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Elisabeth schmückte sich einfach, aber ihr Schmerz machte sie reizender als je. Weder ihrer Mutter noch ihrer Amme sagte sie, was sie vorhabe, wohin sie gehe. Heimlich stahl sie sich aus dem Hause. Ihr Weg ging nach dem Louvre. Sie ließ sich bei dem Könige anmelden. Das Gerücht, daß ein wunderschönes Mädchen den König zu sprechen wünsche, durchflog den Palast und das müssige Volk der Höflinge drängte sich in das Vorzimmer und ängstigte die Arme mit frechen Blicken. Die Königin erfuhr den auffallenden Besuch und dessen Namen bald genug, um sich sogleich von hinten unbemerkt in ein Closet an des Königs Zimmer zu begeben, wo sie hinter einem seidnen Vorhange alles sehen und hören konnte, was dort vorging.
Elisabeth wurde zu dem jungen Monarchen hineingeführt; schon bei Ansagung ihres Namens hatte sich eine fröhliche Ueberraschung über sein 177 Gesicht ergossen; nun empfing er sie schon an der Thüre, hocherröthet und verlegen einige Worte stammelnd, tief getroffen vom Pfeile der Schönheit in sein junges liebedürstiges Herz. Elisabeth ließ sich auf ein Knie nieder, hob ihre Hände flehend empor und sagte würdig: »Mein Herz hat eine dringende Bitte an das Herz Ew. Majestät.«
»Stehen Sie auf, Elisabeth,« sagte Ludwig, »und lassen Sie mich vor Ihnen knieen. Sie sind ja die Königin meines Herzens. Vom ersten Augenblick an, wo ich Sie in jenem Theater des Faubourg St. Antoine zum ersten Male erblickte, erglühete ich in heißen Liebesflammen zu Ihnen. Und nur das Unglück, das mich seit jener Zeit betraf, konnte mich aus Paris, Sie aber nicht aus meinem Herzen verdrängen. Zum ersten Mal hat mich die göttliche Gewalt der Liebe ergriffen und mich Ihnen unterthänig gemacht. An Deine Brust laß mich stürzen, süßer Engel, und mich flehen: Liebe mich! Sieh der König von Frankreich liegt um Liebe bettelnd zu Deinen Füßen; meine Krone ist mir feil für einen Kuß von Deinen rosenknospigen Lippen.«
178 »Sire!« rief Elisabeth, den königlichen Jüngling emporreißend, »auf solchen Empfang war ich nicht gefaßt. Hören Sie mich –«
»Höre Du erst mich, Himmlische!« unterbrach sie Ludwig wieder. – »Längst wär' ich in Dein Haus gekommen, längst hättest Du das flammende Geständniß meiner Liebe von meinen Lippen gehört, aber St. Romain hinterbrachte mir, Dein Vater sei ein strenger Despot, er und Deine Mutter seien dem Prinzen Condé zugethan; Du aber liebtest den Prinzen, der sich eifrig um Deine Gunst beworben, und mich haßtest Du, weil ich der König sei. Als ich Dich bei meinem Einzuge wieder sahe, da war ich Dein, unaufhaltsam flog Dir mein Herz zu, und ich hatte seitdem keinen Wunsch weiter, als Dich zu besitzen. Heute, heute noch wollte ich zu Dir, denn heute habe ich erfahren, daß St. Romain mich betrogen. Länger ertrug mein Herz diese Qualen nicht mehr, und siehe da führen die Götter Dich selbst hierher in meine Arme.«
»Was Ihnen St. Romain gesagt hat, ist Wahrheit, Sire; mein Vater ist sehr streng, meine 179 Mutter schwärmt für Condé. Doch wenn Sie auch meine Eltern unter Bedingungen für Ihre Wünsche gewonnen hätten, so –«
»Welche Bedingungen?« unterbrach sie der König ungeduldig.
