häupten: ein Stäubchen in meinem Auge oder im Auge des Himmels. Von Zeit zu Zeit stieß er schreiend hernieder, als ob der Himmel geborsten, in einen Trümmerhaufen verwandelt sei – doch blieb die Wölbung des Doms ohne Riß! Ja, diese kleinen Teufel bevölkern die Luft, legen ihre Eier auf den Erdboden, auf den nackten Sand oder auf Felsen und auf die Gipfel der Hügel, wo sie ab und zu gefunden werden. In ihrer schlanken Anmut gleichen sie dem Wellengekräusel, das der Teich gebiert, den Blättern, die der Wind emporhebt, damit sie durch den Himmel fliegen. Solche Ähnlichkeiten finden sich in der Natur. Der Falke ist der luftgeborene Bruder der Welle, über die er hinschwebt, die er beherrscht. Seine luftgefüllten Flügel gleichen den kleinen, noch nicht flügge gewordenen Schwingen des Meeres. Bisweilen sah ich auch ein Hühnerhabichtpaar, das hoch im Himmel seine Kreise zog, bald aufwärts schwebte, bald niederstieß, bald sich voneinander entfernte, bald sich näherte, als ob es die Inkarnation meiner eigenen Gedanken sei; oder ein Zug wilder Tauben erregte meine Aufmerksamkeit, die mit Windeseile und unter leicht vibrierendem Schreien von einem Wald zum andern zogen. Dann wieder brachte meine Hacke unter einem halbvermoderten Baumstumpf eine verträumte, unglücksschwangere, seltsam gefleckte Eidechse zum Vorschein: ein Erinnerungsbild an Ägypten und den Nil und doch unser Zeitgenosse. Wenn ich auf meine Hacke gestützt mich erholte, hörte und sah ich solche Klänge und Dinge überall in meinen Bohnenreihen, einen Teil jener unerschöpflichen Unterhaltung, die das Land uns gewährt.

An Festtagen feuert das Städtchen seine großen Geschütze ab, deren Donner der Wald wie Knallbüchsenschüsse wiederhallt, und ab und zu treffen sogar einige verlorene Klänge kriegerischer Musik mein Ohr. Hier in meinem Bohnenfeld, an der entgegengesetzten Seite des Stadtbezirkes erklang der Kanonenschuß wie das Platzen eines Bofistes. Und wenn eine militärische »Felddienstübung« stattfand, von der ich nichts wußte, dann hatte ich oft den ganzen Tag lang ein unbestimmtes Kribbeln in den Gliedern, das Gefühl, als ob eine Gefahr am Horizont laure, als ob dort bald etwas zum Ausbruch kommen würde – Scharlachfieber oder Rachenbräune – bis mir schließlich ein günstigerer Luftzug, der über die Felder und die Waylandstraße flog, von den übenden »Soldaten« Kunde brachte. Das ferne Summen erweckte den Gedanken, daß Bienen schwärmten und daß die Nachbarn, Vergils Rat befolgend, durch ein leises tintinnabulum auf ihrem helltönenden Hausgerät die Bienen wieder in den Stock zu locken versuchten. Wenn der Klang erstarb, wenn das Summen verstummte, und wenn auch der günstigste Windzug nichts mehr erzählte, dann wußte ich, daß auch die letzte Drohne im Middlesexkorb wohl geborgen war, und daß ihr Herz nach Honig lechzte, mit dem der Korb bestrichen war.

Ich fühlte mit Stolz, daß die Freiheiten von Massachusetts und von unserem Vaterland treu gehütet wurden. Wenn ich dann wieder zu hacken begann, war ich von unaussprechlichem Vertrauen erfüllt und mit Seelenruhe setzte ich fröhlich meine Arbeit fort.

