Rudolf von Tavel
Ring i der Chetti
Rudolf von Tavel

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Im Hof zwüsche de Gärberwärchstatten a der Matte, wo’s us mänger Gruebe gar übel duftet, stande der Meischter Fränkli und der Metzger Chischtler binenand. Si sy juscht über mene Fällhandel eis worden und rede jitz no vo der hüttige Ratssitzung.

«Es wär jitz de afe Zyt», seit der Metzger, «daß me mit denen Umtriben ufhörti. Das isch e chöschtlechi Sach, un es luegt nüt derby use.»

«Das fragt sech no», meint der Fränkli, «einschtwyle sy mer no nid starch gnue, für alleini z’fuuschte, und warum sötte mer nid üsi Trümpf usspile?»

«Scho rächt. Wenn mir, i meine d’Burgersami vo der Stadt, no nes Wort mitz’rede hätte! Aber es wird geng alles under dene große Herre vom Land abgchartet. Si stelle dene Herzög und Grafe, wo chöme cho Volk höische, uuf, bis der Tisch rugget, frässen und suuffe mit ne, und d’Üerti zale mir!»

«Gsalbet mueß halt sy, wenn der Charre söll loufe. Aber es isch si ja nid derwärt.»

«Oha, wi isch es verwiche gange, wo der Burgunder cho isch! U jitz sy si wider drannen i der Stadt obe mit dem Savoyer. Me schickt di junge vürnähme Herre mit ihm zu de Taascheli im Gäßli, für ne z’veramüsiere.»

«He ja, das isch jitz no nid ds Dümmschte. Afe 103 mueß me Lüt zue-n-ihm tue, wo d’Sprach glehrt hei und öppe wüsse luschtig z’sy mit ihm. Und dernah gäbe de di Alte der Rank, wi mir ne ha wei.»

«U mir zale der Gspaß u dörfe schwyge, wenn der Stei uf d’Blyde zrügg chunnt. — Ja ja — ja ja ja — ja ja ja.»

Und na mene Chehrli fat der Metzger wider a: «Was wott er eigetlech, dä Prinz? Für was bruucht dä Chriegsvolk?»

«He, sy Vatter schickt ne. Er het Händel mit sym Gägeschwäher, mit dem Chünig vo Frankrych. Er het dem Dauphin sy Tochter gä, und das hätti mit Schyn nid sölle sy. Dir wüsset ja. der Chünig und sy Suhn...»

«Dä vo Sant Jakob?»

«Prezys, dä. Das gyget nid zsäme.»

«He nu, so sölle si sälber luege, wi si wider i ds G’reis chöme! Üs cha’s am Änd nume rächt sy, wenn si enand bim Gring näme.»

«Ja, aber der Savoyer...»

«Was sy mir däm Donner schuldig? Het er’s is öppe nid schlächt gmacht z’Fryburg äne? Dä söll zerscht syner Schulde zale! — Oder meinet Dr nid o?»

Der Fränkli zuckt mit den Achsle. «I wurd mi jitz no nid ergellschtere, Meischter Chischtler. Hm. I gloub, es wott de bald cho schneie. I gspüre’s i de Chnöi.»

Beidi luegen über di nidere Stroudecher use, i eitönig graue Himmel und mache: mhm.

104 Zur glyche Zyt stande zwee anderi Ratsmanne dobe, in ere Näbedstube vom Rathuus, Oug in Oug, beidi i schöne Pelzröck. Der Herr Niklaus vo Scharnachthal strycht sech der Bart und lost. Der Herr Heinrich vo Buebebärg popplet mit syne herte Finger uf ds Tischblatt und redt mit dem ganze Gsicht. Der Schultheiß vo Ringoltinge lähnt am Chachelofen und lost, ohni nes Rünzeli z’verzieh, grad wi di andere Herre vom Tägleche Rat, wo a de Wänd ume sitze.

«Was wäre mir dem Dauphin a Rücksichte schuldig?» fragt der Ritter Heinz. Und us menen Eggen antwortet’s: «vergässet nid, daß er der künftig Chünig vo Frankrych isch!»

«Ganz rächt, der künftig Chünig vo Frankrych», antwortet der Herr vo Spiez. «Mir fahren am beschte, wenn mer nüt mit ihm z’tüe hei. Bsinnet ech: Anno vierevierzgi, na Sankt Jakob, da het er’s uf Bärn abgseh gha; aber drei Überlegunge hei ne von is dänne gha, das het me ja du verno: Für ds Erschte soll er gseit ha, mit Chriegsvolk wi-n-er’s z’Sankt Jakob het glehrt kenne, heig er nid Luscht no einisch az’binde, zum Zwöite: i mene Land wi üses wett er’s erscht rächt nid mit is ufnäh, mir sygen ihm z’hert dermit verwachse, und zum Dritte wüßt er gar nid, was da z’gwinne wäri. Also üsi Landschraft, üsi Bärge, üsi Armuet, das isch üse Schutz.»

