Rudolf von Tavel
Ring i der Chetti
Rudolf von Tavel

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Am Sankt-Katharine-Tag, Änds Wintermonet, het der Prieschter am Houptaltar vom Münschter juscht d’Mäß agfange gha und isch im Staffelgebätt zum Satz cho «Indulgentiam, absolutionem et remissionem peccatorum nostrorum tribuat nobis omnipotens et misericors Dominus», da ghört er hinder sech i der Chilchen es ungwanets Grüüsch, so wi wenn me mit Läderriemen uf d’Steiplatte schlüeg, es Tschiepen und Schlarpe, und er gspürt völlig, wi d’Andacht us der Gmeind hinder ihm verflügt. Was isch ächt los? «... et plebs tua laetatur...» Wenn er nume dörft umeluege!

Jitz chunnt der Ougeblick. Er chehrt sech gäge d’Gmeind: «Dominus vobisc...!» Es fählt nid vil, so chäm der Prieschter us em Konzäpt. Was söll jitz das vorstelle? Wi nes fürschtlechs Hochzyt! Da chnöilet’s vor ihm, z’vorderscht i der Mitti wi nes wundervolls Bluemegrup, überspunne vo mene Schleier vo Summerfäde voll Morgetou. E ganzi Schar vo Dame, alli mit anderthalb Schueh höche Spitzhuben uf em Chopf. Di schönschte flandrische Spitze fließe dervo aben über Brokat und Samet i allerhand Farbe. Es flimmeret vo Guld und chöschtleche Steine. Drum ume chnöilet gottsälig e Chranz vo ritterleche Manne, me weiß nid, wele der schönscht isch. Und was vorhär scho da gsi isch und jitz no derzue 261 louft, Beginen und Nunne, ufpludereti Burgersfroue, Hindersäßewyber, Wöscheren und Gätzlimöntscher. Derzwüsche Mönche, Ratsmanne, Handwärker mit dem Schurzfäll, grad wi si us Wärchstatt und Chäller gloffe sy, Chinder und Hünd. Wi d’Lüt d’Müüler, so het ds Münschter syni Türen offe vergässe. Di großi Glogge hätti mit ihrem Donner nid meh Lüt ufgjagt als das Plättle vo de verbottenen Adelsschueh mit ihrnen übermüetig länge Schnäbel. Allne vora isch d’Frou Änneli cho mit dem Herr Niklaus von Erlach. Drygluegt het si, wi wenn si mit der Muetter Gottes ganz es ärnschts Wort z’rede hätti. Ihres Chleid isch alt gsi, choschtbar, aber verbliche. Me hätti se nie derzue bracht, für die Glägeheit extra öppis la z’mache; es isch ihre nume drum z’tüe gsi, das vor aller Wält z’trage, was ihre Stand uszeichnet und jitz het sölle verbotte sy. D’Frou Jeanne hingäge het glänzt i blauguldigem Brokat, flandrische Spitzen und chöschtleche Steine. Natürlech isch es o bi ihren um e Trotz gange, aber das wär nere nid halb so wichtig gsi, hätti me nid derdür Glägeheit gfunde, sy Schönheit i rächte Rahme z’tue. Ob dere hei d’Lüt vergässe, uf ds Verbottene z’achte.

Di meischte Lüt hei ihri Andacht dem Gwunder g’opferet und sech wyters nid vil dänkt derby; aber was vo Rät und Burgere da isch, chrauet sech i de Haaren und seit: «Der Donner, der Donner!» Sogar der Stadtschryber pfyft dür d’Zähnd 262 und seit zum Seckelmeischter: «Was söll men o dänke? — Das hätte si jitz nid sölle mache!» Di beide chömen uf e Platz use, und dert stoßt der Simon Thorme zue ne, dä, wo d’Münschterchanzle gstiftet het, en undersetzte Ma mit rote Backen und blunde Bürschtehaar. Er lachet us chaltgrauen Ouge, wo-n-er di beide Herre gseht d’Händ verwärfe. Sälber Twingherr i der Ängi usse, het er dem ganze Handel meh vo wytem zuegluegt. Der Seckelmeischter macht Ouge wi Stuckreder: «Jitz isch’s verschüttet!» — «Warum?» seit der Herr Simon. — «He, jitz mueß me se ja verurteile, jitz gheit alls usenand!» — «A, ke Red!» seit der Herr Simon und wirft der Chopf i Äcke. Mängen aber, wo’s sünsch im gheime mit de Twingherre gha het, geit hütt mit Chopfschüttlen uf ds Rathuus. Der Schultheiß-Metzgermeischter wartet mit Ungeduld uf se. Er luegt dry, wi wenn er der schlauscht vo allne Sibetaler-Buren über d’Ohre ghoue hätti, und seit: «Jitz hei mer se!» Er isch syr Sach so sicher, daß er dasmal ohni Umständ hilft, dene Gsetzesüberträtter es unparteiisches Gricht z’bewillige.

