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Vom Hofe flüchtig saß die Königin
Ginevra weinend in dem heil'gen Haus
Zu Almesbury; bei ihr ein Mägdlein nur,
Die noch Novize war, und fast noch Kind.
Und zwischen ihnen brannt' ein ärmlich Licht,
Vom Nebel, der hereindrang, trüb umflort;
Denn draußen war vom Vollmond nichts zu sehn,
Und gleich dem Schleier, der ein Antlitz hüllt,
So schmiegte fest sich an die todte Flur
Der weiße Nebel, und das Land war stumm.
Dorthin war sie geflohn; es war das Werk
Herrn Modred's, der, des Königs Schwestersohn
Und nächster Blutsfreund, mit des Tigers List
Den Thron im Aug', und immer sprungbereit,
Nur die Gelegenheit erlauernd, lag.
Drum schmälert' er im Volk des Königs Lob,
Mit stummem Lächeln, leisem Lästerwort,
Verstand sich mit den Lords vom »Weißen Roß«,
Den Heiden, Hengist's Brut, und ließ nicht ab,
Des Königs Tafelrunde zu entzwei'n,
Um ihren Zwist für sein verräthrisch Ziel
Zu nutzen; und ein Sporn auf dieser Bahn
War ihm sein grimmer Haß auf Lancelot.
Denn eines Morgens als der ganze Hof,
In Grün gekleidet, doch mit Federn, die
Den Mai beschämten, nach gewohntem Brauch
Vom Frühlingsfest des Blumenpflückens kam,
Erklomm Herr Modred, noch in grüner Tracht,
Der Gartenmauer Rand, ganz Aug' und Ohr,
Um nach geheimem Aergerniß zu spähn;
Und sah die Königin sitzen zwischen Enid,
Dem besten, und der Schlange Viviana,
Dem listigsten und schlimmsten Weib am Hof.
Mehr sah er nicht; denn Lancelot kam des Wegs,
Entdeckt' ihn dort, und wie des Gärtners Hand
Vom Kohlbeet eine grüne Raupe reißt,
So zog ihn bei der Ferse Lancelot
Herunter aus der Gräser blüh'ndem Wald,
Und warf ihn, einem Wurm gleich, auf den Weg,
Dann aber in dem arg bestaubten Mann
Des Königs Blut erkennend, und im Schurken
Den Prinzen ehrend, bat er ritterlich
Und ehrlich um Verzeihung, ohne Spott; –
Spott kannten Artus' Paladine nicht,
Die edeln Ritter; nur dem Buckligen
Und Lahmen ward von denen, welche Gott
Starkgliedrig schuf und schlank, der Spott erlaubt,
Als Erbtheil des Gebrechens; – und ihm ward
Vom König und der ganzen Tafel sanft
Erwidert. Also half Herr Lancelot
Dem Prinzen auf, der zwei bis dreimal rasch
Die Knie sich klopfend dann mit Lächeln ging.
Doch fraß fortan die kleine Züchtigung
Am Herzen ihm, und gönnt' ihm keine Ruh',
Wie wenn ein scharfer Wind den ganzen Tag
Den kleinen salz'gen Pfuhl um einen Stein
Am kahlen Strande peitscht.
Erst lachte zwar,
Als Lancelot ihr erzählte, was geschehn,
Die Königin; denn Modred's staub'ger Fall
Erschien ihr lustig; doch dann graust' es ihr,
Der Bäurin gleich, die ruft: »mich überläuft's;
Es trat so eben Einer auf mein Grab.«
Dann wieder lachte sie, doch nicht so hell;
Denn in der That, ihr ahnte damals schon,
Daß dieser list'ge Tiger ihrer Schuld
Nachspüren werde, bis er sie entlarvt,
Und daß ihr Name dann auf immerdar
Der Schmach verfalle. Selten wagte sie
Hinfort im Saal, noch wo sie sonst ihn traf,
Zu trotzen Modred's schmalem Fuchsgesicht;
Unheimlich war sein Heuchlerlächeln ihr,
Und seines grauen Auges Späherblick.
Und selbst die Macht, die für die Seelen sorgt,
Die Helferin in Tod und Ewigkeit,
Der Menschen Trost im Sterben, ward ihr jetzt
Zur Pein und Qual. Oft zogen stundenlang
Gestalten ihr vorüber, grausige,
In stiller Nacht, wenn ruhig neben ihr
Der König schlief, und eine Geisterfurcht
Erhielt sie wach, gleich dem unheimlichen
Geräusch von knarr'nden Thüren, das den Schlaf
In einem Hause scheucht, in dem es spukt,
Und Rost des Mordes an den Wänden klebt. –
Und schlief sie ein, so war voll Angst ihr Traum:
Auf weiter Ebne meinte sie zu stehn;
Die Sonne sank, und aus der Sonne kam
Ein furchtbar Wesen auf sie zugeschwebt,
Und düster zog sein Schatten vor ihm her,
Bis er sie traf. Sie wandte sich zur Flucht,
Doch sieh: ihr eigner Schatten dehnte sich
Vor ihren Füßen, und verschlang in Nacht
Das ganze Land, und Städte brannten fern:
Mit einem Angstschrei ward sie wach. Es nahm
Die Qual kein Ende, sondern wuchs, bis selbst
Der milde Blick des Königs ohne Arg,
Sein freundlich Wesen, so vertrauensvoll
In Allem, was sein häuslich Glück betraf,
Zu Gift ihr wurde, und sie endlich sprach:
»O Lancelot, scheide! geh in's eigne Land!
