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Ränkespiel der Liebe

Schlosser-Franz war nach vollbrachter Tat in seine Wohnung zurückgekehrt und hatte den größten Teil des Geldes in Sicherheit gebracht. Ein Keller des Hauses diente ihm als Werkstatt. Hier rückte er den schweren Amboß zur Seite, schnitt ein Loch in den Fußboden, höhlte die Zwischenschicht aus und versenkte das Geld in einer Holzkiste. Dann schob er den Amboß wieder darüber, und der scharfsinnigste Kriminalist hätte das Versteck nicht entdeckt.

Nach einem stärkenden Schlafe bis zum Mittag kleidete er sich sonntäglich an und nahm von seiner Familie feierlich Abschied, als ob er für längere Zeit verreisen wollte. Statt dessen aber stürzte er sich in den Strudel der Großstadt und zechte zwei Tage und zwei Nächte, wobei er das Geld mit vollen Händen von sich warf. Er schlief seinen Rausch jedesmal an Ort und Stelle aus und betrank sich immer wieder, bis der Brand in seiner Kehle endlich gelöscht war. Nicht genug damit, kaufte er, seiner merkwürdigen Manie folgend, alles, was ihm unter die Finger kam oder was er in Schaufenstern begehrenswert fand. Selbstverständlich blieb in seiner Trunkenheit vieles am Wege liegen oder es wurde ihm gestohlen, aber dennoch kam er mit Paketen und Schachteln reich beladen zu seiner Familie zurück, als ob er wirklich von einer einträglichen Reise heimgekehrt wäre. Und es herrschte eine freudige und festliche Stimmung wie zu Weihnachten, wenn die Lichter brennen und die Gaben des Weihnachtsmannes beschert werden.

Die Frau des Schlosser-Franz, die mit ihrem Ehemann sehr zufrieden war und sich im Vergleich zu anderen Frauen ihres Standes glücklich schätzte, fragte nicht, woher der Segen kam. Sie dachte auch nicht einmal darüber nach, daß ihr Franz, den sie für sehr intelligent hielt, gelegentlich ein Nebengeschäft mache, das viele Tausende einbringe.

Aus diesem Grunde wunderte sie sich auch nicht, als er ihr am nächsten Tage eröffnete, daß er sein Handwerk vorläufig an den Nagel hängen und zu seiner Schwiegermutter fahren werde, um dort in der Nähe eine Landwirtschaft zu erwerben und sich, dem Zuge der Zeit folgend, zum Siedler und Selbstverbraucher zu entwickeln. Die harmlose Frau freute sich unendlich, aus der verhaßten Großstadt herauszukommen. Sie sah sich schon im Geiste als eine kleine Rittergutsbesitzerin inmitten lieber und fetter Haustiere, sah die Kinder auf der Wiese spielen, frisch und pausbäckig, und sich selbst in einem Wägelchen die Landstraße entlang fahren zu einem gemütlichen Kaffeeklatsch bei freundlichen und gesprächigen Nachbarinnen.

Schlosser-Franz nahm sein ganzes Geld mit sich, das er aus Vorsicht für wenige Tage unter dem Amboß versteckt hatte, und fand in dem Bauernhause seiner Schwiegermutter sowohl für seine Person als auch für das geraubte Vermögen eine Stätte hinreichender Sicherheit.

Zu seiner schnellen Abreise trug entschieden die sensationell aufgemachte Nachricht bei, die über die Gefangennahme der Millionendiebe in allen Berliner Morgenzeitungen am Mittwoch nach Ostern zu lesen war. Er konnte im ersten Augenblick seinen Ärger über »die Dummheit« seiner Kumpane nicht unterdrücken und ging den ganzen Vormittag mit verdrießlichem Gesicht umher. Dann aber tröstete er sich mit dem Gedanken, daß die schwer verwundeten »Freunde« wohl kaum mit dem Leben davonkommen würden. Nicht minder beunruhigte ihn die in den Zeitungen mit einem gewissen Spott geschilderte Flucht des Soldatenrates und des Majors, die er beide für unbefähigte und deshalb für unzuverlässige Menschen hielt.

Um beizeiten allen Nachstellungen zu entgehen, selbst wenn man ihn verraten würde, schien es ihm am zweckmäßigsten, die Berliner Spur zu verwischen und sich mit seiner Familie in einem Dorfe zu verbergen, das für die sonst so langen Fangarme der Polizei nur mit Schwierigkeiten zu erreichen wäre.

