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Schneehendlpfeifen

»Jetzt zünd'n mir uns z'erscht a Pfeif o, Ludwig; nacha will i dir verzählen, wie mir amal ins Schneehendlpfeifen ganga san.« Der Jagdgehilfe Glasl schob mir seinen Tabakbeutel herüber, und ich nahm eine Handvoll von dem k. k. Rollenknaster.

»Der Knaster is guat,« sagte er, »dei Vata hat koan andern net g'raucht, und der hat g'wiß was verstanden.«

Der Glasl war nämlich vor bald vierzig Jahren unter meinem Vater als Jagdgehilfe in der Vorder-Riß angestellt worden.

Zuerst hat er seine Anerkennung erworben durch Schneidigkeit und Treue; nach und nach ist er dem wortkargen Oberförster ein Freund geworden und ist es geblieben, bis eines Tages der Herr Max Thoma in dem sieben Schuh langen Sarge auf den Friedhof getragen wurde.

Oder damit ich es recht sage, er ist ihm über den Tod hinaus anhänglich geblieben und weiß noch heute kein besseres Lob für eine Sache, als daß er ihr nachrühmt, sie hätte vermutlich dem alten Oberförster Thoma gefallen.

»Brennt's?« fragte der Glasl.

»Es brennt scho,« sagte ich.

»Nacha paß auf! Dös is g'wesen selbigsmal, wie dei Muatta de kloa Luisel auf d' Welt bracht hat, anno 69 glaab i.

Also, da hamm d' Lumpen an Bartel derschossen g'habt, vielleicht a halb's Jahr davor. Dös war a braver Mensch und a Jager von der ersten Klass'.

Den hamm a paar Jachenauer derschossen, wia 'r a auf 'n Vorderkopf außi ganga is. Aus de Latschen raus und net weiter wia fünf Schritt. Der Bartel hat an G'wehrlauf g'sehg'n und schreit no: ›Net schiaßen!‹

Derweil hat's scho kracht und der Bartel hat de ganz Schrotladung droben g'habt. Es hat 'n im Schnall 'neig'haut, und an Xaver, der dabei g'wen is, han d' Latschennadeln ins G'sicht g'spritzt, daß er im erschten Augenblick nix g'sehg'n hat. Wia 'r a si g'reicht hat, san d' Lumpen scho auf und davo g'wen, und kennt hat er koan.

No, dei Vater hat an Verdruß g'habt, wia 's an Bartel daherbracht hamm, maustot. Den saubern Burschen, den a jeder Mensch gern g'habt hat.

Bei der Untersuchung hat ma g'sehg'n, wia nah daß der Schuß g'wen is, weil's Hemd vorn o'brennt war vom Papierpfropfen.

Mir hamm an Bartel in der Hinter-Riß ei'graben, und der Pater Benno hat in der Leichenred' g'sagt, daß da Himmi den Mörder strafen werd'.

Mir hamm uns auf dös net verlassen und hamm uns denkt, a bisserl wern mir selber mit de Jachenauer z'sammrucken.

I hab' zum Heiß g'sagt, eh'nder freut mi koa Essen und Trinken nimma, bis i net oan von de Tropfen hi'g'legt hab'.

De Jachenauer hamm dös wohl g'spannt, daß de G'schicht nimma sauber is; ma hat nix mehr g'hört und nix mehr g'spürt, daß oana ins Revier rei' waar.

Und lang hat si nix g'rührt.

Nacha am Matheistag, i woaß no wia heut, denk' i mir, an abg'schaffter Feiertag is, wo d' Bauern nix arbet'n; da darf ma zwoamal guat Obacht geb'n; und 's Wetta is aa so warm g'wen, daß i mit 'n Heiß ausg'macht hab', mir gengan an Berg außi und probieren's mit 'n Schneehendlpfeifen. An Heiß is glei recht g'wen und mir san in aller Fruah weg.

's Marschieren is müahsam g'wen; der Schnee war no hoch und hat nimma recht tragen, weil da Südwind a paar Tag ganga is. Bei jeden Schritt bist einig'fallen samt de Schneereif und hast an Arbet g'habt, bis ma 'r an Haxen wieder außa bracht hat.

Um an achti bin i am Platz g'wen. Der Heiß is weiter drunt' blieben; i hab' mi auf da Schneid o'g'setzt und hab' schö' staad umanand g'schaugt.

Ma siecht von den Platz aus in d' Jachenau abi und da is ma wieder der Bartel ei'g'fallen.

Mir san Spezl g'wen vo lang her und i hab' eahm de Stell' bei dein Vater zuabracht. Er hat mir koa Schand' nit g'macht de drei Jahr, wo er da g'wen is. Allawei fleißi im Deanst und nüachtern. In da dritten Woch' hat er scho a paar Tiroler abg'fangt und hat s' vom Berg oba transportiert. A Scharnitzer is dabei g'wen, a Mordskerl, a großer. Der hat si unter 'n Weg amal stellen wollen und waar nimma weiter ganga. Aber der Bartel hat' 'n scho gangig g'macht; er hat 'n glei niederg'schlag'n, daß er d' Haxen in d' Höh g'reckt hat; nacha is der Tiroler wieder ganz handsam und fromm wor'n.