Spielten mehrere Musikkapellen, dann klang es, als ob das ganze Dorf ein großer Blasebalg sei, und alle Häuser unter großem Spektakel sich ausdehnten und zusammenzogen. Doch bisweilen hallte zu diesen Wäldern ein herrlicher und begeisternder Akkord herüber – Trompetenklang, der vom Ruhme sang. Dann hätte ich am liebsten einen Mexikaner an der Kehle gepackt – denn warum wollen wir uns immer mit Lappalien abgeben? – und sah nach einem Murmeltier oder einem Skunk aus, um meinen Heldenmut zu kühlen. Diese kriegerischen Klänge schienen so weit entfernt zu sein wie Palestina, und wenn am fernen Horizont die Ulmenwipfel über der Stadt zu gleicher Zeit leicht zitternd ihre Zweige wiegten, wurde ich an einen Zug der Kreuzfahrer erinnert. Das war einer der »großen« Tage! Mir kam das allerdings nicht zum Bewußtsein: bot doch von meiner Waldlichtung aus der Himmel heute denselben, ewigen, gewaltigen Anblick wie alle Tage.

Ja! Um eine außergewöhnliche Erfahrung wurde ich durch den innigen Verkehr mit meinen Bohnen bereichert: durch das Pflanzen und Hacken, Ernten, Dreschen, Auslesen und auch durch das Verkaufen – das bot nebenbei die größte Schwierigkeit – und ich darf hinzufügen auch durch das Essen, denn ich habe sie gekostet. Ich war nun einmal fest entschlossen, Bohnen kennen zu lernen. Während sie wuchsen, hackte ich sie von morgens früh um fünf Uhr bis zum Mittag, um dann meistens den Rest des Tages anderen Obliegenheiten zu widmen. Man denke, welch genaue und interessante Bekanntschaft ich mit den verschiedenen Unkrautsorten machte – man wird mir schon verzeihen, wenn ich mich wiederhole, denn die Wiederholung in der Arbeit war noch viel ärger –, wenn ich ihr holdes Dasein unbarmherzig vernichtete, wenn ich gehässige Unterschiede mit meiner Hacke machte, ganze Reihen der einen Art zu Boden schlug und sorgsam die andere Art pflegte. Das ist römischer Wermut – dort Schweinekraut – dort Sauerklee – dort Dünengras . . . Fertig zum Angriff! Nieder damit! Die Wurzeln der Sonne zugekehrt! Nicht ein Fäserchen soll im Schatten liegen, sonst wächst so'n Zeug auf d'r anderen Seite und is in zwei Tagen so grün wie Lauch . . . Das war ein langer Krieg, nicht mit Kaninchen, aber mit Unkräutern, mit jenen Trojanern, welche Sonne, Regen und Tau auf ihrer Seite hatten. Täglich sahen meine Bohnen, wie ich mit der Hacke bewaffnet ihnen zu Hilfe kam, um die Reihen der Feinde zu lichten. Und die Laufgräben wurden gefüllt mit Unkrautleichen. Manch stämmiger, mit flatterndem Helmbusch geschmückter Sektor, der seine ihn umdrängenden Kameraden um einen ganzen Fuß überragte, fiel unter meinen Streichen und wälzte sich im Staub.