 

Die Zeitungsmeldung hatte auch nach der anderen Richtung hin seine Wirkung nicht verfehlt.

Als Lucy die Nachricht las, brach sie in krampfhaftes Schluchzen aus, und sie beruhigte sich erst etwas, als Irma, bleich und niedergeschlagen, am Nachmittag bei ihr erschien.

Die beiden Mädchen saßen sich lange stumm gegenüber, bis Irma das Schweigen brach und lakonisch fragte: »Wat sagste nu?!«

Lucy schluckte mehrmals, als ob sie etwas hinunterwürgen wollte, stützte ihren Kopf auf beide Hände und holte zu einem langen Herzenserguß aus: »Kiek mal, du bist meine beste Freundin, und nu will ick dir sagen, wie ick über allens denke. Wenn ick so lese, wat se in de Zeitungen schreiben, denn habe ick det Jefühl, det mein Willy uff m Felde der Ehre jefallen is, wie'n Held. Un er hätte nich een eisernet Kreiz erster Jüte verdient, sondern sechse. Ick bin stolz uff so'n Mann. Haste jelesen, wie er jekämpft hat, jejen 'ne unjeheure Übermacht, und wie er sich nich überjeben wollt, bloß um seine männliche Ehre zu retten?! Und wie ihn de Kugeln durchbohrt haben und er sein Blut ruhich laufen ließ und er der Feindesmacht in de Oogen jekiekt hat, trotzig und mit Kuraje, wie'n richtjer Löwe! Und denn hab'n se ihm in det Schlüsselbeen jeschossen, de Kugel muß von oben jekommen sind, wie ick mir det so vorstelle, denn er hat de Schlüssel immer in de Jesäßtasche jetragen, und denn is se in't Been und von da in een'n Lungenflüjel jerutscht. Un denn hab'n ihn de Kräfte uffjejeben. Un ick sage dir, Irma, der Deibel soll mir holen, wenn er det nich allens vor mir jetan hat. Ick sehe mein'n Willy so vor mich, wie er sich denkt: Lucy, denkt er, paß mal Obacht, die Bande soll mir nich kriejen, ick schieße se alle über'n Haufen, een'n nach'm andern, wie de Spatzen, aber dein'n Mann, der dir ehrlich ernährt und vor dir sorjt, den soll'n se nicht hab'n! Un nun liejt er da in't Krankenhaus un det Bewußtsein is jetriebt un er weeß von jarnischt, un wenn ick mir so vorstelle, det er ooch an mir nich mehr denkt, denn möcht ick zu ihm hinfliejen mit beede Arme und möcht'n …!«

Weiter kam das Mädchen nicht, denn die Rührung hatte sie übermannt, und sie brach wieder in Tränen aus.

Irma ließ den Vortrag ihrer Freundin über sich ergehen, ohne irgend ein Zeichen von Beifall oder Mitgefühl zu äußern. Gleichgültig und teilnahmslos saß sie da, bis Lucy sich ausgeweint hatte, dann blitzten die Augen auf, der Mund verzog sich, daß die Zähne sichtbar wurden, und sie wetterte los:

»Ick bin doch nich zu dir jekommen, Meechen, det de dir ausquatschen sollst, ick verzichte uff deine injebildeten Jefiehle. Wat de mit dein'n Willy hast, is mir schnurz, aber et is doch bezeichnend for dein'n janzen Ejowismus, det de nich 'ne Silbe an mein'n Karl denkst. Als ob der nich noch ville mehr als'n Löwe jekämpft hätte, denn er hat'n Schuß in'n Kopp jekriejt, wat doch 'n Beweis davor is, det er den Jejnern de Stirn jeboten hat, während dein Willy det Jesäß hinjehalten hat, wo de Schlüssel drin waren. Aber bange machen jilt nich. Ick jloobe nich dran, det dein Willy krepiert, und als ick heute las, det Karl 'n Schuß in'n Kopp jekriejt hat, dacht ick jleich, det is man jut, det Luder hat'n dicken Schädel, da jeht keene Kugel nich rin. Aber det eene muß ick dir sagen, wie ick in de Zeitungen rin kieke und lese, det se von unsre Männer soviel Sums machen, da hat sich meine Brust doch jeschwellt, und ick bin uff mein'n Karl ordentlich stolz jeworden. Nu aber hör man uff mit dem Jeflenne, ick bin bloß zu dir ruffjekommen, damit wer uns bereden, wat nun zu machen is. Wenn se nun beede wieder jesund sind und se komm'n nach Berlin, denn jibt's doch wat jeheerjet uffjebrummt, un wer seh'n unsre Männer erst wieder, wenn wer Jroßmütter sind. Ick verzichte druff, mein'n Karl mit 'n weißen Kopp zu sehn, ick hab mer in de schwarze Tolle valiebt. Also, nu mach 'n Mund uff und sag man bloß, wat mach'n wer, det de Männer nich in't Zuchthaus kommen!«

