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Kapitel IX

Der Mann mit dem goldenen Gürtel

Mehr als eine Woche verging und das Mißgeschick, das die Covenant auf ihrer Fahrt bisher verfolgt hatte, wurde noch ärger. Einige Tage ging es ein Stückchen vorwärts, an anderen wurden wir tatsächlich zurückgetrieben. Schließlich wurden wir so weit südlich verschlagen, daß wir den ganzen neunten Tag in Sicht von Kap Wrath hin und her geworfen wurden. Darauf folgte eine Beratung der Offiziere und irgend welche Entscheidungen, die ich nicht genau verstand, da ich nur die Ergebnisse sah, daß wir einen widrigen Wind zu einem günstigen machten und südwärts steuerten.

Am zehnten Nachmittag fiel ein dicker, feuchter, weißer Nebel, daß man von einem Ende des Schiffes nicht bis zum anderen sehen konnte. Den ganzen Nachmittag sah ich, so oft ich über das Deck ging, Männer und Offiziere über das Bollwerk gelehnt, angestrengt horchen – »auf Brecher«, hieß es; und obwohl ich nicht einmal das Wort verstand, fühlte ich Gefahr in der Luft liegen und war aufgeregt.

Gegen zehn Uhr nachts, ich bediente eben Herrn Riach und den Kapitän beim Nachtmahl, stieß das Schiff mit großem Krach gegen irgend etwas und wir hörten Stimmen rufen. Meine zwei Herren sprangen auf ihre Beine.

»Aufgefahren!« sagte Herr Riach.

»Nein, Herr,« sagte der Kapitän, »wir haben nur ein Boot in den Grund gebohrt.«

Und sie eilten hinaus.

Der Kapitän hatte recht. Wir waren im Nebel an ein Boot angefahren, hatten es zertrümmert und es war sofort mit der ganzen Mannschaft gesunken, bis auf einen einzigen Mann. Dieser Mann war (wie ich nachträglich hörte) als Passagier am Steuer gesessen, während die übrigen auf ihren Bänken ruderten. Im Augenblick des Zusammenstoßes wurde das Steuer in die Luft geworfen und der Mann, da er die Hände frei hatte, war in die Höhe gesprungen und hatte am Bugspriet des Schiffes festen Halt gefaßt. Dies zeigte, daß er viel Glück hatte, große Geschicklichkeit besaß und über ungewöhnliche Kraft verfügte, sich solcherart aus einer so gräßlichen Lage retten zu können. Doch als der Kapitän ihn in die Offizierskajüte hereinführte und ich sein Antlitz zum erstenmal erblickte, sah er so kühl aus wie ich.

Er war etwas klein von Gestalt, aber gut gebaut und so flink wie eine Ziege. Sein Gesicht trug einen guten, offenen Ausdruck, war aber sehr sonnverbrannt, blatternarbig und voll Sommersprossen. Seine Augen waren ungewöhnlich hell und tanzten eigenartig wie in einem Wahn, was beängstigend und einnehmend zugleich war. Und als er seinen großen Mantel abnahm, legte er ein Paar schöne, silberbeschlagene Pistolen auf den Tisch und ich sah, daß er mit einem großen Schwert umgürtet war. Er hatte ein vornehmes Benehmen und dankte dem Kapitän in höflichen Worten. Alles zusammen hatte ich den Eindruck, daß ich diesen Mann lieber zum Freund als zum Feind hätte.

Auch der Kapitän stellte seine Beobachtungen an, aber ihn interessierten die Kleider mehr als der Mann. Und wirklich sah er, sobald er den Mantel abgelegt hatte, nur allzu prächtig aus für die Kajüte eines Handelsschiffes: Er trug einen Federhut, eine rote Weste, Hosen aus schwarzem Sammet und einen blauen Rock mit Silberknöpfen und schönen Silberborten; kostbare Kleider, nur einigermaßen mitgenommen durch den Nebel und dadurch, daß man anscheinend in ihnen geschlafen hatte.