Dös is überhaupt das Bescht', Ludwig. No net lang umschaug'n mit de Lumpen!

Und da Bartel is so oaner g'wen. G'redt ganz weni, aba scharf, wenn's drauf o'kemma is.

Mit de Jachenauer hat 'r aa öfter was z'toa g'habt und desweg'n hamm s' 'n aa derschossen.

No, dös is mir all's a so ei'g'fallen, wia 'r i auf dem Platz g'hockt bi.

Z'letzt hon i mir denkt, jetzt muaß i 's do amal probier'n mit'n Schneehendlpfeifen.

G'rad wia 'r i o'fanga will, siech i was unter meiner; a paar kloane Feichten rühren si und der Schnee fallt oba.

I schaug scharf abi, und richti, glei drauf kimmt a Kerl aus 'n Dicket mit an – g'schwärzten G'sicht.

So, denk i mir, Manndei, da schau her! Du kimmst ma jetzt g'rad recht.

I rühr' mi net und wart', was der Lump eppa tuat. Er bleibt steh' und luxt umanand; nacha steigt a wieder gegen mi aufa und bleibt wieder steh' und stroaft an Schnee von sein G'wehrlauf oba.

I hab' glei g'moant, i müßt 'n kenna nach da Figur. A großer Kamerad mit eckete Schultern, und Pratzen so groß, daß ma 'r an halbeten Tisch hätt' zuadecken könna damit. Wenn dös net da Sagschneider Blasi is, denk i mir, nacha bin i net da Glasl. Und der sell Blasi is an ausg'machter Lump g'wen. Tag und Nacht im Revier, und glei firti mit 'n Schiaßen.

Daß der mit dabei g'wen is, wia s' an Bartel durchto hamm, des sell hon i nia anderst glaabt.

Wenn i an Kugellauf dabei g'habt hätt', nacha hätt' i glei abi g'schossen drauf. Aba 'r a so hon i warten müassen, und hab' mi ganz Staad g'hebt. Er steigt allawei höcher, und jetzt hon i schon kennt, wo er hi will. Hinter meiner is a guata Wechsel g'wen. Da hätt' er si vielleicht o'setzen mög'n, und weil er allawei umg'schaugt hat, san g'wiß no a paar dabei g'wen; de hätt'n eahm trieben.

Er kimmt allawei nächer – warum rauchst denn nit, Ludwig?«

»Mir is d' Pfeif ausganga.«

»Ja, da muaßt öfter o'zünden, der Knaster löscht gern aus, aba sinscht is er guat. Brennt's?«

»Brennt scho,« sagte ich.

»Also der Lump kimmt allawei nächer, und i hab'n schnaufen g'hört. Er hat si aa plag'n müassen. Auf dreiß'g Schritt hab' i'n herlassen; nacha fahr i auf und pumms! Schiaß i eahm mitten ins G'friß.

Den hat 's umg'legt. Er fallt streckterlängs in Schnee eini und rührt si net.

Manndei, denk' i mir, jetzt woaßt aa, wia 's is. I bin aber net von mein Platz weg, weil i g'moant hab', es kunnt no oaner nachkemma.

Es dauert net lang, pfeift der Heiß. I gib eahm staad o, und er pürscht si zuawa.

›Host a Hendl?‹ fragt er.

›Ja,‹ sag i.

›Wo is denn?‹

›Da drunt flackt 's,‹ sag' i, und er schaugt abi und siecht den Lumpen. Da pfeift er durch die Zähn' und lacht.

›So,‹ sagt er, ›aba 'r a bissei groß is.‹

›Jetzt bleib do, Heiß,‹ sag' i, ›i glaab allawei, der is net alloa g'wen. Sei no grad staad!‹

I lad' mein Schrotlauf wieder, und der Heiß setzt si neben meiner.

Auf oamal hör'n ma huppen, net laut. Aba du woaßt ja, Ludwig, wenn da Schnee liegt, hörst no mal so guat.

I gib an Heiß mit'n Ellabog'n an Renner, und er blinzelt mi o.

›Hu-upp,‹ tuat's wieder. Oamal links weiter drunt, nacha weiter heroben rechts.

Jetzt siech i zwoa, drei, vier Kerl aus 'n Dicket kemma.

›Vieri,‹ sagt der Heiß ganz staad, ›Herrgottsakrament, wenn ma no gröbere Schrot dabei hätt'n, oder gar a Kugel!‹

›Laß da Zeit,‹ sag' i, ›wenn s' den andern flacken sehg'n, gengan s' vielleicht zuawi.‹

So is a g'wen.

Oana von de vieri bleibt auf oamal steh und schaugt.

›Pst!‹ macht a.

