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Der biedre Held Garin, an Artus' Hof
Ein Ritter, und ein lehenspflicht'ger Fürst
Von Devon, einer aus dem hehren Kreis
Der Tafelrunde, hatte sich mit Enid,
Dem einz'gen Kinde Yniol's vermählt
Und liebte sie dem Licht des Himmels gleich. –
Und wie der Himmel strahlt in anderm Licht,
Wenn sich die Sonne hebt, und wenn sie sinkt,
Und wieder, wenn der Mond die Nacht erhellt,
Und Sterne flimmern, also war's die Lust
Garins, daß ihre Schönheit Tag für Tag
Mit Purpur, Carmosin und Perlenzier
Abwechselte; doch nur um zu erfreu'n
Des Gatten Blick, der sie zuerst gefunden
Und sie geliebt im Stand der Dürftigkeit,
Trat Enid alle Tage vor ihn hin,
Mit irgend einem frischen Schmuck geziert.
Und selbst die Königin, aus Dankbarkeit
Für treuen Dienst, den ihr Garin gethan,
War Enid hold und zog oft selbst sie an,
Und schmückte sie mit eigner weißer Hand,
Als lieblichste nächst ihr am ganzen Hof. –
Und Enid war der Königin zugethan
Und betete sie treuen Herzens an
Als aller ird'schen Frauen Musterbild
An Würde, Güte, Schönheit; – und Garin,
Wenn er sie so vertraut und zärtlich sah,
War ihrer Wechselliebe lange froh. –
Doch als der Königin sünd'ge Leidenschaft
Für Lancelot am Hofe ruchbar ward, –
Obgleich noch kein Beweis vorhanden war,
Und noch der Welt halblautes Flüstern nicht
Zum Sturm geworden, – glaubte doch Garin
Dem Leumund, und ihn überkam die Angst,
Daß seines eignen sanften Weibes Ruf,
Weil sie so zärtlich an Ginevra hing,
Nicht makellos geblieben, oder doch
Einst leiden könnte; – drum zum König ging
Garin und schützte vor: sein Fürstenthum
Läg' eines Landstrichs Grenzen allzunah,
Wo Grafen Räuber, Ritter Strolche sei'n,
Wo alle Flücht'gen vor dem Arm des Rechts,
Und alles Volk, das die Gesetze haßt,
Ihr Wesen trieben; so begehrt' er denn,
Bis es dem König selbst gefallen würde,
Die Auswurfsstätte seines ganzen Reichs
Zu säubern, gnäd'gen Urlaub, fortzugehn,
Um seinen Gränzen selbst ein Hort zu sein. –
Der König stutzte zwar auf sein Gesuch
Ein wenig, doch zuletzt gewährt' er es,
Und Fürst Garin und Enid, im Geleit
Von fünfzig Herren, ritten an den Strand
Des Severn, über den sie weiter zogen
Ins eigne Land. Dort dachte nun Garin:
»War eine Gattin je dem Gatten treu,
So soll getreu mir bleiben mein Gemahl«,
Und wob um Enids Leben einen Kreis
Von Ehrfurcht und von zartem Minnedienst,
Verließ sie nimmer, und gedachte nicht
Des Worts, das scheidend er dem König gab,
Vergaß des Waidwerks und der Falkenjagd,
Vergaß Turnier und ritterlichen Kampf,
Vergaß den Ruhm und seines Namens Glanz,
Vergaß sein Fürstenthum und fürstlich Amt, –
Und dies Vergessen wurmte Enid tief.
Und nach und nach begann das Volk sogar
In Zwiegesprächen oder öffentlich
Zu schwatzen, höhnen, witzeln über ihn,
Als einen Fürsten, dessen Mannheit fort
Und hingeschmolzen in verliebtem Dienst
Bei seiner Gattin. – Enid las dem Volk
Dies aus den Augen, dies erzählten auch,
Wenn sie das Haar ihr flochten, ihre Frau'n,
Um ihr zu schmeicheln durch die Schilderung,
Wie sonder Gränzen seine Liebe sei;
Und machten nur noch schwerer ihr das Herz. –
Und Tag für Tag beschloß sie, mit Garin
Zu reden, doch befangnes Zartgefühl
Schloß ihr den Mund, indeß ihm nicht entging,
Wie sie bedrückt war, und sein Argwohn stieg,
Es haft' ein Makel ihrem Wesen an. –
Zuletzt an einem Sommermorgen früh,
Als Seit' an Seite sie der Schlaf umfing,
Begab sich's, daß der jungen Sonne Schein
Durch ihrer Fenster offne Laden drang. –
Im Traume ward's dem tapfern Krieger heiß;
Er rührte sich und stieß die Decke fort,
Entblößend seiner Gurgel knot'ge Höh'n,
Das wucht'ge Viereck seiner Heldenbrust,
Und Arme, deren straffe Muskeln hoch
Sich wölbten, wie des wilden Baches Fluth,
Die sich im Bogen über Steine wälzt,
Und ihren hast'gen Lauf nicht hemmen läßt. –
Und Enid wurde wach und setzte sich
Zur Seite seines Bettes neben ihn,
Und ihn bewundernd dachte sie bei sich:
»Er hat an Stärke seines Gleichen nicht.«
Da, wie ein Schatten, zog des Volks Geschwätz
Und Vorwurf der Verliebtheit in sein Weib
Durch ihren Geist; sie bog sich über ihn,
Und sprach zum eignen Herzen wehmuthsvoll:
»O edle Brust und allgewaltger Arm!
Bin ich der Grund, der arme Grund, daß man
Euch schmäht und sagt, all' eure Kraft sei hin?
Ich bin der Grund, weil mir's an Muth gebricht,
Zu reden und ihm Alles kundzuthun,
Was mich erfüllt und was man von ihm spricht. –
Doch haß' ich es, daß er hier müssig weilt;
Ihn lieben, heißt auch lieben seinen Ruhm.
Weit lieber legt' ich ihm den Harnisch an,
Und ritte mit zum Streit, und wär' ihm nah,
Und schaute zu, wie seine mächt'ge Hand
Gewicht'ge Streiche schleudert' auf die Brut
Der Schurken und der Schädiger der Welt.
Weit besser wär's, ich läg' im dunkeln Grab,
Und wär' für seine edle Stimme taub,
Und würde nimmer von den theuren Armen
Umfangen und entbehrte jeden Blick
Aus diesen stolzen Augen, als daß Schmach
Um meinetwillen meinen Gatten trifft!
Bin ich so kühn und könnte bei ihm stehn,
Und könnte schauen, wie mein theurer Herr
Im Kampf verwundet und vielleicht durchbohrt,
Tödlich durchbohrt vor meinen Augen würde, –
Und wag' ich dennoch nicht, ihm zu vertrau'n,
Was mich erfüllt, und wie man ihn beschimpft,
Indem es heißt, daß alle seine Kraft
Geschmolzen ist in eitel Weichlichkeit?
Weh' mir, mir bangt, ich bin kein treues Weib!«
Halb dachte sie, halb hörbar sprach sie so,
Und ächte Thränen ließ ihr Herzeleid
Sie weinen, die hernieder träufelten
Auf seine breite, noch entblößte Brust.
Da ward er wach, und hörte leider nur
Von ihren letzten Worten einen Theil:
Daß ihr gebangt, sie sei kein treues Weib. –
»Trotz aller meiner Liebe«, dacht' er da,
»Für all' mein Mühn, ich Armer, all mein Mühn,
Ist sie nicht treu, und weinen seh' ich sie
Um einen muntern Fant an Artus' Hof.« –
Denn wenn er gleich sie liebt', und viel zu hoch
Sie hielt, um nur im Traum für schuldig sie
Zu achten eines ehrvergess'nen Thuns,
So schnitt doch durch sein tapfres Herz die Qual,
Die Angesichts der Holden, die ein Mann
Am meisten liebt, ihn arm und einsam macht. –
Die mächt'gen Glieder schnellt' er aus dem Bett,
Er schüttelte den trägen Diener wach,
Und schrie: »mein Streitroß, ihren Zelter her!«
Zu ihr dann: »in die Wildniß geht mein Ritt;
Denn wenn ich scheinbar meine Sporen noch
Gewinnen muß, bin ich doch nicht so tief
Gesunken, wie mir Mancher wünschen mag.
Und du, leg' deine schlechtsten Kleider an,
Und reite mit mir.« – Enid bat bestürzt:
»Wenn Enid irrt, sag' ihr, was sie gefehlt!«
Doch er: »Du sollst nicht fragen, merk' es dir:
Gehorchen sollst Du«. – Da besann sie sich
Auf ein verblichnes altes Seidenkleid
Mit altem Mantel, altem Schleiertuch;
Das hatte sie bisher als Heiligthum
In einem Schrein aus Cedernholz verwahrt,
Und zwischen jeder Falte lag ein Zweig
Mit frischem Grün. Den Anzug nahm sie nun
Und legt' ihn an, gedenkend, wie Garin
Zum ersten Mal in diesem Kleid sie fand,
Und sie, die Arme, dennoch liebgewann;
Und ihrer kind'schen Angst um dieses Kleid,
Und seiner ganzen Reise dachte sie,
Von der er jeden Umstand ihr erzählt,
Und ihres Kommens an des Königs Hof.
Denn Artus hielt um Pfingsten damals Hof
Im alten Schloß Caerleon am Usk.
Einst als er dort in hoher Halle saß,
Da trat ein Förster vor ihn hin aus Dean,
Vom Waldthau feucht; der einen Edelhirsch
Groß wie noch keinen und wie Milch so weiß,
Am heut'gen Tag zum ersten Mal gesehn,
Wovon er gleich dem König Meldung that. –
Da gab der gute König den Befehl,
Am nächsten Morgen solle man zur Jagd
Die Hörner blasen; und der Königin,
Die um Erlaubniß bat, die Jagd zu sehn,
Gewährt er frohen Muthes ihr Gesuch.
Früh aufgebrochen war der ganze Hof,
Nur Frau Ginevra lag, der Jagd vergessen,
In süßem Schlaf und träumte Liebesträume
Von Lancelot, bis in den hellen Tag.
Doch endlich stand sie auf und stieg zu Pferd
Mit einem Fräulein, und durchritt den Usk,
Und weiter, bis sie hart am Waldessaum
Auf einem kleinen Hügel halten blieb,
Des Lauts der Meute harrend, die nicht kam. –
Doch plötzlich tönte Hufschlag ihr in's Ohr;
Denn Fürst Garin, der auch verspätet war,
Und weder Jagdgewand noch Waffen trug,
Bis auf ein Schwerdt mit goldenem Gefäß,
Kam munter durch die schmale Furt gesprengt,
Und jagte rasch den sanften Hang hinauf.
Die Purpurschärpe, die vom reinsten Gold
An jedem Ende einen Apfel trug,
Umwallte seine Brust, und als er nun
Sich im Galopp den Frauen näherte,
Kam ihm am Glanz nicht die Libelle gleich
Im seidnen sommerlichen Festgewand. –
Tief neigte sich der lehenspflicht'ge Fürst,
Und sie, mit holdem würdevollen Gruß,
Mit aller Anmuth edeln Frauenthums
Und königlicher Hoheit, sprach ihn an:
»Spät, spät, Herr Fürst, verspäteter als wir.«
»Jawohl,« gab er zur Antwort, »edle Frau,
So spät, daß ich, gleich Euch, die Jagd nur sehn,
Nicht selber jagen will.« – »So leistet mir
Gesellschaft,« sprach sie, »denn, wenn irgendwo,
So werden wir auf diesem kleinen Berg
Die Meute hören; oft schon brach sie hier
Vor unsern Füßen aus dem Busch hervor.«
Und als sie lauschten nach der fernen Jagd,
Besonders nach dem Anschlag des Cavall,
Des tiefsten Bellers in des Königs Meute,
Da ritten ganz gemach des Wegs daher
Ein Ritter, eine Dame, und ein Zwerg,
Der aber träg zurückgeblieben war.
Der Ritter ritt mit offenem Visir
Und ließ ein jugendliches Antlitz sehn,
Gebietrisch, jeder Zug voll Uebermuth.
Und Frau Ginevra konnte des Gesichts
Sich nicht erinnern aus dem Königssaal;
Begierig auf den Namen, sandte sie
Ihr Fräulein auf Erkundigung bei dem Zwerg,
Der, weil er boshaft, alt und gallicht war,
Und in des Hochmuths Laster seinen Herrn
Noch übertraf, ihr grob zur Antwort gab,
Das gehe sie nichts an. – »So werd' ich ihn
Denn selber fragen«, sagte sie. Da schrie
Der Zwerg: »nein, meiner Treu, das wirst du nicht;
Du bist nicht werth, daß du von ihm nur sprichst.«
Wohl ritt sie dennoch auf den Ritter zu,
Doch mit der Peitsche schlug der Zwerg nach ihr.
Sie kam empört zur Königin zurück.
Und mit dem Ruf: »Fürwahr, ich werde bald
Den Namen wissen«, sprengte jetzt Garin
Dem Unhold nach, und hieß ihn Rede stehn;
Doch Jener gab ihm Antwort, wie zuvor;
Und als der Fürst sein Roß nun wendete
Zum Ritter hin, schlug mit der Peitsche auch
Nach ihm der Zwerg und traf ihn in's Gesicht.
Auf seine Schärpe sprang des Fürsten Blut,
Sie dunkler färbend; unwillkührlich fuhr
Die rasche Hand an seinen Degengriff,
Ihn zu erschlagen; doch ein Uebermaaß
Von Männlichkeit und ächtem Edelmuth
Ließ ihn die Strafe solchen Wurms verschmähn;
Kein Wort verlor er, kam zurück und sprach:
»Bestrafen will ich, hohe Frau, die Schmach,
Die Euch in Eurem Fräulein angethan;
Aufspüren dies Gezücht in seinem Bau,
Denn ritt ich ohne Rüstung auch vom Haus,
So find ich ohne Zweifel irgendwo,
Wohin ich komme, Waffen, sei's geliehn,
Sei's gegen Unterpfand; dann will ich ihn
Im Kampf bestehn, und brechen seinen Stolz;
Am dritten Tage bin ich wieder hier,
Wenn ich im Kampf nicht falle, – lebet wohl.«
»Lebt wohl denn, Edler Fürst,« erwiderte
Die hohe Königin, »und auf dieser Fahrt
Mög' Euch begleiten das gewohnte Glück.