Lucys rotgeweinte Augen blickten nach der Seite, als ob sie einen Ruhepunkt suche, um nachzudenken. Dann sagte sie nach einer Weile, wie geistesabwesend: »Ick hab keene andre Idee nich, als det wir uns ooch 'n Fluchzeuch nehm' und hinfahren nach't Krankenhaus und unsre Männer det Nachts abholen! Wir sind doch man det zarte Jeschlecht, Irma, det weeßte doch, wat soll'n wir schwache Weiber, die der Schöpfer bloß vor de Liebe jezeucht hat, an Entführungspläne anstifteln! Ick bin der Meinung, et is det Beste, wir warten jetzt mal 'n Weileken ab. Sonne schwere Wunden heilen nich von heute bis morjen, da könn'n Wochen drüber verjehn. Un denn warte ick uff meine Instruktsjon, die mir mein Willy mit uff'n Wej jejeben hat. Sobald sein Jeist wieder in't Jehirn zurückjekommen is, denn wird er schon von alleene jriebeln, wie er aus dem Schlamassel rauskommt. Un Zeit jenuch hat er dazu, wenn er so janz alleene im Bette liejt. Wir können's ja aushalten, Irma, denn wir hab'n ja Mist jenuch, det wer nich verhungern brauch'n, aber wat Willy und Karl noch jerettet hab'n, det weeß ick nich. Vielleicht hab'n se ihm noch de letzten paar Kröten aus de Tasche abjeknöpft. 'n paar Tausender war'n immer noch drin, det weeß ick nämlich janz jenau, denn ick habe mir noch vor Ostern jründlich davon überzeugt, weil ick mir doch 'ne neue Kluft koofen wollte!«

Irma lächelte etwas, als sie erwiderte: »Det Karl ooch noch jenuch Jeld in de Tasche jehabt hat, davon hab ick mir ebenso überzeucht wie du. Mir jejenüber brauchste keen Blatt vor'n Mund zu nehmen, ick weeß Bescheid, det de ebenso jeklaut hast, wie ick. Aber uff die paar Märker kommt's ooch nich an. Un im übrijen bleibt det in de Familie. Aber, wat de vom Abwarten sprichst, bin ick janz deiner Meinung. An uns denkt de Polente nich, denn se jlooben, det unsre Männer allens mitjenommen hab'n und det di beeden andern mit det übrije Jeld ausjekniffen sind. Det sage ick dir, wenn ick die beeden Hallunken mal zu fassen krieje, denn reiße ick ihnen alle Haare einzeln aus'm Kopp. Haste Worte for sonne Jemeinheit?«

Es klopfte leise an der Tür. Die beiden Mädchen sahen sich fragend an.

»Du kriejst wol Besuch?« sagte Irma mit besonderem Nachdruck, »ich störe euch nich, ick jehe, bloß den Kerl möcht ick mer 'n bisken ansehen!«

»Wat du denkst«, gab Lucy entrüstet zurück, »ick bin janz stubenrein, hier empfange ick keen'n nich, ick steije bei Henning in de Puttkammerstraße ab. Un denn ooch bloß selten, wenn's 'n alter Freund is, dem ick 's nich abschlagen kann. Man hat noch so Verpflichtungen von früher her, jute Kundschaft un so. Tu du man nich, als ob de 'ne Betschwester jeworden wärst, ick weeß Bescheid von wejen deine Treue. Schon als Karl noch hier war, haste manchen Seitensprung jemacht. Ick frage dir ja ooch nich, wie de dir jetzt amüsierst.«

Irma grinste und schwieg.

Es klopfte wieder und heftiger als zuvor.

»Nu muß ick doch mal nachsehen, wat det für'n Jeklopfe is!« fuhr Lucy verärgert auf, ging an die Tür und öffnete.