Wir sehn und sehn uns wieder, wenn du bleibst;
Doch kann ein böser Zufall jedesmal
Das Aergerniß, das jetzt schon glimmt und raucht,
Zur hellen Gluth entfachen, Angesichts
Des Volkes und des Königs unsres Herrn.«
Und stets versprach es Lancelot, doch er blieb;
Und heimlich trafen sie sich fort und fort.
Da sagte sie noch einmal: »Lancelot,
Wenn du mich liebst, so reiß' dich los von hier.«
Und nun ward ausgemacht, in einer Nacht,
In der der gute König nicht daheim,
Sich noch zu treffen, und auf ewig dann
Zu scheiden. Und es kam die Abschiedsnacht;
Und schmerzensbleich begrüßte sich das Paar,
Und saß dann Aug' in Auge, Hand in Hand,
Auf ihres Lagers Rand, mit starrem Blick
Und stammelnd; ihre letzte Stunde war's,
Ein Abschiedstaumel. Modred hatt' indeß
Die Spießgesellen in das Erdgeschoß
Des Thurms gebracht; sie sollten Zeugen sein;
Und brüllte laut: »nun bist du doch ertappt;
Heraus, Verräther!« – Auf fuhr Lancelot,
Und stürmt' hinaus, und sprang, dem Löwen gleich
Auf Modred ein, und warf ihn wuchtig hin;
Sein Kopf schlug auf; betäubt lag Modred da;
Doch schnell zur Hand war seiner Helfer Troß,
Und trug ihn fort, und Alles wurde still. –
Da sagte sie: »nun ist das Ende da;
Ich bin entehrt auf ewig.« – Und er sprach:
»Mein sei die Schmach; mein war die Schuld; doch auf
Zur Flucht nach meinem festen Schloß am See;
Dort berg' ich dich, so lang ich Leben hab';
Dort gegen eine Welt behaupt' ich dich
Mit meinem Leben.« – Sie drauf: »Lancelot,
Denkst du mich so zu halten? Nein, mein Freund,
Wir nahmen Abschied. Aber wollte Gott,
Daß du mich bergen könntest vor mir selbst!
Mein ist die Schmach; denn ich war Gattin; du
Warst nie vermählt. Doch auf jetzt, laß uns fliehn;
Zur Freistatt will ich, meines Urtheils dort
Zu harr'n.« Nun holte Lancelot ihr Pferd,
Hob sie hinauf, und stieg dann selbst zu Roß;
Selbander ritten sie zum Scheideweg,
Und küßten sich, und schieden thränenvoll.
Denn er, der liebend den geringsten Wunsch
Der Herrin ehrte, ritt in's eigne Land;
Sie floh gen Almesbury durch Nacht und Wind;
In bleichem Schein lag Wald und Wildniß da;
Und wie sie floh, war ihr's, als riefe Weh
Die Geisterwelt des Waldes und der Flur;
Wie banges Stöhnen klang es ihr in's Ohr;
Und stöhnend sprach sie nach: »zu spät, zu spät!«
Und als, ein Punkt am Himmel über ihr,
Im kalten Wind, der vor dem Morgen herweht,
Ein Rabe krächzend hoch und höher flog,
»Nach einer Wahlstatt späht er,« dachte sie,
»Denn jetzt beginnt des Nordmeers Heidenvolk,
Gelockt durch Schuld und Eitelkeit am Hof,
Zu morden und zu plündern Volk und Land.«
Und als sie kam nach Almesbury, beschwor
Sie dort die Nonnen: »meine Feinde sind
Auf meiner Spur; doch, milde Schwesterschaft,
Nehmt Ihr mich auf, und gönnet Freistatt mir,
Und fragt nach Eures Schützlings Namen nicht,
Bevor es Zeit für sie zum Reden ist.«
Und ihre Schönheit, Anmuth, Majestät,
Sie wirkten auf die Nonnen zaubergleich,
Daß sie nicht fragten.
Manche Woche nun
Blieb ungekannt die stolze Königin
Im Kloster. Ihren Namen sagte sie
Den Nonnen nicht; sie mied sie; saß gehüllt
In ihren Gram, und frug nach Beichte nicht
Noch Abendmahl; mit jenem Mägdlein nur
Verkehrend, die mit sorglos plaudernder
Natürlichkeit ihr wohlthat, und sie oft
Sich selbst entrückte. Doch heut' Abend ging
Ein sich unheimlich steigerndes Gerücht,
Daß Modred mit den Heiden einen Bund
Geschlossen, und des Reichs sich angemaßt,
Indeß der König gegen Lancelot
In's Feld gezogen. Traurig dachte sie:
»Mit welchem Haß der König und das Volk
Mich hassen müssen!« und verbarg ihr Haupt
In beide Hände. Doch das Mägdlein hielt
Kein Schweigen aus, und meinte: »spät, so spät!
Soll mich doch wundern, welche Zeit es ist.«
Und als es still blieb, da begann das Kind
Ein von den Nonnen ihr gelehrtes Lied
Zu summen, drin es hieß: »so spät, so spät.« –
Bei diesen Tönen sah die Königin
Empor und sprach: »Kind, wenn du wirklich Lust
Zum Singen hast, sing' und erleichtre mir
Mein starres Herz, damit ich weinen kann.«
Und gern und willig sang die kleine Maid:
»Spät, spät, so spät, und schwarz und kalt die Nacht.
Spät, spät, so spät, doch wird wohl aufgemacht;
Zu spät, zu spät; man läßt Euch nicht mehr ein.
Wir bringen, ach, kein Licht, doch Reu' und Gram;
Vielleicht verzeiht uns drum der Bräutigam;
Zu spät, zu spät; Ihr dürft nicht mehr hinein.
Kein Licht, – so kalt, – die Finsterniß so dicht!