Und mögt Ihr Alles finden, was Ihr liebt,
Und leben, um die Holdeste zu frei'n,
Die Euer Herz erwählt; – doch eh Ihr freit,
Bringt mir die Braut; und wär's ein Königskind,
Und wär's des Bettlers Tochter hinterm Zaun,
An ihrem Hochzeitstage kleid' ich sie,
Daß nicht die Sonne heller strahlen soll.«
Und Fürst Garin ritt fort, da kam die Jagd;
Er hörte noch den edeln Hirsch gestellt,
Das ferne Horn; verdrießlich war es ihm,
Daß er die Jagd verlor, verdrießlich auch
Der schnöde Grund. – Er ritt bergauf, bergab,
Durch manche grasige Lichtung, manches Thal,
Die drei Beleid'ger unverwandten Blicks
Verfolgend. Endlich traten sie heraus
Aus dieser Welt von Waldung, um hinan
Zu glimmen einen hohen glatten Berg,
Und zeichneten sich scharf am Horizont,
Eh abwärts sie versanken. Ihnen nach
Kam Fürst Garin, und sah am Bergesfuß
Ein Städtchen, dessen Straße langgestreckt
Das Thal durchzog; an einer Seite hob
Sich eine Burg, weiß, wie des Maurers Hand
Sie kaum verlassen; gegenüber lag
Ein Schloß in Trümmern jenseits einer Brücke,
Die über eine trockne Schlucht gespannt.
Und ein Geräusch erscholl aus Stadt und Thal,
Wie wenn ein breiter Bach auf steinigem Bett
Dahinrauscht, – wie der ferne Lärm der Kräh'n,
Eh sie zur Ruhe kommen für die Nacht. –
Grad auf die Burg zu ritten jene drei,
Und waren plötzlich hinter ihrem Thor
Verschwunden. Zu sich selbst sprach Fürst Garin:
»Den Bau des Schurken hab' ich ausgespürt.« –
Die lange Straße ritt er müd' hinab,
Fand jede Herberg voll, und überall
Beschlug man Pferde, pfiff der Blasebalg,
Und putzten an der Rüstung ihres Herrn
Geschäft'ge Knappen, daß das Eisen knirschte.
Von ihnen fragt' er Einen nach dem Grund
Des Aufruhrs in der Stadt; der Knappe sprach
Und putzte fort: »das macht der Sperlingsfalke.«
Ein alter Bauer kam des Wegs daher,
Der von der staubigen Deichsel seines Karrns
Gestoßen, einen Sack Getreide zog,
Im Schweiße seines Angesichts; an den
Ritt er hinan und fragte wiederum,
Was hier der Lärm bedeute. Mürrisch gab
Der Bauer Antwort: »ach, der Sperlingsfalke!«
Und weiter ritt Garin bis an ein Haus,
Da saß, ihm abgewandt, ein Waffenschmied,
Der auf sein Werk gebeugt an einem Helm
Auf seinen Knieen emsig nietete.
Dieselbe Frage that er, doch der Mann
Sah sich nicht um, noch auf, und brummte nur:
»Freund, wer zu thun hat für den Sperlingsfalken,
Der hat für müß'ge Frager keine Zeit.«
Worauf Garin ausbrach in heller Wuth:
»Zehntausend Pipse krieg' Eu'r Sperlingsfalk';
Ich wollt', die ganze winz'ge Vogelwelt,
Zaunkön'ge, Meisen, pickten ihn zu Tod!
Ihr meint wohl, das Geschnatter Eures Dorfs
Sei aller Welt Gespräch? Was schert es mich?
Armsel'ge Sperlingsbande, Mann für Mann,
Die Ihr von nichts als Sperlingsfalken pfeift!
Sprich, wenn du nicht, wie Alle, falkentoll,
Wo kann ich Herberg' finden für die Nacht,
Und Waffen, Waffen, daß ich meinen Feind
Bekämpfe, sprich?« da wandte sich bestürzt
Der Waffenschmied, und als er Jemand sah
In Purpurseide prächtig angethan,
Trat er hinaus, den Helm noch in der Hand,
Und sprach: »Verzeiht, o fremder Rittersmann;
Wir halten ein Turnier hier morgen früh,
Und haben zweimal mehr zu thun, als Zeit.
Und Waffen? traun, da weiß ich keinen Rath;
Hier braucht man alle; Herberg'? traun, ich weiß
Euch keine, höchstens bei Earl Yniol,
Jenseits der Brücke dort.« – So sprach der Mann,
Und ging schon wieder hämmernd an sein Werk.
Zur Brücke ritt, noch ärgerlich, Garin,
Und hinter ihm lag bald die trockne Schlucht;
Dort saß und sann der weißgelockte Earl,
Sein ganzer Anzug abgetragne Pracht,
Doch einst der höchsten Feste würd'ge Zier,
Und fragte: »schöner Sohn, wohin?« – Garin
Versetzte: »Herr, ich suche für die Nacht
Ein Obdach.« – »Dann,« sprach Yniol, » tretet ein,
Und theilet eines Hauses magre Kost,
Das einstens reich, jetzt zwar ein armes Haus,
Doch dessen Thüren immer offen stehn.«
Worauf Garin: »ehrwürd'ger Freund, habt Dank;
Tischt Ihr mir nur nicht Sperlingsfalken auf
Zum Nachtmahl, tret' ich ein und esse mit;
Zwölfstündig Fasten schärft die Lust dazu.«
Da seufzt' und lächelte der greise Earl,
Und gab zur Antwort: »tiefern Grund, als Ihr,
Hab' ich, zu fluchen diesem Heckendieb,
Dem Sperlingsfalken; aber kommt herein;
Wir wollen ihn auch nicht einmal im Scherz
Erwähnen, falls nicht Ihr es selber wünscht.«
Garin ritt in den Schloßhof, und sein Roß
Trat mancher Distel auf den Stachelkopf,
Die wuchernd wuchs im bröckelnden Gestein.
Ruinenhaft war Alles, was er sah;
Hier stand noch ein verfallner Bogengang
Im Schmuck des Farrnkrauts; dort am Boden lag
Ein halber Thurm, zwar umgestürzt, doch ganz
Dem Felsstück gleich, das von der Klippe rollt,
Und wie der Fels von wilden Blumen bunt.
Dort wand ein Bruchstück Wendeltreppe sich,
Von Füßen ausgetreten, die nicht mehr
Auf Erden schritten, nackt zum Himmel auf;
Und riesige Epheustämme klammerten,
Die rauhbehaarten Arme weitgestreckt,
Sich fest an die geschwärzten Mauern an,
Und sogen sich in alle Fugen ein,
Inwärts ein Schlangenknäu'l, nach außen Wald.
Und während er im Schloßhof wartend stand,
Klang durch der Halle offnes Fenster hell
Enid's Gesang, der Tochter Yniols.
Sie sang, und wie wenn einen Landenden
Auf einer Insel abgelegnem Strand
Ein Vogel grüßt mit lieblichem Gesang, –
Und jener sinnen muß, von welcher Art
Der Vogel sei, der so bezaubernd singt,
Und sich Gefieder vorstellt und Gestalt, –
So rührte Enid's süßer Sang Garin;
Ihm ward, wie Morgens einem Wandersmann,
Wenn er zuerst die schmelzende Musik
Des Lieblingssängers aller Menschen hört,
Der über manche stürmische Woge hin
Nach England zieht, und unversehns im Lenz
Aus eines Dickichts bunter Mosaik
Sich hören läßt, – der Wandrer steht und lauscht,
Der Landmann läßt das Werk der Hände ruhn,
Und Jeder denkt und spricht: »die Nachtigall!«
So ward's Garin zu Sinn, er dachte laut:
»Das ist die Stimme, beim allmächt'gen Gott,
Der Einzigen, die mir gehören soll.« –
Nun war das Lied, das Enid sang, ein Lied
Vom Glück und seinem Rad, und Enid sang:
»Glück, dreh' dein Rad, den Stolzen mache klein;
Dreh' wild dein Rad bei Sturm und Sonnenschein;
Dein Rad und du sind uns nicht lieb noch leid.
»Glück, dreh' dein Rad, und wechsle dein Gesicht;
Dein tolles Rad, uns hebt und stürzt es nicht;
Arm sind wir nur, doch unsre Herzen weit.
»Lach' uns, wir lächeln, Herrn von vielem Land;
Zürn' uns, wir lächeln, Herrn durch eigne Hand;
Ein Mann beherrscht sein Schicksal allezeit.
»Dreh', dreh' dein Rad, dir jauchzt nur Pöbel zu,
Verschwomm'ne Schatten sind dein Rad und du;
Dein Rad und du sind uns nicht lieb noch leid. –«
»Hört, und erkennet an des Vogels Sang
Sein Nest,« sprach Yniol, »tretet herzhaft ein.«
Und über einen Berg von neuerdings
Gefall'nen Steinen ging es in den Saal,
An düstern Sparr'n und Spinngeweben reich.
Dort fand er eine Dame, schon bejahrt,
In dunkelm Sammet; aber neben ihr
Gleich einer Blume, deren Weiß und Roth
Nur heller absticht vom verwelkten Beet,
Saß Enid, ihre schöne Tochter, ganz
In abgetragner Seide. – Nur ein Blick,
Und ihm im Herzen sprach's: »bei Gottes Kreuz,
Hier ist die einz'ge mir bestimmte Maid!«
Doch stumm blieb Jeder, bis der greise Earl
Begann: »das Roß des guten Ritters steht
Im Hofe, Tochter, bring' es in den Stall,
Und gieb ihm Korn, und gehe dann zur Stadt,
Und kauf' uns Fleisch und Wein; wir wollen heut'
Einmal nach besten Kräften fröhlich sein;
Arm sind wir nur, doch unsre Herzen weit.« –
Sprach's, und der Fürst, als Enid sich erhob,
That einen Schritt, als wär' er gern gefolgt;
Allein nach seiner Purpurschärpe griff
Jetzt Yniol, hielt ihn fest und sprach: »verweilt:
Ein edles Haus, wenn auch verarmt, mein Sohn,
Erträgt nicht, daß sein Gast sich selbst bedient.«
Und den Gebrauch des Hauses ehrend stand
Garin von weiterm Ritterdienste ab. –
Und Enid zog sein Streitroß in den Stall,
Nahm dann vom Schloß hinunter ihren Weg
Zur Stadt, und während noch der Fürst und Earl
Zusammen sprachen, kam sie schon zurück;
Und einen Korb trug ihr ein Knabe nach
Mit guten Dingen, wie sie nöthig sind
Zu herzlicher Bewirthung, Fleisch und Wein.
Und Enid bracht' auch süße Kuchen mit,
Daß sie sich gütlich thäten; und geknüpft
In ihren Schleier feines Semmelbrod.
Das Fleisch dann briet sie, weil ihr Saal zugleich
Als Küche diente; breitete das Tuch,
Und stand bedienend hinter ihrem Sitz.
Und als Garin sie nun so willig sah,
Und lieblich, ward in ihm ein Sehnen wach,
Sich bückend ihren kleinen zarten Daum,
Zu küssen, der das große Speisebrett
Beim Niedersetzen gar zu reizend hielt.
Doch nach dem Mahl, und als der edle Wein
Garin wie Sommer durch die Adern floß,
Da folgten seine Augen ihr entzückt,
Und ruhten nur auf Enid, wie sie still
Die Arbeit einer Magd verrichtete,
Bald hier, bald dort im schlechterhellten Saal;
Und plötzlich hob er an zum greisen Earl:
»Mein edler Wirth und Earl, ich wende mich
An Eure Güte: dieser Sperlingsfalke,
Wer ist er? gebt mir Auskunft über ihn.
Sein Name? doch, den sagt mir lieber nicht;
Denn meiner Treu', wenn es der Ritter ist,
Den in die neue Burg vor Eurer Stadt,
Aus der noch kaum der letzte Maurer fort,
Ich reiten sah, so bindet mich ein Schwur,
Daß er mir selbst ihn nennen soll: – ich bin
Garin von Devon, – denn als heute früh
Die Königin ihr Fräulein abgesandt,
Den Namen zu erfragen, schlug sein Zwerg,
Die niederträcht'ge Mißgeburt, nach ihr
Mit seiner Peitsche, denkt! – sie kam empört
Zur Königin zurück, worauf ich schwur,
Der Spur des Schurken bis in seinen Bau
Zu folgen, seinen Stolz im Kampf zu brechen,
Und von ihm selbst zu hören, wie er heißt.
Fort ritt ich unbewehrt: ich dachte mir,
Ich fände Waffen wohl in Eurer Stadt;
Doch hier, so scheint's, sind alle Leute toll,
Und halten ihres Dorfbachs Murmelton
Für Wogenbrausen, das die Welt durchhallt;
Sie hörten mich nicht an; doch wenn Ihr wißt,
Wo Waffen aufzutreiben, oder auch
Selbst Waffen habt, so sagt es: denn Ihr seht,
Ich hab' geschworen, daß ich seinen Stolz
Zu nichte machen, daß ich hören will,
Wie er sich nennt, und daß ich rächen will
Den frechen Hohn, den er der Königin bot.«
Da rief Earl Yniol: »Seid Ihr in der That
Garin, ein Name, weit und breit berühmt
Um edle Thaten? Traun, mir ahnte schon,
Als ich Euch auf der Brücke kommen sah,
Ihr wärt was Großes; und ich schloß es gleich
Aus Tracht und Haltung, Ihr gehörtet wohl
Zu denen, die im Saal zu Camelot
Mit Artus speisen. Und ich spreche, traun,
Auch nicht aus lächerlicher Schmeichelei,
Denn Eure Waffenthaten hab' ich oft
Dem lieben Kind gerühmt, und wenn ich schwieg,
Hat sie gefragt, und immer gern gehört;
So großen Reiz hat edler Thaten Ruf
Für edle Herzen, die nur Unthat sehn. –
Kein Weib hat je solch Freierpaar gehabt,
Wie dies mein Mädchen hier; zuerst Limours,
Ein Mensch, mit Sinn für nichts, als Lärm und Wein;
Er warb sogar im Rausch; ob er noch lebt,
Ich weiß nicht, doch er ging in's wilde Land.
Der zweite war Eu'r Feind, der Sperlingsfalke,
Mein Fluch, mein Neffe; nie so lange mir
Ein Wille bleibt, sprech' ich den Namen aus;
Und weil ich ihn erkannt als wild und wüst,
Wies ich ihn ab; da ward sein Hochmuth wach,
Und weil ein stolzer oft ein schlechter Mann,
So träufelt' er Verläumdung in das Ohr
Der Welt, behauptend, daß sein Vater Gold
Ihm hinterlassen und mir anvertraut,
Was ich veruntreut, – meine Dienerschaft
Verführt er mir mit goldnen Hoffnungen,
Und um so leichter, da mein Hab und Gut
Durch Gastlichkeit und allzeit offne Thür
Gemach erschöpft war: – wiegelte die Nacht
Vor dem Geburtstag meiner Enid mir
Die eigne Stadt auf, plünderte mein Haus,
Beraubte schändlich meines Earlthums mich,
Der Schurke, – baute jene neue Burg,
Um meiner Freunde Muth zu brechen, auf,
– Denn wirklich, Manche sind noch jetzt mir hold, –
Und hält mich fest in diesem Trümmerschloß;
Hier hätt' er längst den Tod mir angethan,
Verachtete sein Stolz mich nicht zu tief.