Us acht Mitglider vom Chlynen und einezwänzig vom Große Rat isch das Gricht zsämegsetzt worde, und am Donschtig druuf isch es gsässe. Es settigs Drück und Gstungg het ds Rathuus no nid erläbt gha. Alles het welle derby sy, und me het di gröschti Müej gha, den Agchlagte der Wäg i di großi Ratsstube frei z’bhalte. Sträng 263 na ihrem Rang und Adel sy si gsönderet und vorgla worde, zerscht allei der Herr Niklaus von Erlach, ehmals Schultheiß vo Burdlef, du sy d’Ritter dra cho, der Herr Adrian, zwee Scharnachthal und di beide Diesbach, du d’Freifroue, d’Frou Änneli und d’Frou Jeanne. Si sy beide dagstande wi Marmorbilder. Wi verschide hei doch di beide Froue di Ratsstube voll Mannen um sech ume gspürt! «Das sind unsere Leit», het d’Frou Änneli dänkt, «schlecht sind si nit, aber man muß sie den Daume spüre lasse!» Ihren isch es glych gsi, wär se-n-agaffet, si het nie nüt druuf gä, isch ehnder gwanet gsi, mit ihrne Blicke den andere Lüt d’Ougsdechlen abe z’zieh. D’Frou Jeanne hingäge, wo’s nid Ungärn het, wenn ritterlichi Blicke wi Fliegen uf ihrem Samet umespaziere, isch sech hie vorcho wi in ere Tierchrääze. Na dene Froue sy d’Junker dra cho, zwee wyteri Scharnachthal, zwee vom Stein, der Petermann vo Wabere, der Hans Rudolf von Erlach, der Heinrich Matter und der Ludi Brüggler. Und zletscht du no di andere Frouen alli.

Sobald ds Verhör übere gsi isch, het der Gwunder nahgla. D’Fürspräche hei schuderhaft spitzfindig gredt und ds Hinderschte vüre zoge, für d’Chleidermandat dürz’tue; aber es isch alles für d’Chatz gsi. Ds Gricht het eihällig allizsäme für schuldig erchennt und se zu mene Monet Leischtung verurteilt. Si hei grad uf der Stell müesse vo der Stadt abschwören und zsämepacke.

264 «Han i’s nid gseit?» fragt der Herr Urban vor em Rathuus usse der Ritter vo Spiez.

«Nume Geduld!» antwortet er, «mir sy no nid fertig!»

Eint oder anderer Damen isch es leid gsi wägem Winter i der Stadt; aber me het ja dusse, uf de Schlösser, Wedelen und Tütschi gnue gha, und d’Spyschammere sy o nid läär gsi.

Es paar Tag druuf sy du no der Junker Hartmann vom Stein vo Münsigen und der Herr Thüring vo Ringoltinge, der Dichter, wo am Sankt-Katharine-Tag nid z’Bärn gsi sy, extra cho und Arm in Arm mit verbottene Schueh dür ds Münschter gstolziert, für solidarisch mit ihrne Standesgenossen i d’Verbannung z’wandere.

Und du het der Chrischtmonet Schnee druuf gstreut.

Aber verschlafe het me dä Monet nid. Bald nadäm di Verurteilte zu de Stadttoren uus gsi sy, hei sech d’Eidsgenosse gchündet. Si hei dem Rat aghalte, me söll Fride machen und nid wäge nütnutzige Chlynigkeite di gmein-eidsgenössischi Sach i so gfährlecher Zyt uf ds Spil setze! Wenn Bärn nid eis sygi, so gang alls verlore. Uf di allerhöflechschti Art — der Metzger het du di Gschydere la rede — isch dene Gsandte gseit worde, eigetlech gang es d’Eidsgenosse nüt a, wenn me z’Bärn für guet findi, enandere d’Zägge z’läse, aber me möchti ne nid dervor sy, wenn si mit dene Twingherre welle ga z’Bode stelle. Das hei si du o gmacht. 265 Me het d’Twingherre ga Chüniz i ds Chloschter zsämebotten und mit ne gredt. Und underdesse hei Rät und Burger usgmacht, me well di Sach vo Bärn uus glatt bürschte, me bruuchi kei eidsgenössische Strähl derzue.

Am Dreichünigstag isch alles, was Bei gha het, bim obere Tor zsämegloffe, für ga z’luege, wi di Verbanneten umechöme. Es isch eis Glück und ei guete Luun gsi. Us allne Husgänge het’s vo Bratis gschmöckt, und i de Fesser het’s toll gminderet, bis der Zytglogge Fyrabe gschlage het.

I den erschte Tage vom neue Jahr sy de Twingherren ihri Rächt wider zuegsproche worde, bis a die, wo si der Stadt scho hei abträtte gha, und wäge de Chleider het men erchennt, si söllen alege, was ne vo Standes wäge ghöri, wenn’s numen aständig sygi.

Na der Verhandlung het der Herr vo Spiez der Herr Urban vo Muelere fründschaftlech i Arm gchlemmt und gfragt: «Und jitz, stimmt my Rächnung?»

«Uf ds Tüpfli», seit der Herr Urban.


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