O laßt uns ein; wir finden drinnen Licht;
Zu spät, zu spät; Ihr dürft nicht mehr hinein.
Der Bräut'gam ist so mild; wir hoffen drauf;
Daß wir den Fuß ihm küssen, macht uns auf;
Zu spät, zu spät! Ihr dürft nicht mehr hinein.«
So sang die Maid, die Königin aber saß
Gestützten Haupts, und weinte bitterlich;
Denn aus dem Liede klang es auch: »zu spät,«
Das Wort, das sie gedacht auf ihrer Flucht;
Doch plaudernd sprach die kleine Maid ihr zu:
»O bitte, weint nicht länger, edle Frau;
Nein, laßt mein Lied, des armen Kindes Lied, –
Das, sonst unwissend, nur Gehorsam kennt,
Und das man straft, sobald es nicht gehorcht, –
Im Leid Euch trösten. Eure Traurigkeit
Hat ihren Grund in keiner bösen That;
Deß bin ich sicher, wenn ich Euch so hold
In Anmuth und in Hoheit vor mir seh'.
Vergleicht mit unsres Herrn und Königs Leid
Das Eure nur, und leichter findet Ihr's;
Der König ging, und kämpft mit Lancelot
Auf Tod und Leben und das feste Schloß,
In welchem er die Königin verwahrt;
Und Modred, dem er Alles anvertraut, –
Der Schurke, – theure Frau, des Königs Schmerz
Um sich, und seine Königin, und sein Reich,
Muß dreimal größer sein, als jedes Leid
Von Unsereinem. Dank den Heiligen,
Ich bin nicht vornehm. Wenn ich Kummer habe,
So wein' ich still mich aus, und damit gut;
Kein Mensch erfährt's, und Thränen trösten mich.
Doch wäre selbst der Kleinen Leid so groß,
Wie das der Großen, dennoch hat das Leid,
Das diese tragen, einen Stachel mehr:
Wie sehr sie trachten nach Verborgenheit,
Nicht hinter Wolken weinen können sie;
So spricht man hier in Almesbury sogar
Vom guten König und der bösen Frau,
Der Königin; – und wenn ich König wär',
Mit solcher Königin, wohl möcht' ich dann,
Wie schlecht sie ist, verschleiern vor der Welt;
Doch als ein solcher König könnt' ich's nicht.«
Ginevra dachte gramvoll: »will das Kind
Mich durch das Plaudern seiner Unschuld tödten?«
Dann gab sie laut zur Antwort: »muß ich nicht,
Wenn dieser Bube seinen Herrn entthront,
Mittrauern in dem Schmerz des ganzen Reichs?«
»Ja,« sprach die Maid, »'s ist aller Frauen Gram,
Daß sie ein Weib ist, deren ehrlos Thun
Die Tafelrund' in Hader aufgelöst.
Ach, Zeichen sind und Wunder wohl geschehn,
Als sie vor Jahren dort zu Camelot
Der gute König Artus stiftete,
Noch vor der Ankunft dieser Königin.«
Ginevra dachte wieder: »will das Kind
Mich tödten mit dem thörichten Geschwätz?«
Laut aber sprach und sagte sie zu ihr:
»Was kannst du wissen, arme kleine Maid,
Die man in Klostermauern eingesperrt,
Von Tafelrunden und von Königen,
Von Zeichen und von Wundern andrer Art,
Als deines Klosters schlichte Wunder sind?«
Geschwätzig aber fuhr die Kleine fort:
»Ja wohl, ich weiß es doch; voll Zeichen war
Das Land und Wundern, eh die Königin
Gekommen war; mein Vater hat's gesagt,
Der selbst der hohen Tafel Paladin
Seit ihrer Gründung, und von Lyonesse
Zur Stiftung kam; er hat erzählt: er ritt, –
Es war 'ne Stunde, war vielleicht auch zwei,
Nach Sonnenuntergang – am Strand entlang,
Und hörte plötzlich wunderbaren Klang,
Fast wie Musik, – er hielt, und sah sich um;
Und sah, soweit der Strand von Lyonesse
Sich einsam dehnt, die Vorgebirge glühn;
Auf jedem Gipfel flammt' ein Feuerstern,
Und in der Tiefe flackernd helles Licht,
Bis in des Westens reiche Fernen hin.
Und in dem Licht die weiße Nixe schwamm;
Und mächt'ge Wesen tauchten aus der See
Mit menschengleich geformtem Oberleib,
Und brüllten mit des tiefen Meeres Ton
In's Land hinein, worauf aus Schlucht und Spalt
Der kleinen Elfen Schaar erwiderte,
Daß es beinah wie ferne Hörner klang.
So hat mein Vater es erzählt, – und mehr:
Als er Tags drauf durch Waldesdämmer ritt,
Gewahrt' er selbst drei Elfen, die wie toll
Vor Lust sich haschten, und am Wegesrand
Auf eine schlanke Blume taumelten.
Der Stengel bebte, wie die Distel bebt,
Um deren Samen grauer Finken drei
Sich beißen; – und der Elfen Reigen schwang
Sich Abends schimmernd, und zerstob in Flucht
Vor seinem Pferd; und wieder schloß er sich,
Und kreiste schimmernd, und zerstob in Flucht;
Denn voll von Leben war das ganze Land.
Und als er endlich kam nach Camelot,
Da kreisten flinke Tänzer Hand in Hand
Im hellen Lampenschein des hohen Saals;
Und solch ein Gastmahl war im ganzen Schloß,
Wie noch kein Mensch, selbst nicht im Traume, sah;
Denn jedem Ritter wurde das Gericht,
Das er begehrt, von unsichtbarer Hand
Gleich vorgesetzt; und in den Kellern ritt
Auf jedem Faß ein luft'ger dicker Gnom,
Den Zapfhahn schulternd, und es floß der Wein. –
So waren Menschen, waren Geister froh,
Bevor die sündenvolle Königin kam.«
Da sprach, und bitter klang's, die Königin:
»War man so froh? dann waren's traurige
Propheten sammt und sonders, Mensch und Geist.