Und selbst veracht' ich hin und wieder mich;
Denn wie sie wollte, ließ die Welt ich gehn,
Und war zu gut; nie braucht' ich meine Macht;
Auch weiß ich selbst nicht, ob ich memmenhaft,
Ob äußerst tapfer bin, ob weise sehr,
Ob äußerst närrisch; eines weiß ich nur:
Was mir auch Uebles widerfahren mag,
Es ficht mir weder Herz noch Glieder an,
Und Alles kann ich tragen in Geduld.«
Drauf Jener: »Wohl gesprochen, biedres Herz,
Doch Waffen! denn, wie ich vermuthe, ficht
Eu'r Neffe selbst im morgenden Turnier;
Dort brech' ich seinen Stolz.« – »Ich habe wohl,«
War Yniols Antwort, »Waffen, aber alt
Und rostig, alt und rostig, Fürst Garin;
Euch stehn sie, wenn Ihr sie begehrt, zu Dienst;
Doch Niemand kämpft in diesem Waffenspiel,
Wenn nicht die Dame dort ist, die er liebt.
Zwei hohe Gabeln trägt der Wiesengrund,
Auf denen eine Silberstange ruht;
Der Sperlingsfalke wird darauf gesetzt,
Als Preis der Schönheit für die Schönste dort,
Und jeder Ritter, der im Feld erscheint,
Begehrt für seine Dame diesen Preis,
Und kämpft um ihn mit meinem würd'gen Neffen,
Der waffenkundig und von Knochen derb
Ihn immer seiner Dame noch gewann,
Und weil er jeden Gegner niederwarf,
Den Namen »Sperlingsfalke« selbst bekam;
Ihr aber, weil Ihr keine Dame habt,
Dürft gar nicht kämpfen.« –
Ihm zur Antwort gab
Garin mit Augen, die ihm leuchteten,
Zu seinem Ohr sich beugend: »mit Verlaub!
Laßt mich die lange Lanze brechen, edler Wirth,
Für dieses theure Kind; denn hab' ich gleich
Die schönsten Frauen unsrer Zeit gesehn,
Nie sah ich doch, und nirgends find' ich sonst,
Solch holdes Bild. Und wenn ich falle, bleibt
So fleckenlos ihr Name, wie zuvor;
Doch leb' ich, so wahrhaftig mach' ich dann
Zu meinem angetrauten Weibe sie,
So wahr mir Gott im Sterben gnädig sei.«
Da tanzte doch selbst Yniol's Dulderherz
In seiner Brust; das Glück stand vor der Thür;
Er sah sich um, doch sah er Enid nicht,
Denn ihren Namen hörend, war sie still
Hinaus geschlüpft; er sah die Mutter nur;
Da nahm er zärtlich ihre welke Hand
In seine beiden und sprach liebevoll:
»Ein Mädchen, Mutter, ist ein zartes Ding,
Auf das am besten sich das Weib versteht,
Das sie gebar. Begieb du dich zur Ruh';
Sprich aber noch, eh du dich legst, mit ihr,
Und prüf' ihr Herz, ob es den Fürsten liebt.«
So sprach der güt'ge Earl; sie lächelte
Und nickte viel, brach auf, und fand ihr Kind
Schon halb entkleidet, um zu Bett zu gehn.
Ihr beide Wangen küssend legte sie
Auf jede weiße Schulter eine Hand,
Hielt so sie fest und sah ihr in's Gesicht;
Und ihr der Männer ganzes Zwiegespräch
Im Saal erzählend, prüfte sie ihr Herz. –
Nie jagten sich auf offnem Felde so
Der Wolken Schatten mit dem Sonnenlicht,
Wie Roth und Blaß auf Enid's Angesicht
Beim Hören. Langsam, wie die Waage sinkt,
Wenn Gran auf Gran nur das Gewicht sich mehrt,
Sank auf die zarte Brust ihr süßes Haupt;
Kein Auge schlug sie auf, sie sprach kein Wort;
Ihr war so bang; es war so wunderbar;
Und ohne Antwort ging sie still zur Ruh'.
Doch Schlummer fand sie nicht, noch sänftigte
Die kühle Nacht das aufgeregte Blut;
An ihren Unwerth denkend lag sie da;
Und kaum begann der farblos bleiche Ost
Sich zu beleben in der Sonne Strahl,
Erhob sie sich, und rief die Mutter wach;
Sie schritten Hand in Hand zum Wiesengrund,
Wo man die ritterlichen Kämpfe hielt,
Und harrten dort auf Yniol und Garin.
Als Beide kamen, und Garin die Holde
Zuerst im Feld, und ihn erwartend, sah,
Da fühlt' er, wäre sie der Stärke Preis,
Zum Wanken brächte seines Armes Ruck
Die Idriskanzel. – Seinen Fürstenleib
Bedeckten Yniol's rost'ge Waffen nur,
Und doch schien fürstlich Haltung und Gestalt.
Nun kamen Ritter an und edle Frau'n,
Und nach und nach der Menschenstrom der Stadt,
Der um die Schranken rings sich ordnete.
Dort pflanzte man die Gabeln in den Grund,
Die Silberstange ward darauf gelegt,
Auf der ein goldner Sperlingsfalke saß.
Trompetentusch, – und Yniol's Neffe rief
Vor allem Volke seiner Dame zu:
»Tritt vor, und als der Schönen Schönste nimm
Der Schönheit Preis, den ich zwei Jahre lang
Für dich erstritt.« – Laut rief der Fürst: »laßt ab,
Denn hier steht Eine, seiner würdiger.«
Mit Ueberraschung und noch dreimal mehr
Verachtung wandte sich der Ritter um,
Und sah die Vier; und wie die helle Gluth
Am Jubelfest lodert, flammte sein Gesicht
Vor Haß und Aerger; »kämpfe denn darum!«
So brüllt' er laut; und dreimal prallten sie
Nun auf einander, dreimal splitterten
Die Lanzen; beide flogen sie vom Roß,
Und tauschten nun, sich schleppend, Hieb auf Hieb,
So dicht und wuchtig, daß das ganze Volk
Ein Staunen war, und von entfernten Mauern
Ein Klatschen, wie von Geisterhänden kam.
So zweimal fochten und verschnauften sie;
Der Schweiß des Ringens und der Blutverlust
Der starken Glieder zehrte Beider Kraft;
Doch gleich blieb Beider Kraft, bis Yniol's Ruf:
»Gedenk' des Hohns, den er der Königin bot,«
Den Ausschlag gab; die Klinge schwang Garin,
Durchhieb den Helm, und hieb den Knochen an,
Und fällte seinen Feind, und sprach, den Fuß
Auf seine Brust gestemmt: »wie heißt du nun?«
Zur Antwort stöhnte der gefallne Mann:
»Edyrn, Sohn Nudd's; o Scham, daß ich nun doch
Dir meinen Namen selber sagen muß;
Mein Stolz ist hin; die Welt sah meinen Fall.« –
»Edyrn, Sohn Nudd's, jetzt sollst du,« sprach Garin,
»Wenn dir dein Leben lieb, zwei Dinge thun;
Zuerst: mit deiner Dame reitest du,
Und deinem Zwerg, an Artus' Hof, und dort
Erflehst du Gnade von der Königin
Für jene Frechheit, die du jüngst verübt,
Und harrest ihres Richterspruchs; – sodann:
Sein Earlthum giebst du deinem Ohm zurück;
Des Todes bist du, thust du beides nicht.«
Edyrn versetzte: »Beides will ich thun;
Denn ich, der nimmer überwunden ward,
Bin nun von dir besiegt; gebrochen ist
Mein Stolz, denn Enid schaute meinen Fall.«
Dann stand er auf und ritt an Artus' Hof;
Und leicht verzieh ihm dort die Königin;
Und weil er jung, so wurde noch aus ihm
Ein neuer Mensch; er lernte mit der Zeit
Die Sünde, die so sehr der seinen glich,
An Modred hassen, Artus' Schwestersohn;
Und fiel nach Jahren in der großen Schlacht
Als Streiter seines königlichen Herrn.
Doch als der dritte Morgen nach der Jagd
Am Horizont sein Dämmerlicht ergoß,
Und es im Epheu an zu flattern fing,
Ward Enid munter, denn ihr schönes Haupt
Beschien ein falber Sonnenstrahl, und Schatten
Der Vögel tanzten über ihr Gesicht. –
Und sie besann sich des an Fürst Garin
Erst gestern Abend spät gegebnen Worts,
– So fest war sein Entschluß, am dritten Tag
Zu reisen, daß er ihr nicht Ruhe ließ,
Bis sie's ihm zugesagt, – am nächsten Morgen
Mit ihm zu reiten an des Königs Hof,
Um vorgestellt der hehren Königin,
Und dann daselbst mit Prunk und Festlichkeit
Vermählt zu werden. Plötzlich fiel ihr Blick
Auf ihren Anzug, und sie meinte nun,
Daß er noch nie so ärmlich ausgesehn. –
Denn so, wie gegen des Octobers Laub
Sich traurig ausnimmt ein Novemberblatt,
So kam der Anzug, wie sie jetzt ihn sah,
Ihr schlechter vor, als sonst er ausgesehn,
Bevor Garin gekommen. Sie besah
Ihn fort und fort, und Angst beschlich ihr Herz
Vor etwas seltsam, prachtvoll Schrecklichem,
Vor einem Hof, wo alle Leute sie
In ihrem abgetragnen Seidenkleid
Anstarren würden; sie verzagte schier,
Und ihres süßen Herzens Stimme sprach:
»O güt'ger Himmel, dieser edle Fürst,
Der unser Earlthum uns zurückgewann,
Und der in seinem Thun und seiner Tracht
So herrlich ist, wie schad' ich seinem Ruhm!
Wie möcht' ich gern, er könnte noch allhier
Ein Weilchen bleiben! Aber da wir schon
Dem Fürsten so verpflichtet, ziemt' es wohl
Uns Allen schlecht, entschlossen, wie er schien,
Heut', als am dritten Tage, fortzugehn,
Wenn wir von ihm noch eine zweite Gunst
Erbitten wollten. Dennoch, könnt' er nur
Noch einen Tag verweilen oder zwei! –
Viel lieber näht' ich mir die Augen blind,
Die Finger lahm, als ihm ein Schimpf zu sein.«
Und Enid dachte sehnend an ein Kleid,
Das ganz mit Gold durchwirkt war und verbrämt,
Der guten Mutter köstliches Geschenk,
Das am Geburtstagsabend sie bekam,
Es war drei lange trübe Jahre her,
Die Feuernacht, in welcher einst ihr Schloß
Erstürmt von Edyrn, und ihr Hab und Gut
Geplündert ward nach allen Winden hin.
Die Mutter hatt' ihr grad' das Kleid gezeigt,
Sie wandten es bewundernd hin und her,
– So köstlich war die Arbeit, – da erscholl
Geschrei, die Leute Edyrn's brächen ein. –
Sie flohn, und außer dem Juwelenschmuck
An ihrem Leibe, bargen sie nicht viel;
Der Schmuck ward weggegeben, Stück für Stück,
Um Brod zu kaufen. – Aber Edyrn ließ
Die Flücht'gen greifen, und zum Aufenthalt
Bestimmt' er ihnen dies verfallne Schloß. –
Sie wünschte nur, es hätte sie der Fürst
Gefunden noch in ihrem frühern Haus;
Und ließ dann schweifen ihre Phantasie
In alte Zeiten, und durchwanderte
Die lieben Plätze, die sie einst gekannt.
Zuletzt besann sie sich auf einen Teich
Voll goldner Karpfen, die sie viel belauscht
In ihrer alten Heimath, aber ach,
Bei seinen blanken Brüdern in dem Teich
War einer fleckig, glanzlos, und entstellt.
Noch halb im Schlaf, kam ihr der Fischteich vor
Als Gleichniß ihrer eignen Aermlichkeit
Am prächt'gen Hof; so schlief sie wieder ein,
Und träumte, daß sie selbst solch häßlich Ding
Im Kreise goldner Teichgenossen sei.
In eines Königs Garten war der Teich;
Und ob sie gleich am tiefen Grunde lag,
Sie wußte doch, daß Alles voller Pracht,
Sah Vögel überall mit sonnigem
Gefieder hinter goldnem Gitterwerk,
Den Rasen reich an Beeten, die darauf
Gleich bunten Edelsteinen schimmerten.
Es kamen Herrn und Fraun des hohen Hofs,
In Silberstoff, von Staatsgeschäften redend;
Des Königs Kinder guckten aus der Thür,
In goldnen Kleidern, oder tanzten froh
Gang auf, Gang ab; und während Enid noch
Sich tröstete: »sie werden mich nicht sehn,«
Kam eine schöne Königin daher,
Die hieß Ginevra; – und die Kinder all'
In goldner Kleidung liefen hin und schrien:
»Laß' unsre Fische lauter goldne sein,
Und sag' dem Gärtner, daß er aus dem Teich
Wegfange das verblichene Geschöpf,
Und auf den Mist es werfe, daß es stirbt.«
Und Einer kam und haschte schon nach ihr;
Sie fuhr zurück und fand sich aufgewacht,
Noch ganz verstört von ihrem dummen Traum.
Doch sieh, die Mutter war's, die sie berührt,
Sie ganz zu wecken; und in ihrer Hand
Ein reichgeschmücktes Kleid; das legte sie
Vor ihr auf's Bett, und sprach im Jubelton:
»Sieh nur, mein Kind, wie frisch die Farben sind!
Wie ächt sie blieben! solche Farben hat
Die Muschel nur, die sich der Welle Glanz
Und Schönheit leiht. Was sollt' es nicht? Ich bin
Gewiß, daß es noch nicht getragen ist;
Betracht' es dir, und sag' mir, kennst du's noch?«
Und Enid sah noch ganz verwirrt es an,
Und konnt' es erst von ihrem närr'schen Traum
Kaum unterscheiden; dann mit einem Mal
Erkannte sie's und sagte freudenvoll:
»Ich kenn' es, ja, den gütiges Geschenk,
Das mir so kläglich in der Unglücksnacht
Verloren ging; dein gütiges Geschenk.«
»Und das nun fröhlich«, sprach das Mütterchen,
»Dir dieser sel'ge Morgen wiederschenkt.
Als gestern das Turnier beendet war,
Ging Yniol durch die Stadt und fand den Raub
Aus unsres Hauses Plündrung überall
Durch alle Häuser in der Stadt zerstreut,
Und gab Befehl, was unser Eigenthum
Gewesen sei, das soll' es wieder sein:
Da kam spät Abends gestern, als du noch
Mit deinem Fürsten zärtlich plaudertest,
Ein Mann, und gab das Kleid in meine Hand.
