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Nachdem Mr. Giveen in Freiheit gesetzt war, kehrte er unverzüglich nach London zurück. Der Höker, der ihn auf seinem Karren mitgenommen hatte, setzte ihn auf dem Bahnhof in Blankmoor ab, wo Giveen noch gerade den letzten Zug nach London erreichte.
Von seinen Abenteuern zu sehr erschüttert und verwirrt, um noch an demselben Abend etwas zu unternehmen, begab Giveen sich nach Swans Temperenz-Hotel, in dem sich sein Gepäck befand. Er erzählte der Wirtin seine Geschichte, nahm ihr Beileid entgegen und ging zu Bett.
Am nächsten Morgen um zehn Uhr erschien er in Mr. Lewis' Kontor in Cravenstreet.
»Ist Mister Lewis zu Hause?« fragte Giveen.
»Welcher Name, bitte?« fragte der Kontorist.
»Sagen Sie ihm nur, ein Herr aus Irland wünsche ihn zu sprechen,« antwortete Giveen. »Sagen Sie, es handle sich um eine wichtige Angelegenheit, die Mr. French betrifft. Er wird schon Bescheid wissen.«
Einen Augenblick später betrat er das innere Kontor, in dem ein ältlicher Herr mit grauem Backenbart vor einem Schreibpult stand und soeben eingegangene Briefe öffnete.
»Mr. Lewis?« sagte Mr. Giveen.
Lewis verneigte sich.
»Ich komme wegen einer wichtigen Sache zu Ihnen,« begann Giveen. »Sie sandten einen Mann nach Irland, um das Hab und Gut meines Verwandten zu beschlagnahmen – Mister French auf Drumgool House.«
»Nicht ich habe das getan,« entgegnete Lewis. »Mein Agent in Dublin hat diese Maßregel getroffen.«
»Na, das ist doch wohl ein und dasselbe. French ist ausgerissen, hat seine Pferde mitgenommen und Sie kennen seine Adresse nicht. Nicht wahr, so ist es?«
»Ja, so ist es. Wissen Sie vielleicht zufällig seine Adresse?«
»Ja.«
»Dann muß ich Sie darum bitten,« sagte Mr. Lewis.
»Oh, wirklich, müssen Sie das? Und wie wollen Sie mich dazu kriegen, daß ich sie Ihnen mitteile? Na, wissen Sie – Geschäft ist Geschäft – für eine Fünfpfundnote will ich sie Ihnen verkaufen.«
Eine halbe Stunde später verließ Giveen das Kontor. Lewis hatte versprochen, ihm fünf Pfund zu zahlen, falls seine Auskunft sich als richtig erweise, und er war höchst befriedigt, Rache an seinem Vetter geübt zu haben.
Er trat bei O'Shee in The Strand ein. Obgleich er nur Ingwerbier und Sodawasser trank, verkehrte er doch bei O'Shee, weil er dort Landsleute traf, die er mit seiner Unterhaltung langweilen konnte.
Es war seine Absicht, am sechzehnten nach Irland zurückzukehren, und als er am vierzehnten, am Abend vor dem City- und Suburban-Rennen, bei O'Shee saß, geriet er in ein Gespräch mit einem freundlichen, mit Ringen geschmückten Herrn, der schon bei Beginn der Unterhaltung mitteilte, daß sein Name Paddy Welsh sei.
»Also Donnerstag wollen Sie in die alte Heimat zurück?« sagte Mr. Welsh. »Und was haben Sie morgen vor?«
»Nichts,« erwiderte Mr. Giveen.
»Na,« sagte Mr. Welsh, »dann sind Sie ganz der Mann nach meinem Herzen und ich will Ihnen ein Vergnügen verschaffen, das Sie bis an Ihr Lebensende nicht vergessen werden.«
»Und was wäre das?« fragte der andre.
»Ich werde Sie zum City- und Suburban-Rennen mitnehmen, Sie sollen mit mir zu Mittag essen und ein großartiges Leben führen. Sscht! sagen Sie es niemand. Wissen Sie, was mein Geschäft ist? Ich bin Buchmacher. Sie werden sehen, daß wir morgen – kann sein – zweihundert Pfund verdienen. Ich bin keiner von den großen Herren, mache nur mit gewöhnlichen Leuten Geschäfte, nehme meistens nur halbe Kronen und Fünfschillingstücke ein. Still! und hören Sie mir zu. Ich will Ihnen sagen, was Sie tun können. Meiner Treu, das ist 'ne feine Idee, die mir eben gekommen ist. Möchten Sie wohl 'ne Zehnpfundnote verdienen?«
»Du lieber Himmel, ob ich das möchte?«
»Na, dann können Sie mitkommen und als mein Freund auftreten. Hören Sie mich an. Wir stellen uns auf, ich auf 'n Faß und Sie daneben. Ich nehme die Einsätze und Sie sollen sehen, wie die Fünfschillingstücke und halben Kronen herbeiströmen. Dann, wenn das Rennen anfängt, laß ich Sie beim Faß stehen und aufpassen, während ich hinlaufe und mit dem Sekretär von der Rennbahn spreche.«
»Und weshalb wollen Sie den sprechen?«
»Sscht!« sagte Mr. Welsh, »ich will es Ihnen sagen. Aber Sie müssen schwören, mich nicht zu verraten.«
»Oh, davor brauchen Sie keine Angst zu haben.«
»Na also, er und ich sind dicke Freunde. Er weiht mich in alle Geheimnisse ein und ich gebe ihm die Hälfte des Gewinns. Ich will ihm bloß sagen, wie meine Wetten stehen, wissen Sie? Und nach dem Rennen, wenn die Jockeis auf die Wage kommen, richtet er es mit den Gewichten so ein, daß das Pferd, das gesiegt hat, disqualifiziert wird, wenn das in meinen Kram paßt. Sie sagten mir, daß Sie nichts von Rennen wüßten, deshalb kann ich Ihnen das Nähere nicht auseinandersetzen, aber so liegt die Sache. Nachher komme ich dann zu Ihnen zurück und wir beide wollen uns ein schönes Mittagessen leisten und Sie kriegen Ihre Zehnpfundnote.«
»Es ist doch nichts Gesetzwidriges dabei?« fragte Giveen.
»Gesetzwidriges! Natürlich nicht, weder für Sie, noch für mich. Wenn der Sekretär Lust hat, auf seine Weise einen ehrlichen Pfennig zu verdienen, was geht uns das an? Nebenbei kann niemand ihm was anhaben außer dem Jockeiklub, und die wagen kein Wort zu sagen, denn sie sind alle daran beteiligt. Wahrhaftig, guter Freund, wofür ist der Jockeiklub überhaupt sonst da, als das Publikum um sein Geld zu prellen? Nach jedem großen Rennen halten sie 'ne Versammlung ab und teilen den Gewinn, manchmal werden fast hunderttausend Pfund unter die Schurken verteilt! Wo wohnten Sie doch? Swans Temperenzhotel? Na, ich will Ihnen sagen, was ich tun will. Morgen vormittag komme ich bei Ihnen vor und hole Sie ab. Die Fahrkarte bezahle ich, denn solange Sie mit mir zusammen sind, brauchen Sie sich nicht um die Kosten zu kümmern.«
»Gut,« sagte Mr. Giveen.