Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Eine ganz andere Scene, eine Feuerprobe, die ich sowohl herbeiwünschte, als fürchtete, erwartete mich am folgenden Tage, denn ich hatte beschlossen, meine Wiederbelebung meinem unnatürlichen Sohn nicht länger zu verbergen, ihm das Vermögen und die Güter, die er so schändlicher Weise an sich gerissen, zu nehmen und ihm seine gänzliche Verstoßung und Enterbung anzuzeigen. Er war eben auf Besuch in Oakfield Hall, denn seine erwählte Julie berückte ihn zu sehr, als daß er lange von ihr entfernt hätte sein können. Linnel, der es nicht zugeben wollte, daß ich etwas, was mich aufregte, unternehme, es sei denn unter seiner persönlichen Leitung, begleitete mich in seinem Wagen nach Oakfield Hall, wo wir, als wir sie in dem Gartenhaus suchten, erfuhren, daß die Gesellschaft gerade mit Miß Thorpe in das Sommerhaus eingetreten sei, um eine Wasserjagd mit anzusehen, indem Sir Freeman Dashwood die Hunde mitgenommen hatte, um Tauben zu jagen. Nachdem ich von dem Wagen gestiegen und mich auf den Arm meines Freundes gestützt hatte, ging ich gegen das Sommerhaus, das ganz in der Nähe der Wohnung stand. Hier setzte ich mich auf die Treppen, um wieder zu Athem zu kommen, und da die Thüre halb offen war, vernahm ich gegen meine Absicht folgendes Gespräch:
»Sage einmal, Julie! war es nicht ein Glück, daß der Gouverneur eher starb, bevor er noch eine Veränderung mit seinem Testament vornehmen konnte? So bekomme ich das Vermögen und alle Güter dazu. Wenn er einmal eine Grille in seinem Kopfe hatte, so war er so halsstarrig wie ein Maulthier, und er hatte geschworen, wenn ich Sie jemals heirathete, würde er mich mit einem Schilling abfinden.«
»Und wenn er das gethan hätte, so würde es nicht den geringsten Unterschied in meinen Augen gemacht haben, mein lieber Georg. Wo aufrichtige Liebe herrscht, kann von niedrigem Gewinn keine Rede sein. Dank dem Himmel, ich bin weder schmutzig, noch eigennützig. In der That, wenn es eine Person in der Welt giebt, die ich mehr als andere verachte, so ist es ein Mädchen, die nach Geld heirathet.«
»Das ist Alles recht gut; es ist aber auch nichts Schlechtes, Geld im Beutel zu haben, Du magst nun um seinetwillen heirathen oder nicht. Ich will Dir etwas sagen – ich habe mir etwas ausgedacht. Ich möchte gerne bei der nächsten Versammlung zu Newmarket die besten Hunde und Jagdpferde in ganz Suffolk und die besten Rennpferde in ganz England haben. Es ist aber auch noch eine andere Sache, die ich mir ausgedacht habe; ich will Dich noch vor Ende dieses Monates heirathen.«
»Was, mein lieber Georg! sobald nach Deines Vaters Tode?«
»Ja, gewiß; warum denn nicht? Wollte ich noch ein Jahr warten, so würde er nicht mehr todt sein, als er jetzt ist, wie ich schon Sarah gesagt habe, als sie so darauf drang das Begräbniß zu verschieben. Er kann nicht erwarten, daß ich sehr empfindsam bin, wenn er mich mit einem Schilling abspeisen wollte. Ist er doch todt, ha! ha! ha!«
Man hörte das Bellen der Hunde und das Schießen von dem Wasser her, die Liebenden eilten hinweg und lehnten sich an das offene Fenster, welches die Aussicht auf den Jagdplatz hatte. In diesem Augenblick schritt ich leise in das Sommerhaus und setzte mich auf einen der leeren Sessel. Zwei bis drei Minuten blieb dieser unwillkommene Zusatz zu der Partie unbemerkt, aber das Mädchen drehte sich endlich herum, stieß einen durchdringenden Schrei aus, bedeckte ihre Augen mit ihren Händen und sank schaudernd zu Boden. Indem ihr Begleiter ihr zu Hülfe sprang, bekam er mich zu Gesicht. Es war, als würde er durchbohrt, seine Augen waren starr, sein Gesicht wie versteinert vor Schrecken, und seine Lippen sprachen in heiserem Tone:
»Gott im Himmel! der Geist meines Vaters!«
Unfähig, meinen lang unterdrückten Widerwillen zurückzuhalten, stürzte ich mich auf ihn, faßte ihn bei der Brust und schüttelte ihn mit aller Kraft, deren ich fähig war, indem ich ihm ins Ohr schrie:
