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Elaine die schöne, lieblich holde Maid,
Elaine, die Lilie von Astolat,
Bewahrt' in ihrer Kammer, hoch im Thurm
Gen Osten, Lancelot's geweihten Schild,
Den sie zuerst an einen Platz gestellt,
Wo ihn der erste Strahl des Morgens traf,
Und sie sein Funkeln weckte; doch besorgt
Vor Staub und Flecken, hatte sie für ihn
Aus Seiden einen Ueberwurf gewirkt,
Drauf aus des Schildes Wappen jeder Spruch
Gestickt in Farben prangte, rings umfaßt
Von Laub und Blumen eigner Phantasie,
Und Nestern mit gelbschnäblig junger Brut.
Und ruhelos verließ sie Tag für Tag
Den guten Vater und ihr häuslich Amt,
Erklomm den Ostthurm, schloß die Kammerthür,
Entfernte rasch des Schildes Ueberzug,
Und fand betrachtend bald verborgnen Sinn
In seinem Wappen, bald erzählte sie
Sich selbsterdachte wundersame Mähr
Von jeder Beule, die ein Schwert ihm schlug,
Von jeder Schramme, die ein Speer ihm riß,
Muthmaßend, wann und wo; »der Hieb ist frisch,
Der zehn Jahr alt; der traf ihn zu Caerlyle,
Der zu Caerleon, der zu Camelot;
Und hier, o Gott der Gnade, welch ein Hieb!
Und hier ein Stoß, – getödtet hätt' er ihn,
Doch Gott zerbrach die starke Lanze, ließ
Den Gegner stürzen, und errettet' ihn;« –
In solchen Träumen lebte sie dahin. –
Wie kam zum guten Schilde Lancelot's
Die Lilienmaid, der selbst sein Name fremd?
Er ließ ihn ihr, als er von dannen ritt,
Zu kämpfen um den großen Diamanten
Im Diamant-Turnier, dem Waffenspiel,
Das Artus eingesetzt, und so benannt
Vom Diamanten, der der Kampfpreis war. –
Denn als noch Artus' Herkunft unbekannt, –
Lang' eh das Volk zum König ihn erwählt, –
Durchstreift' er einst den pfadlos wüsten Grund
Von Lyonesse, und fand in einer Schlucht
Voll grauer Kiesel einen schwarzen Pfuhl.
Ein Grausen wohnt' um diesen Pfuhl, und hing
In seinen Nebeln an der Berge Wand;
Weil hier ein König und sein Bruder einst, –
Doch ihre Namen wußte Niemand mehr, –
Im Zweikampf ihren wilden Haß gebüßt.
Und Beider Hand vergoß des Bruders Blut,
Und nieder stürzten Beide todeswund;
Ein Ort des Grauens war die Schlucht fortan.
Dort lagen sie, bis ihr Gebein gebleicht,
Und mit dem Felsen gleich von Farbe war.
Der Eine, der einst König, hatte noch
Die Krone mit den Diamanten auf,
Vorn einem, acht ringsum. – Auf steilem Paß
Brach Artus in des Mond's umflortem Schein
Sich mühsam Bahn. Da stieß er unversehns
Auf das gekrönte Beingeripp, und trat
Den Schädel vom Genick; vom Schädel fiel
Der Krone Reif, und rollt', im Mondenlicht
Gleich einem Bächlein glitzernd, in den Pfuhl.
Durch Schlamm und Steine sprang ihr Artus nach,
Ergriff sie rasch, und setzte sie sich auf,
Und tief im Herzen hört' er ahnungsvoll
Ein Flüstern: »sieh, auch du wirst König sein.«
Und aus der Krone hatt' er das Gestein
Gebrochen, als er später König war:
Da zeigt' er seinen Rittern es und sprach:
»Hier die Juwelen, die mich Gottes Hand
Einst finden ließ, sie sind des Königsreichs,
Des Königs nicht; – drum laßt zum Heil des Staats
Von nun an, und alljährlich, ein Turnier,
Und stets um einen dieser Steine sein.
Durch diese Probe, die neun Jahre währt,
Erfahren wir, wer unser stärkster Held,
Und werden all' in Waffentüchtigkeit
Und Mannheit wachsen, bis die Heiden wir
Verjagen, die, wie Mancher sagt, allhier
Einst herrschen werden; – das verhüte Gott!«
Er sprach's; acht Jahre schwanden; achtmal fand
Das Kampfspiel statt; und Lancelot gewann
Bisher den Diamanten jedes Jahr.
Im Geiste weiht' er sie der Königin, –
Wenn alle sein, – doch dacht' er, unverhofft
Zu blenden ihren königlichen Sinn
Mit einer Gabe, werth ihr halbes Reich,
Und hatte nichts bisher davon gesagt.
Am Fluß, dem Platze nah, der dazumal
Der riesigste der Welt, hielt Artus Hof,
Und ließ nun um den letzten, mittelsten
Und größten Diamanten ein Turnier
Zu Camelot verkünden. Als der Tag
Bevorstand, sprach er zu Ginevra so:
– Denn sie war krank gewesen, – »Königin,
Seid Ihr so krank, daß Ihr zum Festturnier
Nicht reisen könnt?« Und sie: »ja, mein Gemahl,
Ihr wißt es.« Und der König: »dann entgehn
Euch alle Ritterthaten Lancelot's,
Und seine Heldenkühnheit beim Turnier,
Ein Schauspiel, das Ihr liebt.« – Ginevra schlug
Die Augen auf und ließ sie schmachtend ruhn
Auf Lancelot, der neben Artus stand.
Und er, im Wahn, daß ihr Gedanke sei:
»O bleibe bei mir, ich bin krank, und mehr
Ist meine Lieb' als Edelsteine werth,« –
Er fügte sich, und sein treuliebend Herz,
Dem jeder Wink der Herrin ein Befehl,
Bezwang den Wunsch, der Diamanten Zahl
Voll zu besitzen, um sie ihr zu weih'n,
Und ließ ihn an der Wahrheit sündigen,
Indem er sprach: »Herr König, kaum vernarbt,
Ist meine letzte Wunde noch; ich bin
Nicht sattelfest.« – Der König sah zuerst
Ihm in's Gesicht, dann ihr, und ging des Wegs.
Kaum war er fort, als hastig sie begann:
»Verkehrt, Herr Lancelot, o, ganz verkehrt!
Warum nicht gehn zum edeln Waffenspiel?
Der Ritter Hälfte haßt Euch, und das Volk
Wird flüstern: »seht das schamvergeßne Paar
Treibt seine Kurzweil, wenn vertrauensvoll
Der König ging.« – Da wurmt' es Lancelot,
Daß er umsonst gelogen, und er sprach:
»Seid Ihr so klug? einst wart Ihr nicht so klug,
Nicht jenen Sommer, meine Königin,
Als Ihr zuerst mich liebtet. Damals nahmt
Ihr auf den Pöbel größre Rücksicht nicht,
Als auf der Grillen Legion im Gras;
An jedem Halm hängt ein Insekt und zirpt; –
Was will das sagen? Und die Ritter, glaubt,
Zum Schweigen brächt' ich sie mit Leichtigkeit;
Doch meine treue Huldigung für Euch,
Sie findet Gnade jetzt vor aller Welt.
Wer denkt an Arges, wenn des Sängers Lied
Den Namen Lancelot, den Tapfersten
Der Tapfern von Ginevra nimmer trennt,
Der Schönheit Perle? So verbunden trank
Auf unser Wohl beim Mahl die Ritterschaft,
Und lächelnd hat's der König angehört.
Was bangt Ihr denn? hat Artus mir ein Wort
Entgegnet? oder wolltet Ihr fortan
Aus Ueberdruß an meinem Ritterdienst
Dem fehlerlosen Gatten treuer sein?«
Sie schlug ein leises Hohngelächter auf.
»Mein frommer Mann, der König ohne Fehl,
Der Tugendschwärmer Artus, mein Gemahl, –
Doch wer kann in die Sonn' am Himmel sehn?
Kein Wort des Vorwurfs sprach er je zu mir,
Nie ging ein Licht ihm auf, daß ich nicht treu;
Er macht sich keine Sorgen meinethalb.
Nur heute lag ein Schimmer von Verdacht
In seinem Blick; – ein unberufner Wicht
– Es ist nicht anders, – hat ihn aufgehetzt,
Der sonst nur für die Tafelrunde schwärmt,
Für diesen Unsinn, und Gelübde fordert
Die gar nicht haltbar; alle Welt soll ihm
An Tugend gleichen; – doch für mich, mein Freund,
Ist ganz verfehlt, wer ganz von Fehlern rein;
Und wer mich liebt, hab' irdisches Gefühl.
Der Schatten hebt die Farben. Euch allein
Gehör' ich an; an Artus knüpft mich nur
Der Zwang, Ihr wißt es. Also hört mein Wort:
Geht zum Turnier; der Mücke Summen kann
Ein Ende machen unserm schönsten Traum;
Und das Geschmeiß hier summt schon überlaut;
Wir mögen es verachten, – doch es sticht.«
Und Lancelot, der Ritter Vorbild, sprach:
»Mit welchem Antlitz könnt' ich, Königin,
Nach meiner Weigrung wohl zu Camelot
Vor einen König treten, der sein Wort
In Ehren hält, als wär' es Gottes Wort?«
Sie sprach: »o doch; er ist ein Kind an Geist,
An Sinn kein Fürst, sonst hätt' ich nimmer mich
Ihm abgewandt; – doch wenn ich meinen Witz
Euch leihen muß, so gebt nun Acht: man sagt,
Daß Eurer Lanze Stoß die Stärksten fällt,
Bloß weil sie wissen, Ihr seid Lancelot;
Der stolze Name kämpft für Euch. Wohlan:
Verbergt ihn, streitet unerkannt, und siegt;
Bei diesem Kuß, mein Ritter, ja, Ihr siegt;
Und dann wird unser biedrer König gern
Die List verzeihn, die Ehrgeiz nur erfand;
Denn Wahrheit ist's: der stets so sanfte Mann,
Ihr wißt es wohl, hat auf der Ruhmesjagd
Als rüst'ger Jäger seines Gleichen nicht;
Ihm ist sein Höchstes seiner Ritter Ruhm,
Weil er in ihm sein eignes Werk erblickt;
So geht denn hin, und kehrt als Sieger heim.«
Sich selber zürnend stieg Herr Lancelot
In Hast zu Roß; es sollt' ihn Niemand sehn,
Und also schlug er einen grünen Pfad,
Den selten nur, man sah's, ein Fuß betrat,
Statt des zu Staub gestampften Heerwegs ein.
Doch in der Dünenwildniß fehlt' er nun,
Verloren in Gedanken, seinen Weg,
Und eine Spur, die nur als dunkler Strich
In wirren Krümmen durch die Thäler lief,
Verfolgt' er, bis er fern auf einer Höh'
Im Feuerschein des Sonnenuntergangs
Schloß Astolat mit seinen Thürmen sah.
Er ritt hinan, und stieß am Thor in's Horn,
Und schweigend ließ ein alter Mann ihn ein,
Mit Myriaden Runzeln im Gesicht,
Und nahm ihm im Gemach die Rüstung ab.
Und Lancelot, verwundert, daß der Mann
So sprachlos blieb, ging aus der Thür und traf
Den Lord von Astolat, begleitet von
Zwei starken Söhnen, Sir Lavaine, Sir Torre,
Die ihn bereits im Schloßhof aufgesucht.
