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Herrn Wippchen in Bernau.
Wir haben Sie bereits heute Morgen unter dem Vermerk »Brief folgt« gebeten, die Arbeit nicht auszuführen, von der Sie uns (wie unvorsichtig!) per Correspondenzkarte meldeten. Ihre Idee mißfällt uns nicht nur, sie ist auch eine ziemlich ungeheuerliche: Die Fünfundzwanzig-Minister-Zusammenkunft! Das ist ja geradezu fabelhaft. Wenn Sie beabsichtigen, uns unsterblich zu blamiren, so konnten Sie keinen unpassenderen Plan entwerfen. Sprechen wir nicht weiter davon.
Dagegen bitten wir Sie, sich angesichts dieser Zeilen an einen Bericht aus Sansibar zu machen. Die Sansibar-Frage war wochenlang eine brennende und interessirte alle Kreise auf das Lebhafteste. Seien Sie so freundlich, uns den Bericht 30 umgehend zu senden, aber bitte! lassen Sie jedes Bombardement und jede Seeschlacht bei Seite. Für derlei Zuthaten ist der Bericht deshalb nicht angethan, weil mittlerweile die präcisesten Nachrichten eintrafen, nach welchen irgend welche Ereignisse wie die angedeuteten völlig ausgeschlossen sind.
Um prompte Erledigung unseres Auftrages bitten wir Sie
ergebenst
Die Redaktion.
* * *
Bernau, den 27. August 1885.
Wie der Hase, der, gleichsam überglücklich, einen Purzelbaum schießt, wenn ihm die Jagdflinte mitten ins Herz dringt und er schon mit drei Füßen im Grabe steht, so lachte ich laut auf, als ich mit meinen eigenen Augen las, daß Sie von einer Riesen-Minister-Zusammenkunft nichts wissen wollten. Natürlich! Wenn ich Ihnen hätte drei Minister zusammenkünften lassen, dann würden Sie zugegriffen und die Haare auf Ihren Zähnen würden sich nicht gesträubt haben. Nur nichts Ungewöhnliches und nichts Originelles, das ist Ihr Feld- und Wiesengeschrei, und wenn ich, wie ich 31 nicht anders kann, das Eisen, so lange es heiß ist, beim Schopf fasse, dann gerathen Sie in den ersten besten Harnisch, hängen meinen sauersten Arbeiten den Papierkorb niedriger und sind gegen das laute Verlangen des Publikums nach Sensationellem von einer Kurzhörigkeit, für welche ich – verzeihen Sie das harte Wort! – keinen Ausdruck finde.
Es wäre ja nichts leichter gewesen, als über eine Dreiminister-Entrevue zu berichten. Wer könnte das nicht! Drei Minister kommen so häufig zusammen wie die Grazien, aller guten Dinge, Lenaus Zigeuner, die Parzen, Schillers Worte, die Füße der Pythia, oder die Zacken des Neptun. Aber fünf und zwanzig Minister hatte außer mir noch kein Berichterstatter auf dem Tapet zusammenkommen lassen. Es wäre ein förmlicher Ministerauflauf geworden, ein durchlauchtiger Haufen, der gar nicht heller hätte gedacht werden können. Und wieviele Gerüchte konnte man in den bekannten Umlauf setzen, wie manches Thor, wie manche Thür den gewagtesten Combinationen öffnen! Das ist nun Alles nicht mehr möglich. Wahrlich, mit solcher Handlungsweise gegen meine Berichte treffen Sie den Nagel auf dem Sarge, dem ich vor Aerger gar nicht entgehen kann, wenn Sie in dieser Weise fortfahren. Ich bin nun einmal kein Berichterstatter, der sich mit Gewöhnlichem begnügt, geben Sie mir einen Archimedes, und ich hebe den Erdball aus seinen Angeln und Netzen, das Neue und Staunenerweckende ist eben mein Element. Es wäre mir lieb, wenn Sie fortan gegen diese 32 meine Worte sich nicht mehr so stock- und steintaub stellten wie bisher, mit einem Wort: Unarten Sie nicht aus!
Trotz alledem will ich Ihnen beweisen, daß ich mich nicht wie Shylock auf ein Pfund Fleisch stelle. Einliegend sende ich Ihnen Sansibar, obschon ich leider keine Ahnung von den Differenzen habe, welche aus Sansibar eine brennende Frage machten. Ich glaube aber, mit diesem Bericht unseren Lesern geleistet zu haben, was ich ihnen an den Augen abschreiben konnte. Ohne Zweifel habe ich einen befriedigenden Abschluß herbeigeführt, jedenfalls gefällt er mir besser, als er von anderen Zeitungen gemeldet wird. Ich hoffe deshalb, daß Ihr werther Rothstift das unveränderte verbotenus nicht stören wird.
