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Hansls Rollschlitten

Jahre vergingen. Auf dem Schilfdach des Steinhauses grünten dicke Moospolster. Die Sonnleitnerleute fühlten sich vor Ungemach bewahrt. Daß unter der nie austrocknenden Schilfdecke der Hausschwamm das Dachgebälk zermürbte, ahnten sie nicht. Kaum merklich senkte sich die Stubendecke. Das war schon lange so und mochte noch lange so bleiben.

Die Haustiere gediehen. Wohl waren die Nachkommen der Wildziegen schwächlicher als ihre Vorfahren, die in der Freiheit gelebt hatten, aber ihre Euter gaben mehr Milch. Auch die Nachkommen der Wildschweine waren schwächer, gutmütiger und setzten mehr Fett an. Einzelne Fuchshunde verfärbten sich unvollkommen, sie behielten die graue Färbung ihres Jugendkleides zeitlebens, andere wurden scheckig.

Peter, der sich früher bis an die Grenzen seiner Kraft angestrengt hatte, nahm es jetzt leichter und sorgloser. Die Mauer um den Kastanien- und Nußbestand hatte er angefangen; weil er aber die Bausteine von immer weiterher heranschleppen mußte, verlor er die Lust und hörte mittendrin auf, an der Mauer zu arbeiten. Lieber pflanzte er in Evas Garten Buschbäume von Quitten, Waldäpfeln und Holzbirnen.

Hansl war gewachsen. Er trug ein ärmelloses Leibchen aus zwei Zickelfellen und bockslederne Kniehosen. Mit Mutter und Vater sprach er in ihrer Sprache, als sei es immer so gewesen; sein Kindergeschwätz hatte er vergessen. Aber selbsterfundenes Spielzeug zog er jedem anderen vor und hob es lange auf.

In den Sand, der in großen Haufen zum Decken der Gartenwege bereitlag, grub der Bub Wohnhöhlen für seine Puppen. Das Bächlein aus dem Teich, in dem ab und zu eine kleine Forelle dahinschoß, die sich vom Moorbachfall hierher verirrt hatte, zog ihn unwiderstehlich an. Dicht daneben grub er sich ein Staubecken mit spannhoher Steinwehr, legte Lehmfigürchen, gefangene Rosenkäfer, Bockkäfer und Schnecken auf Rindenstücke und ließ sie treiben.

*

Aus Ton Gestalten zu kneten, war Hansls Lieblingsspiel geworden. Sie sahen wunderlich genug aus: Da war ein Mann ohne Rumpf, dessen Beine unmittelbar am Kopfe saßen; dort ein Fuchs mit acht Beinen, von dem Hansl behauptete, daß er laufe. Peter begann, sich mehr mit seinem Sohn zu beschäftigen. Und Hansl staunte, was der Vater alles konnte, der unter dem Gebläse auf einem glühenden Holzkohlenstück Gold schmolz und daraus für Mutter ein Kleinod schmiedete. Noch höher stieg Hansls Bewunderung, als der Vater zu Beginn des Winters aus weichem Schnee einen Schneemann und ein Schneeweib formte. Und am Heiligen Abend fand Hansl einen kleinen Schlitten unter dem Lichterbaum. Er wurde ein kühner Schlittenfahrer. Kreischend sauste er die Hänge hinunter. Als die Bindungen des fleißig benützten Schlittens zerfetzt und dieser unbrauchbar geworden war, bastelte Hansl selber einen kleinen Schlitten. Drauf sitzen konnte er freilich nicht, aber damit spielen.

Schon wurden die Halden wieder grün, aber Hansl schleppte noch immer den Spielzeugschlitten hinter sich her über den holprigen Boden. Eines Tages beobachtete Peter, wie der Bub, der ihm beim Fortschaffen schwerer Steinblöcke zugesehen hatte, daumendicke Holunderstäbchen unter die Kufen seines Schlittens schob und einen beinahe kopfgroßen Stein auflud. Das Mark der Stäbe hatte er früher einmal beim Spiel herausgestoßen, jetzt waren die Stengel hohl. Genau so, wie es der Bub beim Vater gesehen hatte, legte er eine Rolle hinter der anderen unter den Schlitten, nahm das hinten frei gewordene Rollholz auf und legte es wieder vor.