Die Trippeljule und die Buttermamsell traten mit lebhafter Begrüßung ein. Als sie Irma erblickten, wurden sie etwas ruhiger und die Trippeljule sagte kühl und trocken: »Wir jingen hier vorüber un da sagte ick: mußt doch mal sehn, wat de Lucy macht. Wir haben dir während de janzen Feiertage jesucht, Lucy, aber von dir war keen Knochen zu sehn. Wo steckste bloß Meechen! Un Willy un Karl sieht man ooch nich mehr; ihr seid ja alle verschwunden, wie wenn de Polizei mit Hunden nach euch sucht!« Irma und Lucy sahen sich forschend an, als ob sie einander fragen wollten, was hier zu antworten wäre, bis Lucy die peinliche Stille dadurch unterbrach, daß sie zur Küche ging um dem Besuch Kaffee zu kochen.

Inzwischen unterhielten sich die Mädchen mit Irma über allerlei gleichgültige Dinge.

Als Lucy mit dem dampfenden Getränk und einem Berg Osterkuchen wieder eintrat und gegessen und getrunken wurde, kam eine unbefangene Unterhaltung in Fluß, und bald wurde auch das Tagesgespräch von Berlin: der Millionenraub und die Festnahme der Verbrecher erörtert.

»Als ick heute früh die janze Schose in de Morjenpost las«, plauderte die Trippeljule, »da dachte ick: det sind doch feste Kerls un alle Achtung, bloß det se nich jenuch Jribs jehabt hab'n. Wie kann'n Mensch so dämlich sin, un mit 'm Fliejeapparat teilachen, wo er sich doch sagen mußte, det sowat auffällt. Nee, ick hab doch schon ville jehört und jesehn, aber sonne Hornochsen sind mer doch noch nich vorjekommen. For Dämlichkeit kann ja keener, det is anjeboren!«

Lucy würgte an ihrem Kuchen und steckte das gerötete Gesicht in die Kaffeetasse. Irma biß sich in die Unterlippe und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.

»Ick wundere mir nur«, setzte die Trippeljule ihre Rede unbeirrt fort, »det se die beeden Idiotenaffen nich jleich nach 'ne Irrenanstalt jebracht haben, wo se doch hinjehören. Wenn det mein Mann war, denn würd ick 'n jleich wejen jeistije Beschränkung entmündjen lassen. Solche Rindviecher! Et is doch zu schade um det scheene Jeld! Die sollten sich wat schämen, 'n Ding jedreht zu hab'n, wat 'n kleener uffjeweckter Junge ville besser jemacht hätte, denn …«

Lucy vermochte sich nicht mehr zu beherrschen, der letzte Bissen blieb ihr in der Kehle stecken. »Nu hör aber mal uff mit dein'm Quatsch!« rief sie empört und vor Wut zitternd, »beleidije kenn'n mit deine Ausdrücke un misch dir nich in Dinge, die dir nischt anjehn, vastehste!«

Und Irma, die schon nach den ersten Sätzen der redseligen Tischgenossin innerlich kochte, fuhr keifend dazwischen: »Wenn de noch mal de Futterluke uffreißt und sonne tapfren Männer mit deine Injurien beschmeißt, denn verpolke ick dir, det de denkst, Ostern und Pfingsten fällt uff een Tag!« Und dabei hielt sie der verblüfften Trippeljule die Faust unter die Nase. Das geschwätzige Mädchen, das sich der Wirkung ihrer freimütigen Kritik vorher nicht bewußt war, ahnte noch immer nicht den Zusammenhang zwischen ihren Worten und der Wut der beiden Freundinnen, deshalb holte sie zu einer Rechtfertigung aus und sprach etwas gekränkt: »Ick vastehe eure Uffrejung nich, ihr tut jrade so, als ob ihr mir uffressen wollt, weil ick über zwee dämliche Jungs meine unmaßjebliche Meinung jeäußert habe! Wat meenst du denn dazu?« fragte sie die neben ihr sitzende Buttermamsell, indem sie hoffte, in ihr eine gleichgesinnte Partnerin zu finden.

