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Zweiunddreißigstes Kapitel.
Ein letzter Blick auf French

Am Morgen des Dreizehnten, als die Herren fortgefahren waren – Mr. French mit dem Pferd nach Epsom und Mr. Dashwood nach Hollborough, um den Gerichtsvollzieher aus dem Gefängnis zu befreien – blieb Miß Grimshaw allein zurück. Zum ersten Male seit vielen Monaten überfiel sie ein Gefühl der Einsamkeit. Weiblicher Umgang kann eine Frau niemals für den Verkehr mit Männern entschädigen, ebenso wie männlicher Umgang den Männern nie den Verkehr mit Frauen ersetzen kann. French und Dashwood waren ein belebendes Element gewesen; nun es fehlte, erschien die Villa öde und verlassen.

Violet hatte beide Männer herzlich liebgewonnen und wenn sie sich deshalb selber ins Kreuzverhör genommen hätte, würde sie, glaube ich, nicht haben entdecken können, welcher von ihnen ihr der angenehmste Gesellschafter war. Für Bobby Dashwood sprach seine Jugend, und Jugend fühlt sich zur Jugend hingezogen; aber French besaß Erfahrung – wenn sie ihm auch nicht viel genützt hatte – und er war eine Persönlichkeit. Etwas unbeschreiblich Sonniges lag in seiner Natur; seine Gegenwart tat einem wohl, und obgleich er imstande gewesen wäre, einen Mann um einer Stecknadel willen niederzuschlagen, obgleich er Schuldenmachen als Sport betrieb und für den Sport Schulden machte und durch sein reichliches Whiskytrinken dem modernen, Gerstenwasser und Tee mit geröstetem Brot genießenden Mann Abscheu eingeflößt haben würde, war er dennoch, wenn es darauf ankam, ein wahrer Christ und ein Freund, den kein Unglück zu entfremden vermochte.

Ich kann es nicht unterlassen, bei ihm zu verweilen, denn er gehört zu einer Rasse, die zusammenschmilzt in einem Zeitalter, in dem Kälte und korrektes Betragen die wesenseigene Roheit und Wildheit des Mannes verschleiern, ohne sie im geringsten abzuschwächen.

Die sich selbst überlassene Miß Grimshaw machte einen Rundgang durch die Zimmer, gab Effie, um sie zu beschäftigen, einige Rechenexempel auf, zog sich dann in die Wohnstube zurück und schloß die Tür.

Jetzt erst kam es ihr zum Bewußtsein, wie verzweifelt die Sachlage war, die den Untergrund der Garryowenkomödie bildete.

»Wenn das Pferd nicht siegte?«

Der Ruin, der in diesen fünf Worten schon so oft eingeschlossen lag, trat ihr in seiner ganzen dürren Erbarmungslosigkeit vor Augen. Pferde, Karten, Würfel, Wein! Der Widerwille gegen die Pipers, die über diese Dinge Lärm schlagen, wird noch verschärft durch die Wahrheit, die ihrem Geschrei zugrunde liegt.

Sie sind die Propheten des Elends, der Armut und Entbehrungen, die eines Tages dich, deine Frau und deine Kinder überfallen und nicht aus den Klauen loslassen werden, bis ihr in euren Särgen ruht. Sie sind die Propheten der grauen Morgendämmerung, die in deinem Zimmer in Oxford, wenn deine Freunde gegangen sind, auf den kartenbestreuten Fußboden scheint, wo die einst vielversprechende Zukunft eines jungen Menschen gleich einem zusammengefallenen Kartenhäuschen liegt. Sie sind die Ärzte, die Kraftlosigkeit, Verfall, Greisenalter in den vierziger Jahren, – geistigen Tod voraussagen.

Effie war für alle Fälle durch ihr jährliches Einkommen von zweihundert Pfund sichergestellt. Ihr Vermögen blieb unberührt. Aber was wurde aus dem heitern French? Violet kannte seine Finanzen genau genug, um zu wissen, daß ihm völliger und absoluter Ruin bevorstand.

Tränen traten ihr in die Augen; dann trocknete sie sie hastig, während ihre Wangen sich röteten. Enthusiasmus erfaßte sie plötzlich. Die Kühnheit des Wagnisses fesselte ihre hochgemute Seele. Kein Zweifler hatte jemals eine große Tat vollbracht oder ein schwieriges Unternehmen erfolgreich zu Ende geführt. Garryowen würde siegen. Das zu bezweifeln, so fühlte sie, käme einem Verrat gleich, während der Glaube daran vielleicht zum Siege beitragen konnte.

Bald nach drei Uhr kehrte Mr. Dashwood mit seinem aus der Gefangenschaft befreiten Schützling in einem Dogcart zurück, der im Dorfwirtshaus für die Fahrt gemietet war.

Mr. Piper sah sehr erschöpft uns. Der unglückliche Mann hatte einen scharfen gerichtlichen Verweis empfangen und war zu einer Strafe von zwei Pfund verurteilt, die Mr. Dashwood bezahlte.

In den Morgenbetrachtungen, die Mr. Piper in der Crowsnester Gefängniszelle angestellt hatte, war er zu der Erkenntnis gelangt, daß seine Lage sehr schwierig und daß es zwecklos sei, wider den Stachel zu löcken.

Er wußte sehr wohl, daß der Unselige, welcher versucht, die Ursachen seiner Trunkenheit zu erklären, sich nur lächerlich macht. Wenn er aussagte, man habe ihn gewaltsam betrunken gemacht, so wäre das, selbst wenn es seine Entlassung zur Folge hätte, eine so merkwürdige Behauptung, daß die Londoner Presse sich ihrer sicherlich bemächtigen würde. Falls die Pferde fortgeschafft waren, tat man am besten, diese Tatsache dadurch zu entschuldigen, daß die Flucht vollführt sei, während er geschlafen habe, und da er Geld bei sich trug, war er überzeugt, jede ihm auferlegte Geldstrafe zahlen zu können. Des Fußtritts, den er dem Konstabler verabfolgt hatte, war er sich nicht bewußt.

Nachdem Mr. Dashwood seine Befreiung veranlaßt, die Geldstrafe bezahlt und ihn im Wirtshaus in Hollborough mit Sodawasser traktiert hatte, erklärte er ihm die wahre Sachlage und versicherte ihm, daß man das Pferd jedenfalls sogleich nach dem Rennen zurückbringen werde und daß es unter obwaltenden Umständen das beste sei, nach The Martens zurückzukehren, dort Gastfreundschaft anzunehmen und das weitere abzuwarten.

Demgemäß setzte Mr. Dashwood ihn in der Villa ab und fuhr nach einer kurzen Unterredung mit Miß Grimshaw nach London zurück.


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