Die Sommertage, welche manche meiner Zeitgenossen den schönen Künsten in Rom oder Boston, andere der inneren Beschaulichkeit in Indien und wieder andere dem Handel in London oder New York widmeten, weihte ich zugleich mit anderen Farmern Neuenglands der Landwirtschaft. Nicht als ob ich Bohnen zum Essen gebraucht hätte, denn ich bin von Natur aus ein Pythagoräer, Als Kern der theoretischen Lehre des Pythagoras gilt der Satz, daß das Wesen der Dinge Zahlen seien., wenigstens soweit wie die Bohnen in Frage kommen, einerlei ob sie zur Bohnensuppe oder zum Wahlakt verwendet werden. Darum vertauschte ich sie gegen Reis; nein, ich tats vielleicht nur deshalb, weil einige Leute auf den Feldern arbeiten müssen, um jene Inspiration, jene Worte zu finden, die einst einem Parabeldichter von Nutzen sein können. Alles in allem war es eine unvergleichlich erfreuende Beschäftigung, die, hätte ich sie allzu lang fortgesetzt, vielleicht in Liederlichkeit ausgeartet wäre. Obgleich ich die Bohnen nicht düngte und nicht alle zu gleicher Zeit hackte, so hackte ich doch Reihe für Reihe mit größter Sorgfalt und wurde schließlich reich belohnt. »Denn kein Mist oder Kunstdünger,« so sagte Evely, »läßt sich mit dieser beständigen Durcharbeitung und Auffrischung, mit dem Umgraben der Erde durch die Schaufel vergleichen.« »Die Erde,« so fügt er an anderer Stelle hinzu, »hauptsächlich die jungfräuliche Erde besitzt einen gewissen Magnetismus, durch welchen sie Salz, Stärke oder Kraft (man mag es nennen, wie man will), kurz das, was ihr Leben verleiht, anzieht; und die Logik aller Mühe und Plage, die wir ihr widmen, wurzelt im Erhaltungstrieb. Mist und andere grobe Verbindungen sind nur Notbehelfe zweiten Ranges für diese beste Methode«. Mein Feld war überdies »eines jener abgenutzten und verbrauchten Brachfelder, welche ihren Sabbat genießen«, und hatte vielleicht, wie Sir Kenelm Digby Sir Kenelm Digby, englischer Archäologe, 1800–1880. In bezug auf sein Buch » The Broad Stone of Honor« sagte Julius Hare: Wenn ich einen Sohn hätte, würde ich dieses Buch in seine Hände legen und ihm sagen: Liebe es am meisten nach der Bibel. annimmt, seine »Lebenskraft« der Luft entnommen. Ich erntete zwölf Scheffel Bohnen.

Man hat sich darüber beklagt, daß Mr. Coleman in der Hauptsache nur über die teueren Versuche der Herren Großgrundbesitzer berichtet. Ich will deshalb etwas ausführlicher sein. Meine Ausgaben betrugen:

Eine Hacke 0,54 Doll.
Pflügen, Eggen, Furchen 7,50 " (zu viel!)
Bohnen zum Pflanzen 3,12½ "
Kartoffeln 1,33 "
Erbsen 0,40 "
Rübsamen 0,06 "
Weiße Schnur zum Schutz gegen Krähen 0,02 "
Pferd zum Pflügen und Knecht für 3 Stunden 1,00 "
Pferd und Wagen für die Ernte 0,75 "
  ______  
Summa: 14,72½ Doll.

Meine Einnahmen betrugen (patrem kamillas vendacem, non emacem esse oportet):

Verkauft: neun Scheffel und zwölf Viertel Bohnen 16,94 Doll.
Fünf Scheffel große Kartoffeln 2,50 "
Neun Scheffel kleine Kartoffeln 2,25 "
Gras 1,00 "
Stengel 0,75 "
_____  
Summa: 23,44 Doll.

Also Nettoverdienst: 8,71½ Dollar, wie ich schon an anderer Stelle erwähnte.

Ich fasse die Erfahrungen, die ich beim Bohnenpflanzen machte, kurz zusammen: Pflanze ungefähr am ersten Juni die weiße Buschbohne in Reihen, die etwa drei Fuß achtzehn Zoll von einander entfernt sind. Wähle sorgfältig frische, runde, unvermischte Saat aus. Gib Obacht auf Würmer und pflanze in etwaige Lücken neue Saat. Dann gib Obacht auf die Murmeltiere, denn die knabbern die ersten zarten Blätter der Reihe nach völlig ab und stellen sich pünktlich wieder ein, wenn die jungen Ranken wieder wachsen. Ranken, Knospen und junge Schoten – alles mähen sie ab, wobei sie aufrecht wie die Eichhörnchen dasitzen. Vor allen Dingen: Ernte so früh wie möglich, wenn Du Nachtfröste vermeiden und eine gute verkäufliche Qualität erzielen willst. Auf diese Weise kannst Du Dich vor großem Verlust schützen.