Vermochte Keiner, selbst dein Vater nicht,
Der doch vor Klugheit nichts als Wunder sah,
Zu ahnen, was das Reich betroffen hat?«
Und die Novize fuhr geschwätzig fort:
»Ein Barde that's, von dem mein Vater sprach,
Er hätte manchen hehren Schlachtgesang
Der Feinde Flotten kühn in's Angesicht
Geschleudert, zwischen steilem Klippenhang
Und Wogenschwall. Er sang auf wolkigen Höh'n
Von Tod und Leben bilderreichen Sang,
Indeß der Hügel Geister huldigend
Sich neigten, und ihr thaubenetztes Haar
Im Winde flog, und strahlte Flammen gleich.
So sprach mein Vater; – und der Barde sang
In jener Nacht von Artus' Heldenkriegen;
Er sang vom König: daß er fast zu groß,
Um Mensch zu sein, und spottete des Wahns,
Der ihn den Bastard Gorlois' genannt; –
Denn ein Geheimniß war, woher er kam;
Nach einem Sturm, wo donnernd an's Gestad
Von Bude und Boß die lange Woge schlug,
Erschien ein Tag, so still wie Himmelsruh';
Da fand man auf Dundagils ödem Sand
Am Strand der See von Wales ein nacktes Kind;
Und das war Artus; dort erzog man ihn,
Bis Wunder ihn als König offenbart. –
Und weiter sang er: gleich geheimnißvoll
Werd' einst sein Grab, wie seine Herkunft sein;
Und fänd' er ein in ihrer Weiblichkeit
Der eignen Mannheit ebenbürt'ges Weib,
Die Welt verwandeln könnten dann die Zwei. –
So tönte hohen Flugs des Sängers Lied;
Doch plötzlich stockend ward er todesbleich,
Und ließ die Harfe stöhnend seiner Hand
Entgleiten, selbst hinsinkend, hätte man
Ihn nicht gehalten. Was sein Geist geschaut,
Er sprach's nicht aus; doch wer bezweifelte,
Daß er, voll Ahnung das verruchte Thun
Der Königin und Lancelot's geschaut?«
»Um mich zu höhnen, haben sie das Kind
Mir zugesellt, die fromme Frau Aebtissin
Und ihre Nonnen,« also dachte nun
Die Königin, und beugte sich, und schwieg.
Doch händeringend und geschwätzig schalt
Sich die Novize jetzt als Schwätzerin;
Die guten Nonnen müßten oft genug
Ihr keckes Zünglein, sprach sie, bändigen;
»Und, liebe süße Dame, schickt sich's nicht,
Daß ich ein Ohr, zu traurig, um auf mich
Zu hören, mit Geschwätz belästige
Von meines guten Vaters Abenteuern,
Verweist es mir, daß nicht mein Vater sich
Im Grabe schämt, er, der ein Muster war
Von edler Sitte; sagt' er selbst auch immer,
Die feinsten Sitten hab' Herr Lancelot. –
Ach, er ist todt, erschlagen beim Turnier,
Fünf Sommer bald, – ach, ich verwaistes Kind!
Doch von den Andern, die noch übrig sind,
Von den an Hochsinn zwei Gepriesensten, –
Ach bitte, heißt mich schweigen, frag' ich dumm, –
Doch bitte, sagt: als Ihr sie täglich saht,
Wer war an Sitt' und Art der Edelste,
Herr Lancelot oder unser Herr, der König?«
Da sah die bleiche Königin auf, und sprach:
»Herr Lancelot, wie dem Paladin geziemt,
War fein und huldreich gegen alle Frau'n,
Und war in offner Schlacht und beim Turnier
Die Großmuth selbst; und auch der König war
In offner Feldschlacht und beim Waffenspiel
Die Großmuth selbst; und Beide leuchteten
An Würd' und Anmuth allen Männern vor;
Denn Sitten sind nichts Eitles, sind vielmehr
Des Biedersinns und Edelmuthes Frucht.«
»Ja,« sprach das Kind, »sind Sitten eine Frucht
So hohen Sinn's? dann müssen tausendmal
Herrn Lancelot's Sitten minder edel sein;
Er ist ja, das bestätigt jeder Mund,
Der ungetreuste Freund in aller Welt.«
Da sagte wehmuthsvoll die Königin:
»O Maid in enger Klostermauern Haft,
Kennst du die Welt mit allem ihren Licht
Und Schatten, allem Glück und allem Weh?
Wenn Lancelot, der hochgesinnte Mann,
Sich selbst in schwacher Stunde untreu ward,
So bete du, daß ihn der Flammenspruch
Des Richters schont; und weine, wein' um sie,
Um derentwillen er dem Spruch verfiel.«
»Für Beide bet' ich,« sprach die Kleine, »ja;
Doch daß Herrn Lancelot's Sitten edel sind,
Wie die des Königs, könnt' ich grad' so gut
Mir denken, süße Herrin, als daß Ihr
So gut und lieblich wärt, wie Ihr doch seid,
Wenn ihr die Königin wärt, die Sünderin.«
So ging es ihr, wie manchem Schwätzer noch;
Sie wollte schmeicheln, und beleidigte,
Sie wollte heilen, und verletzte nur.