»Es tut mir leid, Herr, wegen des Bootes«, sagte der Kapitän.

»Es sind ein paar wackere Leute untergegangen«, sagte der Fremde, »und ich wollte lieber die auf festem Lande wiedersehen als zwanzig Boote.«

»Freunde von Euch?« sagte Hoseason.

»In Eurem Lande gibt es solche Freunde nicht«, lautete die Antwort. »Sie wären für mich gestorben wie Hunde.«

»Gut, Herr,« sagte der Kapitän, ihn immer noch beobachtend, »es gibt mehr Menschen auf der Welt als Boote, sie zu fassen.«

»Das ist wahr«, rief der andere, »und Ihr scheint ein Mann von durchdringendem Verstand zu sein.«

»Ich war in Frankreich, Herr«, sagte der Kapitän und es war klar, daß er mit diesen Worten mehr sagen wollte, als es den Anschein hatte.

»So, Herr,« sagte der andere, »was das anbelangt, das tat gar mancher.«

»Sicherlich, Herr,« sagte der Kapitän, »und schöne Gewänder.«

»Oho!« sagte der Fremde, »bläst der Wind von da?« Und er legte schnell die Hand an seine Pistolen.

»Seid nicht voreilig«, sagte der Kapitän. »Stellt kein Unheil an, so lange Ihr nicht dazu gezwungen seid. Ihr tragt einen französischen Soldatenrock um Eure Schultern und eine schottische Zunge im Kopfe, soviel ist sicher. Aber das ist in diesen Tagen bei manchem ehrlichen Kerl so und ich muß sagen, es sind die schlechtesten nicht.«

»So?« sagte der Herr im feinen Mantel, »gehört Ihr der anständigen Partei an?« (was heißen sollte, ob er ein Jakobite wäre, denn bei dergleichen Spaltungen nimmt jede Partei den Namen der Anständigkeit für sich in Anspruch). »Ja, Herr,« antwortete der Kapitän, »ich bin ein waschechter, blauer Protestant und danke Gott dafür.« (Es war das erste Wort über Religion, das ich je von ihm gehört habe, aber ich erfuhr nachträglich, daß er an Land ein fleißiger Kirchenbesucher wäre.) »Trotz alledem«, sagte er, »tut es mir leid, wenn ich einen anderen mit dem Rücken gegen die Wand stehen sehe.«

»So, tut Euch das leid?« fragte der Jakobite. »Nun Herr, um ganz aufrichtig mit Euch zu sein, ich bin einer jener ehrenwerten Herren, die in den Jahren fünfundvierzig und sechsundvierzig ins Elend geraten sind, und (um noch aufrichtiger mit Euch zu sein) wenn ich irgend einem der rotröckigen Edelleute in die Hände gefallen wäre, wäre es mir wahrscheinlich schlecht ergangen. Jetzt, Herr, wollte ich nach Frankreich und ein französisches Schiff kreuzte hier herum, um mich aufzunehmen. Im Nebel ist es wohl an uns vorbeigefahren – wie ich von Herzen wünschte, Ihr hättet es getan! Das beste, was ich Euch sagen kann, ist folgendes: Wenn Ihr mich dort ans Ufer setzen könnt', wohin ich gehen wollte, so habe ich das Nötige bei mir, um Euch für Eure Mühe reichlich zu entschädigen.«

»Nach Frankreich?« sagte der Kapitän, »nein, Herr, das kann ich nicht tun. Aber dorthin, woher Ihr gekommen seid – darüber läßt sich reden.« Dann erblickte er mich unglückseligerweise in der Ecke und schickte mich stracks in die Küche, um für den Herrn ein Nachtmahl zu bringen. Ich verlor keine Zeit, kann ich Euch versichern, und als ich in die Kajüte zurückkam, sah ich, daß der Herr sich einen Geldgürtel vom Leibe geschnallt hatte und ein oder zwei Guineen auf den Tisch streute. Der Kapitän blickte erst auf die Guineen, dann nach dem Gürtel, dann in das Gesicht des Herrn und er schien mir sehr aufgeregt.