Ich weiß nicht, ob es Furcht, ob Liebe war,
Ob unsrer Gunst er sich empfehlen will,
Da jetzt das Earlthum wieder unser ist.
Und gestern Abend wollt' ich dir davon
Nichts sagen, für den Morgen spart' ich mir's,
Als freudige Ueberraschung; ja fürwahr,
Bist du nicht freudig überrascht, mein Kind?
Ich trug ja selbst mein fadenscheinig Kleid
Mit Widerwillen, wie du deines trugst;
Wie Yniol, wenn auch noch so duldsam, seins.
Ach Schatz, er freite mich aus gutem Haus,
Wo Prachtgeräth in Fülle, reiche Kost,
Und Magd und Page, Knecht und Seneschall,
Und Falk' und Hund zum Zeitvertreibe war,
Und Alles, was für edeln Stand sich ziemt.
Ja, und das Haus, in das er mich gebracht,
War gleichfalls gut; doch dann verkehrte sich
In Schatten unsres Glückes Sonnenschein, –
Durch jenes Buben Tücke, – grausam lag
Auf uns die Noth, doch nun kommt bessre Zeit;
Drum leg' ein Kleid an, das sich besser schickt
Für unser wiederhergestelltes Glück
Und eines Fürsten Braut. Der Schönheit Preis
Gewannst du zwar, und selbst hab' ich gehört,
Daß er der Schönen Schönste dich genannt;
Kein Mädchen aber, sei sie noch so schön,
Darf jemals denken, daß sie schöner nicht
In neuen, als in alten Kleidern ist.
Und sagte gar ein stolzes Weib am Hof,
Daß eine Kuckuksblume hinterm Zaun
Der Fürst sich aufgelesen, und sie nun
Als Hirnverrückter an den Hof gebracht, –
Du wärst entehrt, und schlimmer, brächtest Schmach
Dem Fürsten, dem wir tief verschuldet sind.
Doch zieht mein liebes Kind sein Bestes an,
So mag man suchen, wie vor alter Zeit
Nach Königin Esther rings im ganzen Reich, –
Wird Jeder doch, das weiß ich, eingestehn,
Daß Hof und Land nicht ihres Gleichen hat.« –
Die güt'ge Mutter, außer Athem, schwieg,
Und Enid lag und lauschte wonnevoll;
Dann, wie das weiße glitzernde Gestirn
Des Tags empor aus Schneegefilden steigt,
Und nach und nach in goldne Wolken schlüpft,
So stand vom jungfräulichen Lager nun
Das Mädchen auf und legte das Gewand,
Das schimmernde, sich ohne Spiegel an,
Doch sorglich half der Mutter Hand und Blick,
Die dann, die Tochter musternd, meinte, nie
Hab' sie bis jetzt sie halb so schön gesehn.
»Dem Mädchen aus der Sage gleichest du,
Die Gwydion aus Blumenduft erschuf;
Bist holder als die Braut Cassivelaun's,
Als Flur, um die der Römercäsar warb,
Um derentwillen er zum ersten Mal
In England einfiel; – den verjagten wir, –
So drang nun auch in unser Haus mit Sturm
Dein edler Fürst, – den jagten wir nicht fort,
Wir reichten ihm die Hand mit freud'gem Gruß.
Ich reite schwerlich mit Euch an den Hof,
Denn ich bin alt, der Weg ist rauh und wild;
Doch Yniol geht, und oft werd' ich im Traum,
Wie jetzt leibhaftig, meine Fürstin sehn,
Wie sie das Kleid, das ich ihr schenkte, trägt,
Und selber prunkt im Kreis der Prunkenden.« –
Indeß die Frau'n sich freuten, ward Garin
Im hohen Saal, wo er geschlafen, wach,
Und rief nach Enid, und als Yniol
Der guten Mutter Thun berichtete, –
Sie zier' ihr Kind, mit einem Kleid, so schön,
Wie seiner Fürstin oder in der That
Der hehren Königin selber würdig sei, –
Gab er zur Antwort: »Earl, ersuchet sie
Bei meiner Liebe, sagt ihr keinen Grund,
Als meinen Wunsch, sie solle mit mir reiten
In ihrem abgetragnen Seidenkleid.«
Mit dieser harten Botschaft ging der Earl;
Sie fiel, wie Hagelschlag im Sommer fällt,
Und fröhliches Getreide niederlegt.
Erstarrt vor Schreck hatt' Enid nicht den Muth,
Der guten Mutter in's Gesicht zu sehn,
Doch schweigend und ergeben löste sie
Vom Leibe das gestickte Prachtgeschenk,
– Die Mutter stand verstummt und half ihr nicht, –
Dann legte sie den alten Anzug an,
Und stieg hinab. Nichts kommt der Freude gleich,
Mit der Garin sie grüßt' in dieser Tracht;
Doch trieb sein Blick, der also scharf sie traf,
Wie wenn der Spatz des Pflügers Arbeit prüft,
Ihr heiße Gluth in's Antlitz, und sie schlug
Die Augen nieder; doch zufrieden war
Garin mit ihrem lieblichen Gesicht.
Und als er nun auf ihrer Mutter Stirn
Noch Wolken wahrnahm, nahm er hastig sie
Bei beiden Händen und sprach liebevoll:
»O meine neue Mutter, grämt Euch nicht,
Und zürnt der Bitte nicht des neuen Sohns!
Denn als ich jüngst Caerleon verließ,
Versprach mir unsre große Königin
Mit Worten, die so lieblich, daß ich noch
Ihr Echo höre, welches Mädchen auch
Als Braut ich brächte, selber wolle sie
Sie kleiden, wie die Sonn' am Himmel strahlt.
Als ich hernach dies Trümmerschloß erreicht,
Und soviel Schönheit hier im Dunkel sah,
Gelobt ich mir, könnt' Enid ich erringen,
Daß Euer Kind, von keiner andern Hand,
Als unsrer güt'gen Königin geführt,
Die Wolken sonnengleich durchbrechen sollte. –
Auch hab' ich mir vielleicht dabei gedacht,
Daß ein so huldvoll ihr erwies'ner Dienst
Die Beiden eine durch der Liebe Band;
Denn, daß sie Freundschaft schließen, ist mein Wunsch;
Ein edler Wesen findet Enid nie
Zur Herzensfreundin. – Weiter dacht' ich noch:
Ich trat hier unter Euch so plötzlich auf,
Daß, wenn auch ihre holde Gegenwart
Bei dem Turnier ein redend Zeugniß war,
Sie liebe mich, – ich dennoch zweifelte,
Ob sie nicht etwa nur aus Zärtlichkeit
Für Euch, als Eltern, fügsam von Natur,
Sich Euren Wünschen für ihr Wohl bequemt;
Ob nicht verkehrte Lust an meinem Glanz,
Dem ungewohnten, ihre Phantasie,
Die stets in diesem düstern Schloß geweilt,
Bestochen, und ein Sehnen nach dem Hof
In ihr geweckt, und seinen mißlichen
Und eiteln Freuden, und da dacht' ich nun:
Fänd' ich in ihr durch Prüfung solche Kraft,
Gepaart mit Liebe, die nicht zögerte,
Ohn' andern Grund, als auf ein Wort von mir,
Von sich zu werfen den für Weibersinn
So theuren Schmuck, der durch die Neuheit ihr
Nur um so theurer, oder, wenn nicht neu,
Ihr dennoch zehnfach theurer durch die Macht,
Die lang Entbehrtes, lieb Gewordnes übt, –
Dann, fühlt' ich, könnte meine Zuversicht
Auf ihre Treue stehn, dem Felsen gleich
Im Wogendrang, – beruhigt bin ich nun,
Und sprech' es aus als gläubiger Prophet,
Daß auch kein Schatten eines Argwohns je
Uns trennen wird. – Gewährt Vergebung mir
Für meine Zweifel, und die Seltsamkeit
Deß, was ich bat, und meine Sühnung soll
Dereinst in einem Wonnetag bestehn,
Wenn angethan mit Eurem Prachtgeschenk
Eu'r schönes Kind an Eurem warmen Heerd
An Eurer Seite sitzen wird, im Schooß
Vielleicht, wer weiß, ein anderes Geschenk
Des gnäd'gen Gottes haltend, das von uns
Gelernt hat, Euch zu stammeln seinen Dank.« –
Er sprach's; die Mutter lächelte, noch halb
In Thränen schwimmend, hüllte dann ihr Kind
In einen Mantel und umarmte sie
Mit vielen Küssen, und sie ritten ab. –
Zum dritten Mal an diesem Morgen klomm
Ginevra jetzt den Riesenthurm hinan,
Von dessen hoher Zinne, wie man sagt,
Die schönen Hügel Somersets zu sehn,
Und weißer Segel Flucht auf gelber See;
Doch heute sah die hehre Königin
Nach schönen Hügeln nicht und gelber See;
Sie blickte nur in's flache Wiesenthal
Des Usk so lang, bis sie sie kommen sah;
Stieg dann hinab, und fand sie schon am Thor,
Schloß Enid dann als Freundin an ihr Herz,
Erwies ihr Ehren, als des Fürsten Braut,
Und schmückte sie für ihren Hochzeitstag
Der Sonne gleich; und eine Woche lang
War Fest im alten Schloß Caerleon;
Denn prunkvoll wurde dort dies Paar vermählt
Durch Dubrio's Hand, des hohen Heiligen. –
Dies war um Pfingsten im vergangnen Jahr;
Allein das abgetragne Seidenkleid
Hielt Enid heilig, als Erinnerung,
Wie er zum ersten Male vor ihr stand,
Als sie noch diesen armen Anzug trug,
Und wie Garin sie dennoch liebgewann;
Und ihrer kind'schen Angst um dieses Kleid
Und seiner ganzen Reise dachte sie,
Von der er jeden Umstand ihr erzählt,
Und ihres Kommens an des Königs Hof. –
Und diesen Morgen, als er ihr gesagt:
»Leg' an dein schlechtstes und geringstes Kleid,«
Da ging sie hin, und nahm's und zog es an. –
O blöder Menschen klägliches Geschlecht!
Wie viele nehmen, diese Stunde noch,
Für Wahrheit Trug, und Trug für Wahrheit hin,
Und schmieden selbst sich lebenslanges Leid,
Und tappen blind im Zwielicht dieser Welt,
Bis sich des Jenseits Pforten aufgethan,
Wo Jeder schaut und Jeder wird durchschaut!
So stand es jenen Morgen mit Garin;
Sie brachen auf und saßen bald zu Roß;
Und er, vielleicht weil er so heiß und tief
Sie liebend dennoch fühlte, daß er jetzt
Nicht reden dürfe, solle nicht der Sturm,
Der ihm im Herzen grollte, donnernd sich
Auf ihr so theures Haupt entladen, sprach:
»Nicht mir zur Seite, vor mir reitest du,
Und bleibst mir stets ein gutes Stück voraus;
Und dies befehl' ich dir bei deiner Pflicht
Als Gattin: komme, was da kommen mag,
Daß du kein Wort mit mir zu sprechen wagst.«
Entsetzt war Enid, und sie ritten ab;
Doch kaum drei Schritte weit, da rief Garin:
»Ein Weichling, wie ich bin, erkämpf' ich mir
Doch meinen Weg mit goldnen Waffen nicht;
Nur Eisen brauch' ich;« und vom Wehrgehenk
Die mächt'ge Börse lösend, warf er sie
Dem Knappen nach, und Enid's letzter Blick
Auf ihre Heimath sah den goldnen Regen,
Der auf der Marmorschwelle funkelte,
Und wie der Knappe sich die Schulter rieb.
Auf's Neue rief er nun: »in's Räuberland!«
Die Fährten, die er wies, schlug Enid ein,
Ihm stets voraus; so überschritten sie
Die Gränzen, und so ging der stumme Ritt
An Burgen hin, von Räuberbrut bewohnt,
Durch graues Moor, durch Bäche, Haideland
Und Wildniß, stets auf Pfaden voll Gefahr.
Im Anfang rasch, erlahmte bald ihr Schritt,
Und hätt' ein Fremder sie so reiten sehn,
So langsam und so bleich von Angesicht,
Er hätte sicher still für sich gedacht,
Daß Beiden Unerhörtes angethan.
Denn immer wieder sagte sich Garin:
»Ich Thor, der seine Zeit vergeudete,
Nur ihr zu dienen, – der sie ganz umgab
Mit zarter Ehrfurcht, schön sie kleidete,
Und ihrer Treue Wächter war,« – hier brach
Garin im Herzen den Gedanken ab,
Wie wohl ein Mann den Lauf der Zunge hemmt,
Wenn ihn die Leidenschaft bemeistern will.
Und Enid's ganze Seele war Gebet
Zum gnäd'gen Himmel, ihren theuern Herrn
Vor Wunden zu bewahren unversehrt.
Im Geiste sann und sann sie hin und her,
Was sie denn Arges unbewußt gethan,
Das ihn so kalt und finster blicken ließ;
Bis, wenn der große Regenvogel pfiff,
Fast menschengleich, das Herz ihr schauderte,
Und ihre Furcht in jedem schwanken Busch
Den Hinterhalt der Feinde lauern sah.
Dann wieder sann sie: »hab' ich auch gefehlt,
So könnt' ich mit des Himmels Beistand wohl
Es besser machen, spräch' er nur mit mir,
Und wollt' er mir nur sagen, was es ist.«
Doch als des Tages vierter Theil dahin,
Sah Enid wirklich drei Berittene
In voller Rüstung und von hohem Wuchs,
Drei Schelme, die auf Enid und Garin
Im Schatten eines Felsens lauerten;
Und Einer rief, – sie hört' es, – »Bruder sieh,
Hier kommt ein fauler Kerl und hängt den Kopf;
Der wehrt sich nur, wie ein gepeitschter Hund;
Wir wollen ihn erschlagen, komm'; sein Pferd
Und seine Rüstung nehmen wir ihm ab,
Und unser werden soll sein hübsches Weib!« –
Und Enid's Herz erwog es und beschloß:
»Ich kehr' ein Weilchen um zu meinem Herrn,
Und sag' ihm all' ihr schurkisches Gespräch;
Denn, zürnt er auch, daß seine Hand mich schlägt, –
Weit lieber Tod von seiner theuren Hand,
Als daß mein Herr in Schimpf und Schaden kommt.«
Sie ritt zurück, doch wenig Schritte nur;
Blieb schüchtern fest, als sie sein Zornblick traf,
Und sprach: »mein theurer Herr, am Felsen dort
Hab' ich drei Räuber auf Euch lauern sehn;
Und hab' es angehört, wie sie geprahlt,
Sie wollten Euch ermorden, Eures Pferds
Und Eurer Rüstung sich bemächtigen,
Und Euer Weib soll' ihre Beute sein.« –
Er schnob sie zornig an. »hab' ich verlangt,
Daß du mich warntest, oder daß du schwiegst? –
Nur den Befehl, daß du nicht mit mir sprichst,
Ertheilt' ich dir, und du befolgst ihn so? –
Wohl, hüte dich, – du sollst jetzt selber sehn, –
Magst du nun Sieg mir wünschen oder Schmach,
Mag' es mein Leben sein, um das dir bangt,
Mag' es mein Tod sein, den du heiß ersehnst, –
Daß meine Kraft noch nicht verloren ist.«
Nun harrte Enid bleich und angstgepreßt,
Und die drei Räuber stürmten auf ihn ein;
Garin, ansprengend auf den Mittelsten,
Trieb ihm durch Brust und Rücken seinen Speer,
Und schwang auf seiner Spießgesellen Paar,
Die jeder seine Lanze gegen ihn
Gebrochen hatten, – doch sie splitterten
Gleich Zapfen Eises, – sein gewicht'ges Schwert;
Es sauste rechts, es sauste links herab;
Da lagen sie, bewußtlos oder todt.