Ferner machte ich folgende Erfahrung. Ich sagte zu mir selbst: Im nächsten Sommer will ich nicht mit solch emsigem Fleiß Mais und Bohnen, sondern solche Saat als Aufrichtigkeit, Wahrheit, Einfachheit, Vertrauen, Unschuld usw. pflanzen – vorausgesetzt, daß ich die Aussaat noch besitze. Dann will ich sehen, ob sie nicht im Boden Wurzel schlägt, selbst wenn ich weniger Mühe und Pflege darauf verwende, ob sie mich nicht erhalten wird, denn, wahrlich, für solche Früchte ist der Boden noch nicht erschöpft. Ach ja! Wohl sprach ich also zu mir, aber jetzt ist ein zweiter Sommer dahin, ein dritter gar und ein vierter und ich muß Dir gestehen, Leser, daß der Samen – wenn es wirklich der Samen dieser Tugenden war, den ich ausstreute – wurmstichig oder ohne Lebenskraft war, und deshalb nicht zu keimen begann. Meistens sind die Menschen so tapfer oder so feige wie ihre Väter. Als ob es ein Fatum wäre, wird diese Generation höchstwahrscheinlich in jedem neuen Jahr Mais und Bohnen pflanzen, also das tun, was vor Jahrhunderten die Indianer taten und den ersten Ansiedlern zeigten. Ich sah neulich zu meinem Erstaunen einen alten Mann, der mit seiner Hacke zum siebenzigsten Mal Löcher grub, jedoch nicht um sich selbst darin zu betten. Warum soll aber der Neuengländer nicht auf neue Abenteuer ausgehen? Warum soll er nicht weniger Nachdruck auf die Mais-, Kartoffel- und Grasernte und auf seine Obstgärten legen und andere Früchte ziehen? Warum kümmern wir uns so sehr um unsere Saatbohnen und überhaupt nicht um ein neues Menschengeschlecht? Bessere Speise wird uns zuteil, wenn wir einen Menschen gefunden haben, in welchem zweifelsohne einige der von mir erwähnten Eigenschaften Wurzel gefaßt und Früchte getragen haben, einen Menschen mit jenen Eigenschaften, die wir höher als alle anderen Erzeugnisse schätzen, die aber meistens in alle Welt verstreut sind und in der Luft schweben. Hier kommt solch eine feine, unaussprechliche Eigenschaft z. B. Wahrheit oder Gerechtigkeit, wenn auch nur in kleinster Menge oder in neuer Gewandung des Weges daher. Unsere Gesandten sollten Instruktionen bekommen, solche Saat nach Haus zu senden und der Kongreß sollte helfen, daß sie über das ganze Land gestreut wird. Mit der Aufrichtigkeit sollten wir niemals zeremoniell verkehren. Wir sollten niemals durch unsre niedrige Gesinnung einander betrügen, beleidigen und verscheuchen, solange noch ein Körnchen Güte und Freundlichkeit zu bemerken ist. Wenn wir zusammenkommen, sollen wir nicht in Eile sein. Die meisten Menschen laufen an mir vorbei – sie scheinen keine Zeit zu haben; sie haben zu viel mit ihren Bohnen zu tun. Mit dem Mann mag ich nichts zu schaffen haben, der ewig sich plackt, der, wenn er von der Arbeit ausruht, Hacke oder Schaufel als Stab und Stecken benutzt, und ausschaut, nicht wie ein Pilzlein, das nur ein wenig über den Erdboden emporsieht und doch stolz den Kopf hebt, sondern wie eine Schwalbe, die aus den Lüften sich niederließ und am Boden kriecht.

»Er spannte während seiner Worte von Zeit
»Zu Zeit weit seine Flügel aus.
»Er wollte fliegen, doch die Kraft versagte . . .«

so daß wir vermuten könnten, wir sprächen mit einem Engel. Brot ernährt uns vielleicht nicht immer, aber es tut uns immer wohl. Es nimmt die Steifheit aus unseren Gelenken, macht uns geschmeidig und elastisch, wenn wir nicht wußten was uns quälte, so daß wir alles Edle im Menschen und in der Natur zu erkennen, jede ungemischte und jubelnde Freude zu teilen vermögen.