Dicht hinter ihnen seine Tochter schritt,
Elaine, die Lilienmaid, – der Mutter Platz
Im Haus war leer, – sie plauderten vergnügt,
Gelächter scholl; allein ihr Lachen schwieg,
Als auf sie zu der hohe Ritter trat.
Da sprach der Lord von Astolat: »mein Gast,
Woher des Weg's, und welcher Name schwebt
Auf deinen Lippen? denn nach deiner Tracht
Und Haltung ahnt mir fast, du bist das Haupt,
Zunächst dem König, jener Heldenschaar,
Die Tafel hält in Artus' Rittersaal.
Ihn kenn' ich, doch die Tafelrunde sonst,
Trotz ihres Rufes, ist mir unbekannt.«
Und Lancelot, der Ritter Vorbild, sprach:
»Ich bin bekannt und bin aus Artus' Saal,
Und, den ich leider mitgebracht, mein Schild
Ist auch bekannt; ich will nach Camelot,
Dort um den Diamanten unerkannt
Zu kämpfen; also fragt nicht, wer ich bin.
Ihr sollt's hernach erfahren. Doch der Schild, –
Ich bitt' Euch, leiht mir einen, wenn Ihr könnt,
Der gar kein Wappen, oder mindestens
Ein andres Wappen, als das meine, trägt.«
»Hier ist Torre's Schild,« sprach Lord von Astolat,
»Im ersten Kampf ward hart verletzt mein Sohn
Und so, Gott weiß, ist glatt genug sein Schild;
Den könnt Ihr haben.« Torre bestätigte
In schlichter Einfalt: »ja, bedient Euch sein,
Weil ich ihn doch nicht selbst benutzen kann.«
Der Vater lachte: »pfui, Sir Grobian,
Heißt das erwidern einem edlen Herrn?
Verzeiht ihm! doch Lavaine, mein Jüngster hier,
Ist ein gar muntrer Schalk, und will zu Roß,
Will siegreich kämpfen um den Edelstein;
Er bringt ihn mit, wenn er nach Hause kehrt,.
Und steckt ihn dieser Maid in's goldne Haar,
Daß sie noch dreimal eigenwill'ger wird.«
»Nein, guter Vater, nein,« bat jung Lavaine,
»Beschämt mich vor dem edeln Ritter nicht,
Ganz ohne Grund. Gewiß, ich habe nur
Mit Torre gespaßt, weil er so ärgerlich
Und so betrübt, nicht fortzukönnen, schien.
Es war nur Scherz, Herr Ritter, weiter nichts;
Es hatte nämlich dieser Maid geträumt,
Daß Jemand in die Hand den Diamanten
Ihr steckte; doch, zu glatt, entschlüpft' er ihr,
Und fiel in einen Graben oder Bach, –
Des Schlosses Brunnen wird's gewesen sein.
Da sagt' ich: wenn ich ging' und föchte mit,
Und wenn ich siegte, – doch wir spaßten nur
Und neckten uns, – dann müßte sie den Stein
Viel fester halten. Alles war ein Scherz.
Doch Vater, ist's dem edeln Ritter recht,
So gebt Erlaubniß mir, nach Camelot
Mit ihm zu reiten; siegen werd' ich nicht;
Allein ich will mein Bestes thun zum Sieg;
So jung ich bin, mein Bestes will ich thun.«
»Wenn Ihr,« versetzte lächelnd Lancelot,
»Mir der Begleitung Gunst erweisen wollt
Durch jener öden Dünen Wüstenei,
Wo ich schon einmal meinen Weg verlor,
So seid Ihr mir als Freund und Führer lieb.
Und könnt Ihr, so gewinnt den Edelstein;
Ein großer schöner Demant, hör' ich, ist's;
Und wollt Ihr dann, so schenkt ihn dieser Maid.«
»Ein schöner großer Demant,« sprach Sir Torre
In seiner Einfalt, »Königinnen nur,
Nicht schlichten Mädchen, ziemt solch Prachtjuwel.«
Doch Schön Elaine, die vor sich nieder sah,
Und das Gespräch, das sie betraf, vernahm,
Ward ob der thörichten Erniedrigung,
In Gegenwart des fremden Ritters, roth,
Der, sie betrachtend, fein und höflich zwar,
Doch ohne Falschheit, ihm erwiderte:
»Gesellt das Schöne sich dem Schönen nur,
Und sollen schön nur Königinnen sein,
Wär' schnell mein Urtheil fertig, denn nach mir,
Trüg' diese Maid das köstlichste Juwel
Der ganzen Welt, in Einklang mit dem Satz,
Daß Gleiches nur zu Gleichem sich gesellt.«
Er sprach's und schwieg. Noch eh sie ihn gesehn,
Bezaubert von der sanften Stimme Ton,
Erhob Elaine, die Lilienmaid, den Blick,
Und las in seinen Zügen. – Die Gewalt
Der sündigen Liebe zu der Königin,
In stetem Kampf mit der zu seinem Herrn,
Hatt' vor der Zeit gealtert sein Gesicht
Und abgehärmt. Ein Andrer, sündigend
Auf solchen Höh'n mit Einer, die die Zier
Des ganzen Westens und der ganzen Welt,
Würd' um so glatter nur gewesen sein.
Allein in ihm ward oft ein Dämon wach,
Und trieb in Wüsten ihn und Einsamkeit,
Wo Todesqual sein lebend Herz zerriß.
Doch blaß und hager, wie sein Antlitz war,
Erschien er dem verschämten Blick Elaines
So hehr und edel, wie nur je ein Mann
Mit edeln Frau'n im Saale tafelnd saß.
Wohl war er bleich und hager, und gefurcht
Von einem alten Schwerthieb sein Gesicht,
Wohl hatt' er doppelt ihrer Jahre Zahl,
Sie hob den Blick, und liebte diesen Mann,
Den tiefgebräunten, narbenvollen Mann,
Mit jener Liebe, die ihr Schicksal war. –
Den schlichten Saal betrat der edle Held,
Des Hofes Liebling und der schönsten Frau'n,
Mit aller Huld, mit der ein biedrer Mann
Als Gleicher unter Gleichen sich bewegt,
Und nicht mit jenem unter Freundlichkeit
Versteckten Hochmuth, der der Noth sich fügt.
Sie labten ihn mit Speisen und mit Wein
Vom besten Jahrgang, und ergötzten ihn
Mit muntern Reden und mit Minnesang,
Und fragten nach der Tafelrunde viel
Und nach dem Hof, und er gab gern Bescheid;
Doch als sie auf Ginevra angespielt,
Begann er plötzlich von dem stummen Mann.
Da sprach der Lord: »die Heiden haben ihn
Gefangen vor zehn Jahren, und die Zunge
Ihm ausgerissen. – Denn er warnte mich,
Vor ihrem blut'gen Anschlag auf mein Schloß,
Den er entdeckt; das rächten sie an ihm.
Doch ich, die Knaben, und mein Töchterlein,
Wir floh'n vor Tod und Fesseln in den Wald.
In eines Schiffers Hütte hausten wir
Am großen Fluß und litten herbe Noth,
Bis unser tapfrer Artus abermals
Der Heiden Macht am Badon-Hügel brach.«
Da rief, im Drang der schönen Jugendgluth
Für älterer Männer Heldenwerth, Lavaine:
»Dort, edler Ritter, habt Ihr mitgekämpft,
So viel ist sicher; o erzählt, erzählt, –
Denn wir sind abgetrennt von aller Welt, –
Was Ihr von Artus' Heldenkriegen wißt.«
Und Lancelot sprach, und gab getreu Bericht;
Denn neben Artus war sein Platz im Kampf,
Der bis zum Sonnenuntergang getost,
Wo schäumend sich der wilde Glen ergießt;
Und von der vierfach wiederholten Schlacht
Am Duglasstrand, und der von Bassa; dann
Vom Kriege, der gedonnert ein und aus
Am dunkeln Saum des Forsts von Celidon;
Und weiter, wie beim Schlosse Gurnion
Der Heldenkönig einen Panzer trug,
Auf dem, aus einem einzigen Smaragd
Geschnitzt, das Haupt der Himmelskönigin
In einer Silbersonne Mittelpunkt,
Das Strahlen warf, wenn seine Brust sich hob.
Und zu Caerleon hatt' er seinem Herrn
Geholfen, als das wilde »Weiße Roß«
Hell wieherte, daß jede blutig roth
Gefärbte Brustwehr bebte; dann hinauf
Nach Agned Cathregonion, und hinab
Die wüsten Sandgestade Trath Treroits,
Wo mancher Heide fiel. – »Und auf dem Berg
Von Badon hab' ich Artus selbst gesehn
Der ganzen Tafelrunde hoch voran
Zum Angriff sprengen; »Gott und Artus« war
Der Schaaren Feldruf, und die Heiden flohn.
Und als der Kampf beendet, sah ich ihn
Auf einem Haufen von Erschlagnen stehn,
Vom Sporn zum Helmbusch von der Heiden Blut
Geröthet, wie ein feurig Meteor;
Und mich erblickend rief er laut: »sie sind
Versprengt, verjagt, vernichtet!« denn so mild
Zu Haus der König scheint, so wenig auch
Ein Sieg in unserm Scheinkrieg, dem Turnier,
Ihn reizen kann, – denn lachend sagt er wohl,
Wenn ihn sein eigner Ritter niederwarf,
Daß seine Ritter tapfrer sind, als er, –
So glüht' er doch in diesem Heidenkrieg
Von heil'gem Feuer, – seines Gleichen hab'
Ich nie gesehn; kein größrer Feldherr lebt.«
»Bis auf dich selbst, du hoher, edler Lord,«
So sprach's im Herzen leis der Lilienmaid
Bei diesen Worten. Als nun Lancelot
Vom Kriegsgespräch zu Scherzen überging, –
Sein Herz war fröhlich, doch in würd'ger Art, –
Da nahm sie wahr, daß wenn um seinen Mund
Ein heitres Lächeln eben noch gespielt,
Ihn eine Wolke düstern Grams umzog.
Doch wich die Wolke, wenn die Lilienmaid
Mit holdem Wort an ihn herangeschwebt,
Dem raschen Aufblitz einer Innigkeit,
Die Wahrheit halb, und halb Gewöhnung war;
Und ach, sie glaubte, daß er jedes Wort
Im Herzen, und vielleicht für sie, gefühlt. –
Die ganze Nacht umschwebte sie sein Bild,
Wie wenn des Malers gottbegabter Blick
In den geheimsten Zügen des Gesichts
Den Mann erkennt, und malt ein Bild von ihm,
Daß sein Gesicht für seine Kinder lebt,
Als Form und Spiegel seines Geists und Seins
In ihrer besten Art und vollsten Kraft;
So stand in düstrer Schönheit, stumm beredt,
In jedem Zug voll Adel, sein Gesicht
Lebendig vor ihr, scheuchend ihren Schlaf.
Früh stand sie auf, und mit dem Selbstbetrug:
»Ich muß durchaus noch Abschied von Lavaine,
Dem süßen, nehmen,« stahl sie schüchtern sich
Die steilen Treppen ihres Thurms hinab,
Auf jeder Stufe zögernd, und vernahm,
Wie laut Herr Lancelot im Hofe rief:
»Der Schild, mein Freund, wo bleibt er?« und Lavaine
Ging ihr vorbei; da trat sie aus dem Thurm.
Bei seinem stolzen Roß stand Lancelot,
Und klopfte trällernd ihm den glatten Hals.
»Du glücklich Thier, gekost von dieser Hand!«
So denkend trat sie näher. Mehr bestürzt,
Als überfielen sieben Männer ihn,
Sah er die Maid im feuchten Zwielicht stehn.