Er stieg vom Pferd, und wie der Jägersmann
Das Fell des Raubthiers nimmt, das er erlegt,
So zog er die drei schönen Rüstungen
Den drei vom Weib gebornen Wölfen ab,
Ließ ihre Leiber liegen, aber band
Die Rüstungen auf eines Jeden Pferd;
Verknüpfte dann die Zügel aller drei,
Und sprach zu Enid: »treib' sie vor dir her,«
Und durch die Wildniß trieb sie sie dahin. –
Er folgte näher; Mitleid sänftigte
Schon seinen Groll, wenn er das Wesen sah,
Das auf der ganzen Welt sein Liebstes war,
Wie mühsam sie mit milder Fügsamkeit
Die Pferde trieb. Gesprochen hätt' er gern,
Und sich durch Worte rascher Leidenschaft
Vom Zorn und unterdrückten Schmerz befreit,
Die ihm am Herzen nagten. Doch es schien
Ihm leichter noch, erbarmungslos mit eins
Sie todtzuschlagen, als zu rufen: »halt«,
Und sie vor ihrem klaren Angesicht
Der leisesten Unziemlichkeit zu zeihn.
So stumm gemacht, erbost' es ihn noch mehr,
Daß sie zu sprechen fähig, die gesagt: –
Er hatt' es ja mit eignem Ohr gehört, –
Sie wäre falsch, – und die Minuten wurden
In dieser Qual für ihn zur Ewigkeit.
Doch eh noch eine kaum so lange Frist
Verstrichen war, wie zu Caerleon
Der Usk sich Ruhe gönnt nach höchster Fluth,
Bevor er wieder abwärts rinnt zum Meer,
Sah Enid, deren Augen nichts entging,
An einem dünnbestandnen Waldessaum,
Von rauhen Eichenstämmen halb verdeckt
Drei neue Reiter lauern, wohlbewehrt,
Von denen Einer noch weit größer schien,
Als ihr Gemahl; und ihr gerann das Blut,
Als er den Andern zurief: »seht, ein Fang!
Drei Pferde mit drei schönen Rüstungen;
Und nur ein Mädchen hütet sie; greift an!«
»Nein,« sprach der Zweite, »denn ein Ritter folgt.«
Der Dritte meinte: »wie der Kopf ihm hängt!
Er nimmt sich aus, wie ein geschlagner Hahn.«
Der Riese lachte: »wirklich, Einer nur?
Bleibt hier, und kommt er näher, fallt ihn an.«
Und Enid's Herz erwog es und beschloß:
»Ich warte, bis mein Herr mir näher kommt,
Und sag' ihm ihre ganze Schurkerei. –
Mein Herr ist müde von dem Kampf vorhin,
Und Jene griffen hinterrücks ihn an.
Ich muß aus Noth ihm ungehorsam sein,
Sein Heil verlangt es; wie vermöcht' ich wohl
Ihm zu gehorchen, wenn's ihm Schaden bringt?
Nothwendig muß ich sprechen; wenn er auch
Dafür mich tödtet, nun, so rett' ich doch
Ein Leben, das mir mehr als meines gilt.«
Sie harrte, bis er kam und fragte dann
Mit banger Festigkeit: »ertheilt Ihr mir
Erlaubniß, daß ich reden darf?« – Er sprach:
»Du nahmst sie, da du sprichst.« – Da sagte sie:
»Drei Schurken lauern dort auf Euch im Wald,
Mit voller Rüstung alle drei versehn;
Und Einer ist noch viel gewaltiger,
Als Ihr, von Gliedern; sie besprachen sich,
Euch anzufallen, wenn Ihr näher kommt.«
Gar grimmig klang, was er zur Antwort gab:
»Und wären ihrer Hundert dort im Wald,
Und jeder stärkern Gliederbau's als ich,
Und fielen Alle mich auf einmal an,
Ich schwör's, nicht so verdrießen würd' es mich,
Als daß du nicht gehorchst. Zur Seite nun!
Und fall' ich, wähl' dir einen bessern Mann.«
Und Enid trat zurück, und harrte still
Des Ausgangs, doch dem Kampfe zuzusehn,
War ihr nicht möglich; Stoßgebete nur,
Bei jedem Streich ein neues, hauchte sie.
Nun stürmte der ihr Schrecklichste zuerst
Auf ihn heran, und zielte nach dem Helm;
Fehl ging die Lanze, doch der Speer Garin's,
Wiewohl im jüngsten Kampf beschädigt, drang
Mit Macht dem Riesen durch das Panzerhemd;
Dann brach er ab, doch war der Feind gefällt,
Und lag nun da, wie der, der dies erzählt,
Ein großes Bruchstück eines Vorgebirgs,
– Darauf ein Bäumchen, – von dem luft'gen Wall
Der Uferklippen niedergleiten sah,
Bis in die See, – das Bäumchen grünte fort, –
Gerade so lag der durchbohrte Mann. –
Und seiner Spießgesellen feiges Paar,
Das langsam nur dem Fürsten näher kam,
Blieb stehn, als es sein Bollwerk fallen sah. –
Allein der Sieger spornte schon sein Roß,
Und noch zu mehren ihre bleiche Furcht,
Erklang sein Schlachtruf, der entsetzliche;
Denn wie an des Gebirges wildem Bach
Der Wandrer, durch des nahen Wasserfalls
Gebrause lauschend, des entfernteren
Und höhern Falles, dumpfen Donner hört,
So horchten seine Krieger in der Schlacht
Dem Ruf Garin's, der sie begeisterte,
Die Feinde scheuchend, wie dies Schurkenpaar,
Das jetzt den Rücken wendete zur Flucht,
Doch eingeholt des gleichen Todes starb,
Den durch sie selbst so Mancher schuldlos litt.
Garin stieg ab und wählte sich den Speer,
Der ihm gefiel; drei schöne Rüstungen
Vom Leib der todten Wölfe zog er ab,
Und band sie fest auf eines Jeden Pferd;
Verknüpfte dann die Zügel aller drei
Und sprach zu Enid: »treib' sie vor dir her!«
Und Enid trieb sie vor sich durch den Wald.
Er folgte jetzt noch näher; ihre Noth,
Die zweimal drei mit klirr'nden Rüstungen
Beladnen Pferde stets in Reih und Glied
Zu halten auf des Waldes wildem Pfad,
Ward ihr zur Wohlthat, denn sie stumpfte doch
Allmählich ab den Stachel ihres Wehs.
Die Pferde selbst, entstammt aus edelm Blut,
Und nur durch Zufall in so schlechte Hand
Gefallen, und gemißbraucht lange Zeit
Im Dienst von Räubern, spitzten frohen Muths
Die schlanken Ohren und gehorchten gern
Dem leisen Ruf der zarten Lenkerin.
Das grüne Waldesdunkel wurde licht,
In's Freie traten sie hinaus und sahn
Auf einem Felsen eine kleine Stadt,
Mit Thürmen, und an ihrem Fuße lag
Ein Wiesengrund, der wie ein Edelstein
Vom Braun der Wildniß eingefaßt erschien.
Dort mähten Schnitter, und hernieder kam
Auf einem felsigen Fußpfad aus der Stadt
Ein schöngelockter Jüngling, der die Kost
Der Schnitter brachte. Da erbarmte sich
Ob Enid's Blässe wiederum Garin;
Er ritt hinunter in den Wiesengrund
Und sprach den schöngelockten Jüngling an:
»Freund, gieb zu essen dieser jungen Frau;
Sie ist so schwach.« Des Jünglings Antwort war:
»Von Herzen gern, mein edler Herr, und Ihr,
Erquickt Euch selbst, so schmal die Kost auch ist,
Für Schnitter nur berechnet.« – Seinen Korb
Vom Arme nahm er; Beide stiegen ab,
Und setzten auf den Rasen sich zum Mahl,
Indeß die Pferde weideten. Verwöhnt
Nahm Enid einen Bissen, nicht so sehr
Weil sie Verlangen trug nach solcher Kost,
Als weil sie dem Belieben ihres Herrn
Sich gar zu gern gefügt; allein Garin
Aß unversehns der Schnitter ganzes Mahl,
Und war bestürzt, die Schüsseln leer zu sehn,
Und sprach: »mein Sohn, ich aß Euch Alles auf,
Doch nimm ein Pferd sammt Rüstung als Entgelt;
Wähl' dir das beste.« – Roth im Uebermaaß
Der Wonne sprach der Jüngling: »edler Herr,
Ihr zahlt mir mehr als funfzigmal zu viel.«
»Wohl, um so reicher bist du,« rief der Fürst.
»So nehm' ich es als Gabe freier Huld,
Nicht als Entgelt,« versetzte jener nun;
»Denn während Eure liebe Dame ruht,
Kann ich mit Leichtigkeit nach Hause gehn,
Und frische Kost den Schnittern unsres Earls
Besorgen, denn die Leute hier sind sein,
Sein ist das Feld, sein eigen bin ich selbst.
Ich meld' ihm, welch ein großer Herr Ihr seid;
Er weiß es gern, wenn Männer hohen Rangs
In seinem Lande weilen. In sein Schloß
Wird er Euch laden, und Euch köstlicher
Daselbst bewirthen, als mit Schnitterkost.«
»Nicht beßrer Kost bedarf ich,« sprach Garin,
»Noch nimmer hat es mir so gut geschmeckt,
Als da ich Eure Schnitter hungern ließ;
Und mich verlangt nach keines Earls Palast;
Weiß Gott, zu viel Paläste kannt' ich schon;
Und wenn er mein begehrt, komm' er zu mir.
Ein gutes Obdach mieth' uns für die Nacht,
Und Stallung für die Pferde; kehre dann
Mit Speise für die Männer hier zurück,
Und mit Bescheid für uns.« –
Der junge Mann
In seiner Freude sprach: »es soll geschehn,
Mein güt'ger Herr,« und ging und trug den Kopf
Gar hoch, und kam sich selbst als Ritter vor;
Sein Roß am Zügel, auf dem Felsenpfad
Verschwand er, und sie waren nun allein.
Doch als der Fürst den Blick zurückgewandt
Vom Felsen, und ihn seitwärts gleiten ließ
Auf Enid, die sich kaum noch aufrecht hielt,
Da fiel sein schlecht erfülltes Wort ihm ein:
Nie sollte seinen Schatten zwischen sie
Ein Argwohn werfen, – und er seufzte tief.
Dann sah er mitleidsvoll und ärgerlich
Die rüst'gen Schnitter ohne Mittagsbrod
In voller Arbeit; sah dem Sonnenschein
Auf den geschwungnen Sensen lange zu,
Und nickte schläfrig bei der Hitze ein. –
Und Enid dacht' an ihr verfall'nes Schloß,
An das Gekrächz' der Dohlen in der Luft
Am wüsten Thurm, und pflückte langes Gras,
Das üppig in der Wiesenecke wuchs,
Und knüpfte Ketten draus und löste sie,
Bald vor, bald hinter ihrem Hochzeitsring,
Tief in Gedanken, bis der Jüngling kam,
Mit dem Bericht, ein Obdach sei bereit.
Sie gingen hin, und auf das Wort Garin's:
»Ruf' dir die Frau des Hauses, wenn du willst,«
Gab sie zur Antwort: »nein, ich dank' Euch, Herr.« –.
Und zwischen sich des weiten Saales Raum,
Verharrten Beide stumm, zwei Wesen gleich,
Die stumm geboren, oder wie ein Paar
Gemalter Wilden, das ein Wappen stützt,
In's Leere starrend, aber nimmermehr
Einander anblickt, durch den Schild getrennt. –
Da störte plötzlich ihren halben Schlaf
Vielstimmiger Lärm, der längs der Straße kam,
Und Wiederhall von Tritten auf dem Stein.
Sie sprangen auf; da fuhr die Thüre schon
Durch einen Stoß von außen an die Wand;
Inmitten einer Zechgesellenschaar
Trat, weibisch hübsch und bleich von Schwelgerei,
Limours, der tolle Häuptling dieses Orts,
Ihr einst'ger Freier, vor Garin, herein,
Und grüßte mit geschmeid'ger Artigkeit,
Als säh' er weiter Niemand, als Garin.
Allein so warm sein Händedruck und Gruß,
Fand seines Auges Winkel heimlich doch
Auch Enid, und erkannte sie und sah,
Daß sie so traurig dort und einsam saß.
Nun rief Garin nach Wein und leckerm Mahl,
Wohl zu bewirthen seinen späten Gast,
Und gab verschwend'risch, wie sein Rang gebot,
Dem Wirth Befehl, er solle Jedermann,
Der ihm befreundet, laden, und dem Earl
Zu Ehren sich mit ihnen gütlich thun;
»Und frag' nach Kosten nicht, denn die sind mein.«
Man brachte Wein und Mahl, und Earl Limours
Trank, bis er ganz behaglich scherzhaft ward,
Geschichten vortrug freister Art, das Wort
Im Flug ergriff und ein beständig Spiel
Von Doppelsinn und Witzen unterhielt;
Denn wenn ihm Wein und lust'ge Kumpanei
Zu Kopfe stiegen, pflegte sein Gespräch
Zu sprüh'n und funkeln, wie ein Diamant
Von funfzig Flächen; wiederholt erklang
Garin's Gelächter, und in wüstem Chor
Der Zecher Beifall. Heiter ward der Fürst;
Da bat Limours: »erlaubt Ihr, edler Herr,
Daß ich durch's Zimmer gehn und reden darf
Mit Eurer Dame, die so fern von uns
Und einsam sitzt?« Er sprach: »Das steht Euch frei,
Vollkommen frei; bringt sie zum Sprechen nur:
Mit mir spricht sie kein Wort.« – Auf stand Limours,
Und gab im Gehn auf seine Füße Acht,
Gleich Einem, der die Brücke sucht, und bangt,
Sie zu verfehlen; trat vor Enid hin,
Schlug, wie verzückt, die Augen dann empor,
Und beugte sich und sprach im Flüsterton:
»Du meines öden Lebens Hoffnungsstern,
Enid, mein erstes und mein einz'ges Lieb,
Zum Wahnsinn hat mich dein Verlust gebracht!
