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Herrn Wippchen in Bernau.
Wir würdigen die Schwierigkeit, wie Sie sie uns schildern. Indem die Konferenz in Konstantinopel nicht von der Stelle rückt, sind Ihnen die Hände gebunden und können Sie mit dem besten Willen nichts machen. Trotzdem bitten wir Sie, uns einen Bericht zu senden, er sei, wie er sei. Der Leser will eine Fortsetzung. Zu einer solchen empfehlen wir Ihnen die Mittheilung weiterer Anekdoten, wie Sie deren einige in Ihrem ersten Bericht erzählt haben.
Im Voraus Dank.
Ergebenst
Die Redaktion.
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Bernau, den 5. November 1885.
Sie sehen es also ein, und das freut mich baß, den ich ja sonst nicht zu singen pflege. Die Geschichte steht still, ein Vertreter der Großmächte legt dem andern die Hände in den Schooß, oder besser: die Krisis kommt über die ante portas nicht hinaus, und ich möchte die Balkan- eine Hannibalkanfrage nennen. Der einst so lustig murmelnde Sumpf 17 – verzeihen Sie das harte Wort! – stagnirt. Ich komme mir dieser Thatsache gegenüber mit der Feder in der Hand wie der sprichwörtliche Kaiser vor, der da herrscht, wo nichts ist. Ich sehe mich nach Stoff um, aber es ist, so weit das Wasser reicht, kein Strohhalm zu entdecken. Daß die orientalische Krisis einen Haderlaß nöthig hat, das ist gar keine Frage, aber die Großmächte haben doch nicht den Muth, oder auch nicht den Willen, eine orientalische tabula rasa herzustellen. Nach der Sachlage zu urtheilen, sind die Großmächte nicht mit dreitausend Pferden in den Augiasstall zu bringen, um in demselben einmal gründlich aufzuräumen. Es fehlt eben an dem nöthigen Herkules, der hartherzig genug ist und der Hydra trotz ihrer flehentlichen Bitten etwas abschlägt und mit ihren hundert Köpfen durch die Wand geht.
Ich will daher Ihren Wunsch erfüllen und noch einige Anekdoten erzählen, und es soll mich freuen, wenn Sie bei dieser oder jener Ihr Zwerchfell vor Lachen halten.
Darf ich schließlich Ihnen und Ihrem Expeditionschef eine Anekdote unter sechs Augen erzählen? So hören Sie. Es mochte wohl heute Morgen gewesen sein, als meine Wirthin im tiefsten Nachtgewand bei mir eintrat, mir die Rechnung brachte und mich um die nervus Mark rerum Pfennig bat, die ich ihr schuldig sei. Da aber mein Portemonnaie nur Porte war, so sagte ich, indem ich einen Achselzucker in meinen Kaffee warf, sie habe die Rechnung 18 ohne den Wirth gemacht. »Natürlich«, sagte die Frau, »ich bin ja Wittwe.« Wir lachten, und ich beschloß, Sie um einen Vorschuß von 60 Mark zu bitten, damit ich den Witz morgen nicht wiederholen müßte. Denn ich hasse die Wiederholungen.
Nun zu unserem Thema.
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Konstantinopel, den 4. November 1885.
W. Obschon ich in meinem ersten Bericht hoffte, der kranke Mann werde in Fluß kommen, so sehe ich den Leser doch getäuscht. Ich bemerke wohl den Fleck, aber nicht, daß die Geschichte von demselben kommt. Auch heute ist noch Alles beim Alten, und dieser wird, wie ich fürchte, immer älter. Wenn die Großmächte der orientalischen Frage das Garaus geschworen haben, so denken sie noch nicht daran, die zwei Finger, mit denen sie den Eid leisteten, an das Schwert zu legen.
Diese Pause will ich bis zum Rande damit ausfüllen, daß ich Ihnen noch etliche Konferenzanekdoten erzähle.
