Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 3
Julius Stettenheim

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147 II.

Herrn Wippchen in Bernau.

Nur sehr schwer entschließen wir uns, Ihren ersten Bericht über den deutsch-slavischen Krieg zurückzulegen. Aber nach dem sorgfältigsten Abwägen der Gründe, welche dafür und dagegen sprechen, sind wir zu der Ueberzeugung gekommen, daß Sie Ihr Pulver viel zu früh verschossen haben. Der Gegenstand war allerdings verlockend genug, und wir können uns denken, mit welchem Vergnügen Sie an die Arbeit gegangen sind. Auch wir lassen ihn, wie gesagt, ungern fallen, besonders weil Sie sich diesmal eine bei Ihnen seltene Entsagung auferlegen und nicht etwa wie gewöhnlich sofort eine Schlacht einschicken, sondern sich vorläufig darauf beschränken, die Bewegungen der russischen Truppen nach der deutschen Grenze ausführlich zu beschreiben und sich über den Plan Moltke's zur Zertrümmerung des Zarenreiches 1480 lobend zu verbreiten. Manches in Ihren Ausführungen erinnert freilich allzu lebhaft an den deutsch-französischen Krieg, so Ihr schönes Lied »Die Wacht am Don«, die Etablirung einer russischen Talgwurstfabrik und das Lied Kutschke's:

»Was kraucht dort in dem Busch herum?
Ich glaub', es ist der Skobelum

Dies indeß nur beiläufig. Wir lassen also Ihren neuen Krieg auf sich beruhen und bitten Sie, dasselbe zu thun, dagegen sich wieder der Herzegowina zuzuwenden.

Damit scheint uns auch Ihre Bitte um einen Pelz und um ein Achtel Caviar, »da Sie diese Eierspeise lieben«, für erledigt.

Mit besten Grüßen

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 14. März 1882.

Ich brauche Ihnen nicht mit dem Dichter zu versichern, daß mich Niemand ungestraft unter Palmen beleidigt, d. h. wenn ich mich durch Ihre werthen Zeilen verletzt gefühlt hätte, so würde ich jedes Tischtuch zwischen uns abgebrochen 149 haben. Indeß kann ich Ihnen doch die Versicherung nicht ersparen, daß Sie im Irrthum sind, wenn Sie glauben, ich hätte voreilig gehandelt. Gewiß nicht. Kein Hannibal ist anteportasser als der Krieg zwischen Rußland einer- und Deutschland anderseits. Nicht umsonst hat Rußland diesem Springinsfeldmarschall Skobelum erlaubt, ungehaltene Reden zu halten, uns mit seiner Zunge, was das dumme Zeug halten wollte, zu reizen und die gefletschten Drachenzähne in die Milch der frommen Denkart zu säen. Das Sprüchwort ist nur zu wahr: Die Pauke geht so lange zu Wasser, bis sie ein Loch kriegt; und was dann? Die Russen warten ja nur auf einen äußeren Mars, und unser Schiller hat Recht, wenn er sagt:

»Vor dem Slaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht!«

Und solchen drohenden Gefahren gegenüber sollte ich – verzeihen Sie das harte Wort! – säumen? Hier mußte etwas geschehen, sei es, was es wolle, hier galt es, das Eisen, so lange es heiß ist, beim Schopf zu fassen, und so war ich schnell gefaßt. Freilich, Sie scheinen der Meinung zu sein, daß wir uns von den Barbaren auf der Nase, die sie uns so gern abschneiden, herumtanzen lassen dürfen, während mir schon bei dem Gedanken, daß dieser Skobelum ungestraft mit dem Handschuh rasselte, der Kamm zu Kopf stieg.

150 Nun, die Zukunft wird mir ja Recht geben. Das Steinchen ist im Rollen und glimmt unter der Asche fort, bis eines Tages der Brand auflodert und keine Wassersbrunst denselben zu löschen vermag. Dann werden die Kriegsberichte zahlreich wie die Pilze am Meer sein, und Sie werden es bereuen, sich meinen Plänen wieder und immer widersetzt zu haben.