Daß sie so schön sei, hatt' er nicht geträumt,
Und über ihn kam eine heil'ge Scheu,
Denn stumm bei seinem Gruße stand sie da,
Und sah ihm nur verklärt in's Angesicht,
Gleich einem Gott. Auf einmal ward in ihr
Unwiderstehlich ein Verlangen wach,
Daß er ihr Zeichen trage beim Turnier.
Sie zwang ihr klopfend Herz, und bat ihn drum.
»Nicht weiß ich Euren Namen, hoher Herr,
Doch daß er edel, wie kein andrer ist,
Vertrau' ich fest: beliebt's Euch, beim Turnier
Mein Pfand zu tragen?« – »Schönes Fräulein, nein;
Denn niemals trug ich in den Schranken noch
Ein Damenpfand; so war's von je mein Brauch,
Und Alle, die mich kennen, kennen ihn.«
»Dann, wenn Ihr meins,« gab sie zur Antwort, »tragt,
So habt Ihr fast Gewißheit hoher Herr,
Daß Niemand Euch erkennt, dem Ihr bekannt.«
Und hin und her erwog er ihren Rath,
Und fand ihn wahr und sagte: »wahr, mein Kind;
Nun wohl, ich will es tragen, holt es mir,
Was ist es denn?« Sie sprach: »ein rothes Band,
Gestickt mit Perlen.« Und sie bracht' es ihm;
Da schmückt' er mit dem Zeichen seinen Helm,
Und sagte lächelnd: »keinem Mädchen noch
Hab' zu Gefallen ich soviel gethan.«
Und ihre Wangen glühten roth wie Blut
Vor Wonne, doch wie wurden sie so bleich,
Als mit des Bruders wappenlosem Schild
Lavaine erschien! er gab ihn Lancelot,
Der seinen eignen Schön Elainen ließ.
»Verwahrt, bis ich zurück bin, diesen Schild;
Erweist, mein Kind, mir diese Gunst.« »Für mich
Ist's eine Gunst; die zweite heut'. Ich bin
Eu'r Knappe.« »Lilienmaid«, so rief Lavaine
Und lachte, »fast besorg' ich, daß man dich
Noch ernstlich eine Lilie nennen wird;
Zum Besten deiner Farben rath' ich dir,
Geh' jetzt hinein, und eins, zwei, drei zu Bett.«
Den Mund ihr küßt' er, Lancelot ihre Hand,
Und Beide ritten ab. Sie zögerte
Noch einen Augenblick, dann sprang sie rasch
An's Thor und blieb, ihr ernst Gesicht umwallt
Vom goldnen Haar, noch rosig angehaucht
Von ihres Bruders Kuß, im Ausgangsthor
Beim Schilde stehn, und folgte weithinaus
Dem Funkeln ihrer blanken Rüstungen,
Bis sie verschwanden hinter Dünenhöh'n;
Auf ihren Thurm, dann stieg sie mit dem Schild,
Und hütet' ihn, und lebt' in Träumen hin. –
Indessen zog das neugesellte Paar
Auf kahlen Dünen weit und weiter fort,
Nach einem Ort, nicht fern von Camelot;
Dort lebte, wie Herrn Lancelot bekannt,
Seit vierzig Jahren schon ein Rittersmann,
Als Eremit, in Arbeit und Gebet,
Der fromm und fleißig, in dem weißen Fels
Ein Kirchlein sich gehöhlt, altargeschmückt,
Auf plumpen Säulen, einer Grotte gleich
Am Klippenstrand; auch Zellen fehlten nicht
Und Zimmer, alle trocken und bequem.
Die Wiesen unten spiegelten ihr Grün
Auf der Gewölbe milchig weißem Stein,
Und Zitterespen rauschten untermischt
Mit schwanken Pappeln tief im Wiesengrund,
Wie sanfter Regen. Dorthin ging ihr Weg;
In jener Grotte blieben sie die Nacht.
Doch als der junge Tag sein feurig Licht
Vom Thal her durch der Grotte Dämmer goß,
Erwachten sie; die Messe ward gehört,
Gefrühstückt, und von dannen ging der Ritt.
Nach einer Weile sagte Lancelot:
»Hört, doch verrathet meinen Namen nicht;
Ihr reitet neben Lancelot vom See.«
Den Ruhm bewundern freut den reinen Sinn
Der Jugend mehr, als eignes Lob; Lavaine
Vermochte nur zu stammeln: »in der That?«
– Er rang nach Luft – »der große Lancelot?«
Und sprach zuletzt sich sammelnd: »Einen nun,
Den Einen sah ich; – und der andre Held
Ist unser Lehnsherr, ist der Könige König
Im Brittenland, der hehre Pendragon,
Von dem das Volk geheimnißvoll erzählt, –
Dort wird er sein, – und schlüge Blindheit mich
Im Augenblick, – ich hätt' ihn doch gesehn.«
So sprach Lavaine, und als zu Camelot
Den Schranken auf der Wiese sie genaht,
Durchflog sein Blick das volle Schaugerüst,
Deß bunter Halbkreis einem auf das Gras
Gesenkten Regenbogen ähnlich sah,
Bis er des Königs lichtes Antlitz fand.
Der König saß in Purpurseide da,
An seiner Krone goldnem Drachen leicht
Erkennbar, und des Drachens Windungen
Auf seines Mantels goldner Stickerei;
Und aus dem Schnitzwerk an der hintern Wand
Herunter krochen goldner Drachen zwei,
Und bildeten das Wappen seines Throns;
Indeß sich ihre Leiber, wunderbar
Verschlungen und geringelt, fort und fort
Durch's Holzwerk zogen, um, – man merkte kaum
Den Uebergang, so kunstreich war das Werk, –
Zuletzt in andre Muster aufzugehn.
Und über ihm ein prächt'ger Baldachin,
Als dessen Schmuck der letzte Diamant
Des namenlosen Königs funkelte.
Da sprach zu jung Lavaine Herr Lancelot:
»Mich nennt Ihr groß, weil also fest mein Sitz,
So sicher meine Lanze, doch heran
Wächst mancher Jüngling, der, was ich vermag,
Erreichen einst und übertreffen wird.
Nichts Großes ist an mir, wofern es nicht
Von Größe schon ein schwacher Anflug ist,
Wenn man sich sagt: ich bin nicht groß. Doch dort,
Das ist der Mann.« – Ihn starrte noch Lavaine
Als Wunder an, da scholl Trompetenklang,
Und beide Schaaren, die Vertheid'ger hier,
Die Stürmer drüben, legten augenblicks
Die Lanzen ein, und sprengten spornstreichs an,
Und prallten halben Wegs mit solcher Wuth
Zusammen, daß der Boden zitterte,
Und man den Schall der Waffen weit hinaus
Vernommen hätt' als fernen Donners Ton, –
Wenn Einer heute fern geblieben wär'.
Nur kurze Zeit noch säumte Lancelot,
Bis er erkannte, wer die Schwächern waren;
Dann drang er mächtig auf die Stärkern ein;
Was braucht es viel zum Preise Lancelot's
In seiner Glorie? König, Herzog, Earl,
Baron und Graf, – er fällte, wen er traf.
Allein auf Seiten der Vertheidiger,
Der Tafelrunde, standen mit im Feld
Die tapfern Freund' und Vettern Lancelot's,
Und grollten, daß ein fremder Rittersmann
So viel und mehr, als Lancelot, gethan.
Und Einer sprach zum Andern: »aufgepaßt;
Wer ist der Mann, der nicht an Stärke nur,
Der ihm an Anmuth und Gewandtheit gleicht?
»Wär's Lancelot?« – »Wann trug wohl Lancelot
Das Zeichen einer Dame beim Turnier?
Sein Brauch ist anders; Alle wissen wir's,
Die wir ihn kennen.« – »Aber dann, wer ist's?«
Und eine Wuth kam plötzlich über sie,
Und glühende Familieneifersucht
Für Lancelot's Namen und für einen Ruhm,
Der theuer jedem, wie der eigne sei.
Den Speer gefällt, die Sporen eingesetzt,
So sprengte gegen ihn die ganze Schaar,
Und einer wilden Nordseewoge gleich,
Die grünlich schillernd, ihren Schaum im Sturm
Gen Himmel schleudernd, einer Barke naht,
Das Schiff verschlingend sammt dem Steuermann, –
So überritt der Schwarm Herrn Lancelot
Und seinen Gaul; ein Speerstoß traf das Pferd,
Und macht' es lahm; scharf drang ein zweiter Speer
Ihm durch den Harnisch in die Seite tief,
Wo seine Spitze brach und stecken blieb.
Nun that Lavaine, was brav und würdig war;
Zu Boden streckt' er einen Rittersmann
Bewährten Rufs, und brachte dessen Roß
Herrn Lancelot, der von der Erde schon,
Mit Todesschweiß beronnen sich erhob,
Doch kämpfen wollt', so lang ihm Athem blieb.
Und da die Andern wackern Beistand liehn,
So trieb er noch, – obgleich's dem Widerpart,
Mit dem er kämpfte, fast ein Wunder schien, –
Die Freund' und Vettern und die ganze Schaar
Der Tafelrunde, die Vertheidiger
Der Schranken, rückwärts bis an's Ausgangsthor. –
Da blies der Herold, und verkündigte,
Der Preis sei dessen, der das Scharlachband
Mit Perlen trüg', und jeder Rittersmann
Auf seiner Seite rief: »tritt vor, und nimm
Den Diamanten, deines Sieges Preis!«
Doch er: »mit Diamanten quält mich nicht;
Um Gottes willen, laßt mich durch! verschont
Mit Preisen mich; mein Kampfpreis ist der Tod!
Fort will ich, und ich sag' Euch, folgt mir nicht.«
Er sprach's und rasch verschwand er aus dem Feld,
Und ritt mit jung Lavaine zum Pappelwald,
Glitt dort vom Roß, und saß, und bat Lavaine
Mit Aechzen: »zieh das Eisen mir heraus!«
»Ach theurer Lord, Sir Lancelot,« sprach Lavaine,
»Ich fürchte mich, Ihr sterbt, wenn ich es thu'.«
Doch er: »auch so bin ich des Todes, zieh! –
Zieh nur!« da zog er. Einen grausen Schrei
Stieß Lancelot und gräßlich Stöhnen aus,
Ein Blutstrom schoß, und rücklings sank er hin;
Und lag vor Schmerz in tiefster Ohnmacht da.
Nun kam der Klausner, trug ihn unter Dach,
Und stillte dort die Blutung: doch er rang
Noch manche Woche täglich mit dem Tod,
Der weiten Welt und ihrem Lärm entrückt,
Und nur wie Regen rauschten neben ihm
Die Zitterespen und der Pappelhain.
Doch noch den Tag, als er vom Schrankenplatz
So rasch entwichen, traten Lancelot's
Mitkämpfer – Ritter aus dem fernsten Nord
Und West, entlegner Inseln Könige,
Und Lords mit reichen Marken, – vor den Thron
Des mächt'gen Königs, und so sprachen sie:
»Der Ritter, Sire, der uns den Tag gewann,
Verließ den Platz, doch ist er todeswund;
Den Kampfpreis hat er unberührt verschmäht;
Er rief uns zu, sein Kampfpreis sei der Tod.«
»Davor sei Gott,« sprach Artus, »daß ein Mann,
Der also tapfer, wie wir heut gesehn, –
Er schien mir fast ein zweiter Lancelot, –
Ja, daß er's wäre, dacht' ich zwanzigmal, –
Wir müssen für ihn sorgen. Auf, Gawain,
Zu Roß, mein Neffe, such' den Ritter mir;
Er muß uns nah sein, also matt und wund;
Dir trag' ich's auf; setz' dich sofort zu Pferd;
Und unter Euch, Ihr Herrn und Könige
Wird keiner denken, daß wir mit dem Preis
Uns übereilt, denn allzu wundervoll
Erschien sein Heldenstück. Drum wollen wir
Ihm Ehr' erweisen wider sonst'gen Brauch;
Weil er nicht kam, um seinen Dank von uns
Zu heischen, sei der Dank ihm nachgesandt.