Die Buttermamsell, die immer in ihrem ganzen Wesen sehr zurückhaltend war, und sich von der bürgerlichen Moral noch nicht ganz losgelöst hatte, erwiderte etwas zögernd: »Ick verstehe überhaupt nich, um wat ihr euch hier streitet, die fremden Kerls können uns doch janz schnuppe sind. Im übrigen finde ick for meinen Teil, det es 'ne Jemeinheit is, bei Nacht und Nebel in 'ne Bank inzubrechen, alles kurz und klein zu schlagen und det Jeld wegzunehmen, wat doch ooch armen Leuten jehört. Da kann man sein Jeld anders verdienen, als durch solche Jemeinheiten. Un wenn ick zu reden hätte, denn würde ick sonne Leute köppen lassen, köppen lassen würde ick se!«

Lucy und Irma sprangen zu gleicher Zeit mit einem Satz von ihren Stühlen auf und nahmen dicht vor den Besucherinnen eine Kampfstellung ein, wobei sie mit den Armen herumfuchtelten und abwechselnd ein Wortgezeter vom Stapel ließen:

»Ihr verdammte Bande, wat vasteht ihr von Intellijenz und Kuraje! Det is der Dank dafor, det dir mein Willem immer freijehalten hat, bloß weil de sonne klapprije Trippeljule bist. Un de Mamsell da, die immer bloß de Marjarine injewickelt hat un jetzt ihre Kavaliere inwickelt, hat keene Ahnung nich, wat et heeßt, 'n Millionending zu drehn!«

»Wenn et nach mir jinge, würde ick de Jule überhaupt nich mehr lebend aus der Bude lassen. Sonne Leute sind jefährlich, die kenn'n allens verfeifen. Wenn ihr wissen wollt, wat 'ne Jemeinheit is, denn wer ick 's euch sagen, aber ihr müßt vorher de Nasenlöcher uffreißen, damit euch der Schlag nich rührt, 'ne Jemeinheit sind eure Kerls, der Soldatenrat und der feine Herr Major, 'ne janz erbärmliche Blase. Erst bringen se unsre Männer über de Jrenze, und als et losjeht mit's Jefecht, denn nehm'n se Reißaus un klauen noch dazu det Jeld, det sich unsre Männer in mühevoller Arbeet erworben haben. Det is 'ne Jemeinheit, vasteht ihr. Köppen müßt man solche Schufte, köppen müßt man se!«

Und Lucy fuhr fort: »Nu wißt ihr's also, und nu könnt ihr zur Polente jehn und feifen, det wir de Weiber von den kessen Jungs sind, die det Millionending jedreht hab'n. Aber unsre Hände sind reen, det sage ick euch jleich, bei uns is keen Jeld nich zu finden!«

Die Trippeljule und die Buttermamsell wußten tatsächlich nicht, wie ihnen geschah, als sie diese überraschende Offenbarung vernahmen. Zwar war es ihnen aufgefallen, daß ihre »Freunde« während der Feiertage sich nicht mehr sehen ließen, aber sie nahmen an, daß irgend ein Geschäft im Gange sei, und daß sie vielleicht eine kleine Reise machen mußten. Solche Verbrechertaten hätte ihnen keine von beiden zugetraut. Von Willem und Karl wußten sie wohl, daß ihr Gelderwerb ein dunkler war und daß diese Männer an Verwegenheit nicht ihresgleichen hatten, aber ein Bankeinbruch dieser Art, von dem alle Zeitungen schrieben, war in ihren Augen ein so tollkühnes Unternehmen, daß sie von Willem und Karl, die sie sich als Müßiggänger und Schwelger vorstellten, soviel Mut und Energie nicht erwarteten. Am meisten tat ihnen der schwarze Karl leid, den beide ins Herz geschlossen hatten, und sie dachten, jede für sich, darüber nach, wie sie die angerichtete Verwirrung wiedergutmachen und dem Karl helfen könnten.

Zuerst kam die Trippeljule wieder zur Besinnung. »Nu setzt euch man«, rief sie mit erkünstelter Ruhe den aufgeregt im Zimmer auf und ab gehenden Freundinnen zu, »ick bin ja janz baff! Warum habt ihr det nich jleich jesagt, ick hätte mir doch denn janz anders jeäußert. Wat jehn mir denn die fremden Kerls an, aber vor Willem und Karl alle Achtung! Det is natürlich 'ne andre Sache, un da biete ick euch meine Hilfe an, man kann doch den armen Karl nich in sonne Patsche lassen, wir wollen doch einmal überlejen, wat da zu machen is, vielleicht komm'n wer …!«