O, sag' mir, welch ein Glück dich hergeführt!
Nun bist du doch zuletzt in meiner Macht,
In meiner Macht; – nein, bange nicht vor mir;
Ich nannte mich verwildert, doch den Sinn
Für Anmuth und Gefühl hab' ich bewahrt
Auch hier, wo nichts als Wildniß mich umgiebt.
Einst meint' ich wohl, du sähst mich günstig an,
Dein harter Vater nur hätt' uns getrennt;
Und war es so, verhehl' es länger nicht;
O gönne doch auch mir ein wenig Glück;
Sag' selber, schuldest du mir nichts dafür,
Daß ich an dich mein Leben halb verlor?
Ja, ja; du Holde bist an Allem Schuld.
Und, Enid, – du und er, – ich seh's entzückt, –
Du sitzest einsam, redest nicht mit ihm,
Kommst hülflos, ohne Pagen oder Magd,
Dich zu bedienen, – liebt er dich, wie einst?
Denn, – nenn' es Zank Verliebter, – weiß ich doch:
Wohl zankt ein Mann mit Einer, die er liebt,
Allein er macht sie nicht zum Spott der Welt,
Wenn er sie liebt, – und dein armselig Kleid,
Armsel'ger Hohn auf dich, besagt dein Loos
Mit stummem Mund: der Mann liebt dich nicht mehr!
Er findet deine Schönheit nicht mehr schön,
Ihr Reiz ist hin; ja, ja, das alte Lied;
Ich weiß, wie Männer sind; du wirst ihn nie
Auf's Neue fesseln; denn des Mannes Liebe,
Einmal verschwunden, kehret nimmermehr.
Doch hier ist Einer, der dich liebt, wie einst,
Dich liebt mit übermächtiger Leidenschaft;
Geliebte, sprich das Wort, – er sitzt umringt
Von meinen Freunden, unbewaffnet da;
Den Finger heb' ich nur, und sie verstehn, –
Nein, Blut ist nicht gemeint, – erbleiche nicht,
– Du brauchst es nicht, – bei dem, was ich gesagt;
Nicht tiefer als ein Graben, ist mein Haß,
Ist stärker nicht, als des Verließes Wand;
Er soll uns nur nicht stören; sprich das Wort;
Und sprichst du's nicht, – bei Gott, der mich erschuf,
Den einzgen Mann, der je dich wahr geliebt, –
Dann will ich sehen, was Gewalt vermag.
Doch nein, vergieb! der Wahnsinn jener Stunde,
In der ich von dir schied, kam über mich!«
Hier wurden ihm der eignen Stimme Ton,
Und wohlgespielte Selbstbejammerung
Zu rührend; Thränen füllten seinen Blick;
Doch seine Augen machten Enid Angst,
Feucht wie sie waren, aber weinerhitzt
Vom Zechen, und mit jener Weiberlist,
Die, schuldig oder schuldlos, alle Frau'n
Zu brauchen wissen, gegen drohende
Gefahren sich zu waffnen, sagte sie:
»Earl, wenn Ihr mich noch wie vor Jahren liebt,
Und mein nicht spottet, kommt in aller Frühe;
Entführt mich ihm, als brauchtet Ihr Gewalt;
Heut' Abend geht; denn ich bin todesmatt.« –
So tief beim Abschied, daß sein Federbusch
Die Stelle fegte, die sein Fuß berührt,
Verneigte sich der liebestrunkne Earl;
Der wackre Fürst bot laut ihm gute Nacht,
Und auf dem Heimweg lallte Jener noch
Den Seinen vor, daß Enid keinen Mann,
Als ihn, geliebt, und keine taube Nuß
Um ihren Herrn Gemahl sich kümmere.
Und Enid blieb allein mit Fürst Garin,
In bangem Kampf mit seinem Machtgebot,
Zu schweigen; doch gezwungen war sie jetzt,
Es zu verletzen; angstvoll hielt sie Rath,
Und unterdeß entschlummerte Garin.
Sie wagte nicht, zu stören seinen Schlaf,
Sie beugte nur sich über ihn und war
Ganz Glück und Dank, ihn unverwundet noch
Zu finden nach den Kämpfen dieses Tags,
Und tief und ruhig athmend neben ihr.
Schnell stand sie auf, und häufte leisen Tritts
Die Rüstung, Stück für Stück, an einem Platz,
Daß er zur Hand sie habe, wenn es Noth;
Dann schlummerte sie selbst ein Weilchen ein;
Doch übermüdet von der Wanderung
Und von dem Leid des Tages, sah sie sich
Im Traum an eines grausen Abgrunds Rand,
Und griff in wurzelloses Dorngestrüpp
Nach einem Halt, und von der heftigen
Bewegung ihrer Arme ward sie wach.
Ihr war, als hörte sie den tollen Earl
Mit seiner wüsten Abenteurerschaar
Vor ihrer Thür auf einer gräßlichen
Trompete blasen, die sie kommen hieß.
Doch grüßte nur der bunte Hahn den Tag,
Weil graue Dämmrung die bethaute Welt
Begann zu hellen, und in's Zimmer schon
Auf seine Rüstung ihren Schimmer warf.
Sie stand noch einmal auf, nach ihr zu sehn;
Doch unversehns stieß sie daran; der Helm
Fiel klirrend hin; da fuhr Garin empor,
Auf Enid starrend. Nun erzählte sie,
Die Pflicht des Schweigens brechend, Alles ihm,
Was Earl Limours gesagt; nur Eines nicht,
Das Wort, ihr Gatte liebe sie nicht mehr;
Auch ihre List ließ sie nicht unerzählt,
Und schloß mit reizender Entschuldigung,
So leise, mit so wenig Worten nur,
Und schien so sehr entschuldigt durch die Noth,
Daß er zwar dachte: war's vielleicht um ihn,
Wenn sie in Devon weinte? – aber nur
Ein ärgerliches Knurren hören ließ:
»Eu'r bischen Schönheit macht den bravsten Kerl
Zum Narrn und Schurken. Rufe mir den Wirth,
Und heiß' ihn, daß er Roß und Zelter bringt.«
Sie glitt hinaus, und durch den schwülen Dunst
Des Hauses, wie des Hauses guter Geist
Hinschwebend, klopfte sie an jede Wand,
Bis alle Schläfer wach, und kam zurück;
That ungebeten ihrem strengen Herrn
In tiefem Schweigen eines Knappen Dienst,
Bis er gewaffnet aus der Thüre trat,
Und fand den Wirth, und: »deine Rechnung, Freund,«
Und ohne ihn zu hören, weiter rief:
»Fünf Pferde nimm, mitsammt den Rüstungen!«
Erstaunt und plötzlich ehrlich gab der Wirth
Zur Antwort: »edler Herr, ich habe kaum
Den Werth nur eines einz'gen ausgelegt.«
»So wirst du viel reicher,« sprach der Fürst;
Und nun zu Enid: »vorwärts, aber heut'
Befehl' ich noch ausdrücklicher dir an:
Was du auch hören, sehn und wähnen magst, –
Obgleich ich überzeugt bin, mein Befehl
Hilft doch nicht viel, – daß du gehorchst und schweigst.«
Und Enid's Antwort war: »ja, mein Gemahl,
Ich weiß, du willst es, und gehorche gern;
Doch vor dir reitend, hör' ich stets zuerst
Die grausen Drohungen, die du nicht hörst;
Ich sehe die Gefahr, die du nicht siehst;
Dich dann nicht warnen dürfen, dünkt mich hart,
Fast über meine Kraft; doch möcht' ich gern
Gehorsam sein.«
Er sprach: »so sei es denn
Auch in der That, und sei nicht allzuklug;
Du hast an keinen schläfrigen Hanswurst
Dich weggeworfen, sondern bist vermählt,
Du siehst es, einem Mann, der Waffen hat,
Sein Haupt und dein's zu wahren, – Augen hat,
Um dich zu finden, seist du noch so fern,
Und dessen Ohr dich selbst im Traume hört.«
Er wandte sich und sah ihr in's Gesicht
Mit jenem scharfen Blick, mit dem der Spatz
Des Pflügers Arbeit aufmerksam beäugt.
Und das in ihr, was nur ein blöder Thor,
Ein übereilter Richter, ihre Schuld
Zu nennen fähig, ließ ihr Angesicht
Erglüh'n, und ihre Augen senkten sich;
Das sah Garin, und es gefiel ihm nicht. –
Und vorwärts jetzt auf breitgebahntem Pfad
Aus dem Gebiet des tückischen Limours
In's wüste Earlthum eines andern Earls, –
Doorm, – von den zitternden Vasallen nur
»Der Stier« benannt, – ritt Enid; hinter ihr
Der düstre Fürst. Sie sah sich einmal um
Und als sie merkte, daß er lange nicht
So weit entfernt von ihr, wie gestern, ritt,
Ward ihr fast fröhlich, bis die Hand Garin's
Ihr zornig winkend anzudeuten schien:
»Du spielst den Wächter,« und ihr armes Herz
Von neuem Kummer schwoll. Noch trocknete
Manch thaugetränktes Blatt im Sonnenschein,
Da traf der Schall des wüthenden Galopps
Von vielen Rosseshufen dumpf ihr Ohr;
Und um sich blickend ward sie Staub gewahr,
In welchem Lanzenspitzen schimmerten.
Sie wandte rasch, um ihres Herrn Verbot
Nicht zu verletzen, und ihm Warnung doch
Zu geben, – denn er ritt, als hört' er nichts, –
Ihr Pferd, und hob den Finger, auf den Staub
Hinweisend; und in seinem Eigensinn
War unserm Helden jetzt genug gethan,
Weil sie sich wörtlich hielt an sein Gebot.
Er machte Kehrt, und hielt; da kam auch schon
Auf schwarzem Roß der rasende Limours,
Nur halb noch Herr des Thieres, das er ritt,
Gleich einer Donnerwolke, deren Schooß
Des Sturmes Ausbruch öffnet, angesprengt,
Und warf sich, einen heisern Schrei der Wuth
Ausstoßend, auf Garin, der Stand ihm hielt,
Und durch die Länge seines Speers und Arms
Ihn über's Kreuz des Pferdes schleuderte,
So liegen ließ, bewußtlos oder todt,
Den, der zunächst ihm folgte, niederritt,
Und blindlings einhieb auf die ganze Schaar,
Die bleichen Schreckens, da der Held sie traf,
Als träfe sie der Blitz, von dannen stob,
Wie man im Sommer Morgens einen Schwarm
Von pfeilgeschwinden Fischen gleiten sieht
In den krystallnen Gräben Camelots,
Daß auf dem Sande dunkle Schatten ziehn, –
Allein sobald ein Mann am Uferrand
Im Sonnenscheine nur die Hand erhebt,
Ist zwischen all den grünen Inselchen
Der Wasserrosen auch kein Schimmer mehr
Von einer Flosse, – so verscheucht entflohn
Die wackern Zechgenossen des Limours,
Und ließen ihn auf offner Straße liegen;
So endet Freundschaft, die der Wein gebar. –
Mit einem Lächeln, wie der Sonne Strahl
Durch Wetterwolken, sagte nun Garin,
Als er die Rosse der gefallnen Zwei
Fortsprengen sah von ihren todten Herr'n,
Und mit den andern fliehn in wilder Flucht:
»Sie sind von einem Schlage, Mann und Roß,
Recht biedre Freunde! Nicht ein Huf mehr hier!
Ich aber war bis jetzt in meinem Sinn
Ein Biedermann, der nur mit Rüstungen
Und Rossen zahlte; stehlen kann ich nicht,
Noch plündern, nein; auch betteln geht nicht an;
Was meinst du also? Streifen wir ihn ab,
Den Herrn Galan, und hat dein Zelter Kraft,
Zu tragen seine Rüstung? sollen wir
Heut fasten oder Mittag essen? nein?
Dann bete nur in deiner Ehrlichkeit,
Daß wir die Reiter treffen des Earl Doorm;
Auch ich blieb' gern noch ehrenwerth.« – Er sprach's;
Sie blickte traurig auf die Zügel nieder,
Erwiderte kein Wort und ritt voran.
Doch wie ein Mann, verreist in fernes Land,
Von einem schrecklichen Verlust daheim
Betroffen, ahnungslos nach Hause kehrt,
Nun Alles hört, und über den Verlust
Sich grämt, daß er zum Tode fast erkrankt, –
So stand es mit Garin, der von Limours'
Gefährten im Gefecht gestochen war,
Und unter seiner Rüstung unvermerkt
Sein Blut verlor und also weiterritt,
Auch, was ihm fehlte, seinem holden Weib
Nicht sagte, denn er wußt' es selber kaum;
Bis es ihm dunkel vor den Augen lag,
Sein Helm zu schwanken hin und her begann,
Und bis, als plötzlich sich die Straße bog,
Ohn' einen Laut der Fürst von seinem Roß,
Doch, glücklich noch, auf weichen Rasen sank. –
Enid vernahm das Rasseln seines Falls,
Kam eilends, stieg vom Pferd, und schreckensbleich
An seiner Seite knieend, löste sie
Der Rüstung Schnallen, ließ die treue Hand
Nicht zittern, ließ ihr blaues Auge nicht
Sich feuchten, bis sie seine Wunde fand;
Riß sich den alten Seidenschleier ab,
Gab ihre Stirn dem Sonnenbrande Preis,
Umwand die Wunde, der das Lebensblut
Des theuren Manns entströmte, bis gethan,
Was Menschenhand vermag; da hielt sie ein,
Und Jammer überkam ihr armes Herz;
Sie saß am Weg und weinte vor sich hin.
Vorbei kam Mancher, aber Niemand gab
Auf Enid Acht; in dieser Region
Gesetzlos wilden Faustrechts fragte man
Nach eines Weibes Thränen um den Mord
Des Gatten just so viel, wie Sommertags
Nach einem Regenguß. Der Eine hielt
Ihn für ein neues Opfer des Earl Doorm,
Und wagte nicht, ihm hülfreich beizustehn,
Weil Mitleid mit Gefahr verbunden war.
Dann kam ein Kriegsknecht, wie der Sturm daher;
Er ritt auf Botschaft für den Räuber-Earl;
Halb pfiff, halb sang er ein gemeines Lied,
Und trieb den Staub in Enid's Angesicht,
Das schleierlose. Noch ein Andrer kam,
Der vor dem Grimm Earl Doorm's sich flüchtete,
Und in beständ'ger Angst vor einem Pfeil,
Daß unter ihm der Boden dampfte, ritt.