So nimm, und bring' ihm diesen Edelstein;
Dann kehr' zurück und meld' uns, wer er ist,
Wie's um ihn steht, und laß vom Suchen nicht,
Bis du nach unserm Willen ihn entdeckt.«
Des Baldachins geschnitzte Rose trug
Als ruheloses Herz den Edelstein,
Und Artus nahm und hielt ihn in der Hand:
Da sprang ein Jüngling lächelnden Gesichts
Von seinem Sitz zur Rechten Artus' auf,
Im Antlitz Lächeln und im Herzen Groll;
Ein Prinz in seines Lenzes vollster Kraft
Und Blüthe, schön und tapfer, Herr Gawain,
Benannt der Feine, wohl als Ritter brav
Nächst Lancelot, Tristan, Lamoral, Garin,
Doch Modred's Bruder, aus verschlagnem Blut,
Nicht allzuhäufig seinem Worte treu,
Und jetzt empört, daß seines Herrn Befehl,
Sich aufzumachen, um sich umzusehn
Nach Gott weiß wem, ihn vom Gelage trieb,
Dem Sammelplatz von Herr'n und Königen.
So stieg er grollend auf sein Roß und ritt;
Und Artus ging voll Trübsinn zum Bankett,
Und dachte: »wär' es wirklich Lancelot,
Der trotz der Wunde, deren er erwähnt,
Aus lauterm Ehrgeiz doch sich eingestellt,
Zur alten Wunde neue sich geholt,
Und nun zu sterben, fortgeritten ist?«
In solcher Sorge blieb der König nur
Zwei Tage dort, und kehrte wieder heim,
Umarmte seine Königin und frug:
»Seid Ihr noch krank, Geliebte?« – »Nein, Gemahl.«
»Und wo ist Lancelot?« – Verwundert sprach
Die Königin: »wo sonst, als beim Turnier?
Gewann er Euren Preis nicht?« – »Nein, es war
Ein Andrer, der ihm glich.« – »Sein Ebenbild,
Er war es selbst.« Und als der König frug,
Wie sie das wüßte, sprach sie: »mein Gemahl,
Kaum wart Ihr abgereist, als Lancelot
Von dem Geschwätz im Volke mit mir sprach:
Es hielte Niemand seiner Lanze Stand,
Der ihn erkannt als Lancelot, und nur
Sein großer Ruf verhülf' ihm stets zum Sieg.
Drum wollt' er seinen Namen aller Welt,
Dem König selbst, verbergen und gab vor,
Daß seine Wunde noch nicht ganz geheilt;
So kenne Niemand in den Schranken ihn;
So zeige sich, ob seine alte Kraft
Noch nicht vermindert. Weiter sprach er noch:
»Und unser biedrer Artus wird die List
Mir gern verzeihn, sobald er eingesehn,
Daß ich mit ihr nur reinern Ruhm erstrebt.«
Der König drauf: »bei weitem löblicher
Gewesen wär's von unserm Lancelot,
Auch mir zu trauen, wie er Euch vertraut;
Denn mit der Wahrheit war's ein eitel Spiel;
Und sein Geheimniß hätt' ich sicher ihm
Als König und als Busenfreund bewahrt.
Es hätte traun, obgleich ich schon gewöhnt
An solche Grillen meiner Paladine,
So zarte Furcht des Kämpen Lancelot
Nur meine Lachlust mächtig angeregt;
Jetzt aber bleibt zum Lachen wenig Grund;
Die eignen Vettern, – schlimme Neuigkeit
Für Alle, die ihn lieben, Königin, –
Die eignen Freund' und Vettern griffen ihn
Nichts ahnend an, so daß er todeswund
Vom Kampfplatz schied; – doch auch ein Gutes hört:
Denn feste Hoffnung hab' ich, daß das Herz
Herrn Lancelots nicht länger einsam bleibt;
Er trug, – wie sonst noch nie, ein Scharlachband,
Mit Perlen reich gestickt, an seinem Helm,
Als Pfand von schöner Hand.«
»Ja, mein Gemahl,
Ich theile,« sprach sie, »diese Hoffnungen;«
Doch fast erstickend wandte sie sich kurz,
Um ihm ihr Antlitz zu verbergen, ab,
Und ging zur Kammer. Auf das Lager dort
Des großen Königs warf sie sich; in Qual
Sich windend und die Hände ringend, bis
Die Finger blutig: schrie der tauben Wand
»Verräther« zu, und brach in Thränen aus,
In wilde Thränen. Endlich stand sie auf
Und ging im Schlosse stolz und bleich umher.
Gawain indeß durchritt die Gegend rings,
Des Suchens müde, mit dem Edelstein,
Und nur zum Pappelwäldchen kam er nicht,
Und endlich, doch ganz spät, nach Astolat.
Und als die Maid den Ritter funkeln sah
In buntgeschuppter Rüstung, rief sie laut:
»Was bringt Ihr Neues, Herr, von Camelot,
Und von dem Ritter mit dem rothen Band?«
»Er hat gesiegt.« – »Ich wußt' es,« sagte sie.
»Und schied vom Kampfplatz mit durchbohrter Brust.«
Sie rang nach Luft; als fühlte sie den Stich
Der Lanz' in eigner Brust, und preßte bleich
Die Hand auf's Herz und war der Ohnmacht nah.
Und als Gawain verwundert staunte, kam
Der Schloßherr, dem der Prinz berichtete,
Er sei Gawain, und wem er nachgeschickt, –
Daß er den Kampfpreis bei sich trage, doch
Den Sieger nirgends finden, kreuz und quer
Geritten und des Suchens müde sei.
Da sprach der Lord: »so bleibet, edler Prinz;
Nicht länger reitet kreuz und quer durch's Land;
Hier war, hier ließ der Ritter einen Schild;
Drum kommt er wieder, oder schickt nach ihm;
Noch mehr, mein Sohn ist mit ihm; Nachricht wird
Uns bald; es kann nicht fehlen, daß sie kommt,
Es kann nicht fehlen.« – Und der feine Prinz
Willfahrte mit gewohnter Höflichkeit,
Mit Höflichkeit und stiller Schurkerei,
Und blieb, und warf sein Aug' auf Schön Elaine;
Wo fänd' er auch ein reizender Gesicht!
Dazu der Wuchs, vom Kopfe bis zum Fuß
Vollkommen, und vom Fuße bis zum Kopf
Die Glieder, wie von Meisterhand geformt.
»Wohl, bleib' ich, wird dies wilde Blümchen mein.«
Und oft im Taxusgarten traf er sie,
Und dort begann er gegen sie sein Spiel
Mit sprüh'ndem Geist und ungezwungnem Witz,
Fast über ihr Verständniß; mit des Hofs
Anmuth'gen Sitten, Seufzern, Liebessang
Und schmeichelnder Verliebtheit; bis die Maid
Darob empört ward, und ihm sagte: »Prinz,
Ihr treuer Neffe unsres edlen Königs,
Warum verlangt Ihr nicht, den Schild zu sehn,
Den hier gelaßnen, wenn Euch doch der Schild
Den Namen kund thut? Was mißachtet Ihr
Den König, und vergeßt der Sendung Ziel;
Nicht zuverlässiger, als mein Falke jüngst,
Den ich auf einen Reiher steigen ließ,
Und der des Wilds nicht achtend, feig entflog?«
Er gab zur Antwort: »Ja, bei meinem Haupt,
Wer sieht die Lerche noch in Aethers Höh'n?
Ich hab' um Eurer blauen Augen Glanz
Vergessen, Fräulein, meiner Sendung Ziel.
Doch wenn Ihr wollt, so laßt den Schild mich sehn.«
Und als der Schild gebracht war, und Gawain
Herrn Lancelot's azurne Löwen sah, –
Die goldgekrönten, hoch sich bäumenden, –
Auf seinen Schenkel spottend schlug er da:
»Der König war im Recht; 's ist Lancelot,
Der biedre Mann.« Sie sagte froh: »und ich,
Ich war im Recht, als mir es gleich geahnt,
Mein Ritter sei der Ritter edelster.«
»Und wenn mir ahnte,« sprach Gawein, »daß Ihr
Im Herzen diesen edeln Ritter liebt,
So müßt Ihr mir, Ihr wißt es wohl, verzeihn;
Drum sprecht, ob ich vergebens schmachten soll?«
»Was weiß ich?« war ihr einfach offnes Wort,
»Mein einz'ger Umgang war mein Brüderpaar,
Und oft, wenn sie von Liebe sich erzählt,
Hatt' ich den Wunsch, mein Mütterchen zu sein,
Weil sie, wovon sie sprachen, selber nicht
Verstanden, noch auch ich. Ob ich es weiß,
Was eigentlich die Liebe, weiß ich nicht;
Doch wenn ich's weiß, dann ja, dann lieb' ich ihn;
Sonst glaub' ich, daß ich nimmer lieben kann.«
Er sprach: »bei Gottes Tod, wohl liebt Ihr ihn,
Doch wehe, wüßtet Ihr, was Jeder weiß,
Und wen er liebt.« – »Nun wohl denn,« rief Elaine,
Erhob ihr schönes Haupt, und wollte gehn.
Allein ihr folgend rief er: »o verweilt,
Schenkt mir noch einen goldnen Augenblick:
Mit Eurer Schleife war sein Helm geziert;
Drum glaub' ich nicht, daß er die Treu' Euch brach,
Um jene Dame, die mein Mund nicht nennt.
Sollt' er die Farbe wechseln, wie das Laub,
Der treue Mann? ist's denkbar? nun wohlan,
Fern sei's von mir, den tapfern Lancelot
Zu kreuzen, wo er liebt. Und weil ich doch
Der Meinung, Fräulein, daß Euch wohl bekannt,
Wo Euer hoher Ritter sich versteckt,
So leg' ich jetzt mein Amt in Eure Hand,
Und diesen Stein hier; liebt Ihr Lancelot,
So ist es süß, Ihr gebt ihn; liebt er Euch,
So ist es süß, aus Eurer eignen Hand
Ihn hinzunehmen; ob er liebt, ob nicht,
Ein Diamant ist stets ein Diamant.
Lebt wohl nun tausend und noch tausend Mal;
Doch liebt er Euch, und hält die Liebe vor,
So dürften wir am Hof uns später sehn;
Und wenn Ihr Lebensart des Hofes lernt,
So werden wir, ich hoff' es, Freunde sein.«
Dann gab und küßt' er flüchtig ihr die Hand,
Reicht' ihr den Stein, und schwang sich auf sein Pferd;
Des Suchens müde, stimmt er hellen Tons
Ein altes Lied von treuer Liebe an,
Und so gemächlich ritt er seines Wegs.
Er kam zu Hof, berichtend, was bereits
Der König wußte, daß Herr Lancelot
Der Ritter sei; dann fuhr er also fort:
»Mein König-Lehnsherr, dies entdeckt ich wohl:
Allein ich ritt umsonst durch's ganze Land:
Ihn selbst zu finden ist mir nicht geglückt.