Denn nunmehr färbte dunkle Zornesgluth
Ginevra's bleiche Wangen, und sie rief:
»Nie geb' es eine Zweite, so wie du!
Du bist ihr Werkzeug, bist nur angestellt,
Daß du mich quälst und marterst und verhöhnst,
Du Schlange! du erbärmlicher Spion!«
Erschrocken sprang, als dieser Sturm von Wuth
Zum Ausbruch kam, das Mädchen auf, und stand
Weiß, wie ihr Schleier, vor der Königin;
Wie Schaum am Strand im Winde zitternd steht,
Gewärtig sich zu lösen und zu fliehn.
Und als die Königin ausrief: »fort mit dir!«
Entfloh sie bebend. Jene blieb allein,
Und seufzte tief, und faßte wieder Muth,
Und sprach für sich: »sie dachte nichts dabei,
Das offenherz'ge, furchtgequälte Kind;
Nur meine eigne zu besorgte Schuld
Verräth sich selbst, einfält'ger als ein Kind.
Doch hilf mir Himmel, ich bereue ja;
Denn was ist wahre Reu', als nimmermehr,
Auch mit dem leisesten Gedanken nicht,
Die Sünden wollen, die so reizend uns
Das Leben machten in vergangner Zeit?
Und hab' ich nicht geschworen, daß ich ihn
Nicht wiedersehn will, nimmer wiedersehn?«
Noch sprach sie so, da schwebte schmeichelnd schon
Vor ihrem Geist das alte traute Bild
Der goldnen Zeit, als sie zuerst ihn sah;
Da Lancelot, den man pries als schönsten Mann
Und besten Ritter, als Gesandter kam,
Sie zuzuführen Artus, seinem Herrn,
Und mit ihr aufbrach, und sie, weit voraus
Dem Dienertroß, so wonnevoll geschwelgt,
In zartem Plaudern oder munterm Scherz
Von Liebe, Spiel, Turnier und Lebenslust.
So ritten sie dahin zur Maienzeit,
Und dachten noch im Traum an Sünde nicht;
Und über ihnen wölbten Wälder sich
Im Schmuck der Blüthen, Edens Hainen gleich;
Mit Hyacinthen war der Pfad besä't,
Als blauten Himmel aus dem Grund hervor.
Von Hügel so zu Hügel zog das Paar,
Und sah an jedem Tag zur Mittagszeit
Des Königs Artus' seidne Zelte stehn
In irgend einem wundervollen Thal
Zu kurzem Mahl und stiller Mittagsruh;
Denn Boten eilten stets vor ihnen her;
Und weiter ging's, bis, eh' die Sonne sank,
Sie wiederum die Drachen schimmern sahn,
Die fünf verschlungnen, die das Prachtgezelt
Des Königs krönten, das bereitet stand
Am raschen Gießbach oder stillen Quell.
So, selbst vergessen, sann die Königin
Vertieft in Träume der Vergangenheit,
Und immer weiter, bis zum Augenblick,
Wo sie zum ersten Mal den König sah,
Der von der Stadt her ihr entgegen ritt.
Sie merkte seufzend, daß die Reise nun
Zu Ende war, und blickte hin nach ihm;
Er schien ihr kalt, gemessen, lieblos, stolz,
»Nicht so wie er; nicht wie mein Lancelot.« –
So saß sie brütend, in Gedanken fast
Schon wieder schuldig, als am äußern Thor,
Geharnischt, hoch zu Roß, ein Ritter hielt.
Durch's Kloster lief ein leises Flüstern erst;
Dann plötzlich ward ein Ruf: »der König,« laut.
Starr vor Entsetzen, horchend, saß sie da;
Schon klirrte stahlbewehrter Füße Tritt
Vom Thor her durch den langen Zellengang.
Vorüber warf sie sich von ihrem Sitz,
Und streifte kriechend mit der Stirn die Flur;
Ihr Arm wie Marmor zog ihr dunkles Haar
Vor ihr Gesicht, als solle Finsterniß
Sie schützend bergen vor des Königs Blick.
Doch hörte sie durch's Dunkel, wie sein Fuß,
Der stahlbewehrte, stillstand neben ihr;
Und Alles schwieg; bis eine Stimme, dumpf
Und tonlos, wie die Stimme des Gerichts
Aus Geistermund, – doch, ob verändert, war's
Des Königs Stimme, – diese Worte sprach:
»Liegst du so elend, Tochter eines Mannes,
Den ich geehrt? Er starb, der Glückliche,
Vor deiner Schmach. Gut ist es, daß dein Schooß
Kein Kind gebar. Die Kinder, die du trägst,
Sind Schwert und Feuer, Trümmer sind's und Blut,
Gesetzesbruch, Verrath an der Natur,
Und gottlos Bündniß mit dem Heidenvolk,
Das jetzt in Schaaren auf dem Nordmeer schwärmt.
So lang Herr Lancelot, mein rechter Arm,
Und meiner Ritter stärkster, zu mir hielt,
Allüberall in diesem Christenland,
Zwölfmal in offner Feldschlacht schlug ich sie,
Daß sie verdarben. Und von wannen ich
Jetzt komme, weißt du's? Aus ergrimmtem Kampf, –
Kampf gegen ihn, – und er, der in die Bahn
Des Unheils mich zu schleudern nicht gebebt,
So viel von Ritterehre blieb ihm doch:
Nicht gegen seinen König, der ihn einst
Zum Ritter schlug, erhob sich seine Hand.
Doch mancher Ritter liegt entseelt im Feld,
Und noch viel mehr aus Freund- und Vetterschaft
Mit Lancelot, verließen mich um ihn;
Und noch viel mehr, vergessend ihrer Treu',
Und Lehenspflicht, gesellten sich zu Modred;
Ein Rest nur steht zu mir. Von diesem Rest
Ein Häuflein send' ich: – treue Männer sind's,
Und lieben mich, der nur für sich noch lebt.