»Hälfte davon«, rief er, »und ich bin Euer.«

Der andere strich das Geld ein und nahm den Gürtel wieder um. »Ich habe Euch gesagt, Herr,« sagte er, »daß kein Deut davon mir gehört. Es gehört meinem Hauptmann« – er lüftete bei diesen Worten seinen Hut. »Und wenn ich auch ein dummer Bote wäre, wollte ich nicht ein paar davon gerne hergeben, um den Rest sicher abliefern zu können, so müßte ich doch wahrhaftig ein feiger Hund sein, wollte ich mein eigenes Gerippe gar zu teuer verkaufen. Dreißig Guineen auf der Seeseite oder sechzig wenn Ihr mich am Linnhe-Loch absetzen wollt. Schlagt ein oder tut was Ihr wollt.«

»Gut,« sagte Hoseason, »und wenn ich Euch den Soldaten ausliefere?«

»Das hieße wie ein Dummkopf handeln«, sagte der andere. »Mein Hauptmann, Herr, laßt Euch das sagen, hat sich sein Glück, wie jeder ehrliche Mann in Schottland, verwirkt. Seine Besitzungen sind in den Händen des Mannes, den man König Georg nennt. Es ist Sache seiner Beamten, die Steuern einzutreiben oder zu versuchen, sie einzutreiben. Aber zu Schottlands Ehre sei es gesagt, die armen Pächter gedenken ihres Herrn, der in der Verbannung weilt. Und dieses Geld hier ist ein Teil jener Steuern, die König Georg sucht. Nun, Herr, Ihr scheint mir ein Mann zu sein, der die Dinge richtig begreift. Bringt Ihr dieses Geld in den Besitz der Regierung, wie viel davon wird auf Euch kommen?«

»Wenig genug, sicherlich!« sagte Hoseason und dann fügte er trocken hinzu: »Wenn Sie etwas davon erführen; aber ich glaube, wollt ich es nur versuchen, so könnte ich meine Zunge schon im Zaume halten.«

»Ja, aber ich werde Euch dabei überlisten!« rief der Herr. »Wollt Ihr mich betrügen, so zahl' ich's Euch heim. Wenn Hand an mich gelegt wird, dann sollen Sie erfahren, wessen Geld es ist.«

»Gut,« antwortete der Kapitän, »was geschehen muß, geschehe! Sechzig Guineen und alles ist in Ordnung. Hier ist meine Hand drauf!«

»Und hier ist meine!« sagte der andere. Daraufhin ging der Kapitän hinaus (ziemlich schnell wie es mir schien) und ließ mich mit dem Fremden allein in der Kajüte.

In jener Zeit kamen viele verbannte Edelleute unter Lebensgefahr zurück, um entweder ihre Angehörigen wiederzusehen oder um ein wenig Geld zu holen. Und was jene Gutsherren des Hochlandes anbelangte, so sprach man ganz allgemein davon, was für Entbehrungen ihre Pächter sich auferlegten, um ihnen Geld zu schicken, wie sich ihre Clansmänner den Soldaten widersetzten, um ihnen dieses Geld zukommen zu lassen und durch die Reihen unserer Marine Spießruten liefen, um es hinüberzuschaffen. All dies hatte ich natürlich erzählen hören und jetzt sah ich mit eigenen Augen einen Mann, dessen Leben aus all diesen Gründen verwirkt war und noch mehr; denn er war nicht nur ein Rebelle und ein Steuerschmuggler, sondern er war auch in den Dienst König Ludwigs von Frankreich getreten. Und als wäre dies alles noch nicht genug, trug er noch einen Gürtel voll Geld um die Mitte. Welcher Ansicht ich auch immer war, so konnte ich einen solchen Mann nicht anders als mit dem lebhaftesten Interesse ansehen.

»Ihr seid also ein Jakobite?« sagte ich, als ich das Essen vor ihn hinstellte.