Das Mädchen aber sah ich, dessen Band
Er trug; sie liebt ihn, drum vertraut' ich ihr
Den Edelstein, im Glauben, keine Pflicht
Sei heiliger, als die der Courtoisie;
Sie wird ihn überreichen, denn sie kennt,
Bei meinem Haupt, den Ort, der ihn verbirgt.«
Der sonst so milde König war erzürnt:
»Bei Gott, zu höflich: nimmer werdet Ihr
Mit meinem Dienst betraut, denn offenbar
Habt Ihr vergessen, daß die Höflichkeit,
Die Königen gebührt, Gehorsam heißt.«
Er sprach's und ging. – Ergrimmt, doch furchtgelähmt,
Stand Herr Gawain wohl bis man zwanzig zählt;
Und starrt' ihm lautlos und verlegen nach,
Dann ging er seine Locken schüttelnd ab,
Und schwatzte draußen von der schönen Maid
Von Astolat und ihrer Liebschaft. Gleich
Die Ohren spitzend raunte man sich zu:
»Die Maid von Astolat liebt Herrn Lancelot,
Herr Lancelot liebt die Maid von Astolat.«
Ob wohl dem König etwas anzusehn?
Der Königin? Und wer das Mädchen war,
Kein Mensch begriff's; die Meisten waren rasch
Der Meinung, würdig sei sie seiner nicht.
Ein altes Fräulein lief in aller Hast
Zur Königin mit der bittern Neuigkeit;
Doch sie, die das Gerücht bereits gehört,
Empfand nur Lancelot's Erniedrigung,
Der Freundin Stich verbeißend bleich und kalt.
Auf dürrer Stoppel läuft die Flamme nicht
So raschen Laufs, wie jetzt die Mähr' am Hof,
Der wochenlang nicht aus dem Staunen kam,
Bis manchmal selbst die Ritter beim Bankett
Des Trunks vergaßen auf die Königin
Und Lancelot, um lächelnd sich Bescheid
Zu thun auf Lancelot und die Lilienmaid.
Dann saß mit schmerzlich mildem Angesicht
Die Königin und würgt' an ihrem Gram,
Der ihr erstickend in die Kehle stieg;
Und Niemand sah, wie sie vor Wuth und Weh
Den Estrich knirschend mit den Füßen trat,
Wie ihr zu Wermuth jeder Bissen ward,
Und bittrer Haß die lust'gen Zecher traf.
Doch ihre holde Nebenbuhlerin
Im fernen Astolat, die reine Maid,
Sie, die nur einmal Lancelot gesehn,
Und nun auf ewig ihn im Herzen trug,
Sie schlich zum Vater, als er einsam sann,
Und streichelt' ihm, auf seinem Schooß geschmiegt,
Die greisen Wangen. »Vater,« sprach sie dann,
»Ich bin, du sagst es oft, ein Eigensinn;
Bist selber schuld, weil du mich stets verzogst;
Und willst du nun, mein Herzensvater, sprich,
Daß ich vielleicht von Sinnen kommen soll?«
»Gewiß nicht,« sprach er. »Nun, so laß mich fort,
Lavaine zu suchen, unsern Liebling.« – »Nein,
Um unsern lieben Jungen kommst du nicht
Von Sinnen,« war die Antwort, »wart' es ab;
Wir müssen jedenfalls nun bald von ihm
Und jenem Andern hören.« – Und sie sprach:
»Ja, von dem Andern; denn ich muß durchaus
Den Andern finden, wo er immer weilt,
Und diesen Edelstein mit eigner Hand
Ihm geben, um so treulos meiner Pflicht
Nicht dazustehn, wie jener stolze Prinz,
Der seine Pflicht in meine Hand gelegt.
Im Traum, mein süßer Vater, sah ich ihn,
Zum Schatten abgemagert, todesbleich,
Weil keiner edeln Jungfrau Hand ihn pflegt.
Je bessern Bluts, um so verpflichteter
Ist eine Maid, so hast du mich gelehrt,
Dem edeln Ritter, der ihr Zeichen trug,
Zu milder Pflege, wenn er wund und krank.
O bitte, laß mich fort.« – Der Vater sprach,
Und nickte: »Ja, der Stein, – ja, weißt du Kind,
Recht gern erführ' ich, ob der Ritter schon
Genesen, denn kein Andrer kommt ihm gleich, –
Ja wohl, und geben mußt du ihm den Stein, –
Auch hängt, so denk' ich, diese Frucht zu hoch;
Nach ihr schnappt nur ein königlicher Mund, –
O nein, ich meinte nichts, – mach' dich nur auf;
Wenn du so festen Willens, mußt du gehn.«
Sie schlüpfte fort, als ihr Gesuch gewährt,
Und während sie zum Ritt sich rüstete,
Summt' ihr des Vaters letztes Wort im Ohr:
»Wenn du so festen Willens, mußt du gehn,«
Und ihr im Herzen klang's, und rief und rief:
»Mußt sterben, wenn du festen Willens bist.«
Doch war sie froh, und schlug sich's aus dem Sinn,
Wie man die Biene scheucht, die summende;
Und sprach als Antwort leise vor sich hin:
»Was thut's, errett' ich ihn nur, daß er lebt.«
Und im Geleit des guten Junkers Torre
Auf buschlos kahlen Dünen ritt sie weit
Nach Camelot, und vor dem Thor der Stadt
Kam wohlgemuth ihr Bruder angesprengt
Auf einem Schecken, den er schier vor Lust
Auf einem Blumenanger tanzen ließ.
Ihn kaum erblickend rief sie schon: »Lavaine,
Wie geht's dem Ritter Lancelot?« Er rief
Bestürzt: »Elaine und Torre, Euch treff' ich hier?
Wie wißt Ihr, daß sein Name Lancelot?«
Als nun die Maid erzählte, wandte sich
Sir Torre verstimmt, und ritt allein in's Thor;
Da standen wunderbare Marmorsäulen,
Und stellten bildlich Artus' Kriege dar.
Und Torre durchritt die düstre reiche Stadt,
Entfernte Vettern suchend seines Bluts
Zu Camelot, Lavaine geleitete
Die Maid zur Grotte durch den Pappelhain.
Sie sah zuerst den Helm Herrn Lancelot's,
Befestigt an der Wand; ihr Scharlachband,
Zerfetzt, zerhackt, der Perlen Hälfte fort,
Hing noch daran; da lachte froh ihr Herz:
Er hatt' es treu bewahrt, und dachte wohl,
Noch einmal es zu tragen im Turnier.
Sie kam zur Zelle, wo der Ritter schlief;
Auf einem Wolfsfell lagen kampfgelähmt
Sein nackter Arm und seine mächt'ge Hand,
Im Traume zuckend, wenn er seinen Feind
Zu Boden warf. Nun fiel ihr Blick auf ihn;
Mit wirrem Haar und Barte lag er da,
Gespenstisch mager, und der Maid entfuhr
Ein leiser Schrei voll Schmerz und Zärtlichkeit,
Ein fremder Ton an diesem stillen Ort. –
Der kranke Ritter wurde plötzlich wach,
Und sah noch schlafumflorten Blicks sich um.
Sie trat ihm näher, flüsternd: »Euer Preis,
Der Diamant; der König schickt ihn Euch.«
Sein Auge strahlte. »Strahlt es wohl für mich?«
War all ihr Denken. Nun erzählte sie
Vom Prinzen, den der König abgesandt,
Um ihm den Stein zu bringen; diese Pflicht,
Ihr, der Unwürd'gen sei sie nun vertraut;
Und dann am Haupt des Bettes kniete sie,
Und legte demuthsvoll den Diamanten
In seine Hand. Ihr Antlitz kam ihm nah;
Und wie man wohl für treuerfüllte Pflicht
Ein Kindlein küßt, so küßt' er ihre Stirn.
Zusammensank sie, wie des Springborns Strahl;
Und er: »ach, Euer Ritt hat Euch erschöpft;
Ihr müßt jetzt ruh'n.« – »Ich brauche nicht zu ruh'n;
Denn, hoher Herr, bei Euch sein, ist mein Ruh'n.«
Was meinte sie? Sein Auge, schwarz und groß,
Noch größer durch der Wangen Magerkeit,
Sah fest sie an, bis der geheime Gram
Des armen Herzens mit dem dunkeln Roth
Des Herzbluts in ihr offnes Antlitz trat.
Und Lancelot ersah's, und war bestürzt,
Allein zu schwach zu sprechen, blieb er stumm;
Doch dies Erröthen war ihm nimmer lieb;
Er fragte nur nach eines Weibes Huld,
Und also wandt' er seufzend sein Gesicht,
Und that, als schlief' er, bis er wirklich schlief.
Nun brach sie auf, ritt flüchtig durch die Flur
Und durch das wunderbare Säulenthor
Zum Blutsfreund in der düstern reichen Stadt;
Blieb dort die Nacht, ward mit der Dämmrung wach,
Schlich durch die finstre reiche Stadt zu Thal,
Und dann durch Wald und Flur zur Grotte hin;
Und also schwebte sie von Tag zu Tag
Gleich einem Geist im Zwielicht hin und her,
Und pflegt' ihn Tags, und pflegt' ihn manche Nacht. –
Zwar hätte Lancelot seine Wunde gern
Für einen Ritz erklärt, der bald genug
Vernarben werde, doch im Fieberwahn
Und Todesschmerz erschien er manches Mal
Sich selbst nicht ähnlich, rauh und rücksichtslos.
Und immer freundlich trug's die sanfte Maid;
Sanft, wie kein Kind der rauhen Magd sich fügt,
Mild, wie die Mutter pflegt ihr krankes Kind;
Und nimmer seit der armen Menschheit Fall
Vollbracht' ein Weib ein größres Liebeswerk,
Doch tiefe Liebe gab ihr Kraft dazu,
Bis ihm der Klausner, als erfahrner Mann
In Kräutern und der Heilkunst jener Zeit,
Gestand, daß ihre zarte Sorge nur
Am Leben ihn erhalten. Da vergaß
Der Kranke ganz der schlichten Maid Erglüh'n,
Und Schwester, Freundin, Liebchen nannt' er sie;
Nun lauscht' er, wenn sie kam, und härmte sich
Ob ihres Gehn's, und hielt sie zärtlich fest,
Und liebte sie mit aller Liebe, nur
Der Liebe nicht, mit welcher Mann und Weib
Einander lieben, innig, fest und süß; –
Und wäre jeden ritterlichen Tod
Für sie gestorben. Hätte sein Geschick
Gewollt, daß er Elaine zuerst gesehn,
Sie hätte wohl des Kranken Erdenglück
Begründet, und sein Seelenheil bewahrt;
Jetzt banden alter Liebe Ketten ihn,
Und Ehre, deren Wurzel Schande war,
Und Treue, die der ächten Treue log.
Manch reinen Vorsatz faßte Lancelot,
Manch fromm Gelübde that er, aber nur
So lang er krank; dann waren sie verweht.
Denn als sein Blut mit frischem Leben rann,
Erschien ihm oft ein heißgeliebtes Bild,
Und lullte trügrisch sein Gewissen ein,
Daß einer Wolke gleich sein Vorsatz schwand.