Da hob ihr Zelter wiehernd seinen Huf,
Und fegte flüchtig durch das Unterholz,
Und war verloren; aber ruhig stand
Sein edles Streitroß, wie ein Mensch betrübt. –
Und Mittag ward's, da ritt der Riese Doorm
Mit hundert Lanzen hinter ihm, daher;
Breit sein Gesicht und kraus sein rother Bart;
Die Augen unstät spähend links und rechts
Nach Beute, denn ein Raubzug war sein Ritt;
Und brüllte schon, noch eh er bei ihr war,
Wie man hinüber ruft nach einem Schiff,
Mit rauher Stimme: »heda, ist er todt?«
»Nein, nein, nicht todt,« rief hastig sie zurück,
»Wenn nur ein Paar der guten Leute dort
Ihn aufhebt, und an einen andern Platz
Aus dieser grausam heißen Sonne trägt;
Ich weiß es ganz gewiß: er ist nicht todt.«
Da sprach Earl Doorm: »nun wohl, wenn er nicht todt,
Was heulst du denn, und stellst dich kindisch an?
Und ist er todt, so muß ich dich erst recht
Für närrisch halten; denn dein Heulen wird
Ihn nicht erwecken; lebend oder todt,
Verdirbst du nur ein niedliches Gesicht
Mit dummen Thränen; aber dein Gesicht
Ist wirklich hübsch; kommt, Einige von Euch,
Hier, nehmt ihn auf, und tragt ihn in die Burg;
Er tritt in unsre Bande, wenn er lebt;
Und stirbt er, ist auf Erden Raum genug,
Ihn einzuscharren. Fangt mir auch sein Roß;
Das Thier ist schön.«
Er sprach's und ritt davon,
Doch ließ er ihr zwei plumpe Reisige
Zum Beistand, die sich knurrend näherten.
So knurrt ein Hund, wenn ihn die Furcht erfaßt,
Sein schöner Knochen könn' ihm noch entgehn,
Weil ihn beim Fraß des Dorfes Jugend neckt,
Als wär' es auf den Knochen abgesehn;
Dann legt er beide Pfoten fest darauf,
Und nagt und knurrt; so knurrten auch die zwei
Strauchdiebe, fürchtend, daß ihr Beutetheil
Von dieses Morgens Ritt verloren ging,
Und Alles nur um einen todten Mann. –
Doch hoben sie vom Boden seinen Leib
Auf eine Matte, wie bei solchen Zügen
Sie mit sich führten für Verwundete;
Als Bahre diente dann sein hohles Schild,
Und hastig ging's zur nackten Halle Doorm's;
Sein edles Roß war ihm von selbst gefolgt.
Dort warfen sie mitsammt der Matte ihn,
Auf der er lag, auf eine Eichenbank,
Und stürmten dann vor Eile glühend fort,
Den glücklichern Gefährten ungesäumt
Sich anzuschließen, knurrend wie zuvor,
Zum Teufel wünschend die verlorne Zeit,
Den todten Mann und ihren eignen Earl,
Sich selbst und ihre Seelen, und das Weib.
Doch Enid frug nach Fluch und Segen nicht;
Taub war ihr Ohr für Segen oder Fluch,
Der nicht aus eines Einz'gen Munde kam. –
So saß nun Enid lange Stunden da
Im nackten Saale neben dem Gemahl,
Rief ihn beim Namen, stützte seinen Kopf,
Und rieb ihm seine bleichen Hände warm.
Und aus der Ohnmacht ward er endlich wach,
Und fand sich wieder, wie sein theures Weib
Das Haupt ihm stützte, seine matten Hände
In ihren wärmte, zärtlich bang ihn rief;
Und fühlte warmer Thränen sanften Thau
Auf seinen Wangen, und im Herzen sprach
Ihm eine Stimme: »ja, sie weint um mich.«
Doch lag er still und stellte sich, wie todt,
Um sie zu prüfen auf das Aeußerste,
Und dann zu sagen: »ja, sie weint um mich.«
Die Sonne sank; da kam der Riese Doorm
Mit reicher Beute heim in seine Burg;
Die wüsten Knechte lärmten hinterdrein;
Zu Boden warf ein Jeder seinen Pack,
Und auf dem Estrich klang es, wie Metall.
Dann wurden rasch die Lanzen weggestellt,
Der Kopf vom Helm befreit; und aufgeputzt
In bunten Farben kam ein Weiberschwarm,
Halb frech, halb ängstlich in den Saal gehuscht,
Und riß die Augen auf und bildete
Bald einen Haufen mit den Reisigen.
Nun schlug Earl Doorm mit seines Dolches Schaft
Laut auf den Tisch und rief nach Fleisch und Wein
Für seiner Lanzenknechte späte Kost.
Da wurden Fässer Weines angeschleppt
Und Rinderviertel, daß der ganze Saal
Verdunkelt wurde von des Fleisches Qualm.
Und Keiner sprach ein Wort; sie drängten nur
Sich an den Tisch und schmausten mit Begier
Im nackten Saal, und anzuhören war
Ihr Kau'n, wie wenn man Pferde fressen hört;
Bis Enid, um dem wüsten Treiben nicht
Der zügellosen Rotte zuzusehn,
Die Augen schloß und in sich selbst versank.
Doch als Earl Doorm geschmaust nach Herzenslust,
Da rollten seine Augen durch den Saal,
Und sahn im Winkel ein bethräntes Weib.
Da fiel ihm wieder ein, wer Enid war,
Und wie sie jüngst geweint; doch bändigt' ihn
Der Zauber, der in Enid's Schönheit lag;
Und plötzlich sich erhebend sprach er: »iß!
Solch bleich Geschöpf hab' ich noch nicht gesehn!
Bei Gottes Fluch, es macht mich noch verrückt,
Wenn ich dich weinen sehe; komm' und iß,
Und sorge für dich selbst; dein guter Mann
Hat Glück genug gehabt; denn, wär' ich todt,
Um mich zu weinen, fiele Niemand ein.
Du süßes Weib, so lang ich Leben hab',
Erblickt' ich keine Lilie, die dir gleicht! –
Nur etwas Farbe fehlt dir im Gesicht,
Dann wäre keine meiner Damen werth,
Als Handschuh anzulegen deinen Schuh!
Doch hör' auf mich und folge meinem Rath,
So werd' ich thun, was ich noch nicht gethan:
Mein Earlthum theilen sollst du, Kind, mit mir;
Zwei Vögel leben wir in einem Nest,
Von allen Feldern hol' ich Futter dir,
Denn zum Gehorsam zwing' ich alle Welt.« –
Er sprach's; den rohen Knechten blieb im Mund
Der Bissen stecken, also staunten sie,
Und starrten ihn mit vollen Backen an;
Indessen Manche, deren Seelen schon
Die alte Schlange längst vergiftete,
– Wie das vergilbte Blatt der Wurm zernagt,
Und es in Schmutz verwandelt, – in das Ohr
Sich Dinge zischten, – ich verschweige sie, –
Es waren Weiber, oder Wesen doch,
Die auch des Weibes Anmuth einst geziert,
Und lechzten jetzt nach der Erniedrigung
Des besten Weibes, ja sie hätten wohl
Dazu geholfen, denn sie haßten sie
Mit einem Mal; doch Enid dachte nicht
An diese Weiber, sondern leisen Tons,
Noch tief gebeugt ihr demuthvolles Haupt,
Versetzte sie: »bei Eurem Rittersinn
Beschwör' ich Euch, habt Mitleid, da es ihm
So traurig geht, – Ihr seht es, – quält mich nicht.«
Sie sprach so leise, daß er kaum vernahm,
Daß sie gesprochen; doch er fühlte sich
Als mächt'ger Gönner, und sein eignes Thun
Schien ihm so huldreich, daß er stillvergnügt
Vermuthete, sie hab' ihm nur gedankt,
Und fortfuhr: »ja, nun sei vergnügt und iß,
Denn als die Meine jetzt betracht' ich dich.«
Sie sagte sanft: »wie würd' ich wohl vergnügt
Durch irgend etwas auf der ganzen Welt,
Bis mein Gemahl ersteht und schaut mich an.«
Ob ihrer Rede schrie der riesige Earl,
Das sei nur Hungerschwäche, Müdigkeit
Und krankes Nichts; dann griff er rasch nach ihr,
Trug sie mit rauher Faust zur Tafel hin,
Und stieß den Tisch zurecht und schrie: »nun iß!«
Empört sprach Enid: »nein, ich esse nicht,
Bis von der Bahre jener Mann ersteht,
Und mit mir ißt.« – Da brüllte Doorm: »so trink;«
Und füllt' ein Horn mit Wein, und hielt ihr's hin;
»Sieh her, ich selbst, wenn ich vom Kampf erhitzt,
Wenn, Gott verdamm', der Aerger in mir kocht,
Kann oft kaum essen, eh ich weidlich trank,
Drum trink', und andern Sinns macht dich der Wein.«
»Beim Himmel,« rief sie, »nein, ich trinke nicht,
Bis daß mein theurer Gatte sich erhebt,
Und mich es heißt, und selber mit mir trinkt;
Und bis ich sterbe, will ich keinen Wein
Je wieder ansehn, wenn er nicht ersteht.«
Da stieg die rothe Gluth ihm in's Gesicht;
Mit großen Schritten ging er durch den Saal,
Und biß im Zorn sich beide Lippen wund;
Trat endlich dicht an sie heran und sprach:
»Ich seh', du höhnest meine Gnade, Kind,
Nimm Warnung an: der Mann ist sicher todt,
Und zum Gehorsam zwing' ich, was da lebt.
Nicht Trank, nicht Speise? Jammern nur um ihn,
Der deine Schönheit diesem Spott und Hohn
Aussetzend, dich in Lumpen kleidete?
Ich fasse kaum, daß ich es dulden kann,
Wenn ich dich trotzen sehe meinem Wunsch;
Doch länger mache mir den Kopf nicht warm;
Leg' wenigstens dies ärmliche Gewand,
Die seidnen Lumpen, diesen Bettelrock
Mir zu Gefallen ab; ich hab' es gern,
Daß Schönheit auch in schönen Kleidern geht.
Denn siehst du meine Edeldamen nicht,
Wie prächtig ihnen ihre Kleider stehn?
Ganz wie sich ziemt für eines Mannes Haus,
Der Schönheit gern im schönsten Schmucke sieht.
Komm', zieh' dies Kleid dir an, gehorche mir.«
Er sprach's und eine seiner Edelfrau'n
Entfaltete das prächtigste Gewand
Von fremder Arbeit, dessen lieblich Blau
In's Grüne spielte, wie die seichte See,
Und vorn mit Perlen dichter noch besäet,
Als Thau in Tropfen auf dem Rasen liegt,
Wenn eine Wolke Nachts am Hügel hing,
Sich mit der Dämmerung hebt, und läßt den Tag
Hinscheinen auf die Stelle, wo sie hing;
So schimmerten die Perlen auf dem Kleid.
Doch Enid's Sinn blieb unerschütterlich,
Wie ein Tyrann am Tage seiner Macht,
Der lebenslange, stumm ertragne Schmach
Zu rächen hat, da seine Stunde kam;
So gab sie denn zur Antwort ihm und sprach:
»In diesem armen Kleid hat mich zuerst
Mein theurer Mann gefunden und geliebt,
Als eine Magd in meines Vaters Saal.
In diesem armen Kleid bin ich mit ihm
Zu Hof geritten, und der Sonne gleich
Hat mich am Hof die Königin geschmückt.
Sein Wille war's, daß ich dies arme Kleid
Jetzt angelegt auf diesem Unglückszug,
Auf dem er Ruhm und Ehre da gesucht,
Wo nichts von Ehre doch zu finden ist.
Und dieses arme Kleid leg' ich nicht ab,
Bis daß er aufsteht, ein lebend'ger Mann,
Und mir befiehlt, ich soll es von mir thun.
Seid, bitte, gut; ich habe Leids genug;
O quält mich nicht, denn keinen Mann, als ihn,
Hab' ich geliebt und kann ich lieben. – Ja,
Um Gott, bei Eurem ritterlichen Sinn,
Beschwör' ich Euch, habt Mitleid, da es ihm
So traurig geht, – Ihr seht ja, – quält mich nicht.«
Der rohe Earl schritt auf und ab den Saal,
Und kaute seinen fuchsig rothen Bart,
Kam ihr zuletzt ganz nah und schrie voll Wuth:
»Ich glaube, Dame, daß gerad' so viel
Dabei herauskommt, gütig gegen Euch,
Als ungalant zu sein; zum Abschied dies;« –
Und gab unritterlich mit flacher Hand
Ihr einen, wenn auch leichten, Backenstreich.
Da stand nun Enid aller Hülfe baar,
Und dachte: nimmer hätt' er das gewagt,
Wär' er nicht sicher, daß mein Gatte todt.
Ein Angstschrei rang sich los aus ihrer Brust,
So grell und schmerzlich schreit ein armes Wild,
Das in der Falle sich gefangen fühlt,
Und sieht den Jäger kommen durch den Wald.
Garin vernahm ihn, griff nach seinem Schwert, –
Es lag im hohlen Schilde neben ihm, –
That einen Sprung, und zischend fuhr sein Hieb
Ihm durch den Stierhals; auf den Estrich flog
Gleich einem Ball des plumpen Rothbarts Kopf. –
So starb Earl Doorm durch eines Mannes Hand,
Den er bereits den Todten zugezählt. –
Und all' die Männer und die Frau'n im Saal,
Als sie den Todten sich erheben sahn,
Sie sprangen auf, und kreischten und entflohn,
Als wär' er ein Gespenst. So blieb das Paar
Allein beisammen, und Garin hob an:
»Ich habe schlechter, als der Todte dort,
An dir gehandelt, Enid, habe mehr
Und schlimmre Kränkung dir noch angethan.
Doch unter einer Irrung standen wir,
Die mich nun dreimal dir zu eigen giebt;
Von nun an will ich lieber in den Tod,
Als Zweifel hegen. Selber leg' ich mir
Die Büßung auf: wenn auch mein eignes Ohr
Dich gestern früh gehört, – du glaubtest mich
Noch schlafend, doch ich hörte, – wie du sprachst,
Ich hörte, wie du sprachst, du wärest mir
Kein treues Weib; allein ich schwör's, ich will
Dich nimmer fragen, was du da gemeint;
Du klagst dich an, doch ich vertraue dir;
Jetzt selber lieber Tod, als Argwohn gegen dich.«
Kein zärtlich Wort stand Enid zu Gebot,
Ihr war's im Herzen so verstört und dumpf,
Sie bat nur: »flieh', sie kommen sonst zurück,
Und morden dich; dein Roß ist vor der Thür,
Mein Zelter fort.« »Dann, Enid, setzest du
Dich hinter mir.« »Ja,« sprach sie, »fort nur, fort!«
Und draußen fanden sie sein stolzes Roß,
Das jetzt nicht mehr den Räubern dienstbar war;
Es durfte wieder in gerechtem Streit
Die Glieder recken; freudig schnoberte
Das edle Thier sie leise wiehernd an,
Und bog das Knie; da küßte sie gerührt
Den weißen Stern auf seiner schönen Stirn.
