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Von nun an lebte Eva als Peters Frau in seiner geräumigen Hütte. Ihr verlassenes Heim diente als Vorratshaus für Heu und Brennholz. Da Peter sich Evas Fröhlichkeit erhalten wollte, achtete er auf ihr Mienenspiel. Aus ihrem Gesicht las er unwillkürlich Zustimmung oder Ablehnung. Evas Gefühl für das, was sich gehört, ging auch in Peters Wesen über. Ihrem Sinn für das Schöne, von dem ja Ordnung und Sauberkeit untrennbar sind, versuchte Peter sich anzupassen. Der tägliche Gebrauch von Seifenbrei und Kamm wurde auch ihm zum Bedürfnis. Beim Essen aus gemeinsamer Schüssel strich er sich das Mus nicht mehr mit der Hand in den Mund, sondern benützte den plumpen irdenen Löffel. Auch die Fleischbrocken schob er nicht mehr mit der Hand in den Mund, sondern spießte sie auf ein spitzes Stäbchen. Wenn Eva morgens und abends mit Gott und den Ahnen Zwiesprache hielt, war Peter zwar nur schweigsamer Gefährte, aber er dachte mit, was sie sprach, und wurde unter Evas Einfluß anders, ruhiger, ordentlicher.
Sein niederes Bett, unter dem noch nie hervorgekehrt worden war, so daß der Igel dort stets erfolgreich nach Asseln gejagt hatte, ersetzte Peter durch ein kniehohes, vierbeiniges Bettgestell. Unter dem konnte Eva täglich saubermachen. Für die Koch- und Vorratsgefäße brachte er an der Wand breite Borde an, die er mit seinen Bronzekeilen aus Fichtenholz gespalten und mit der Axt behauen hatte. Damit die Asche nicht mehr im Wohnraum herumlag und zertreten wurde, führte er um die Feuerstelle eine fast kniehohe Mauer auf. Im Herdwinkel stellte er die Bildstöckel der Ahnen auf und hängte die brennende Ampel davor. Während Eva alle Risse im Lehmbelag der Wände verstrich, bereitete er aus gebranntem Kalk einen Topf voll Kalkmilch, mit der sie den Anstrich der Wände erneuerte. Am Herd fügte er zwei Bänke im Winkel aneinander. Die Mergelscheibe, die ihm bisher als Tischplatte gedient hatte, wenn er, auf dem Boden hockend, aß, versah er mit vier hüfthohen Füßen und stellte den so entstandenen Tisch vor den Bänken auf; ein warmer, bequemer Platz zum Arbeiten, Essen und Schwätzen war geschaffen.
Fröhlich verrichtete Eva ihre häuslichen Arbeiten. Als Peter seine Jagdgänge wieder aufnahm, gab es frisches Wildbret, einmal sogar eine Wildgans, die er über dem Moor abgeschossen hatte. Seit Eva Peters Frau war, bereitete sie die Mahlzeiten mit erfinderischer Liebe, denn ihr Mann hielt viel auf gutes Essen. Ob sie auf dem flachen Mahlstein den granitenen Quetscher über Kastanien oder Schwadenkorn hin und her führte, ob sie mit dem Küchenschlegel Fleisch weichklopfte oder, vor dem Herde kauernd, mit einem Gänseflügel die Glut anfachte, sie freute sich darauf, ihren Mann schmausen zu sehen.
Bald kamen Stürme auf, die schwer lastende Schneemassen antrieben. Das Dach der Wohnstube bog sich durch, und der Schilfhut über dem Rauchloch wurde abgerissen.
Höchste Zeit, ein anderes, besseres Heim zu finden! Peter entschloß sich, die Bärenhöhlen zu erobern. Ehe er daran ging, die noch im Winterschlaf befangenen Bewohner durch Feuer und Rauch zu ersticken oder zu vertreiben, forschte er nach, ob die Höhlen irgendwo oben noch einen Ausgang hätten. Vom Moorbachursprung kletterte er mühsam über die Schichten der Kalkfelsen und gelangte an ein verlassenes schmales Bachbett, das sich nach rechts, den Bärenhöhlen zu, senkte. Je weiter er darin abwärts ging, desto dünner wurde die Schneedecke des Geröllbodens. Dort, wo das Rinnsal in einen Felsspalt mündete, war aller Schnee weggeschmolzen. Aus dem unten breiteren, oben schmaleren Durchlaß stieg ein lauer Hauch herauf; er roch nach schimmeliger Losung.
Aha, diese Windluke da war der obere Ausgang der Bärenhöhlen! Vergebens versuchte Peter, auf allen vieren kriechend, sich hier durchzuzwängen. Wenn er in der untersten Höhle ein Feuer anfachte, könnten die vor dem Gluthauch flüchtenden Bären wohl bis hierher gelangen, aber hinaus könnten sie nicht, auch unten nicht; denn kein Tier geht durch Feuer! In Gedanken versunken, machte sich Peter auf den Heimweg.