Und sprach die Maid, indeß vor seinem Geist
Der holde Zauber schwebte, gab er ihr
Nicht Antwort, oder kurz und kalt; und sie,
Die seiner Krankheit Launen jüngst verstand,
Was dies bedeute, sie begriff es nicht;
Und ihre Augen trübte stummer Gram,
Und trieb sie vor der Zeit durch Wald und Flur
Hinweg zur reichen Stadt, und einsam dort
Zu flüstern: »ach umsonst, es kann nicht sein;
Nie liebt er mich; was bleibt mir? nur der Tod.«
Dann gleich dem armen lieben Vögelchen,
Das nur ein Paar ganz schlichte Töne singt,
Und einen ganzen Morgen im April
Sie singt, und immer wieder, bis das Ohr
Es kaum erträgt, so sprach die schlichte Maid
Die halbe Nacht nur leise vor sich hin:
»Muß ich denn sterben?« Und sie warf sich rechts,
Und warf sich links auf ihrer Lagerstatt,
Und fand nicht Ruh', und lag und flüsterte,
Als wär' es der Refrain von einem Lied:
»Tod oder ihn,« und »ihn nur oder Tod.«
Doch als Herrn Lancelot's Todeswunde heil,
Da ritten alle drei nach Astolat;
Dort trat die süße Maid vor Lancelot
Allmorgens hin, gekleidet mit dem Kleid,
Worin sie selbst am besten sich gefiel.
»Denn,« dachte sie, »bin ich geliebt, so sind
Es Festgewänder; bin ich ungeliebt,
Des todgeweihten Opfers Blumenschmuck.«
Und täglich drängte Lancelot die Maid,
Von ihm zu fordern einen wackern Dank
Für sich und für die Ihren: »scheut Euch nicht,
Und sagt des treuen Herzens liebsten Wunsch;
Ihr selber habt an mir ein Werk gethan,
Das meinen Willen Euch zu eigen giebt;
Ich bin ein Fürst und Herr im eignen Land,
Und was ich will, das kann ich.« Und sie sah,
Gleich einem Geist, erhobnen Haupts ihn an;
Doch keines Wortes fähig, wie ein Geist,
Und Lancelot sah, daß sie mit ihrem Wunsch
Zurückhielt, und beschloß, noch kurze Zeit
Im Schloß zu weilen, bis er ihn gehört.
Und eines Morgens traf sich's, daß er sie
Im Taxusgarten fand. Er nahm das Wort:
»Nun säumt nicht länger, sagt mir Euren Wunsch;
Denn heut noch muß ich gehn.« Da brach sie aus:
»Ihr geht; wir werden Euch nicht wiedersehn;
Und ich muß sterben, weil ein kühnes Wort
Sich mir versagt.« – »O sprecht,« rief Lancelot,
»Denn daß ich leb' und höre, schuld' ich Euch.«
Da sagte sie mit Hast und Leidenschaft:
»Mein Kopf ist wirr; ich lieb' Euch; laßt mich sterben.«
Drauf er: »ach Schwesterchen, was fällt Euch ein?«
Und unschuldsvoll die weißen Arme weit
Ihm öffnend, sprach Elaine: »ob Ihr mich liebt,
Mich liebt, zum Weib mich wollt.« Und Lancelot
Gab ihr zur Antwort: »hätt' ich frein gewollt,
So wär' ich längst vermählt, mein süßes Kind;
Jetzt aber nehm' ich nimmermehr ein Weib.«
»Nein,« rief sie, »nein, ich frage nichts danach,
Ob ich dein Weib; nur nah will ich dir sein,
Dein Antlitz sehn, dir dienen, durch die Welt
Dir folgen.« – Da versetzte Lancelot:
»O Gott, die Welt, die Welt, ganz Aug' und Ohr,
Die dumm und herzlos, was sie sieht und hört,
Mißdeutet, und mit allen Zungen nur
Die falsche Deutung emsig weiter trägt, –
Nein; Eures Bruders Liebe lohnt' ich schlecht,
Und Eures Vaters Freundschaft.« – Und sie sprach.
»Nicht bei dir sein, dein Antlitz nicht mehr sehn, –
Dann wehe mir, dann ist mein Glück dahin!«
»Nein, edle Maid,« versetzt' er, »zehnmal nein:
Dies ist nicht Liebe; nur der erste Strahl
Des jungen Herzens; häufig kommt es vor;
Ich hab's an mir erlebt. Ihr werdet einst
Euch selbst belächeln; wenn Ihr Euren Lenz
Und Euer Leben einem Manne weiht,
Der besser für Euch paßt, der dreimal nicht
So alt, als Ihr. Und dann beschenk' ich Euch, –
Denn wahr und herzlich seid Ihr, wie bisher
Ich nimmer einem Weibe zugetraut, –
Besonders wenn Eu'r wackrer Ritter arm,
Mit reichem Gut und Land; mein halb Gebiet
Jenseits der Seen wär' mir nicht zu viel
Für Euer Glück; auch will ich bis zum Tod,
Als wäret Ihr von meinem eignen Blut,
In jedem Hader Euer Ritter sein;
Dies, edles Fräulein, will ich für Euch thun,
Mehr kann ich nicht.«
Er sprach's; sie bebte nicht,
Sie glühte nicht; sie stand nur todesbleich,
Und griff nach dem, was ihr am nächsten war;
Und mit dem Hauch: »dies Alles will ich nicht,«
Sank sie zurück, und also trug man sie
In tiefer Ohnmacht heim in ihren Thurm.
Da sprach ihr Vater, welcher jedes Wort
Vernommen durch die dunkle Taxuswand:
»Weh mir, ich fürchte, dieser Wetterstrahl
Ist meiner Blume Tod. Ihr seid zu zart;
Ich bitt' Euch, Lancelot, mein edler Herr,
Versucht's, und thut ihr rauhe Kränkung an;
Das dämpft und bricht wohl ihre Leidenschaft.«
Drauf Lancelot: »das widerstritte mir;
Thun will ich, was ich kann.« – Nun blieb er noch
Den ganzen Tag: erst Abends ließ er sie
Um seinen Schild ersuchen. Demuthsvoll
Aus seiner Hülle nahm die Maid den Schild,
Und gab ihn hin. Horch! stampfte da nicht schon
Im Hof sein Roß? An's Fenster stürzte sie,
Und riß es auf, und warf noch einen Blick
Nach seinem Helm: ihr Scharlachband war fort!
Das leise Klirr'n vernahm Herr Lancelot;
Und sie, – so scharf sieht Liebe, – ward gewahr,
Daß ihm bewußt, sie schaue noch nach ihm.
Er sah nicht auf, er schwenkte keine Hand
Zum Abschiedsgruß; fort ritt er trüben Muths;
Unfreundlich war's, – es war sein Aeußerstes.
Nun saß die Maid allein in ihrem Thurm;
Fort war der Schild, und nur der Ueberzug,
Ihr armes Werk, verlorne Mühe, blieb.
Doch hörte sie die Stimme Lancelot's,
Und zwischen ihr und der bemalten Wand
Erhob sich deutlich sein geliebtes Bild.
Dann kam ihr Vater; leise sprach er wohl:
»Getrost mein Kind,« und ruhig nickte sie;
Die Brüder kamen: »Friede sei mit dir,
Du süße Schwester,« und sie dankte stets
Gefaßt und still; doch war sie kaum allein,
So rief der Tod; es war wie Freundesgruß,
Der ihr von fern durch's Dunkel näher kam;
Ihr galt der Eulen Wehruf, glaubte sie,
Und blickte schwärmend auf den bleichen Schein
Der Weiden in des Abends Dämmerlicht,
Und hört' im Wind ihr eignes Todtenlied.
Sie dachte selbst ein kleines Lied sich aus,
Und sang's: es hieß das Lied von Lieb' und Tod;
Sie reimte lieblich, wie sie lieblich sang.
»Süß ist's, zu lieben, wenn auch ungeliebt;
Süß ist der Tod, der uns Erlösung giebt;
Weiß nicht, ob Liebe süßer, oder Tod.
Wenn Liebe Glück, muß Sterben bittre Pein,
Wenn Liebe Leid, muß Sterben Wonne sein;
Ich sterbe gern, dann endet meine Noth.
O Glück der Liebe, das uns ewig scheint,
O milder Tod, der kaltem Staub uns eint!
Weiß nicht, ob Liebe süßer oder Tod.
Ich folgte gern der Liebe, könnt' es sein,
Doch muß ich in den Tod; schon harrt er mein;
Laßt sterben mich, dann endet meine Noth.«
Hoch stieg beim Schlußreim ihrer Stimme Ton,
Fast war's ein Schrei; die Brüder hörten ihn
Mit Grausen; denn die Morgendämmrung kam
In rother Gluth, und heulend rüttelte
Der Wind am Thurm; sie dachten: »das Gespenst
Der Ahnfrau kreischt; uns steht ein Tod bevor;
O Vater, komm.« So stürmten alle Drei
In Angst und Hast hinauf zu ihr, und sieh:
Das Licht der Dämmrung spielte blutigroth
Auf ihren Wangen; gellend sang sie noch:
»Laßt sterben mich, dann endet meine Noth!«
Gleich Einem, der ein wohlbekanntes Wort
Stets wiederholt, bis – er begreift nicht, wie, –
Das wohlbekannte Wort ganz seltsam klingt,
So starrte sie der Vater zweifelnd an:
»Ist dies Elaine?« bis sie zusammensank,
Und, ihnen Allen eine matte Hand
Entgegenstreckend, lag, und ohne Wort
Nur mit den Augen guten Morgen bot.
Doch endlich sprach sie: »gestern träumte mir,
Ihr süßen Brüder, daß ich wiederum
Ein kleines neubegier'ges Mädchen war;
So froh wie einst, als unser Heim der Wald,
Wenn Ihr mich mitnahmt auf den großen Fluß,
Und mit der Fluth im Kahn des Schiffers triebt.
Nur fuhrt am Vorberg, den die Pappel krönt,
Ihr nie vorüber: hier war Euer Ziel,
Und mit der Ebbe ging es stets zurück.
Ich aber schrie, weil Ihr nicht weithinauf
Noch wolltet auf der spiegelglatten Fluth,
Bis wir gelangten an des Königs Schloß.
Ihr gabt nicht nach; doch heute träumte mir,
Daß ich allein den Fluß befuhr, und sprach:
»Nun hab' ich endlich meinen Willen doch.«
Da wacht' ich auf; doch meine Sehnsucht blieb.
Drum laßt mich fort, und fahrt mich noch zuletzt
Jenseits der Pappel weit hinauf den Fluß,
Bis wir gelangen an des Königs Schloß.
Dort tret' ich mitten unter Alle hin,
Und keiner wagt's und spottet über mich;
Doch wundert sich der listige Gawain,
Und Lancelot, der Große, staunt mich an,
Gawain, der tausend Abschiedsgrüße sprach,
Und Lancelot, der mich kalt und stumm verließ;
Dann soll der König hören, wer ich bin,
Und meine Liebe will ich kund ihm thun;
Bedauern wird mich selbst die Königin,
Mir freundlich sein der ganze seine Hof,
Und von der langen Reise werd' ich ruhn.«
»Still,« sprach der Vater, »Kind, besinne dich;
Wie hättest du, die Kranke, wohl die Kraft,
So weit zu reisen, und was wolltest du
Den Stolzen wiedersehn, der uns verlacht?«
Nun fing auch Torre, der Tölpel, mächtig an
Zu schluchzen und zu poltern und zu schrei'n:
»Ich liebt' ihn nie, und treff' ich ihn einmal,
So frag' ich nichts nach seinem hohen Rang;
Ich greif' ihn an, zu Boden schlag' ich ihn;
Laßt Glück mich haben, und ich schlag ihn todt,
Weil er in's Haus uns solches Leid gebracht.«
»Nein, lieber Bruder,« sprach die sanfte Maid,
»Thu' dir nicht selbst zu nah durch deinen Zorn;
Kein Vorwurf, siehst du, trifft Herrn Lancelot,
Mich nicht zu lieben; mein ist alle Schuld,
Daß ich von allen Männern ihn allein,
Für mich der Männer Höchsten, lieben muß.«
»Den Höchsten?« frug der Vater lang gedehnt, –
Zu dämpfen meint' er ihre Leidenschaft, –
»Nein Kind, ich weiß nicht, was dich hochbedünkt;
Eins aber weiß ich und die ganze Welt:
Er liebt die Königin in offner Schmach,
Und wird von ihr in offner Schmach geliebt;
Nennt man das hoch, was soll dann niedrig sein?«
Da sprach die Lilienmaid von Astolat:
»Mein theurer Vater, allzu schwach und krank
Bin ich zum Zorn; doch dies ist Lästerung.