«Was isch üs mit allem däm ghulfe», seit jitz der Scharnachthal, «wenn e Chünig vo Frankrych 105 syni Völker lat marschiere? — Mer wei’s doch nid z’Unnutz mit ihm verschütte!»

«Es isch o kei Verlaß uf ihn. Me seit ihm nid für nüt Dauphin. E schlüferige Fisch. Meinet dr, dir heiget öppis i der Hand, wenn er es Verspräche git, so heit dr d’Finger voll Schlym, daß dr nüt meh chönnet fescht afasse. Das isch alls. Wi het er z’Änsisheim versproche, der Sundgauer-Adel z’kuranze, und was het er gmacht? Erger als je trybe si’s da unde. Nei, wenn mit öpperem zsämeghänkt sy mueß, so wei mer de lieber mit däm, wo ne Zuekunft het.»

«Burgund», wirft öpper i ds Spil.

«Ja, Burgund, aber nid, daß i meine, es müessi sy.»

«Burgund!» rüeft en andere. — «Wenn me d’Welli het zwüsche Frankrych und Burgund, wird me sech wohl nid lang bsinne. Mit Burgund isch me bschisse. Frankrych hingäge...»

«Schmieret besser», schnydt der Ritter Heinz ab.

Da springt der Schultheiß uuf: «Ihr Herre, ihr Herre, mer sy a Savoye! Mir müesse zu mene Bscheid cho.»

«Dä Prinz söll gah, wo-n-er här cho isch!»

«Halt, halt! Nume nid gsprängt! Mir hein e Bund mit Savoye.»

«Wo nid ghalte wird. — Mir dörfe’s dem Chünig nid z’leid tue!»

So tönt’s jitz geng läbiger dürenand und geng luter, und di wätterbruune Gsichter wärde farbiger, 106 bis der Ritter Heinz wider mit sym ganze Gwicht i d’Mitti chunnt und seit: «Loset, Herre, es git en Uswäg! Wi wär’s, wenn mer dem Prinz in aller Höflechkeit würde säge, sobald der Herzog di füfzächetuused Gulde, wo-n-er üs schuldig isch, zalt heigi, well me de wyter rede?»

«Das lat sech ghöre», antwortet’s us der Fyschteri. D’Buzeschybli löj bald keis Liecht meh düre, so tief hanget ds Gwülk ob em Altebärg. Der Vorschlag vom Spiezer wird agno. Me isch uf beidne Syte froh, daß d’Beratung nid wyter louft wi vori. Me geit usenand. Wi rumpelsurrigi Bäre gange si d’Stägen ab. Es dunkt ein, me bruuchti numen e Stei z’wärfe, so würde si überenand härfalle.

A der Chrüzgaß standen eint und anderi vo de Zwöihundert, und bald het es jedes Mitglid vom Tägleche Rat es Küppeli um sech ume. — Es schneit.

Groß und schön geit der Junker Adrian näbe sym Vatter här gäge d’Junkeregaß zue. Chuum hei si d’Hustüre hinder sech, seit der Suhn: «Das chunnt us der Diesbacher-Chuchi.»

«Natürlech chunnt’s», antwortet der Vatter. Und der Adrian voll Füür: «Dene wei mer aber der Hafen abdecke! Morn am Morge... oder chunnt’s nid vor di Zwöihundert?»

«Wart no!» antwortet der Ritter und leit dem Adrian e schwäri Hand uf en Arm. «Wart no!»

Zwee Tag druuf sy zwee stattlechi jungi Herren 107 uf tief verschneite Wääge vo Bärn abgritte, zum obere Tor uus mit großem Gleit der Prinz Amadeus vo Savoye, zum undere Tor uus der Junker Adrian vo Buebebärg. Beidi hei öppis under em Bruschtlatz treit, wo ne nid rächt gsi isch, der Prinz en ungfreute Bscheid, weder ja, no nei, der Junker das «Wart no!» Schier nid z’ertrage, so öppis, juscht wil es so fescht sitzt, so ganz dem Vatter rächt git.

Fascht het der Herr Adrian über sich sälber müesse lache. Warum het er o so nes fründlechs Gfüehl für dä Savoyer? Si gange doch enand nüt a. Warum o? — Lassarraz, Lassarraz! — Aber furt jitz mit däm! Es pressiert dem Junker, ga Spiez. Wär weiß, er findt dert scho, was sit Wuche der ganz guldig Hof in Ate bhet! — Wär het nid alles i der Chilche gchnöilet für ne junge Buebebärg, bsunders wenn di alti Frou umewäg gsi isch!

Wi isch das emel o ne Längi bis i das Thun ufe! — Und jitz im Heimbärg no nes Yse verlore! Da hilft nüt. Zu däm schöne Normänner vo Dijon mueß me guet luege. Gäb’s, was es well. Z’Thun mueß me zum Huefschmid im Bälliz. Machet, machet! Wo der Schmid ds heißen Ysen ufleit, dänkt der Junker: wenn nume doben i der Ornig gluegt wird, z’Spiez! Er gseht geng di dunklen Ouge vor sech, wo mit ihrem Vertrouen alles, alles von ihm höische, fascht meh, als eine cha gä.