Föhnwetter brachte einen warmen Tag. Schnee und Eis wurden zu Matsch. Dann aber setzte dichtes Schneetreiben ein, unaufhörlich fielen die Flocken.
In einer grauenvollen Nacht, als Gestänge, Geflecht und Gebinde des Pfahlbaus, von wuchtigen Sturmstößen erschüttert, kreischten und ächzten, saßen Eva und Peter in Pelze gehüllt auf dem Bettrand, in Ängsten wachend. Sie lauerten auf den Augenblick, wo die baufällig gewordene Hütte zusammenkrachen und vom Sturm davongetragen würde. Eng an Peter geschmiegt, starrte Eva ins Licht der Ampel, das nur matt durch das Gehäuse aus Schweinsblase schimmerte. Sie fühlte die Spannung in Peters Armen. Er war entschlossen, sich dem stürzenden Dach entgegenzustemmen und seine Frau vor dem drohenden Tode zu bewahren oder mit ihr zu sterben. Müde vom Harren, Bangen und Lauern, schlummerten die beiden ein und merkten nicht, daß es draußen still wurde. Als Eva, frostgeschüttelt, im Morgengrauen erwachte, löste sie sich sacht aus Peters Umarmung. Sie sah die Tür klaffen und trat ins Freie – es war windstill.
Vom farblosen Himmel blinzelten die Sterne verblassend durch dünne Wolkenfetzen, die, in einem hohen Luftstrom schwimmend, von den Salzwänden her nach den Hochgipfeln jenseits der Klamm flogen. Eva rüttelte den Schläfer wach: »Peter, Peter, es friert!« Der Schlaftrunkene begriff nicht gleich. Kaum aber hatte er sich vergewissert, daß trockener Frost eingesetzt hatte, sagte er frisch, als hätte er die ganze Nacht geruht: »Jetzt wird's richtig! Wenn's friert, schlafen die Bären in ihren Höhlen, und heut noch räuchere ich sie aus!«
Vergnügt bereitete Eva das Frühstück: zwei geräucherte Forellen, einen Topf Eichelbrühe, den sie mit Honig süßte, und zwei Hände voll Kastanien. Das heiß genossene Frühmahl wärmte sie, und von neuer Zuversicht erfüllt, bestiegen sie das Floß und fuhren, durch die dünne Eisdecke brechend, mit Feuerkorb und Schlitten zur Triftleiten hinüber und stiegen quer durch den Eichwald zu den Bärenhöhlen hinauf. Unterwegs beluden sie den Schlitten mit dürrem Fichtenreisig und belegten damit den Boden der untersten Höhle. Vom Walde holten sie abgestorbene Äste, Moderholz und feuchtes Laub. Damit füllten sie die Höhlen bis zur Decke; denn es sollte nicht nur ein starkes Feuer werden, sondern auch viel stinkenden Rauch geben. An drei Stellen stopfte Peter Bäusche von fettgetränktem Nesselwerg zwischen die Fichtenreiser der Bodenauflage, nahm glimmende Holzkohlen aus dem Feuerkorb und legte sie ins Nesselwerg. Es fing Feuer. Knisternd leckten die Flammen an Reisig und Ästen. Eva kehrte mit dem Schlitten heim.
Langsam entwickelte sich gelber Qualm, da und dort flammte ein Zweig Nadelholz auf. Weil die Höhle hoch oben einen Ausgang hatte, saugte sie die Rauchmassen an. Hoch und breit bis zur Decke und den Seitenwänden loderte das Feuer im ganzen Höhlenraum. Vor seinem heißen Atem wich Peter bis an den Waldrand zurück. Da begann es sachte zu schneien. Unbekümmert um den dichter fallenden Schnee, starrte Peter auf das qualmende Feuer, den Jagdspeer wurfbereit in der Hand. Nichts rührte sich. Falls die Bären nicht schlafend erstickt waren, mußten sie vor dem Gluthauch und Qualm zur Windluke fliehen! Nichts zeigte sich. Gegen Mittag entschloß sich Peter zum Heimgehen. Das Feuer mochte noch lange fortbrennen, das Moderholz noch lange glimmen und qualmen.
Als er drei Tage später, mit Pechfackeln und Beil wohlversehen, die verrußten Höhlen durchstöberte, fand er darin fünf tote Bären; zwei davon waren aufrechtstehend erstarrt, festgeklemmt im Spalt der Windluke. Nach Peters Ansicht waren alle Bären vernichtet. Peter eilte mit der guten Kunde heimwärts. Lehm- und rußverschmiert, wie er war, schloß er Eva im Taumel der Freude in seine Arme, dann mußte sie mit ihm nach den Bärenhöhlen.
Als die beiden die eroberten Behausungen daraufhin ansahen, wie sie sich wohnlich einrichten ließen, entsprach keine ihren Anforderungen. Den oberen fehlte es an Licht, und die unterste hatte einen viel zu abschüssigen Felsboden. Dennoch zogen sie in aller Eile ein, weil Peter sofort einen Vorbau errichten wollte, der nur eine Erweiterung der Höhlen zu sein brauchte.