Kein edler Mann, den nicht Gemeinheit schmäht;
Wer keine Feinde, hat auch keinen Freund.
Mein Stolz noch ist's, daß ich den Mann geliebt,
Der unvergleichlich ist und makellos.
So, Vater, laß mich sterben; was ich dir
Auch scheinen mag, ganz glücklos bin ich nicht;
Denn Gottes Besten, Größten liebt' ich ja,
Wenn meine Lieb' auch nicht vergolten ward.
Ich weiß es, du behieltst noch gern dein Kind,
Und dank' es dir, obgleich du deinem Wunsch
Dich feindlich zeigst; denn glaubt' ich, was du sagst,
Nur schneller stürb' ich; drum hör' auf, und laß
Den Priester kommen; beichten will ich ihm,
Damit ich reinen Herzens sterben kann.«
So kam und ging der Priester. Strahlenden
Gesichts, als wären Sünden ihr verziehn,
Bat sie Lavaine: »nun schreib' mir einen Brief,
Ich hab' ihn Wort für Wort mir ausgedacht.«
Und als er meinte: »wohl für Lancelot,
Für meinen theuren Ritter? gerne dann
Bestell' ich ihn;« erwidert' ihm die Maid:
»Für Lancelot und für die Königin
Und alle Welt ist dieser Brief bestimmt;
Allein bestellen muß ich selber ihn.«
Da schrieb Lavaine den Brief, den sie erdacht,
Und faltet' ihn, als er geschrieben war.
Nun sprach sie: »Herzensvater, zärtlicher
Und treuer, keine Laune hast du mir
Jemals versagt; auch diesen letzten Wunsch,
– Er mag dir seltsam scheinen, – weigre nicht.
Leg' kurz bevor ich sterbe, diesen Brief
In meine Hand, und drück' ihn fest hinein;
Denn noch im Tode hüten will ich ihn.
Und wenn es kalt und still in meiner Brust,
So nehmt das kleine Bett, auf dem ich starb,
Aus Liebe starb für Lancelot, und schmückt
Es herrlich, wie das Bett der Königin;
Und schmückt mich selber gleich der Königin;
Das Reichste, was ich habe, legt mir an,
Auf meinem Lager. Fahrt mich dann hinab
Auf schwarzem Trauerwagen an den Fluß,
Und auf dem Fluß erwarte mich ein Boot,
Schwarz ausgeschlagen. Denn zur Königin
Im Ehrenschmucke zieh' ich, an den Hof,
Und dort, das glaubt mir, sprech' ich selbst für mich,
Und Eurer Keiner könnt' es besser thun.
Drum laßt auch Niemand anders mit mir gehn,
Als unsern stummen Alten; er versteht
Zu steuern und zu rudern ganz allein,
Und wird mich bringen bis an's Thor der Burg.« –
Sie schwieg, und als der Vater ihr sein Wort
Darauf gegeben, ward sie freudenvoll,
Daß Alle meinten, nur in ihrem Wahn,
Und nicht in ihren Adern sei der Tod.
Zehn Morgen aber schlichen langsam hin;
Am elften nahm der Vater still den Brief,
Und drückt' ihn in die Hand ihr, und sie starb;
Es war ein Tag des Grams in Astolat.
Die nächste Sonne stieg am Himmel auf;
Da schlich der düstre Trauerwagen schon,
Dem mit verbißnem Schmerz im Angesicht
Die Brüder langsam folgten, schattengleich
Durch die vom Sommerglanz erfüllte Flur,
Zum Strom hinab, wo wartend schon das Boot,
Mit schwarzem Seidenstoff bekleidet, lag.
Dort saß der alte vielgetreue Knecht,
Seit er geboren ward, ein Stück vom Haus,
Der stumme Greis, verwitterten Gesichts,
Und mit den Augen zwinkernd, auf dem Deck.
Vom Wagen trugen sie die Brüder nun
Mit ihrem Lager in den schwarzen Kahn;
Der Todten Hand hielt einen Lilienzweig,
Und ihr zu Häupten hing die seidene
Schilddecke mit den Wappenstickerei'n.
Sie küßten noch die kalte Stirn: »leb' wohl,
Du süße Schwester, leb' auf ewig wohl;«
Und schieden weinend. Nun begann sein Werk
Der stumme Greis; und von des Stummen Hand
Gesteuert trieb stromauf das Trauerschiff;
Der Todten Rechte hielt den Lilienzweig,
Den Brief die Linke; wallend nieder floß,
Ihr goldnes Haar; den Körper bis zur Brust
Bedeckte Goldstoff, und ein weißes Kleid
Ließ nur ihr Antlitz frei, doch lieblich war
Mit seinen reinen Zügen dies Gesicht;
Sie schien nicht todt; fest schlafend schien sie nur,
Denn also freundlich lächelnd lag sie da.
Denselben Tag war's, daß Herr Lancelot
Im Schloß Gehör bei Frau Ginevra bat,.
Ihr endlich eines halben Reiches Werth,
Sein hart erkämpftes Prachtgeschenk zu weihn:
Die Diamanten, den im neunten Jahr,
Mit Blut und Beulen, den mit Andrer Tod
Und seinem Leben fast, bezahlten Preis.
So sandt' er Einen ihrer Dienerschaft,
Der Königin zu melden seinen Wunsch;
Und sie gewährt' ihn, aber sah dabei
In ihrer regungslosen Majestät
So marmorn, wie ihr eignes Steinbild aus.
Nur ward der Diener, als er ehrfurchtsvoll
So tief sich bückte, daß er ihr beinah
Die Füße küßte, raschen Seitenblicks
Der Königin Schatten an der Wand gewahr:
Des Spitzentuches Schatten zitterte; –
Ein rechter Kitzel für sein Höflingsherz. –
Des Artusschlosses hoher Erker ging
Umrankt von Wein gen Süden auf den Fluß;
Dort vor Ginevra kniete Lancelot,
Und sprach: »Gebietrin mein und Königin,
Ihr meine Wonne, nehmt aus meiner Hand,
Was ich für Euch, durch Euch beseelt, gewann,
Die Diamanten; tragt sie mir zur Lust
Als Armband an dem rundsten Arm der Welt;
Als Schmuck des Halses, gegen den ein Schwan
Nicht weißer ist, als seine dunkle Brut.
Allein an Eure Schönheit reicht kein Bild;
Und jedes Wort, ein Frevel ist's an ihr;
Doch wie dem Gram erlaubt ist, daß er weint,
So gönnet Worte meiner Huldigung.
Mit solcher Sünd' in Worten haben wir
Wohl Beide Nachsicht; aber Königin,
Gerüchte, hör' ich, gehn an Eurem Hof;
Und unser Bund, vom Priester nicht geweiht,
Bedarf zum Ausgleich unerschütterten
Vertrau'ns; drum kehrt Euch an Gerüchte nicht;
Wann gab es die nicht? daß Ihr diesen glaubt,
Ich mag's nicht glauben, ich getröste mich,
Daß Ihr, selbst edel, fest auf mich vertraut.«
Ginevra hatte halb sich abgewandt,
Indeß er sprach, und pflückte Blatt auf Blatt
Von ihres Erkers dicht verschlungnem Wein,
Zerriß', und warf sie von sich, Blatt für Blatt,
Bis grün der ganze Platz war, wo sie stand.
Dann, als er schwieg, mit duldend kalter Hand
Die Diamanten nehmend, warf sie sie
Gleichgültig auf ein Tischchen, und begann:
»Vielleicht bin ich im Glauben rascher doch,
Als Ihr mir zutraut, Lancelot vom See!
Nicht Priesterhand hat unsern Bund geweiht;
Das ist sein Gutes; taugt er sonst auch nicht,
Er läßt sich leichter lösen. Jahrelang
Um Euretwillen hab' ich Trotz und Schmach
An Dem geübt, der, wie mein tiefstes Herz
Sich eingestand, doch edler ist, als Ihr.
Was sollen diese Diamanten mir?
Von Euch geschenkt, wär' dreifach hoch ihr Werth,
Wenn Ihr nicht Euren eignen eingebüßt.
Ein treues Herz schätzt jegliches Geschenk
Nur nach dem Geber. Also nicht für mich!
Für sie, Eu'r neues Liebchen! Mir gewährt
Nur eins, ich bitt' Euch; haltet Euer Glück
Mir immer fern. Denn so viel Schicklichkeit,
Wie sehr Ihr auch verändert, habt Ihr noch,
Ich zweifle nicht; und ungern trät' ich selbst
Aus jenen Gränzen feinster Artigkeit,
In denen ich als Artus' Königin
Das Scepter führend, mich beherrschen muß.
Ein Ende denn! ein wundersames! doch
Ich nehm' es an mit Amen. Bitte, legt
Die Diamanten zu dem Perlenband;
Schmückt sie damit; erzählt ihr, daß sie mich
Zu Boden strahlt! – Das Armband einem Arm,
Mit dem verglichen der der Königin
Ein Stecken scheint; den Halsschmuck einem Hals,
O so viel schöner, – wie dereinst ein Herz
Voll wahrer Treue reicher war, als hier
Die Diamanten, – ihre, – meine nicht, –
Ja doch, bei unsers Heilands Mutter, doch;
Ob mein' ob ihre, – mein, damit zu thun,
Was mir gefällt; – nein, sie bekommt sie nicht!«
Auf stand das Fenster, denn der Tag war schwül;
Und aus dem Fenster nieder fuhr ein Blitz;
Die Diamanten flogen in den Strom;
Und Diamanten spritzten grüßend auf,
Und wieder eben ward der tiefe Strom.
Ein Ekel fast beschlich Herrn Lancelot
An Leben, Lieb' und Allem, während er
Am Fenster lehnte. Da, dicht unter ihm,
Grad' auf der Stelle, wo die Steine kaum
Versunken, langsam fuhr das Schiff daher,
Auf dem die Lilienmaid von Astolat,
Ein Stern im schwarzen Dunkel, lächelnd lag.
Allein die wild erregte Königin,
Die nichts bemerkte, stürmte fort und ging,
Zu jammern und zu klagen ungestört. –
An's Thor des Schlosses glitt der Kahn, und hielt.
Zwei Reisige standen Schildwach an der Thür,
Und auf den Marmorstufen reihten sich
Die Gaffer schon, und jedes Auge frug:
»Was mag das sein?« und Alle wurden bleich
Vor dieses Bootsmanns hagerm Angesicht,
So streng und schweigsam, wie das Antlitz ist,
Das aus dem schroffen Fels am Klippenhang
Hervortritt vor dem Blick der Phantasie.