108 Ändlech — us der Lücke hinder der Simmeflueh fallt e Sunnestrahl fascht dem Bode nah uf di verschneite Tannen am Spiezerbärg — chunnt ds Schloß vüre, tief im Schatte. Uf em Turm schwänkt öpper es blauwyßes Fähnli. — Das wott sägen e Buebebärg, aber nid e Bueb, so isch es abgmacht gsi. E Bueb hätti der Stadt Bärn ghört und me hätti ne Mutz gschwänkt. — Ja nu, villicht ds andermal de. D’Houptsach isch: es läbt. Und d’Muetter läbt.

Im Torboge flüge dem Chnächt d’Zügel a Chopf. Atelos geit’s d’Schnäggestägen uuf. D’Frou Änneli steit da mit mene fyrleche Gsicht. Warum so ärnscht? — Es armsäligs blutts Möntschechindli schreit under überyfrige Frouehände.

Us de Chüsseni luege di dunklen Ouge.

Bald druuf zieht me d’Umhäng vür. Muetter und Suhn gangen i d’Chilchen übere, und was cha abcho us em Schloß, chnöilet hinder ne zueche.

Wi still blybt es doch hinecht im Schloß! Hie und da wird en Umhang dännezoge, hie und da hübscheli es Wort gredt.

D’Nacht isch läng, schuderhaft läng. Und geng gseht er di Ouge. Si sy anders gsi als sünsch. Am Morge, sobald es müglech isch, mueß er wider ga luege, ob er rächt gseh heigi. Ja, ja. Es isch eso. Es isch nümme das Vertroue, wo alles von ihm ghöische het. E Frag lyt drinne, e Chlag, es Warum, es Verlore-Sy und es Nid-Begryffe.

Der Frou Änneli isch es o ufgfalle, aber si seit 109 nüt. Der Adrian möchti das Rätsel ufryße, möchti sy Frou mache z’rede, aber das Liechtli flackeret so usicher, daß me der Ate mueß verha.

Der Junker gspürt öppis, wo-n-ihm kei Rueh meh lat. Er wott ergründe, was d’Schuld chönnti sy a der Veränderung. Herr Gott, wenn si numen es Wort sieg! — I ha mir doch nüt vorz’wärfe! I bin ere doch treu blibe.

Und jitz chunnt der Wunsch, ds Gebätt: wenn si’s numen übersteit, so cha me nachhär mitenand reden und Liecht drybringe! — Was für nes Liecht?

Es isch Fieber da. — Tag verschlycht um Tag. Me geit nume no zwüsche der Chrankestuben und der Chilche hin und här. Am vierte Tag, wo der Junker i der Chilchen am Bätten isch, wird d’Türe gschletzt, und es isch doch niemer umewäg: Da schnellt er uuf. Er bruuchti gar nid ga z’luege, er weiß, was gscheh isch.

D’Frou Änneli steit am Bett vo der junge Frou, der Naselumpe vor em Chini. «Grad vori», seit si nume, «vor nes paar Minute.» Und jitz mueß der Junker Adrian di Ouge zuedrücke, wo alles vo ihm erwartet hei und i mene Zwyfel an ihm irr worde sy. Wenn er nume mit denen Ougelieder chönnti ne Dechi über das abe zieh, was er vermuetet!

D’Frou Jacquette isch a der Chilchen äne begrabe gsi, wo me dem Junker erzellt, wär alles nere sygi cho visites mache, währeddäm er z’Bärn 110 gsi isch. Vom Schloß z’Oberhofe, vo Unspunnen und so wyters. Wär no? Und wär no?

Der Junker het nie verno, was gangen isch. Aber er mueß sech’s ja säge: wenn öppe sy Frou verno het, daß eigetlech sy erschti, sy wahri Liebi aneren andere ghört heigi...!

Es isch ihm mängisch, er möcht sech der Längi nah a Bode legen und i de Füüscht öppis verchrose. Hüüle möcht er wi nes Chind. Aber er lat sech nid la gah. Stundelang steit er a mene Fänschter, het sech am Chrüzstock und luegt i d’Buze, wo me nüt derdür gseht als Kreise vo schwarz, grau, wyß und mängisch chly blau.

Si het alles vo mir erwartet, und i han ere’s nümme chönne gä. Das — isch nümme guetz’mache. Di erschti Narbe. Di erschti würklechi Demüetigung. Bi scho nümme, was i hätti sölle sy. Schon e Möntsch, e guete Möntsch hinder mer, a dän i nid mit freiem Härz cha zrückdänke. — Dimitte nobis debita nostra! So vo Härze wi der Junker Adrian das seit, isch es no nid mängisch i der Schloßchilche gseit worde. Und druuf aben isch en ärnschte, etschlossene Ma us der Chilchstüren i di guldigi Bärgsunnen use cho und het sich sälber gseit: I Gotts Name wyters! Me isch ja für di andere da. Die söllen erfahre, daß i öppis glehrt ha!


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