So schütz' ich dich, wenn jene Stunde naht,
Die Grauses bringt, und lasse dir kein Haar
Versehren deines tief gesunknen Haupts.
Hab' keine Furcht; du stehst in sicherm Schutz,
So lang' ich lebe. Zwar, ich weiß es wohl,
Wenn alte Prophezeihung nicht geirrt,
So geh' ich, zu erfüllen mein Geschick.
Nicht hast du so das Leben mir versüßt,
Daß ich, der König, sehr am Leben hinge:
Vernichtet hast du meines Lebens Zweck.
Zum letzten Mal jetzt schenke mir Geduld;
Um deinetwillen zeigt' ich dir noch gern,
Was du gesündigt. – Als die Römer uns
Verließen, und die Fessel ihres Rechts
Uns nicht mehr band, und Raub auf Weg und Steg
Sein Wesen trieb, glich tapfre Mannesthat
Vereinzelt, hier und da, das Unrecht aus.
Ich aber bin der König, der zuerst
Aus dieses Reiches irr'nder Ritterschaft,
Und aller Reiche, deren Haupt ich war,
Den Ehrenbund der Tafelrunde schuf.
Ein hehrer Kreis, der Menschheit Blüthe war's,
Ein Spiegel für die Mächtigen der Welt,
Ein schöner Anfang einer neuen Zeit.
In meine Hände schwuren Alle mir,
Zu fürchten ihren König, gleich als wär'
Er ihr Gewissen; ihr Gewissen gleich
Als wär's ihr König, – Christus zu erhöhn,
Die Heiden zu vernichten, auszuziehn
Zum Schutz der Unschuld gegen Frevelthat,
Der Lästrung weder Mund noch Ohr zu leihn,
In reiner Keuschheit züchtig vor der Welt
Und Gott zu leben, eine Jungfrau nur
Unwandelbar zu lieben, jahrelang
Durch edle Thaten ihr zu huldigen,
Bis sie gewonnen, – denn der Leidenschaft,
Der ersten, keuschen für ein edles Weib,
Kommt keine Weisheit dieser Erde gleich,
Nicht das Gemeine nur zu bändigen,
Nein: auch zum Edlen uns emporzuziehn,
Uns Worte, deren Klang zum Herzen dringt,
Und Wahrheitssinn und Anmuth zu verleihn,
Und Alles, was den Mann zum Manne macht.
Und wohl gedieh mir's, bis ich dich gefreit.
Sieh, dacht' ich, die Gefährtin meines Werks,
Ein Weib, das auch für meine Zwecke fühlt,
Und die sich freut an dem, was mich erfreut.
Da kam mit Lancelot deine sünd'ge Schmach,
Und Tristan's und Isolden's Sünde kam;
Und vom verruchten Beispiel angesteckt
Der stolzen Namen dieser Mächtigsten
Von meinen Rittern, fielen Andre noch
In Sünde, bis das ekle Gegentheil
All dessen herrschte, was mein Herz ersehnt.
Das war dein Werk; und wenig frag' ich nun
Nach meinem Leben. Zwar behüt' ich es
Als Gottes gnäd'ge Gabe vor Verrath
Und Schaden; aber denken muß ich oft,
Was Artus litte, wenn er unversehrt
Einst wieder säß' in seinem öden Saal;
Und mißte seiner Ritter trauten Kreis,
Und mißte das begeisterte Gespräch
Von Ruhm und Tugend, das in alter Zeit,
Bevor du fielst, mir goldne Tage schuf.
Denn wer von uns, der etwa übrig wär',
Wer spräch' es aus, das Wort: »ein reines Herz,«
Und zielte scheinbar nicht auf dich dabei?
Und deinen Schatten würd' ich immer noch
Im Schloß zu Camelot und im Schloß am Usk
Durch der Gemächer Reihen gleiten sehn;
Ein Kleid am Rechen, ein vergeßner Schmuck,
Sie riefen quälend stets dich mir zurück;
Das Echo von den Stiegen schreckte mich,
Als hört' ich deinen geisterhaften Schritt:
Denn denke nicht, weil du ihn nie geliebt,
Daß deines Gatten Liebe ganz erlosch;
So wandelbaren Stoffes bin ich nicht.
Doch deiner Schande überlaß ich dich,
Ich muß es, Weib! denn ich erkläre Den
Für des Gemeinwohls allerschlimmsten Feind,
Der eine Gattin, die er falsch erfand,
Aus träger Selbstsucht, oder weil ihm bangt,
Sonst treffe Schmach die Kinder seines Bluts,
Als Herrin noch im Hause schalten läßt.
Denn seine Feigheit sichert ihren Platz;
Für rein gehalten wird sie vor der Welt,
Und schleicht sich ein gleich einer neuen Pest,
Die Niemand kennt, vor der sich Niemand wahrt.
Aus ihren Augen sprüht verruchte Lust,
Und untergräbt die Treue deines Freunds;
Zu Teufelssprüngen stachelt sie sein Blut;
Die halbe Jugend krankt an ihrem Gift.
O Schmach und Schande, wär' der König selbst
Solch schnöder Feigling! Besser, daß sein Heerd
Verödet steht, und daß das Herz ihm bricht,
Als daß du wieder thronst in Glanz und Licht,
Von meinem Volk verspottet und verflucht!«
Er schwieg, und näher kroch sie auf den Knie'n,
Und suchte seine Füße zu umfahn.
Von fern herüber klang ein einsam Horn.