Und flüsternd ging's: »ein Zauber liegt auf ihm;
Er kann nicht sprechen; – aber seht die Maid, –
Sie schläft, die schöne Feenkönigin, –
Ja, doch wie bleich! – wer sind sie? – Fleisch und Blut?
Sind's etwa Boten aus dem Feenland,
Die Artus holen? Man behauptet ja,
Daß unser Artus nimmer sterben wird,
Und nur hinübergehn in's Feenland.«
Indeß sie so vom König schwatzten, stand
Halb abgewandt der zungenlose Mann,
Bis Artus selbst, umringt von Rittern, kam.
Da blickt' er voll dem König in's Gesicht,
Hindeutend auf die Maid und auf die Thür.
Und Artus' Wink gebot Herrn Percival,
Dem milden, und dem keuschen Galahad,
Die Maid zu tragen; und sie trugen sie
Voll Ehrfurcht in den hohen Königssaal.
Da kam bestürzt der listige Gawain:
Dann stumm betrachtend kam Herr Lancelot;
Zuletzt voll Mitleid selbst die Königin.
Doch Artus' scharfer Blick ersah den Brief
In ihrer Hand; sich bückend nahm er ihn,
Erbrach ihn, las, und also stand darin:
»Viel edler Lord, Herr Lancelot vom See,
Ich, einst genannt die Maid von Astolat,
Des letzten Abschieds wegen komm' ich her,
Denn ihr verließt mich ohne Lebewohl.
Ich liebt' Euch, aber Ihr habt mich verschmäht,
Und meine treue Liebe ward mein Tod;
Drum vor Ginevra, unsrer hohen Frau,
Und allen andern Frauen ruf' ich Weh.
Für meine Seele sprechet ein Gebet,
Und gönnet ein Begräbniß meinem Leib;
Für meine Seele, Lancelot, bet' auch du,
Als Ritter ohne Gleichen, der du bist.«
So las er, und es weinten, wie er las,
Die Lords und Frau'n, und blickten oft von ihm,
Der las, auf sie, die dort so schweigend lag.
Und mehr als einmal glaubten sie zu sehn,
Die tief Ergriffnen, daß die Lippen sich
Noch regten, die das Brieflein vorgesagt. –
Da schaute frei Herr Lancelot und sprach:
»Mein Lehnsherr Artus, und Ihr Alle, hört,
Und wißt, daß dieses holden Mädchens Tod
Mich tief betrübt; sie war so rein als treu,
Und hat mit einer Liebe mich geliebt,
Wie noch kein Weib geliebt, das ich gekannt.
Doch Liebe zwingt zur Gegenliebe nicht
In meinen Jahren; mag's auch anders sein
In warmer Jugend. Und bei Ritterthum
Und Wahrheit schwör' ich: nimmer gab ich ihr
Zu solcher Liebe Grund; mit Absicht nicht.
Zu Zeugen ruf' ich ihre Brüder an,
Die mir befreundet; ihren Vater selbst,
Der barsch und rauh mit ihr zu sein mich bat,
Und irgend eine Kränkung ihr zu thun,
Als Todesstoß für ihre Leidenschaft.
Das widerstritt mir. Was ich konnte, that ich,
Und ohne Lebewohl verließ ich sie.
Hätt' ich geahnt, daß es das Herz ihr brach,
So hätt' ich sonst ein Mittel schlecht und recht,
Der Aermsten Wahn zu heilen, mir erdacht.«
Da sprach Ginevra, deren Zorn der See,
Der nach dem Sturm noch aufgewühlten, glich:
»Ihr hättet mindestens soviel Liebes ihr
Erwiesen, edler Ritter, vor dem Tod
Sie zu bewahren.« – Er erhob das Haupt,
Und ihre Blicke trafen sich: sie schlug
Die Augen nieder. Lancelot fuhr fort:
»Nur eins, o Herrin, hätte sie beglückt:
Mein Weib zu werden, was nicht möglich war.
Dann mir zu folgen durch die ganze Welt,
War ihr Begehr: auch dies versagt' ich ihr,
Denn ihre Liebe, meint' ich, sei der Aufblitz
Der Jugend nur, und würde rasch verglüh'n,
Um einst mit mildrer Flamme zu erstehn
Für einen Würd'gern; diesen wollt' ich dann,
Besonders wenn in Armuth sie gefreit,
Mit reichem Gut ausstatten und mit Land
In meinem Reiche drüben an den Seen:
Ihr Glück begründen wollt' ich, aber mehr
Vermöcht' ich nicht; sie schlug es aus, und starb.«
Er schwieg, und Artus nahm das Wort und sprach:
»Mein Ritter, dir als Ritter steht es an,
Und mir, als unsrer Tafelrunde Haupt,
Ein würdevoll Begräbniß ihr zu weih'n.«
Und zur Kapelle, die zu jener Zeit
Die reichste war im ganzen Königreich,
Schritt feierlich, von Artus angeführt,
Im Trauerzug der Tafelrunde Bund,
Und trüber noch, als sonst, Herr Lancelot. –
Nicht ärmlich, nicht als unbekannte Maid,
Mit Pracht und Ehren trug man sie zu Grab,
Mit Gottesdienst und dumpfem Orgelklang,
Gleich einer Fürstin. Als ihr lieblich Haupt
Von Ritterhänden sanft gebettet war
Im Moder halb vergeßner Könige,
Sprach Artus: »kostbar soll ihr Grabmal sein,
Und auf dem Sarg ihr Bild gemeißelt ruh'n:
Der Schild Herrn Lancelot's zu Füßen ihr,
In ihrer Hand die Lilie. Laßt den Sarg
An alle treuen Herzen den Bericht
Verkünden ihrer wehmuthsvollen Fahrt,
In Lettern blau und golden.« – Also ward's
Hernach vollführt; doch jetzt, als Lords und Frau'n
Und Volk der hohen Pforte buntgemischt
Entströmten, – Jeder wollte gern nach Haus, –
Ersah die Königin Herrn Lancelot. –
Er schritt allein; sie nahte sich und sprach
Mit einem Seufzer, im Vorübergehn:
»Vergebt mir, Lancelot; voll Eifersucht
Ist meine Liebe.« Mit gesenktem Blick
Erwidert er: »das ist der Liebe Fluch;
Euch ist verziehn; geht weiter, Königin.«
Doch Artus, der die Wolken seiner Stirn
Bemerkte, kam, und schlang voll Herzlichkeit
Um seine Schultern einen Arm, und sprach:
»O Lancelot, mein Lancelot, für den
Ich ganz Vertrau'n und Liebe, denn ich weiß,
Was in der Schlacht du, mir zur Seite, warst;
Und oft ersah ich, wie du beim Turnier
Die altbewährten, rüst'gen Ritter schlugst,
Und ließest ungeübte, jüngre, gehn,
Sich Ehre zu gewinnen erst und Ruhm;
Drum liebt' ich deinen Edelsinn, und dich
Als einen Mann, den Jeder lieben muß.
Und dennoch hätt' ich jetzt zu Gott gewollt,
– Denn Arges spricht von dir die böse Welt, –
Daß du zu lieben diese Maid vermocht,
Die nur für dich, so scheint es, Gott erschuf.
Und wenn man von der Todten schließen darf
Auf die Lebend'ge, war sie zart und rein,
Und wunderlieblich war ihr Angesicht.
Und bist du jetzt vereinsamt, kinderlos
Und unvermählt, so wär' aus ihr vielleicht
Ein edler Stamm von Söhnen dir erblüht,
Geziert mit deines Ruhms und Namens Glanz,
Mein edler Ritter, Lancelot vom See.«
Drauf Lancelot: »mein König, sie war schön;
Und rein, wie Ihr Euch Eure Ritter wünscht.
An ihrer Schönheit zweifeln, Blindheit wär's,
Und herzlos wär' es, ihre Reinheit schmähn.
Ja, müßt' ein Wesen, weil es liebenswerth,
Zur Liebe zwingen, hätt' ich sie geliebt;
Doch freie Neigung duldet keinen Zwang.«
»In solchen Fesseln wär' ein freies Herz
Am freisten,« sprach der König. »Liebesglück
Aus freier Neigung bleibt das Beste doch;
Was, nächst dem Himmel, wär' im öden Bann
Des Diesseits Glück, wenn solche Liebe nicht,
So rein, im Kleide solcher Lieblichkeit?
Doch dich zu fesseln, war ihr nicht bestimmt,
Obgleich du keine andern Fesseln trägst,
Und, wie ich weiß, im Herzen edel bist.«
Kein Wort erwidernd ging Herr Lancelot,
Und an der Mündung eines kleinen Bachs
In einer Grotte saß er lang' am Fluß,
Und sah dem Wogen zu des hohen Schilfs,
Und hob den Blick; da sah er, wie der Kahn,
Der sie gebracht, in weiter Ferne schon
Als dunkler Punkt den Fluß hinunter trieb.
Und in ihm sprach's: »du schlichtes, süßes Herz,
Du Maid hast mich weit zärtlicher geliebt,
Das weiß ich wohl, als meine Königin.
Für deine Seele beten? ja, ich will's;
Und nun fahr wohl, du schöne Lilie mein;
Jetzt mind'stens nehm' ich Abschied. Eifersucht
Aus Liebe? nicht vielmehr der herbe Rest
Erstorbner Neigung: eifersücht'ger Stolz?
Und ließ ich, Herrin, deine Eifersucht
Aus Liebe gelten, muß die Sorge nicht,
Die du für Ruf und Namen wachsend hegst,
Mir sagen, daß dein Herz erkaltet ist? –
Was war's, daß Artus meinen Namen so
Bedeutsam sprach? Vor Scham muß ich erglüh'n,
Mein eigner Name klingt wie Vorwurf mir,
Dem Lancelot, den, wie die Sage geht,
Die Fee der Seen seiner Mutter stahl;
Sie sang mir Strophen dunkler Lieder vor,
Gesang der Wellen; küßte morgens mich
Und abends, und dann sprach sie: »du bist schön,
Bist schön, mein Kind, gleich eines Königs Sohn,«
Und trug mich oft auf ihrem Arm, und schritt
Am düstern Wasser auf und ab mit mir;
O, wollt' ich doch, sie hätte mich ertränkt!
Was leb' ich noch? was nützt mir all mein Ruhm
Als größter Ritter? schwer erkämpft' ich ihn,
Und Freude, daß er mein ist, hab' ich nicht;
Doch könnt' ich ihn nicht missen ohne Leid,
Denn meines Wesens ward er jetzt ein Theil.
Doch wozu dient er? soll verderbter noch
Die Menschheit werden, weil ein Jeder hört
Von meiner Sünde? soll verzeihlicher
Die Sünde scheinen durch des Sünders Ruhm?
Weh mir, daß Artus' größter Ritter nicht
Zugleich ein Mann nach Artus' Herzen ist!
Ich muß die Fesseln brechen, die mich so
Entehren, aber wollen muß auch sie;
Doch würd' ich wollen, wenn sie wollte? weh,
Wer weiß? doch wollt' ich's nicht, dann möge Gott,
– Das bet' ich, – einen Engel unverweilt
Herniedersenden, an den Haaren mich
Zu packen, und zu schleppen weit von hier,
Und mich zu schleudern tief in jenen Pfuhl,
Den längst vergeßnen, zu dem Trümmergraus
Zermalmter Felsen.« –
So in Reu' und Leid
Aufstöhnte Lancelot, und ahnte nicht,
Daß er noch sterben sollt' als Heiliger. |