De andern halten, und er deut' aufi, zu dem Platz, wo der g'leg'n is.

Aber so schlau san s' do g'wen, daß s' net schnurg'rad drauf zua san. Sie verteilen si, und ziag'n si wieder ins Dicket z'ruck, und kemman in an Halbbogen aufa.

›Jetzt,‹ sag' i, ›Heiß, schaug du links umi, i nimm de, wo rechts kemman. Schiaß net z'bald; von de Lumpen hat g'wiß oana 'r an Kugellauf dabei. Mir müassen schaug'n, daß ma zwoa hi'legen. Nacha is d' Rechnung gleichauf.«.

Es dauert a halbe Stund. Hie und da hör' i an Astl, aber g'sehg'n hat man nix. Jetzt san s' heroben.

Von oan siech i d' Haxen; er schiebt de Äst auf d' Seiten und halt an Grind außa und horcht. Der Heiß und i, mir rühren uns net. Zum Schiaßen is no z'weit g'wen.

Wia der Lump nix hört, kimmt er ganz außa und geht auf den andern hi, der im Schnee flackt.

I ziag ganz staad auf. Dawei schnallt's beim Heiß und oana schreit.

Jetzt hat's pressiert.

Z'sammschaug'n und schiaßen is bei mir oans g'wen, und den mein' hat's g'rissen.

Von de andern zwoa hamm ma nix mehr g'sehg'n; aber g'rumpelt hat's links und rechts; de san schnell abi über 'n Berg.

›Drei hamm ma,‹ sagt der Heiß.

Und richtig ist der im Schnee g'hockt, den wo er aufi g'schossen hat.

›Jetzt mach'n ma, daß ma weiter kemma,‹ sag i, ›mir lassen uns net sehg'n, und de andren hol'n eahnere Kameraden scho.‹

Mir san z'ruckpürscht und abi; dös is g'schwind ganga, Ludwig.

Wia ma drunt g'wen san, sag' i zum Heiß: ›Jetzt mach'n ma 'r an Umweg und gengan über d' Isar und kemman von der anderen Seit'n hoam. Da woaß nacha koa Mensch nix, daß mir zwoa da herob'n g'wen san.‹

Dös hamm mir aa to. Mi san no zwoa Stund umganga und san auf den Weg, der von da Hinter-Riß eina führt. Wia ma auf der Straßen san, kimmt hinter uns a Schlitten daher.

Der Pater Benno is droben g'sessen und no a Kapuziner.

›Heiß,‹ sag i, ›jetzt feit si nix mehr.‹

Wia da Schlitten bei uns is, grüaß'n mir, und i fang glei an Dischkurs o mit 'n Pater Benno.

Grüaß Gott und wohi, was ma so sagt.

›Waren Sie schon auf der Jagd?‹ fragt der Pater.

›Ja,‹ sag' i, ›mir kemman g'rad von Scharfreiter.‹

›Das seh' ich,‹ sagt er, und ›ein warmer Tag heute,‹ sagt er.

›Is besser aa, sag' i, Matheis bricht's Eis, hat er koans, na macht er oans.‹

›Ja, ja,‹ sagt er, und ›adieu!‹

Und nacha draht er si no mal um und fragt: ›Von den Mördern des Bartel hat man noch immer keine Spur?‹

›Na,‹ sag i, ›jetzt wer'n ma 'r a kaam mehr was raus kriag'n. Es is scho z'lang her.‹

›Dem Strafgericht Gottes entrinnen sie nicht,‹ sagt er.

›Hoffentli,‹ sag i, und hab' ma was denkt.

Der Gaul ziagt o, und weg san s'.

›Heiß,‹ hab' i g'sagt, ›jetzt hamm ma glei gar an geischtlichen Zeug'n, daß mir auf der anderen Seiten war'n.‹

Es is aba nix raus kemma, und mir hamm an Herrn Pater Benno z'letzt gar nimma braucht.«

»Und was is mit die Jachenauer worn?« fragte ich.

»De? No, der Bader hat viel Arbet g'habt und der Dokta vo Mittenwald aa.

G'storben is koana; net amal der Sagschneider Blasi; aba der hat 's G'hör verloren. So viel hamm eahm de Schröt do g'macht. Und koan Jagdg'hilfen hat der nimma derschossen. Von de andern zwoa is später oana selber Jagdg'hilf wor'n und is elend z'grund ganga, auf da Benediktenwand. Ma hat'n g'funden unter an Haufen Stoana; in der Brust hat er an Schuß g'habt, aber net so schwaar, daß er glei tot g'wen is. Da san d'Lumpen herganga und hamm an mit Felsbrocken zuadeckt, daß er langsam krepiert is.«

»Ah, Herrgottsakrament!«

»Ja, Ludwig, dös is a scharfe Zeit g'wen in de sechz'ger Jahre. Da san im Isarwinkel hint' viel Leut in da G'schwindigkeit umi g'roast, ohne Reu' und Leid.«


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