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Der Botschafter des Papstes meinte neulich, man sollte den Papst bitten, wie die Karolinen auch die orientalische Frage zu schlichten. »Das geht nicht«, rief der Deutsche Botschafter, »dann wäre er ja Hellespontifex maximus.«
19 Der Päpstliche Botschafter wollte etwas in seinen Bart murmeln, aber er hatte keinen.
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Vor drei Tagen wurde der Geburtstag des Sultans gefeiert. Alle Botschafter waren eingeladen. Auch die Minister des Großherrn waren erschienen und machten, wie sie mit ihren unterschlagenen goldstrotzenden Beinen den Sultan umgaben, einen glänzenden Eindruck. Die Frauen des Serails überreichten dem Herrscher ein zehnbändiges Album mit ihren 2100 Porträts, während die Eunuchen, mit der Stirn den Boden berührend, das Salem alek (Freut euch des Lebens) anstimmten. Den Botschaftern wurde gestattet, in den Albums zu blättern und ihr Urtheil über die Schönheit der Photographirten abzugeben. Leider waren die sämmtlichen Damen verschleiert, weil die Landessitte verbietet, daß ein sterbliches Auge auf ihnen ruht, und da der Photograph wie alle Menschen staubgeboren ist, so mußten sie unter dem Schleier das bekannte freundliche Gesicht machen, als sie photographirt wurden.
»Nun, wie gefallen sie Ihnen?« fragte der Sultan, die Hand am Schwert, die Botschafter, bereit, jeden über den Charon zu stoßen, der etwa ein Aber, ein But, oder ein Mais wagen würde.
Die Botschafter fanden alle berückend schön und retteten so ihr Leben, froh, mit nacktem blauem Auge davonzukommen.
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20 Der Russische Botschafter hatte gestern eine Audienz bei dem Sultan, und bei dieser Gelegenheit fand ein höchst peinliches Gespräch statt.
Durchlaucht, sagte der Beherrscher der Gläubigen, sagen Sie Mir doch, weshalb sind Sie so ein Talleyrand und machen aus Ihrer Sprache eine Mördergrube? Ich will um jeden Preis im Hellen tappen! Weshalb schenken Sie Mir keinen reinen Wein ein?
Nun, ich dachte, gab der Botschafter zurück, die Türken dürften keinen Wein trinken.
Der Sultan biß sich auf die allerhöchsten Lippen. Am liebsten hätte er den Botschafter des Zaren auf tausend und eine Nacht in's Gefängniß werfen lassen.
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Die beiden Botschafter von Dänemark und Schweden flanirten gestern Abend an einem Harem vorbei, als aus demselben ein Selam gerade zwischen die Beiden fiel. Alsbald entspann sich zwischen ihnen ein Erisapfel, welcher in Thätlichkeiten auszuarten drohte. Endlich einigten sie sich dahin, daß der Selam als für den Vertreter des größeren der beiden Länder gelten solle, und somit folgte der Schwedische Botschafter hochbeglückt der reizenden Einladung. Aber schon zwei Stunden später flog er aus der Thür des Harems auf die Straße, nachdem ihm im Kümmelblättchen alles Geld abgenommen worden war.
21 Als er sich deshalb bei dem dicken Reis-Efendi beklagte, schwur dieser bei Allem, was im Koran stehe, es sei ihm dies auch schon passirt, man müsse sich sehr in Acht nehmen, einen Selam aufzuheben, da man gewöhnlich einem Giaurenfänger in die Hände falle.
Man denke sich das Gelächter des Dänischen Botschafters, als ihm der Schwede alles berichtete.
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Der Schweizer Botschafter, ein Mann in den besten Wittwerjahren, wohnte bei einem Großvezier a. D. und verliebte sich in dessen Tochter Scheherezade, die ihm reizend aus der Luft gegriffene Märchen erzählte und ihn dadurch gefangen nahm. Der Großvezier segnete den Bund, und gestern wurde das Paar in einer Moschee getraut. Als aber der junge Ehemann mit seiner Gattin in das Hotel kam, in welchem er mehrere Zimmer gemiethet hatte, um in Ruhe seine Honigtage zu verleben, fand er daselbst nicht weniger als zehn Schwiegermütter vor, welche erklärten, bei ihm bleiben und ihm die Wirthschaft führen zu wollen. Scheherezade erklärte gleichfalls, sich nicht von den Gattinnen ihres Vaters trennen zu wollen, und erzählte ihrem Gatten ein Märchen, in welchem Jemand, der seine Gattin von ihren Müttern getrennt hatte, zur Strafe in ein Kameel mit drei Roßschweifen verwandelt wurde. Dem armen Botschafter war es, als 22 hörte er alle Houris in Mohammeds Paradiese pfeifen, aber was sollte er machen?
Heute sah ich ihn mit seinen elf Frauen am goldenen Horn spazieren gehen.
Dies zur Warnung.