Auf saß Garin und bot ihr seine Hand;
Auf seinen Fuß den ihren setzte sie,
Und stieg empor; da wandt' er sein Gesicht,
Und gab ihr noch im Klettern einen Kuß;
Sie schlang die Hände fest um den Gemahl,
Und ohne Zögern vorwärts ging der Ritt.
Und nimmer, seit der ersten Rosen Duft
Die vier Gewässer Edens angehaucht,
Ward rein're Wonne Sterblichen zu Theil,
Als ihr in dieser Stunde der Gefahr.
Denn als sich ihre Hände falteten,
Schlug unter ihnen ihres Gatten Herz,
Und jetzt, sie fühlt es, wiederum für sie.
Sie weinte nicht; ein sel'ger Nebel war's,
Der ihre sanften Augen überzog,
Gleich dem, der Edens Blüthen frisch erhielt,
Bevor des Regens läst'ge Wohlthat kam. –
Doch war der sanften blauen Augen Blick
Nicht so getrübt, um grad' im Ausgangsthor
Der Räuberburg nicht einen Rittersmann
Von Artus' Hof zu sehn, der ihren Weg
Versperrend, und mit eingelegtem Speer,
Zum Angriff auf Garin entschlossen schien.
Ihr war das Herz von dem, was sie erlebt,
So übervoll; mit Grausen dachte sie
An seine Wunde, seinen Blutverlust,
Und rief dem fremden Ritter flehend zu:
»O mord' ihn nicht, er ist dem Tode nah!«
Da rief der Ritter: »Enid's Stimme ist's,«
Und vor sich sah sie Edyrn, Sohn des Nudd,
Bei dessen Anblick ihr das Blut gerann,
Und nochmals schrie sie: »Vetter, mord' ihn nicht,
Der deines Lebens schonte.« – Würdevoll
Ritt Edyrn näher an das Paar heran
Und sprach: »mit aller Liebe, Herr Garin,
Seid mir gegrüßt; ich hielt Euch nur zuerst
Für einen von den Stegreifrittern Doorm's.
Und Enid, fürchte nicht, daß ich ein Leid
Ihm anthun will; ich, der Euch liebt, mein Fürst,
Wie wir den Himmel, der uns züchtigt, lieben.
Denn als ich einst, in meinem Stolz so hoch,
Schon halben Wegs die glatte Höllenbahn
Hinunter war, warft Ihr mich in den Staub,
Und zogt mich dadurch wahrhaft erst empor.
Jetzt bin ich Ritter von der Tafelrunde;
Und weil ich diesen Earl dereinst gekannt,
In meiner Zeit des wüsten Uebermuths,
Als ich fast selbst ein halber Räuber war,
So steh' ich jetzt, des Königs Herold, hier,
– Der König selber folgt mir auf dem Fuß, –
Doorm zu entbieten, daß er Frieden hält,
Sich unterwirft und all sein Volk zerstreut,
Und hört des Königs richterlichen Spruch.«
Da rief der bleiche Fürst: »er hört den Spruch
Des Königs aller Könige; zerstreut
Sind Doorm's Gewalten, seht!« er wies in's Feld;
In wirren Haufen hatten Männer dort
Und Weiber auf den Hügeln Schutz gesucht,
Und starrten voll Entsetzen auf die Burg,
Aus der noch immer Andre flüchteten.
Und nun erklärt er, wie im eignen Saal
Erschlagen läg' der ungeschlachte Schuft.
Doch als der Ritter bat: »jetzt folget mir
In's Lager, Fürst, und vor des Königs Ohr
Erzählt, was sich begab; Ihr habt gewiß
Hier Abenteuer wunderbarer Art
Allein bestanden,« da ward plötzlich roth,
Und hing den Kopf, und zögerte der Fürst
Mit seiner Antwort; denn er fürchtete
Des tadellosen Königs milden Blick,
Und nach dem Wahnsinn, den er ausgeführt,
Das Wort der Frage; bis der Ritter rief:
»Wenn Ihr dem König nicht entgegengeht,
So trifft Euch Artus hier.« Da sprach Garin:
»Wohlan, ich folg' Euch.« Und sie brachen auf;
Doch Enid ängsteten auf ihrem Ritt
Nicht nur die Räuber, die sich noch zerstreut
Im Felde zeigten; bange war ihr auch
Vor Edyrn; lenkte dieser nur sein Roß
An ihre Seite, fuhr sie bebend auf.
Auf hohlem Boden, der vor alter Zeit
Sein Feuer spie, kann Niemand sicher sein
Vor neuen Flammen, neuem Untergang.
Doch Edyrn, ihrer Angst gewahrend, sprach:
»O liebe, schöne Muhme, der ich einst
Zur Furcht vor mir so vielen Anlaß gab,
Jetzt fürchtet Euch nicht mehr, ich bin bekehrt.
Ihr selbst wart erst die tadellose Schuld,
Daß meines Blutes angeborner Stolz
Aus einem Funken wuchs zu heller Gluth;
Denn Ihr und Yniol hattet mich verschmäht;
Da macht' ich Plan auf Plan und ruhte nicht,
Bis ich ihn ganz zu Grunde richtete. –
Dann, einen Zweck im Herzen für und für,
Verfiel ich auf mein trotziges Turnier,
Und nahm ein Liebchen, das ich nur zum Schein
Als aller Schönen Schönste feiern ließ.
Und da ich jeden Gegner niederwarf,
Nahm bis zum Wahnsinn fast mein Hochmuth zu,
So daß ich mich für unbesiegbar hielt.
Mit dem Turnier verfolgt' ich einen Plan,
Sonst hätt' ich Euren Vater umgebracht,
Euch selbst entführt; allein ich hoffte stets,
Daß Ihr noch einst zu meinem Kampfspiel kämt,
Mit dem, dem Ihr in Liebe zugethan;
Dann, meine arme Muhme, solltet Ihr
Mit Eurem sanften blauen Augenpaar,
Das treu, wie keins, den Himmel wiederstrahlt,
Mich ihn besiegen sehn, und meinen Fuß
Auf seine Brust gesetzt; und hättet Ihr
Geschrie'n, vor mir geknie't, mich angefleht,
Ich hätt' ihn doch erschlagen. Und Ihr kamt, –
Nur einmal kamt Ihr, um es anzusehn
Mit Euren treuen Augen, wie der Mann,
Den Ihr erwählet, meinen Hochmuth brach,
– Als eine Wohlthat jetzt erkenn' ich es, –
Den lang gehegten Plan vereitelte,
Und seinen Fuß auf meine Brust gesetzt,
Mein Leben schonte. Das zermalmte mich;
Und nun war ich gerettet, wenn ich auch
Von Scham vernichtet meiner Wege ritt,
Ein Leben hassend, das er mir geschenkt,
Als ich es schon verloren achtete. –
Und alle Buße, die die Königin
Mir auferlegte, war der Aufenthalt
An ihrem Hof; dort war ich anfangs scheu,
Gleich einem kürzlich eingesperrten Wild,
Und weil ich wußte, kein Geheimniß sei,
Was ich gethan, gewärtig, daß man mich
Als einen Wolf behandle; doch ich traf
Statt höhn'schen Mitleids, mitleidlosen Hohns
Auf zarte Rücksicht, edles Schweigen nur;
Auf freundlich würdevolle Lebensart,
Und solche Anmuth feinster Höflichkeit,
Daß auf mein frühres Leben ich zurück
Zu schaun begann, und fand, daß in der That
Es nur das Leben eines Wolfes war.
Oft sprach ich Dubric auch, den heil'gen Mann,
Deß milder Eifer und erhabnes Wort
Zu jener Demuth meinen Sinn bezwang,
Die, männlich kühnem Muthe beigesellt,
In Wahrheit erst den Mann zum Manne macht.
Auch Ihr wart oft im Kreis der Königin,
Und saht mich, oder wolltet mich nicht sehn:
Und ich, ich hatte weder Lust noch Muth,
Euch anzureden, sondern hielt mich fern,
Bis ich mich ganz bekehrt; und, Muhme, nun
Seid ohne Furcht; gewiß, ich bin bekehrt.« –
Er sprach's und fand bei Enid leicht Gehör;
Denn einfach edle Herzen glauben gern,
Was gern sie hören; gegen Freund und Feind
Gleich gütig, und am meisten gegen den,
Der ihnen recht viel Böses angethan.
Als sie dem Lager endlich sich genaht,
Trat Artus, sie begrüßend, aus dem Zelt,
Und merkte bald, daß Enid zwar so bleich
Doch glücklich war; er fragte sie kein Wort;
Er trat beiseit mit Edyrn, hielt mit ihm
Ein rasches Zwiegespräch und kam zurück;
Mit ernstem Lächeln hob er sie vom Pferd,
Und gab ihr einen Bruderkuß,
Und wies ihr ein für sie bestimmtes Zelt,
Und blickte noch minutenlang ihr nach,
Bis er im Eingang sie verschwinden sah;
Zum Fürsten dann sich wendend hob er an:
»Fürst, als Ihr Urlaub jüngst von mir begehrt,
In Euer eigenes Gebiet zu ziehn,
Und Eurer Gränzen Schützer selbst zu sein,
Hab' ich des Vorwurfs Stachel tief gefühlt,
Daß ich verruchten Frevel wuchern ließ,
Daß ich zu viel mit fremden Augen sah,
Zu lange wirkte nur durch Diener Hand,
Und meinen Arm nicht brauchte. Seht mich jetzt
Mit Edyrn und mit Andern selber hier,
Zu säubern diesen Schandfleck meines Reichs.
Gabt Ihr auf Edyrn Acht? Bemerktet Ihr
Den edeln Wandel seines ganzen Seins?
Dies Werk von ihm ist groß und wundervoll;
Verwandelt ist sogar sein Angesicht
Mit seines Herzens Wandlung. Unsre Welt
Will nie recht glauben, daß ein Mann bereut,
Und unsre kluge Welt hat meistens Recht;
Sehr selten in der That bereut ein Mann,
Und strebt mit würd'gem Sinn und Willenskraft,
Sich völlig von dem bösen Queckengras
Zu säubern der Gewöhnung und des Bluts,
Den Grund des Herzens ganz zu reinigen,
Und neue Saat zu streu'n; doch Edyrn that's;
Er riß das Unkraut mit der Wurzel aus;
So denk' auch ich im Lande hier zu thun
Bevor ich scheide. Dafür nahm ich ihn
Als Ritter auf in unsre Tafelrunde, –
Nicht vorschnell; denn ich hab' in jeder Art
Ihn als der Besten Einen unter uns
An Ehre, Tapferkeit, verständ'gem Sinn
Und Demuth erst erprobt. – Und in der That:
Das Werk, das Edyrn an sich selbst vollbracht,
Nach einem Leben der Gewaltthat, scheint
Mir tausendmal so groß und wundervoll,
Als wenn ein Ritter, der mein Unterthan
Sammt meinen Unterthanen unter ihm,
Sein Leben wagend, einzeln einen Sturm
Auf ein Gebiet voll Räuber unternimmt,
Auch wenn er Alle, Mann für Mann, erschlug,
Und selbst fast auf den Tod verwundet ist.«
Der König sprach's, tief neigte sich der Fürst,
In der Erkenntniß, daß nicht wundervoll
Noch groß das Werk, das er gethan, und ging
In Enid's Zelt, wo seine Wunde dann
Des Königs eigner Leibarzt ihm verband. –
Dort war nun Enid stets als Pflegerin
Um ihn geschäftig, und der milde Hauch
So süßer Pflege, wachend über ihm,
Erfüllte jeden Pulsschlag seines Bluts
Mit immer tiefrer Liebesinnigkeit,
Wie der Südwest, der über Balas See
Hinwehend, den geweihten Deestrom schwellt.
So rann die Zeit.
Doch während Fürst Garin
An seiner Wunde noch in Heilung lag,
Brach Artus auf, der König tadellos,
Zu mustern Alle, die vor langer Zeit
Sein Vater Uther mit der Pflicht betraut,
Wohl zu versehn des Königs Richteramt.
Da fand er manchen ungetreuen Mann;
Und wie man jetzt das weiße Kreideroß
Der Berkshire-Hügel gätet, um es rein
Und glänzend zu bewahren, wie zuvor,
So rottete der König schonungslos
Die trägen oder schuld'gen Diener aus,
Die um Gewinn dem Unrecht nachgesehn,
Und setzte Männer ein von strengrer Zucht,
Mit treuen Herzen und mit fester Hand;
Ließ Wüstenei'n durch Tausende bebau'n;
Da war kein Ort, wohin er selbst nicht kam;
Er zog an's Licht, was nicht geheuer war,
Er schaffte Recht und brach die Räuberburgen,
Und säuberte das ganze Räuberland. –
Sie zogen dann, als Fürst Garin geheilt,
Mit Artus nach Caerleon am Usk,
Und nochmals schloß die große Königin
Die Freundin dort an's Herz, und schmückte sie
Mit Prachtgewändern gleich dem lichten Tag.
Und wenn ob ihres Umgangs auch Garin
Nie wieder jenes frohe Glück empfand,
Das ihn erfüllt, bevor der Königin
Erhabner Ruf sich trübte, war er doch
Zufriednen Muthes, daß nun Alles gut.
Doch als am Hof sie lange Zeit geweilt,
Da ritten sie mit stattlichem Geleit
Von funfzig Rittern an des Severn Strand,
Und zogen weiter in ihr eignes Land.
Dort übte nun des Königs Richteramt
Garin so kräftig und zugleich so mild,
Daß alle Herzen Beifall spendeten,
Und das Gemurr des Trotzes stille ward. –
Und weil er stets voran war auf der Jagd,
Und Sieger stets im Kampfspiel und Turnier,
So nannte man den »großen Fürsten« ihn,
Den »Held der Helden«. – Enid nannten gern
»Die schöne Enid« ihres Hofes Frau'n;
»Enid die gute« nannte dankbar sie
Ihr Volk; und Kinderstimmen wurden laut
In ihren Hallen, Enid's und Garin's
Zukünft'ger Zeit; – und nie mehr zweifelte
Der Fürst an ihr; er blieb ihr hold und treu,
Und krönte spät durch ritterlichen Tod
Ein reichbeglücktes Leben; denn er fiel
Im Kampfe mit des Nordmeers Heidenvolk,
Als Streiter für den tadellosen König. – |