»Ja«, sagte er und fing zu essen an. »Und du, nach deinem langen Gesicht zu urteilen, bist wohl ein Whig?«

»So dazwischen und daneben«, sagte ich, um ihn nicht zu ärgern, denn ich war in Wirklichkeit ein so guter Whig, wie Herr Campbell nur einen aus mir hatte machen können.

»Und das ist gar nichts«, sagte er. »Aber Herr Dazwischen-und-Daneben,« fügte er hinzu, »diese Flasche da ist leer; und wenn ich schon sechzig Guineen bezahlen muß, so darf man doch zumindest nicht mit einem Schluck Schnaps an mir sparen.«

»Ich gehe den Schlüssel holen«, sagte ich und stieg hinaus auf Deck.

Der Nebel war so dick wie nur je, aber die Wellen gingen nicht hoch. Sie hatten das Schiff verankert, da sie nicht genau wußten, wo sie waren und der Wind (das wenige, was noch davon übriggeblieben) ihrem Kurs nicht dienlich war. Der Kapitän und die beiden Offiziere waren im Mitteldeck und steckten die Köpfe zusammen. Es fuhr mir plötzlich durch den Sinn, ich weiß selbst nicht weshalb, daß sie nichts Gutes vorhätten und das erste Wort, das ich hörte, als ich mich leise näherschlich, bestärkte mich in meiner Annahme nur allzu sehr.

Herr Riach rief, als ob ihm plötzlich der Gedanke gekommen wäre, aus: »Könnten wir ihn nicht aus der Kajüte herauslocken?«

»Er ist ganz gut doch, wo er ist,« antwortete Hoseason, »er hat dort zu wenig Platz, um sein Schwert zu gebrauchen.«

»Ja, das ist wahr,« sagte Riach, »aber man kommt ihm schwer nahe.«

»Ach, was!« sagte Hoseason, »wir können ihn in ein Gespräch ziehen und, jeder von einer Seite, an beiden Armen festhalten; oder, wenn das nicht geht, von beiden Türen gleichzeitig hereinstürzen und ihn unter die Hände kriegen, ehe er Zeit hat zu ziehen.«

Als ich dies hörte, erfaßte mich Angst und Zorn zugleich ob dieser verräterischen, blutgierigen Männer, mit denen ich segeln mußte. Mein erster Gedanke war davonzulaufen, mein zweiter war kühner.

»Kapitän,« sagte ich, »der Herr wünscht einen Schluck Schnaps und die Flasche ist leer. Wollt Ihr mir, bitte, den Schlüssel geben?«

Sie fuhren alle auf und drehten sich nach mir um.

»Ah, da haben wir eine Möglichkeit, die Schießwaffen zu bekommen!« rief Riach aus, und zu mir: »Höre, David,« sagte er, »weißt du, wo die Pistolen sind?«

»Ja, ja,« warf Hoseason ein, »David weiß es, David ist ein braver Bursche. Siehst du, David, mein Junge, dieser wilde Hochländer da ist eine Gefahr für unser Schiff und außerdem, da er ein entschiedener Feind König Georgs ist, mag ihm Gott beistehen!«

Ich war niemals zuvor so bedavided worden, seitdem ich an Bord kam. Aber ich sagte ja, als ob alles selbstverständlich wäre.

»Die Schwierigkeit ist,« sagte der Kapitän zusammenfassend, »daß alle unsere Schießwaffen, große und kleine, in der Kajüte sind, gerade vor seiner Nase; und ebenso das Pulver. Wenn nun ich oder einer von den Offizieren hinginge, um sie zu holen, fiele ihm das sicherlich auf. Aber ein Bursche wie du, David, könnte leicht ein Pulverhorn und eine Pistole oder zwei erwischen, ohne bemerkt zu werden. Und wenn du das schlau machen könntest, so will ich es dir gedenken, wenn es einst gut sein wird für dich, Freunde zu haben, und zwar, wenn wir nach den Karolinen kommen.«

Herr Riach flüsterte ihm etwas zu.

