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Im Ziergarten grenzte Peter eine Ecke für die Zicklein ab, die nicht mehr bei ihren Müttern trinken sollten. Für die kommende Heumahd schmiedete er das breitrückige Grasmesser dünner, so daß es länger scharf blieb, und gab ihm eine weit vorgreifende, halbmondförmige Krümmung, damit es die Grasbüschel besser umfassen konnte. Den Wetzstein, ein Stück Kieselschiefer, tat er in ein Bockshorn und etwas Wasser dazu.
Nach dem Heuen half er Eva bei der Gartenarbeit. Sie hatte im Frühjahr schon beim Setzen bedacht, welche Pflänzchen viel und welche weniger Wasser brauchten. Ihr Lieblingsgemüse, die Brunnenkresse, hatte sie gleich unterhalb des kleinen Teiches in der linken oberen Gartenecke eingesetzt und anschließend daran Sauerampfer und den kleinen Baldrian, in den Beeten junge Schwarzwurzeln, Bocksbart, Gundelrebe, Maßliebchen, Löwenzahn und Wegwarte; dann kamen die Möhren und die Würzkräuter, Thymian, Gundelkraut, Kümmel, Anis, Fenchel und Lauch. Die unterste, feuchteste Bodenstufe war mit sprießendem Schwadengras begrünt. Sie hatte die Pflänzchen in großen Abständen gepflanzt, so daß deren Blattsterne sich ausbreiten konnten. Zwischen ihnen aber ging das vom Wind gesäte Unkraut so üppig auf, daß Eva mit dem Jäten kaum nachkam. Die meiste Mühe machte ihr das Gießen der durstigen Pfleglinge auf den oberen Bodenstufen, denn der Sommerregen hielt auf der sonnbestrahlten Berglehne nie lange vor, und der kleine Teich lag meist trocken. Eva mußte das Wasser vom entlegenen Moorbachfall in Töpfen herbeitragen.
Zwischen den Beeten kroch Hansl herum und schwatzte vergnügt vor sich hin. Den Eltern fiel es nicht leicht, die Sprache des Kleinen zu verstehen. »Nini« hießen die gelben Blüten des Löwenzahns, aber auch die gelben Falter und die Goldkörnchen an der Halskette der Mutter, und die Großen meinten, es bedeute »gelb«. Aber die hellblauen Blüten der Wegwarte waren auch »nini«; da mußte es wohl »schön« bedeuten. Und »nini« waren die reifen Erdbeeren – es hieß also auch so viel wie »gut«.
Waren schon die alten Füchse trotz alles Schimpfens nicht immer stubenrein, die Jungen wurden es überhaupt nicht. Und Hansl ging nie an einer Missetat vorbei, ohne »ä-!« zu sagen. »Ä-!« sagte er auch zum Lehm am Teichrand, zu schimmeligen Kastanien, zu seinen Händen, wenn er in der Erde gewühlt hatte. Aber auch unreife Erdbeeren warf er mit einem verächtlichen »Ä-!« von sich. Es waren also nicht nur selbsterfundene Namen für Dinge, sondern Urteile über das, was ihm gefiel oder mißfiel.
Als Evas größter Topf zerbrach, machte Peter zwar aus einem abgesägten, hohlen Baumstück einen Kübel, den er einstweilen mit Weidenbändern umwand, damit das Holz nicht reißen konnte. Eva hatte aber keine Freude an dem plumpen Gefäß. Der Boden quoll auf, und der Kübel wurde trotz der Reifen rissig.
Im Geißengarten hatten die Ziegen bald alles Gebüsch abgefressen, das sie erreichen konnten. Täglich mußte ihre Futterraufe mit frischgeschnittenem Grünfutter gefüllt werden, täglich mußten sie getränkt werden. Da Peter den Schmelz- und den Töpferofen wieder in Ordnung brachte und viel Arbeit hatte, sorgte Eva für die Ziegen. Die Tiere waren rührend anhänglich, weil sie ihnen auch Salz zu bringen pflegte. Peter trug sich mit dem Gedanken, die Bewässerung des Gartens in der Weise zu lösen, daß er vom Moorbachfall einen Wasserarm quer über den Alten Steinschlag bis zum Haus leitete. Vom Teich aus, den er zu einem Sammelbecken ausbauen wollte, könnte dann das ganze Gartenland berieselt werden, und Eva wäre das mühsame Wasserschleppen ein für allemal los.