Noch ein apropos. Ich lese, daß ein gewisser Wereschagin bei Kroll Kriegsbilder ausstellt und einen Zusammenlauf von ausverkauften Häusern hervorruft. Könnte ich nicht gleichfalls meine Kriegsbilder öffentlich ausstellen? Bitte, antworten Sie mir mit wendendem Vorschuß von 60 Mark; ich wäre übrigens auch schon mit dem Doppelten zufrieden.

* * *

Mjedenik, den 10. März 1882.

W. Nachdem, wie ich Ihnen schon durch den Telegraphen meldete, Generalmajor Sekulic (sprich: Sekulic) Ulok eingenommen hatte, bin ich nach einem anstrengenden Marsch durch das obere Narenta-Thal hier angelangt und zwar so müde, daß ich unterwegs einmal sogar im Gehen einen kurzen Morpheus that und erst durch das Knattern der ventre à terre fliehenden Insurgenten geweckt wurde. Leider ist die Regenzeit eingetreten und hemmt unsere Operationen. Diese Regenzeit ist furchtbar. Fortwährend folgt ein Wolkenbruch dem andern Platzregen, und man hat, soweit das Auge 151 reicht, keinen trockenen Faden am Leibe. Man kann froh sein, wenn man nicht zu Dutzenden hingerafft wird.

Was das Kriegführen in der Herzegowina so sehr erschwert, das ist die Grausamkeit der Insurgenten. Wer denselben in die Hände fällt, kommt selten mit blauem Ohr davon. Auch die Nasen müssen bei solchen Gelegenheiten ins Gras beißen. Es versteht sich von selbst, daß wir uns nach Kräften gegen derlei Verstümmelungen mit den kürzesten Prozessen schützen, und daß deshalb den Insurgenten manche unserer Ohren aus der Nase gehen. Jeder dieser Barbaren wird nämlich, wenn es sich bei der Untersuchung herausstellt, daß er eine unserer Nasen in etwas gesteckt hat, ohne Weiteres über den nächsten Haufen geschossen. Aber leider nicht immer vermögen wir den ungeheuerlichen Unfug zu verhüten, nur zu häufig wissen sich die grausamen Feinde durch schleuniges Hasenpanier dem Arm der Gerechtigkeit zu entziehen.

Wie viele meiner Herren Collegen muß auch ich an dieser Stelle über das Räuberunwesen, welches hier herrscht, die bittersten Spalten ausstoßen. Ueberall bilden sich Banden, welche über die Dörfer herfallen, die Heerden wegschleppen und den armen Bauern den letzten Bissen Brod unter dem Leibe fortziehen. Ist das Dorf geplündert, so übergeben sie es der Asche, wenn unsere Truppen nicht Hülfe bringen, indem diese, um die Räuber zu vertreiben, das Dorf in Flammen verwandeln. Ich habe Gelegenheit gefunden, 152 unterwegs eine dieser Räuberbanden kennen zu lernen. An der Spitze derselben stand ein gewisser Moorovic, welcher sich mit seinem alten Erzeuger derart überworfen hatte, daß ihm nichts Anderes übrig blieb, als in einer Schenke an den Grenzen von Sachsen mit mehreren Libertinern eine Räuberbande zu bilden, mit der er hier ankam. Er ist ein edler Mensch, der kein Verbrechen begehen läßt, ohne sich vorher nach irgend einem armen Schelm umzusehen, dem geholfen werden kann. Unter dem Namen Kosinsky und unter dem Vorgeben, Räuber lernen zu wollen, stellte ich mich ihm auf den Ruinen von Karthago vor, und so fand ich Gelegenheit, die Bande kennen zu lernen. Es sind schlimme Leute, die ein freies Leben führen, den Wald als Nachtquartier ausnutzen, bei Sturm und Wind handthieren und keine andere Sonne als den Mond kennen. Sie stürmen Schlösser, trinken Wasser aus Hüten, berauben Klöster, befreien Greise aus Thürmen und treiben anderen Unfug, so daß ich froh war, als ich die Thür ihrer Höhle von außen zugemacht hatte und glücklich entwischt war.

Heute ist hier ein merkwürdiges Gerücht verbreitet. Es heißt, alle Serben wollten Könige werden. Ich kann's nicht glauben. Sie?


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