»Ja, gut, Herr«, sagte der Kapitän und dann zu mir gewendet: »Und siehst du, David, jener Mann hat einen Gürtel voll Geld und ich gebe dir mein Wort, daß du hineingreifen wirst dürfen.«

Ich sagte ihm, daß ich tun werde, was er verlangte, obwohl ich tatsächlich nach Luft schnappen mußte. Daraufhin gab er mir den Schlüssel vom Schnapskasten und ich ging langsam zurück in die Kajüte. Was sollte ich tun? Sie waren Hunde und Diebe, sie hatten mich vom Land weggeschleppt, sie hatten den armen Ransome umgebracht; und nun sollte ich das Licht halten für einen neuerlichen Mord? Anderseits aber stand die Todesangst ganz deutlich vor mir, denn was vermochten ein Bub und ein Mann, und wären sie tapfer wie Löwen, gegen eine ganze Schiffsmannschaft?

Ich erwog noch immer hin und her und konnte zu keiner Klarheit kommen, als ich in die Kajüte trat und den Jakobiten sah, der unter der Lampe sein Nachtmahl aß. Und da hatte ich auf einmal einen Entschluß gefaßt. Ich habe kein Verdienst an der Sache, denn es war nicht meine freie Wahl, sondern wie unter einem Zwang schritt ich geradewegs auf den Tisch zu und legte meine Hand auf seine Schulter.

»Wollt Ihr umgebracht werden?« sagte ich.

Er sprang auf die Füße und sah mich fragend an, so deutlich, als hätte er gesprochen.

»Oh,« rief ich, »alle hier sind Mörder, das ganze Schiff ist voll. Sie haben schon einen Buben ermordet, jetzt kommt Ihr dran.«

»Ja, ja,« sagte er, »aber Sie haben mich noch nicht.« Dann sah er mich eigentümlich an. »Willst du zu mir halten?«

»Das will ich«, sagte ich. »Ich bin kein Dieb, auch kein Mörder bis jetzt. Ich will zu Euch halten.«

»Gut, also,« sagte er, »wie heißt du?«

»David Balfour«, sagte ich und dann überlegend, daß ein Mann in so feinen Kleidern gerne feine Leute um sich hätte, fügte ich zum erstenmal in meinem Leben hinzu, »von Shaws«.

Es fiel ihm gar nicht ein, meine Worte anzuzweifeln, denn ein Hochländer ist gewohnt, große Edelleute in großer Armut zu sehen, aber da er seinen Grundbesitz hatte, stachelten meine Worte seine geradezu kindische Eitelkeit auf.

»Mein Name ist Stewart«, sagte er sich aufrichtend. »Alan Breck nennt man mich. Der Name eines Königs ist gerade gut genug für mich, obwohl ich ihn schlicht trage und nicht den Gutsnamen irgend eines Misthaufens hinten anzuhängen habe.«

Und nachdem er mir diesen Verweis erteilt hatte, als wäre es eine Sache von höchster Wichtigkeit, wandte er sich der Untersuchung unserer Verteidigungsmöglichkeiten zu.

Die Offizierskajüte war sehr fest gebaut, um dem Ansturm der Wellen standzuhalten. Von den fünf Öffnungen, die sie hatte, waren nur das Dachfenster und die beiden Türen groß genug, um einem Mann Einlaß zu gewähren. Die Türen konnten außerdem fest verschlossen werden, sie waren aus starkem Eichenholz, liefen in Schienen und waren mit Eisenhaken versehen, um sie nach Bedarf entweder geöffnet oder geschlossen halten zu können. Die eine, die bereits geschlossen war, versicherte ich in dieser Art, aber als ich daranging, die andere zuzuschieben, hielt mich Alan zurück.

»David,« sagte er, »ich kann mir nämlich den Namen deines Grundbesitzes nicht merken und ich bin daher so frei, dich David zu nennen – wenn diese Tür offen ist, ist dies der beste Platz zu meiner Verteidigung.«

»Es wäre doch besser, sie wäre zu«, sagte ich.