Je anstrengender die Wochen waren, desto peinlicher hielt Eva an der Heiligkeit des Sonntags fest. Schon am Vortage wurde gründlich aufgeräumt und abends gebadet. Keine Schmutzarbeit durfte den Feiertag stören. Saubere Kleider wurden angezogen, Lieblingsspeisen kamen auf den Tisch. Der Besuch des Ahnlgrabes und des Sonnenbildes in den alten Wohnhöhlen war eine gemeinsame Wanderung durch die Heimat, ein Rückerinnern an die schwere Vergangenheit. Für Hansl, der abwechselnd von Vater und Mutter getragen wurde, war dieser Spaziergang ein Schwelgen in Licht, Farbe und Duft. Auch regnerische Sonntage hatten ihr Schönes. Da holte Eva die Zeichensteine und Wochenstäbe hervor und las mit Peter, wie alles gewesen war und wie gut sich alles gefügt hatte.
Für Hansl kamen schmerzensreiche Tage: seine Zähne brachen durch. Eva mußte ihn allmählich an Milchbrei gewöhnen. Sein Wimmern und Wehklagen, das jetzt seine Selbstgespräche unterbrach, verstummte nur, wenn er etwas fand, woran er die wachsenden Zähne versuchen konnte. Aus Angst, daß er einen abgenagten Holzsplitter verschlucken könnte, suchte Eva nach etwas Harmlosem, Feinfaserigem und erinnerte sich der Wurzelstöcke der weißen Schwertlilien. Ein Stück davon schabte sie sauber ab, trocknete und durchlochte es und hängte es dem Kleinen an einer langen Schnur um den Hals. Und sooft er nagen wollte, nahm er das duftende Hölzchen in den Mund und biß darauf herum.
Peter hatte inzwischen aus Raseneisenerz einen Vorrat an Eisen ausgeschmolzen. Indem er es immer wieder anglühte und klopfte, machte er es hämmerbar. Als er für Evas Wasserkübel zwei eiserne Reifen schmiedete, hielt er sich zwar genau an das Maß des Gefäßes, konnte aber nur den einen, noch glühenden Reifen aufbringen; der zweite, der längst erkaltet war, saß am Rande fest. Erst als er auch ihn wieder glühend gemacht hatte, konnte er ihn auftreiben und sah, wie beim Erkalten des Reifens sich alle Fugen der Kübelwand schlössen. Aber Eva hatte an dem Kübel noch immer keine Freude; er war viel zu plump und zu schwer.
Der Bau der Wasserleitung war schwieriger, als Peter gedacht hatte. Drei Wochen brauchte er, bis er quer über die Steinschlaglehne eine Rinne angelegt und die Leitungsrohre aus hohlen Baumstämmen bis in die Nähe des Hausteiches geführt hatte. In einer mondhellen Nacht, während Eva schlief, vollendete Peter sein Werk. Als die Familie am nächsten Morgen vor dem Haus beim Frühmahl saß, hob Hansl den rechten Zeigefinger. Horch! hieß das. Mit offenem Munde lauschte er hinüber zum Teich und schaute bald Eva, bald Peter an, der ein Schmunzeln nicht unterdrücken konnte. Eva sah nach, was denn da rieselte. Ein Wasserstrahl aus dem Baumrohr! Eva trat einen Schritt näher und sah die lange, schnurgerade gemauerte Rinne, Peters heimliches Werk, von ihm ersonnen und geschaffen, damit ihr das Wasserschleppen erspart werde. Sprachlos vor Freude faßte sie seine rissige, schwielige Rechte und zog sie an ihre Brust. Dann schlang sie die Arme um seinen Hals und küßte ihn auf Mund und Wangen. Keine Mühe scheuen, wenn es gilt, dem andern eine Plage zu ersparen – das war die rechte Liebe.