Das Schlachtroß draußen hörte Freundesruf,
Und grüßte wiehernd, aber er fuhr fort:
»Doch denke nicht, ich käme, deine Schuld
Dir vorzuhalten. Nein Ginevra, nein;
Nicht Fluch auf meinen Lippen kam ich her;
In ungeheurem Mitleid schmelz' ich hin,
Dein Goldhaar, meiner Glückszeit Stolz und Lust,
Im Staub zu meinen Füßen hier zu sehn.
Der Zorn, der mir den grimmen Spruch entrang
Des Flammentodes für Verrath und Schmach,
Als ich erfuhr, daß du dich hier verbargst, –
Er ist vorüber. Meine Thränen brannten,
Wenn ich dein Herz dem meinigen verglich,
Das, selbst ganz Treue, nicht im Traum geahnt,
Du könntest trügen. Doch auch dieser Schmerz
Ist abgethan, – beinahe! – Was geschehn,
Das ist geschehn; begangen ist die Schuld;
Und sieh: wie Gott, der Ewige, verzeiht,
Verzeih' ich dir. Thu' du das Uebrige
Für deine Seele. Doch wie soll ich nun
Von Allem scheiden, was mir theuer war!
O goldnes Haar, mit dem ich ahnungslos
So oft gespielt! o wonnige Gestalt
Und Schönheit, wie noch nie ein Weib besaß,
Bis sie zum Fluch des Reichs in dir erschien!
Berühren deine Lippen kann ich nicht;
Sie sind nicht mein; du gabst sie Lancelot,
Nicht deinem König. Fassen deine Hand,
Ich kann es nicht; auch sie ist Fleisch; im Fleisch
Hast du gesündigt: und das meine schreit,
Wenn es auf dich, Entweihte, niederblickt:
Mir graut vor dir! und doch, Ginevra, doch, –
Denn außer dir berührt' ich nie ein Weib –
Drang meine Liebe durch das Fleisch so tief
In's Leben mir, daß mein Verhängniß ist:
Noch immer lieb' ich dich! Der irrte sehr,
Der wähnen wollt', ich liebte dich nicht mehr.
Und so du deine Seele läutern willst,
Und bau'st auf Christus, unsern Gnadenhort,
Begegnen wir vielleicht in jener Welt,
Wo Alle rein, uns einst vor Gottes Thron. –
Und dann vielleicht entgegen eilst du mir,
Und nennst mich dein; und ja, dann sollst du sehn,
Daß ich dein Gatte bin, – kein kleinres Herz, –
Nicht Lancelot, noch ein Andrer. – Laß mir dies,
Mein letztes Hoffen, laß mir's. Ich muß fort;
Durch's nächt'ge Dunkel hör' ich Hörnerschall;
Es ist der Ruf, der mir getreuen Schaar,
Nach ihrem König, der sie weit von hier
Zur großen Schlacht im Westen führen soll.
Dort muß ich kämpfen mit der Schwester Sohn
Und seinem Bund, den Lords vom weißen Roß,
Und den empörten Rittern, – muß ihn todt
Hinstrecken, und vielleicht selbst in den Tod;
Vielleicht, ich weiß nicht welch', geheimnißvoll
Geschick erfüllen. Die Entscheidung wirst
Du hier erfahren, denn du bleibst; doch ich
Ich kehre nie zurück an diesen Ort;
An deiner Seite ruh' ich nimmermehr,
Und seh' dich nimmer wieder. Lebewohl!«
Da fühlte sie, die sich im Staube wand,
Des Königs Hauch auf ihrem Nacken wehn;
Und merkte mit verhüllten Augen doch,
Daß über ihrem hingesunknen Haupt
Sich seine Hände segnend breiteten. –
Still lauschend lag die bleiche Königin,
Bis ganz verhallt sein eisenschwerer Schritt,
Und wankte dann in ihrer Herzensangst
Zum Fenster hin: »vielleicht erblick' ich noch
Sein Angesicht, und er bemerkt mich nicht.«
Und sieh: er hielt am Thore hoch zu Roß,
Und vor ihm stand der Nonnen ernste Schaar,
Mit Lichtern in den Händen; und er gab
Den Nonnen Auftrag, Schutz und Unterhalt
Ginevra zu gewähren immerdar.
Allein geschlossen blieb, so lang er sprach,
Sein Helm, auf dem der goldne Drache saß
Brittaniens; so konnte sie nicht sehn,
Wie sehr sein Antlitz einem Engel glich.
Doch Pendragon's gewalt'gen Drachen, feucht
Vom Nebel, von den Lichtern angestrahlt,
Sie sah ihn glühn; er wandelte die Nacht
In Feuerdampf; und eben wandte sich
Der König scheidend, und der Nebel wob,
Gleich Dünsten, die den hellen Mond umziehn,
Stets dicht und dichtre Schleier um ihn her.
Dem Schemen eines Riesen sah er gleich,
Und grauer ward der Nebel hinter ihm,
Bis er zuletzt ein Nebel selber ward,
Und wie ein Geist in sein Verhängniß zog.
Da griff sie mit den Armen in die Luft,
Und schrie: »o Artus!« ihre Stimme brach;
Dann gleich dem Bach, der von der Klippe schäumt,
Im Fall zerstiebt, und, sich im tiefen Grund
Auf's Neue sammelnd, hinrauscht durch das Thal,
Erklang sie lauter, leidenschaftlicher:
»Dahin, – mein Gatte! – fort, durch meine Schuld,
In Kampf und Tod! – verziehen hat er mir,
Und ich blieb sprachlos. Lebewohl? – das Wort
Hätt' ich erwidern sollen. Mich ergriff
Zu tief sein Mitleid. Fort mein König, mein
Gemahl der Treu', der Meine! – Wag' ich noch,
Ihn mein zu nennen? haftet nicht an mir
Der Schatten eines Andern, und entweiht
Mir Seel' und Leib? – Der König sprach es aus:
Ich bin entweiht. – Geb' ich mir selbst den Tod?