»Nicht so, David«, sagte er. »Ich habe nur ein Gesicht, siehst du. Aber sobald die Tür offen ist und ich mein Gesicht ihr zugewendet habe, wird der größte Teil meiner Feinde mir gegenüber stehen und dort eben finde ich sie am liebsten.«

Dann reichte er mir einen Degen vom Gestell herüber (es waren außer den Schießwaffen einige dort), er wählte ihn sorgfältig aus, schüttelte den Kopf und sagte, er habe in seinem ganzen Leben noch keine so erbärmlichen Waffen gesehen. Dann setzte er mich mit einer Pulverbüchse, einem Kugelsäckchen und allen Pistolen an den Tisch nieder und hieß mich, sie laden.

»Und das ist auch eine bessere Beschäftigung, will ich dir sagen, für einen Herrn von edler Geburt,« sagte er »als Teller abwaschen und Schnapsgläser reichen, noch dazu für ein paar schmutzige Matrosen.«

Daraufhin stellte er sich in die Mitte, das Gesicht der Tür zugewandt und zog sein großes Schwert, um zu probieren wie viel Raum er hätte es zu schwingen.

»Ich darf mich nicht von der Stelle rühren«, sagte er kopfschüttelnd, »und das ist schade. Und jetzt fahr' du nur fort mit dem Laden der Pistolen und gib auf mich Acht.«

Ich sagte ihm, daß ich gut aufpassen wollte. Es schnürte mir die Brust zusammen, meine Kehle war ausgetrocknet, es wurde mir finster vor den Augen; der Gedanke an die Menge derer, die da gleich zu uns hereinstürzen würden, machte mein Herz beben und die Wellen, die ich rings um das Schiff waschen hörte und die, wie ich glaubte, noch vor Morgen meinen toten Körper empfangen würden, rauschten seltsam durch meine Gedanken.

»Erstens,« sagte er, »wie viele sind gegen uns?«

Ich zählte sie auf und meine Gedanken waren so zerfahren, daß ich zweimal zählen mußte. »Fünfzehn«, sagte ich. Alan pfiff. »Gut,« sagte er, »daran läßt sich nichts ändern. Und jetzt folge mir. Es ist meine Sache, die Türe zu halten, wo ich den Hauptkampf erwarte. Darein misch' dich nicht. Und merke dir, nach dieser Seite hin feuerst du nicht, außer wenn sie mich niedermachen. Ich habe lieber zehn Feinde vor mir, als hinter mir einen Freund wie dich, der Pistolen abfeuert.«

Ich sagte ihm, daß ich wirklich kein großer Schütze wäre.

»Und das ist sehr tapfer gesprochen«, rief er voll Bewunderung meiner Aufrichtigkeit. »Gar manch ein Herrchen hätte nicht gewagt es einzugestehen.«

»Aber außerdem Herr«, sagte ich, »ist noch die Tür hinter Euch da, die sie vielleicht einbrechen könnten.«

»Ja,« sagte er, »und das ist ein Teil deiner Arbeit. Sobald die Pistolen geladen sind, mußt du augenblicklich in dieses Bett hinaufklettern, von wo aus du's nah zum Fenster hast, und wenn sie Hand an die Tür legen, mußt du schießen. Aber das ist noch nicht alles. Wir wollen ein Stückchen von einem Soldaten aus dir machen, David. Was hast du noch zu bewachen?«

»Das Dachfenster«, sagte ich. »Aber wirklich, Herr Stewart, da müßte ich ja auf zwei Seiten Augen haben, wenn ich auf beides aufpassen sollte. Denn, wenn ich mit dem Gesicht dem einen zugewendet bin, stehe ich mit dem Rücken zum andern.«

»Ja, das ist ganz richtig,« sagte Alan, »aber hast du denn keine Ohren im Kopf?«

»Richtig«, rief ich aus. »Ich müßte ja das Glas krachen hören.«

»Du hast einige Rudimente von Verstand«, sagte Herr Alan spöttisch.


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