»Wenn Prinz Condé zurückberufen, Mazarins Stelle einnähme und der Cardinal Frankreich nie wieder betreten würde.«
»Gern opfre ich den Cardinal, den ich nicht liebe, gern ruf' ich Condé zurück, den ich nicht hasse, verzeihe ihm, erhebe ihn, kann ich Dich dadurch gewinnen. Aber der Königin, meiner Mutter, muß dies vor der Hand ein Geheimniß bleiben.«
»Nicht mich können Ew. Majestät gewinnen. Ich sprach nur von meinen Eltern und dachte eigentlich nur an meine Mutter. Denn mein Vater ist zu stolz, um mich einem politischen Zwecke zu opfern. Frankreichs Herrin kann ich nicht werden, die HerrinMaitresse des Königs von Frankreich will ich nicht werden. Und selbst, wenn 180 Ew. Majestät mir die Krone mit Ihrem Herzen anböten, ich müßte beide ausschlagen; denn ich liebe, liebe treu und wahr, und bin gekommen, Ew. Majestät Gnade für meinen Geliebten anzuflehen.«
»Für Deinen Geliebten?« rief der König und sein Gesicht verfinsterte sich. »Wer ist Dein Geliebter?«
»Roger von St. Romain.«
»St. Romain!« kreischte Ludwig und erblaßte. »Auch um Dein Herz hat mich der Bube betrogen? Er muß sterben!«
»Weh mir!« weinte Elisabeth. »Er ist unschuldig. Er hat nichts, gar nichts verbrochen, als Ew. Majestät unsre Liebe verschwiegen zu haben.«
»Hat er mir nicht Treue geheuchelt, indem er heimlich zu Condé gehalten? Aber Alles wollt' ich ihm vergeben, wenn er sich nur nicht in Dein Herz geschlichen und treulos verrätherisch mir Deine Liebe gestohlen hätte.«
»Niemals war er untreu an Ew. Majestät; nie hat er sich Condé ergeben, nie hat er Ihnen meine Liebe gestohlen. Freiwillig schenkte ich ihm dieselbe, und niemals hätte sie Ihnen gehört, Sire.«
181 »Aus Dir spricht die Liebe, ihn vertheidigt die Liebe, für ihn bittet die Liebe. O wie glücklich ist er, wie reich! Wie arm und unglücklich bin ich mit meinem verstoßenen verachteten Herzen. Aber ihn sollst Du auch nicht besitzen. Auf einer That der Untreue ist er ertappt worden, die zeugt gegen ihn und wiegt mehr als Deine Vertheidigung.«
»Es ist ein Irrthum, Sire. Nicht St. Romain war der Bote des Briefs. Ich will Ihnen Alles erzählen.«
»Ich will nichts von dem Nichtswürdigen hören. Du hast mich verachtet, verstoßen, verhöhnt, wohlan so sieh nun zu, wer Dir den süßen Geliebten befreit. Ha! er mein Nebenbuhler! Er der Bevorzugte, der Glückliche! O mein Herz zerspringt mir!«
Mit diesen Worten lief er wuthweinend aus dem Zimmer.
»Gnade! Gnade!« schrie ihm Elisabeth nach, und stürzte zu Boden, aber er hörte nicht. Ein Strom verzweifelter Thränen brach aus ihren Augen, da rauschte es hinter ihr; sie wandte sich um, und lag vor der Königin.
182 »Stehen Sie auf mein Kind!« sagte die hohe Frau gütig, »und erzählen Sie mir ruhig Ihr Leid; ich werde Sie ruhig anhören. Der König ist zu jung, um Ihnen gegenüber das zu können.«
Elisabeth faßte sich und berichtete mit einfachen Worten, wie St. Romain, nachdem sie ihn im Theater bei der Aufführung des Orestes kennen gelernt, ihre Amme für sich gewonnen, in deren Beisein sie ihn später einige Mal gesprochen und ihn lieb gewonnen habe, bis er mit dem Könige Paris verlassen, wie er dann beim Abbé Bertault verwundet gelegen und sie ihn gepflegt, bis ihr Vater etwas gemerkt und ihr das Ausgehen verboten, wie Nannon ihn ins Haus geführt und wie sie durch Benoits Eifersucht verrathen, ihn mit dem Briefe habe helfen wollen, den kurz zuvor ein Bote gebracht. Die Königin fragte herablassend hin und her, trocknete Elisabeths Thränen mit ihrem eignen Tuche, strich ihr die Haare aus dem Gesicht, faßte ihre Hand, und eh' eine Stunde verging, wußte sie den Plan der Frau von Tarneau, den König durch Elisabeth für Condé zu gewinnen, kannte die schwärmerische 183 Anhänglichkeit des Ehepaars an den Prinzen, und begriff, welche große Gefahr ihr gedroht, von der sie nichts geahnet hatte. Sie entließ das treuherzige Mädchen mit dem tröstenden Versprechen, daß ihre Bitte gewährt werden solle.
Noch denselben Tag wurde St. Romain in Freiheit gesetzt. Man händigte ihm einen versiegelten Brief an Herrn von Tarneau ein mit dem Befehle, denselben sogleich zu bestellen. Er glaubte, es wäre derselbe, den ihn Nannon zugesteckt. Er hatte ja nicht Zeit gehabt, diesen zu betrachten.
Bei Tafel sagte die Königin zu ihrem Sohne Ludwig: »Man hatte es voriges Jahr mit dem Orestes in Paris schlimm auf Sie abgesehen, und ohne meine mütterliche Fürsorge würde er Ihnen jetzt noch gefährlich geworden sein.« 184