»Wat Karl anbetrifft«, warf die Buttermamsell dazwischen, »da wollt ick nur sagen, det ick mir zur Verfüjung stelle. Ick hab 'n juten Freund, der lange in de Schweiz jelebt hat, un der wird mir behilflich sein, det ick rüber fahre. Un wenn ihr mir bloß 'n Tausender jebt, denn nehme ick det andre von mein'm Jeld und jondle los, und ick jlobe, det ick ihn befreie, wenn ick mir ooch den Wächtern hinjeben soll. Det wichtigste is aber, det ick …!«

»Hör man uff mit dein'm Jequatsche«, unterbrach die Trippeljule ärgerlich, »wat jeht dir denn der Karl an? Ick kenne ihn schon ville länger als du und ick weeß, det er zu mir ooch Vertrauen hat un mir jut leiden kann. Wenn eener rüberfährt, denn bin icke diejenige, welche, vastehste!«

»Nu mach man bloß nich solche Zicken!« gab die Buttermamsell mürrisch zurück, »halte dir man an deinen Soldaten und schweife nich zu fremde Männer rüber, denn wenn der wiederkommt, dann verpolkt er dir jründlich, un denn wirste …!«

Die Trippeljule ließ ihre Nachbarin nicht ausreden. »Det is ja jelacht«, fauchte sie, »kommt so eene hierher un macht een'm Vorschriften, wie man sich mit seine Freunde zu verhalten hat. Als ob die nich ooch uff de Straße jeht, wie unsereens, wenn se ooch so'n feinen Kerl hat, wie den Herrn Major! Halte dir man jetzt an den Schweizer, nachdem dein Klaufritze verduftet is, aber kümmre dir nich um Karl!«

Die Buttermamsell, die einen dunkelroten Kopf bekam, wollte erwidern, aber noch ehe sie den Mund öffnen konnte, war Irma wie eine Furie auf sie und ihre Nachbarin zugestürzt und machte Miene, beide zu verhauen. Da sprang Lucy mit ausgebreiteten Armen dazwischen, stellte sich schützend vor ihre Gäste und rief mit Pathos: »Det Jastrecht is heilich, ick dulde hier keene Keilerei. Wenn ihr euch massieren wollt, denn macht det uff de Straße ab!«

Die beiden Mädchen waren ebenfalls aufgestanden und hatten sich der Türe genähert, um schlimmstenfalls den Rückzug anzutreten.

Irma war vor Wut so erschöpft, daß sie sich setzen mußte. Ihre Augen rollten und ihre Brust hob und senkte sich wie ein Blasebalg. Sie schnappte nach Luft, um zu sprechen, aber die Stimme versagte.

Als sie sich endlich etwas erholt hatte, schrie sie mit Aufbietung aller Kraft: »Nu schlag doch eener lang hin, sonne Frechheit! Mein'n Karl woll'n se mir nehm und jleich zwee uff eenmal. Und nach't Krankenhaus woll'n se fahren, um 'n sich jleich zu hol'n. Un det sag'n se mir in't Jesicht! Aber det eene merkt euch, ihr Jesindel, wenn ihr noch eenmal mein'n Mann in'n Mund nehmt oder bloß im Traum an 'n denkt, denn schlage ick eure Koppe zusammen un mach 'n Könijsberjer Klops draus!«

Wieder war sie aufgesprungen und schickte sich an, mit den Mädchen handgreiflich zu werden. Diese aber hatten die Wohnungstür schon erreicht. Auf der Schwelle rief die Trippeljule noch zurück: »Na so wat, haste jesehn, wie verrückt die is! Erst jestern hab ick se mit 'm abjelatschten Kerl uff de Straße jesehn, weil se aus de Jewohnheit nich rauskommen will, und heute tut se so, als ob se verheiratet war. Seit wann issit denn Mode, det unsereens sich an een Kerl hängt! Den kriejt se doch nich wieder, det is ja klar!«

Irma wollte der Sprecherin nach, aber die war schon auf der Treppe. Draußen traf sie noch die Buttermamsell, die sich ebenfalls anschickte, hinunterzugehen. Als sie sich umdrehte und das verhaßte Gesicht der Rivalin sah, blieb sie einen Augenblick stehen, neigte den Kopf etwas nach vornüber und flüsterte leise:

»Den Karl kriejste doch nich mehr, dafür laß mir sorgen, entweder kommt er zu mir oder er jeht in't Zuchthaus!«

Dann lief sie schnell hinunter.


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