Ich bin in der übelsten Laune, ich sehne mich nach einem Bauch, den ich vor Lachen halten muß, nach einem vollen Halse, aus dem ich lachen kann. Umsonst! Doch halt! man sagt, baar Geld lache. Senden Sie mir, vielleicht hilft es etwas, einen Vorschuß von 60 Mark, ich werde den Sechser für die Einzahlungskarte mit Vergnügen opfern.
* * *
Küste von Sansibar, den 11. August1885.
W. An Bord des Störsch. Die Fahrt durch den indischen Ocean war herrlich. Unabsehbar zog der schwarze schmale Aequator an unseren Blicken vorüber, während er ununterbrochen die Erdkugel in zwei gleiche Hälften theilte. Ich lag 33 tagüber auf dem Verdeck ausgestreckt, da mich die Seekrankheit um keinen Preis kriegen sollte und mich denn auch wirklich nicht bekommen hat. So verbrachte ich eine geraume Zeit der Fahrt und ließ mir den Zenith in den Hals scheinen. Wir hatten prächtiges Wetter, nur dann und wann schüttelten die Cyklonen unsere Fregatte, und dann fiel uns allerdings das Herz in die Wasserhosen, die über Bord dahin brausten. Die Nächte waren von furchtbar schöner Romantik. Das Geheul der Seehunde klang schaudervoll zu uns herüber, während Schwärme von fliegenden Fischen die kühle Luft durchschnitten und die Walrosse wieherten. Und über uns blickten Millionen Sterne durch die Nacht und drehte sich der Steinbock im ewigen Wendekreis um seine eigene Achse.
An Bord war Alles voll Kampfeslust. Jeder war überzeugt, daß Said Bargasch (sprich: Said Bargasch) – so heißt der Sultan von Sansibar – weniger an den Ernst als an den Spaß der Situation glauben würde und nicht daran denken würde, klein, wie wir ihn sonst kriegen mußten, beizugeben. Denn man wußte sehr wohl, daß er sich niemals die Hinterbeine in den Kopf gesetzt hätte, wenn er nicht glauben dürfte, von England unterstützt zu werden. Da hatte nun allerdings der schwarze Herrscher den Sand, den ihm England in die Augen gestreut, dazu benutzt, um darauf zu bauen, und bald sollte er denn auch zu seinem Schaden einsehen, daß er an dem Stich, in welchem er gelassen war, zu Grunde gehen mußte.
34 Pünktlich trafen wir bei dem ostafrikanischen Geschwader ein und legten uns vor Anker. Durch unsere Nah- und Fernrohre konnten wir die langgestreckte Küste von Sansibar überschauen. Wir bemerkten einen lebhaften Sklavenhandel und viele Elephanten, ohne deren Zähne die Sansibariten nichts zu beißen hätten. An der Küste lag auch, hinter Rosen und Gewürznelken versteckt, der prächtige Palast des Sultans.
Am nächsten Morgen – Helios hatte eben den ersten Hahnenschrei vernehmen lassen – wurden alle Drehthürme scharf geladen. Die Kanonen gähnten, als hätten sie nicht ausgeschlafen, in die Küste hinein, die Mannschaften spannten die Zündnadel, bereit, jeden Augenblick den Angriff zu beginnen. Vom Ufer herüber hörten wir Rache, Hülfe et cetera Mordio schreien, während unsere Schiffsmannschaft die Wacht am Aequator anstimmte. »Nach Berlin!« vernahmen wir die wahnsinnigen Eingeborenen drüben rufen, und wir antworteten mit einem Gelächter, welches nicht auszulöschen war.
Plötzlich erschien an der Pforte seines Palastes der Sultan im vollen Waffenschmuck, sonst aber nackt, wie ihn der Storch geschaffen hatte. Er war umgeben von seinem Generalstab, gleichfalls in Paradenacktheit, und so bewegte sich der Zug zum Ufer, wo unser Geschwader ankerte.
Hier wehte der Sultan mit dem einzigen Kleidungsstück, welches er trug: mit dem Taschentuch, dann zog er die 35 Krone und rief: »Deutsche! Ergebt Euch! Es ist kein Entrinnen möglich!«
»Feuer!« rief da unser Kommodore Paschen und zündete sich, als das Feuer gebracht wurde, eine Cigarre an.
Da geschah das Unerwartete. Der Sultan und seine Suite sprangen in ein bereit liegendes Boot, und nach etlichen Minuten bestiegen sie unser Schiff und streckten die Lanzen.
Wir standen einen historischen Moment wie betäubt. Dann eilte der Sultan von Sansibar auf einen kleinen Tisch zu und setzte seinen Namen unter den daliegenden Friedensvertrag. »Nur nicht nach Wilhelmshöhe!« bat er nur noch.
Dies wurde ihm gewährt, während unsere Schiffsmannschaft in ein Hurrah! ausbrach, daß die Wellen erdröhnten.
In der That, eine rasche und befriedigende Lösung!
Morgen verlassen wir die Gewässer von Sansibar und jubeln heimwärts.