Was hilft der Tod mir? meine Sünde kann
Ich nimmer tödten, wenn die Seele lebt.
Auch meine Schande tödten kann ich nicht,
Noch kann ich leben, bis sie vor mir stirbt.
Zu Wochen, Monden, wächst der Tage Zahl,
Zu Jahren reiht sich wechselnd Mond an Mond,
Der Jahre Lauf wird zu Jahrhunderten,
An meinem Namen bleibt die Schmach geknüpft.
So fahr' denn hin, verwirkter Ruf, fahr' hin!
Fahr' hin mit Allem, was der Welt gehört!
Was dann? was hoff' ich? eine Hoffnung war
Vorhanden, mein' ich, – wenn er nicht vielleicht
Mich nur verhöhnt, als er von Hoffnung sprach,
Von seiner Hoffnung; – doch er spottet nie
Denn Spott ist kleiner Seelen Ausgeburt.
Gesegnet aber soll der König sein,
Der meine Bosheit gegen ihn verzieh,
Und mir den Trost ließ, daß ich sühnen kann
Durch Herzensreue meine schwere Schuld,
Und daß ich wieder seine Gattin bin
Im Himmel einst vor Gott dem Ewigen!
O großer, güt'ger Mann und König du!
Was das Gewissen eines Heiligen
Im Aufruhr seiner Sinne, das warst du
Für deine Ritter; und mein üpp'ger Stolz
Sah nicht empor zu dir; – er spottete
Der Höhe, weil mir Muth und Kraft gebrach,
Sie zu erklimmen! – hegt' ich doch den Wahn,
Nicht athmen könn' ich in der Aetherluft,
Im kalten Glanz des ungetrübten Lichts!
Ich brauchte Wärme, Farben, die ich fand
In Lancelot; – erst jetzt erkenn' ich dich,
Als Höchsten und zugleich als Menschlichsten
Vor allen Andern, auch vor Lancelot.
Ist keiner hier, der es dem König sagt,
Bevor er aufbricht in die große Schlacht,
Daß ich ihn liebe, wenn auch erst so spät?
Kein Mensch, – ich muß es selbst ihm einst gestehn
In einem reinern Leben; – aber jetzt
Wär' es zu kühn. Was hätt' ich nicht, o Gott,
Vielleicht gemacht aus deiner schönen Welt,
Hätt' ich geliebt dein edelstes Geschöpf?
Den Besten lieben, hieß mich meine Pflicht;
Es war mein Segen, hätt' ich ihn erkannt;
Und hätt' ich nur gesehn, auch meine Lust.
Wenn wir das Höchste sehn, so müssen wir's
Nothwendig lieben, und nicht Lancelot,
Noch einen Andern.«
Hier ward ihre Hand
Erfaßt; sie schlug die Augen auf, und sah
Demüthig weinend die Novize stehn;
Und sprach zu ihr: »ja liebes Mägdlein, ja;
Ward nicht auch mir vergeben?« und ihr Blick
Fiel auf die frommen Nonnen rings umher;
Sie weinten. Leichter ward Ginevra's Herz;
Sie weinte mit den Nonnen jetzt, und sprach:
»Ihr kennt mich nun, kennt die Verruchte, die
Des Königs groß gedachtes Werk zerstört.
In enge Klostermauern schließt mich ein,
Barmherz'ge Jungfrau'n, daß die Stimmen mir
Nicht folgen können, die da Schande schrein.
Ich darf mich nicht verachten, denn ich weiß:
Er liebt mich noch. Verbannt den eitlen Wahn,
Daß er mich nicht mehr liebte. Grau't Euch nicht
Vor mir, und dem Gedanken, Schwester mich
Zu nennen, laßt mich bleiben, eingehüllt
In Schwarz und Weiß, und laßt mich Nonne sein,
Gleich Euch. An Euren Fasten fast' ich gern;
An Euren Festen nehm' ich keinen Theil;
Bin mit Euch traurig, wenn Ihr traurig seid,
Wenn Ihr Euch freut, nicht traurig und nicht froh,
Laßt mich gleich Euch erfüllen jeden Brauch;
Mich mit Euch beten; – betet auch für mich.
Vor Euren Andachtsstätten will ich knie'n,
Des heil'gen Hauses niedre Pflichten thun,
Den düstern Kreuzgang schreiten auf und ab,
Almosen spenden Kranken, Dürftigen,
Die vor den Augen Des, der uns erlöst,
Wohl reicher und gesunder sind, als ich.
Ob noch so widrig ihre Wunden sind,
Verbind' ich sie zu meiner Seelen Heil,
Und büß' in Liebeswerken und Gebet
Am trüben Abend für den üpp'gen Tag,
Der meines Herrn und Königs Fall gebracht.«
Sie sprach's, und ihre Bitte ward gewährt,
Und bei den Nonnen lebte sie fortan
In Furcht und Hoffnung: »ist es wohl zu spät?«
Bis die Aebtissin mit der Zeit verstarb.
Und wegen alles Guten, das sie that,
Und wegen ihres Wandels keusch und rein,
Und wegen ihres Eifers im Gebet,
Auch weil ihr Rang einst so erhaben war,
Ward sie nun zur Aebtissin auserwählt.
So lebte sie drei kurze Jahre noch,
Und ging dann als Aebtissin dorthin heim,
Wo Frieden ist, und ird'sche Stimmen schweigen. – |