»Nein, unnatürliches Ungeheuer! nein, Abtrünniger! Vatermörder! Es ist Deines Vaters eignes Fleisch und Blut, wie Dich mein Angriff überzeugen kann, und wie ich Dir noch wirksamer beweisen würde, indem ich Dich zu Boden würfe und mit Füßen träte, wenn ich Kraft genug hätte, meinen Willen auszuführen. Es ist Dein Vater, dessen Leben Du zu zerstören suchtest, den Du mit so strafbarer Eile zur Erde bestattetest – den schon die Klauen des Todes ergriffen hatten, und der durch eine Reihe von glücklichen Fügungen der Vorsehung wieder aus seiner Ohnmacht erwachte, um ein Werkzeug des Himmels zu werden, Deine schändlichen Verbrechen ans Tageslicht zu ziehen und zu bestrafen.«
Sobald ihn diese Anklagen überzeugten, daß er es mit einem lebenden Wesen und nicht mit einem Geiste zu thun habe, schien all sein Schrecken verschwunden, sein Gesicht nahm wieder seinen früheren Ausdruck an, und er rief in seinem gewöhnlichen ungezwungenen Ton:
»Gut, Vater, ich habe Sie oft in Leidenschaft gesehen, aber ich will mich hängen lassen, wenn ich Sie je in einer solchen entsetzlichen Wuth erblickt habe als jetzt.«
»Spitzbube« erwiederte ich, denn ich war toll über seine kühne Gleichgültigkeit, »wie heißt der Chemiker, von dem Du die vergiftete Mixtur gekauft hast, deren Opfer ich wurde?«
»Sie meinen Raby's Restaurativ? Eine Kapitalarzenei, die! Sein Name – sein Name? Man soll mich hängen, wenn er mir gerade einfällt.«
»In welcher Straße von Newmarket wohnt er?«
»Straße – Straße? ich habe das auch vergessen. Doch nein, ich habe es nicht vergessen. Jetzt erinnere ich mich; ich kaufte es von einem Burschen, der auf dem Lande herumzieht.«
»Elender Lügner! Diese Ausflucht ist gerade ein Bekenntniß Deiner Schuld. Mit derselben Achtung vor der Wahrheit wirst Du ohne Zweifel auch läugnen, daß Du das Codicill zu meinem Testament vernichtet hast.«
»Codicill! was für ein Codicill? Ich bin bereit einen Eid darauf abzulegen, daß ich nie –«
»Halte Deine gottlose Zunge und füge Deinen anderen Greueln nicht noch einen Meineid hinzu. Als ich noch in Ohnmacht lag und nicht todt war, wie Du glaubtest, sah ich mit meinen eigenen Augen, wie Du es zerrissest und ins Feuer warfst.«
»So – Sie haben es gesehen? Wie listig Sie waren! Und was für ein dummer Teufel war ich, daß ich nicht die Thüre zum Schlafzimmer schloß.«
Nicht wenig gereizt und von Widerwillen erfüllt von seinem hartnäckigen Benehmen wie von seiner beleidigenden Sprache, suchte ich die Unterredung zu Ende zu führen, indem ich sagte:
»Höre, Bursche, ich spreche jetzt zum letzten Mal zu Dir. Ich habe ein neues Testament gemacht, in Folge dessen Du gänzlich und unwiderruflich enterbt bist, mit Ausnahme eines geringen Antheils, der gerade hinreichend ist, Dich vor Mangel zu schützen, und nur so lange ausgezahlt werden soll, als Du Dich außer Landes befindest. Im Augenblick, wo Du Deinen Fuß auf Englands Boden setzest, hört die Zahlung auf. Hier ist ein Brief an meinen Agenten in London, der Dir eine Summe zu Deiner Einrichtung auszahlen wird. Weg von mir! verbirg Deine Schändlichkeiten in einer unserer Kolonien; je näher bei den Antipoden, desto besser. Fort! laß mich Dich nie wiedersehen! Fort, ehe ich Dir fluche!«
»Der Teufel und Doktor Faust! das ist ein prächtiger Abschied!« war Alles, was er auf die harten und heftigen Vorwürfe entgegnen konnte; und ich hatte kaum das Sommerhaus verlassen, so hörte ich nochmals das eitle und scheußliche Gelächter, durch das ich früher schon beschimpft worden war.
Nicht ohne Beschwerde trugen mich meine wankenden Füße zurück zu dem Wagen; ich wurde von dem Doktor und seinem Diener hineingehoben; kaum aber hatte man mich auf den Sitz gebracht, so unterlag meine Natur der Anstrengung, die ich erlitten hatte, und ich fiel in Ohnmacht.
Da ich Miß Thorpe's Charakter kannte, war ich nicht im geringsten überrascht, als ich erfuhr, daß diese uneigennützige Heldin, welche sich selbst rühmte, weder schmutzig noch selbstsüchtig zu sein, und welche ganz besonders diejenigen Mädchen verachtete, welche nach Geld heiratheten, schon am nächsten Tag einen Brief an meinen Sohn abschickte, in welchem sie sagte, daß ihr eigener religiöser Begriff kindlicher Pflicht nicht zuließe, einen Mann ohne Zustimmung seines Vaters zu heirathen, und daß deßhalb ihre Verbindung als aufgehoben angesehen werden müsse. Inzwischen habe ich nie gehört, daß sie die werthvollen Geschenke, die ihr thörichter Liebhaber ihr gemacht hatte, zurückgeschickt hätte.