Poesie und Mythologie der Alten lassen wenigstens vermuten, daß Ackerbau einst eine heilige Kunst war. Wir aber treiben ihn mit unehrerbietiger Eile und Unachtsamkeit. Wir wollen nichts als Großgrundbesitz und große Ernten. Wir haben Viehausstellungen und Danksagungstage, Nationalfeiertag in den Vereinigten Staaten, dessen Ursprung auf die Zeit zurückgeht, wo die ersten Puritaner einwanderten. Er wird in allen Kirchen durch Gottesdienst gefeiert. Das Datum wird vom Präsidenten alljährlich festgesetzt (gewöhnlich Ende November). aber keine Feste, Prozessionen und Zeremonien, durch welche der Landmann dem Gefühl der Heiligkeit seines Berufes Ausdruck verleiht oder an dessen heiligen Ursprung erinnert würde. Ihn reizen die Preise des Wettbewerbs und das Festessen. Er opfert nicht der Ceres und dem irdischen Jupiter, sondern dem höllischen Pluto. Durch Geiz und Egoismus und durch jene gemeine Gewohnheit: den Boden als Besitz oder vielmehr als Mittel zum Erwerb von Besitz zu betrachten – von dieser Schwäche ist übrigens niemand von uns frei – wird die Landschaft entstellt, die Landwirtschaft mit uns selbst entehrt und der Farmer zu einem wahren Jammerleben gezwungen. Er glaubt, die Natur sei nur seiner Räubergelüste wegen da.

Cato sagt, daß der durch Landwirtschaft erzielte Gewinn der unbefleckteste oder gerechteste sei ( maximeque pius quaestus), und nach Varro nannten die alten Römer »die Erde sowohl Mutter wie Ceres; auch glaubten sie, daß diejenigen, welche sie bebauten, ein frommes und nutzbringendes Leben führten und die einzigen überlebenden Nachkommen des Königs Saturn seien.«

Wir pflegen zu vergessen, daß die Sonne ohne Unterschied auf unsere bebauten Felder, auf Prärien und auf Wälder scheint. Alles absorbiert und reflektiert ihre Strahlen in gleicher Weise und die Felder sind nur ein Teil jenes herrlichen Bildes, das sie alltäglich auf ihrer Bahn erblickt. Für sie ist die Erde ein einziger wohlgepflegter Garten. Darum sollen wir die Wohltat ihres Lichtes und ihrer Wärme mit Vertrauen und Hochherzigkeit entgegennehmen. Was will es denn heißen, wenn ich diese Saatbohnen und ihren Ertrag im Herbste zu beurteilen vermag? Dieses große Feld, das ich so lange sorgsam betrachtete, betrachtet mich nicht als seinen Hauptpfleger, es blickt von mir fort nach Einflüssen, die ihm verwandter sind, die es wässern und grünen machen. Diese Bohnen werden nicht völlig von mir geerntet. Wachsen sie nicht zum Teil auch für die Murmeltiere? Die Weizenähre (lateinisch: spica, veraltet: spece, von spes = Hoffnung) sollte nicht des Farmers einzige Hoffnung sein. Ihr Korn oder Gran ( granum von gerendo = tragend) ist's nicht allein was sie trägt. Wie kann da eine Mißernte eintreten? Soll ich mich nicht auch über den Überfluß an Unkraut freuen, dessen Samen die Kornkammer der Vögel ist? Es ist verhältnismäßig gleichgiltig, ob die Felder des Farmers Scheunen füllen. Der echte Landmann wird sich nicht sorgen und sich, wie die Eichhörnchen, nicht darum kümmern, ob die Wälder in diesem Jahre Kastanien tragen werden oder nicht. Er wird getreulich Tag für Tag seine Arbeit verrichten, aller Ansprüche auf den Ertrag seiner Felder sich entschlagen, und nicht nur die ersten, sondern auch die letzten Früchte frohen Herzens opfern.


 << zurück weiter >>