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Mr. Dashwood war in seiner Geistesverwirrung tief in das Gehölz hineingestürmt und als er seiner normalen Sinne wieder Herr wurde, hatte er Straße und Häuser völlig aus dem Gesicht verloren.
Dann ergriff der im Hirn eines jeden Mannes wohnende unliebsame, offenherzige Freund das Wort.
»Oh, wie töricht bist du gewesen! Wie unerhört hast du dich benommen!« sprach der Freund, der erst nachdem der Irrtum begangen ist, dann aber mit triumphierender Stimme zu reden pflegt.
» Was wird sie von dir denken?« fuhr der Plagegeist fort. »Wie ein Barbar hast du gehandelt! Aber das wäre nicht so schlimm, denn leidenschaftliche Männer betragen sich häufig wie Barbaren und Frauen nehmen das selten übel – aber wegzurennen! Wie ein Wiesel zu laufen! Sie weiß nichts von deinem albernen Übereinkommen mit French. Sie weiß nur, daß du dich entweder wie ein Hottentott oder wie ein Esel benommen hast. Ja, mein Freund, wie ein Esel, der Esel unterstrichen.«
Er war in ein Dickicht von Nußbüschen geraten, und es gehörte der Instinkt eines Wildschweins dazu, eine bestimmte Richtung zu finden. Getrieben von dem heißen Wunsch, nach The Martens zurückzukehren, seinen Koffer zu packen, nach London zu entfliehen und alles in einem Brief zu erklären, bewegte Mr. Dashwood sich blindlings und hastig vorwärts und bog, zufällig den rechten Weg treffend, in einen Richtpfad ein, der durch die sich an der Crowsnester Anhöhe hinziehenden Waldungen führte und ihn auf die Fahrstraße nach der Villa brachte.
Er stürzte den steilen Hügel in eiligem Lauf hinan und als er mit gerötetem Gesicht atemlos und schwitzend vor dem Hause anlangte, begegnete er French, der, kühl und liebenswürdig aussehend, eine Zigarre rauchte.
»Halloh!« sagte French. »Was ist los?«
»Alles!« entgegnete Mr. Dashwood. »Seien Sie ein guter Kerl und halten Sie mich nicht auf. Ich fahre nach London.«
»Nach London! Aber ich glaubte, daß Sie bis Montag bleiben wollten.«
»Nein, ich bleibe nicht.«
»Wo ist Miß Grimshaw?« fragte French, während er dem andern ins Haus folgte. »Haben Sie sich im Dorf von ihr getrennt?«
»Nein, ich verließ sie bei der Brücke – ich meine, bei der Brücke dort unten am Fluß –«
French ging dem jungen Mann nach in sein Schlafzimmer. Bobby Dashwood, der einem aus einem schrecklichen Traum nur halb erwachten Schläfer glich, zerrte eine Reisetasche aus einer Ecke hervor und begann seine Sachen hineinzustopfen.
French setzte sich auf einen Stuhl und paffte an seiner Zigarre.
»Verfluchte Geschichte!« sagte French, der aus dem verrückten Benehmen seines Gefährten die Verzweiflung eines Liebenden erriet. »Verflucht! Hören Sie, Dashwood!«
»Ja – ach so, was?«
»Geraten Sie nicht in Aufregung über nichts.«
»Nichts!« sagte Mr. Dashwood mit hohlem Lachen, während er Socken und Haarbürsten in die gähnende Handtasche warf.
»Wenn Sie erst so wie ich durch Erfahrung gewitzigt worden sind,« erwiderte French, »werden Sie verstehen, was ich meine. Es ist noch nie ein Mädchen erschaffen, dem sich kein andres vergleichen ließe.«
»An Mädchen denke ich nicht. Ich denke an mich selbst. Ich habe – ich bin ein kolossaler Esel gewesen.«
»Du lieber Himmel, Sie sind nicht der erste Mann, der das gewesen ist.«
»Möglich.«
»Und werden nicht der letzte sein. Ich selber war schon sehr oft einer. Esel! – himmlische Güte, eine Herde von Eseln ist nichts gegen mich und Sie regen sich über etwas auf, das jedem Manne passiert. Haben Sie sie gefragt?«
»Nein,« sagte Dashwood bissig, indem er den Verschluß der Tasche zuschnappen ließ. »Ich habe sie nicht gefragt.«
»Wie in aller Welt sind Sie dann ein Esel gewesen?« fragte French, ohne unhöflich sein zu wollen.
»Wie?« rief Dashwood wütend. »Indem ich versuchte, mich in dieser Affäre anständig zu benehmen. Jetzt muß ich fort. In London werde ich schreiben und alles in einem Brief auseinandersetzen. Versprechen Sie mir nur eins – daß Sie – ihr nichts sagen wollen. Fragen Sie sie nichts.«
Die Tasche in der Hand wandte er sich der Tür zu. Auf dem Fahrweg hätte er sich der Gefahr ausgesetzt, Miß Grimshaw zu begegnen. Aber seitwärts, am Rande der Landparzellen und an der Episkopalkapelle vorüber lief ein Pfad, der auf einem Umweg zum Bahnhof führte. Hier wanderte Mr. Dashwood, die Tasche in der Hand, eilig entlang und erreichte die Station eine halbe Stunde vor Abgang des Einuhrzehnzuges nach London.
Der Crowsnester Bahnhof ist kein angenehmer Aufenthalt zum Warten. Wenige Bahnhöfe sind das überhaupt. Aber er war nicht unerträglich für einen Mann in Mr. Dashwoods Gemütsverfassung. Rosengärten, blaue Berge oder Chopinsche Musik wären ihm jetzt eine Qual gewesen. Aber Bilder, die den Glanz von Rickmans Stiefelwichse oder die Vorzüge der Sunlight-Seife illustrierten, paßten zu seiner Stimmung.
Kurz vor drei Uhr kam er auf dem Viktoriabahnhof an und fuhr nach seiner Wohnung im Albany. Es war bezeichnend für Mr. Dashwoods eigentümliche Lage, daß er sich, obwohl er als Erbe eines großen Vermögens ein hinreichendes Einkommen und viel Kredit besaß, zeitweise ebenso aller Mittel entblößt sah, wie irgendeiner der Arbeitlosen. Hutmacher, Schneider, Schuster, Strumpfwirker, alle harrten seiner Befehle, aber ein unbegrenzter Kredit für Hüte nutzt einem nichts, wenn das Bankkonto überschritten ist, und Stiefel vermögen nicht die durch Geldmangel hervorgerufene Leere auszufüllen.
Als er seine Droschke in Piccadilly bezahlt hatte, befanden sich nur noch ein paar Schilling in seiner Tasche. Es war ein Sonnabendnachmittag und die trostlose Aussicht, einen Sonntag ohne Geld verbringen zu müssen, lag vor ihm, ließ ihn aber ungerührt. Große Leiden haben eine gute Seite – sie verschlingen die kleinen.