Die Höhlung der Stäbchen reizte den Kleinen. Dort, wo nichts war, mußte wieder etwas hinein! Er steckte eine Weidenrute durch einen der Holzstäbe, faßte diesen an den Rutenenden, drückte ihn auf den Boden und rollte ihn hin und her.

Während Peter dem Spiel des Kindes zusah, kam ihm ein Gedanke, über dessen Selbstverständlichkeit er lächeln mußte. Er nahm Hansls kleinen Schlitten, zog durch beide Rollhölzer Weidenruten, knickte die Enden nach oben um und band sie steil ans Gestänge des Schlittens, so daß die Walzen unter den Kufen befestigt waren, ohne sie zu berühren.

Beim Ziehen des beladenen Fahrzeuges drehten sich die Walzen quietschend um ihre Achse, ohne daß diese sich verschob. Noch am selben Tage begann Peter, einen neuen Schlitten mit starken Kufen zu bauen, der auf zwei darunter angebrachten Rollhölzern laufen sollte. Da es ihm aber zu viel Zeit gekostet hätte, die armlangen, dicken Walzen zu durchbohren, begnügte er sich damit, an den Enden einer Walze fingerdicke Löcher zu bohren; darin ließ er starke Asthaken ein und machte die nach oben gerichteten, längeren Schenkel seitlich an den Schlittenkufen fest. Aber schon nach zwei Tagen war ein Zapfen des Achsenhakens abgedrückt. Ärgerlich wollte Peter wieder zur vollen Achse zurückkehren und begann, einen langen Bohrstab zu schmieden, mit dem er das Rundholz der Länge nach durchbrennen wollte.

Während der langwierigen Arbeit am Bohrer kamen ihm Bedenken, ob der Vorteil, den er auf diese Art gewann, die Mühe lohnte, ob nicht die Reibung der langen Achse in der Walze den Vorteil aufhöbe.

Nachts lag Peter lange wach und suchte in Gedanken nach neuen Wegen. Als er sich am nächsten Morgen wieder an die Arbeit machte, ließ er den Bohrer als Zapfen im Holz und kürzte ihn außen auf Spannlänge. Dann trieb er in das andere Ende des Rundholzes einen zweiten Zapfen und hatte so eine Walze, die sich mit festen Achsenenden in den durchlochten Steilhölzern drehen sollte. Leider war der plumpe Walzenkarren schon unbeladen so schwer, daß Peter darauf verfiel, die eiserne Achse durch Schlittenkufen zu treiben und statt der einen langen Walze zwei kurze Walzen, also zwei Radscheiben, an den Seiten des Schlittens anzustecken. Es gelang, nur mußten die Scheiben durch außen angebrachte Querzapfen gesichert werden, damit sie nicht abglitten.

Seit Peter seine Aufmerksamkeit und Kraft dem werdenden Karren zuwandte, mußte Eva alle Garten- und Hausarbeit allein verrichten. Eines Tages war der Karren fertig; Peter belud ihn mit Bausteinen. An einem Morgen stand Eva nicht auf, das Frühmahl zu bereiten. Sie war ernstlich erkrankt. Ungern unterbrach Peter seine Bauarbeit und tat, was an Hausarbeit und Pflege nötig war. Erst nach der Heuernte war Eva soweit hergestellt, daß er sich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung widmen konnte. Da sich die hölzernen Radscheiben stark abnutzten, schmiedete Peter Eisenreifen herum, und als die Kufen, von der durchlaufenden Achse zerrieben, unter der Last brachen, mußte ein neuer Karren gebaut werden, dessen eiserne Achsenlager unter den Kufen angebracht und dick eingefettet wurden. Jetzt erst war das Fahrzeug dauerhaft.

Auch Hansl bekam einen kleinen Karren, den er sogleich mit Gras und Kräutern belud.


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