Heinrich Smidt
Seeschlachten und Abenteuer berühmter Seehelden
Heinrich Smidt

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Vor Dünkirchen.

Die holländische Flotte ankerte im Juni 1666 auf der Höhe von Dünkirchen. Kaum zwei Meilen abwärts lag die englische Flotte unter dem Oberbefehl Monks. An Bord des Admiralschiffes »die sieben Provinzen« hatten sich Gäste eingefunden. Es waren drei junge Kavaliere, der Graf von Grammont, der Marquis de la Ferté und der Fürst von Monaco, welche sich die Ehre erbeten hatten, unter Herrn de Ruiter einer Seeschlacht beizuwohnen. Mit ihnen war der berühmte Maler Herr Willem van der Velde erschienen, um Stoffe für seine Bilder zu finden, und der Admiral hatte alle diese Herren mit großer Gastlichkeit empfangen.

Am 11. Juni, bald nach Sonnenaufgang, war die Flotte völlig schlagfertig. Der Himmel war durchsichtig blau; einzelne weiße Wölkchen schwammen an ihm auf und ab. Der Wind wehte so, daß beide Flotten sich entgegensegeln konnten. Die Offiziere waren auf ihren Posten, die Kanoniere bei den Kanonen, die Topp- und Deckgasten bei den laufenden Tauen.

Die englische Flotte hatte ihre Segel gehißt und braßte sie halb an den Wind. Die Holländer thaten ein Gleiches, und beide Flotten nahten sich mit überraschender Schnelle.

»Es sind gute Segler dabei,« sagte de Ruiter. »Lassen mir nicht Zeit, meine Kommandeure noch einmal zu sehen. Zeigt einen weißen Wimpel auf dem Vortopp. Sie werden meine Absicht erraten und haben den Feind vor sich.«

Die französischen Herren, die tags zuvor an Bord gekommen waren, begrüßten ihn und baten um seine Befehle. Er aber entgegnete: »Ich kann nicht jedem einzelnen besondere Anweisungen geben. Der Seemann muß mit eigenen Augen sehen. Beim Entern seid Ihr an Eurem Platz. Da gilt es!«

Eine heftige Kanonade, die plötzlich begann, unterbrach den Admiral. Cornelius Evertsons Geschwader war vorangesegelt und mit dem Admiral Sir Thomas Allen zusammengetroffen. Der Kampf wurde mit großer Erbitterung begonnen

»Der treibt es anders, als sein Bruder Jan!« rief de Ruiter. »Der ließ den Feind an sich kommen und schoß ihn dann in Grund und Boden. Aber dieser geht ihm stracks entgegen. Wenn nun der Johannes Meppel . . . Blaue Flagge am Kreuztopp! Wollen sehen, ob er es beachtet.«

»Scheint mir nicht,« entgegnete der Flaggenoffizier.

»So muß eine Botschaft zu ihm an Bord! Eine Schaluppe! Schnell!«

Herr von Grammont, der die Bewegungen der Flotte genau beobachtet hatte, rief lebhaft aus: »Wenn jetzt unser linker Flügel die Engländer umsegelt und Ihr das Zentrum zugleich angreift, so ist das Glück des Tages entschieden.«

»Ihr habt recht!« entgegnete de Ruiter. »Wen sende ich?«

»Mich, Herr Admiral!« rief der Edelmann. »Ich bürge Euch für die glückliche Ausführung!« Und ohne weitere Ordre sprang er in die harrende Schaluppe, die schnell mit ihm davonruderte.

»Braßt voll!« befahl der Admiral und beobachtete ein englisches Admiralschiff, das gerade auf ihn abhielt. »Da ist Lord Ascue! Bringt ihm unsern guten Morgen! Feuer aus der vordern Schanze!«

»Feuer!« wiederholten die Kanoniere. Herr van der Velde, der dort saß und die Gesichter einiger Matrosen in seine Schreibtafel zeichnete, sprang auf. »Das hat man davon, wenn man sich mit solchen Fratzengesichtern einläßt. Nun, Jungens, nehmt Euch tüchtig zusammen, damit ich sehen kann, wie Ihr so einen Engländer entert; dafür sollt Ihr auch alle mit auf die Leinewand kommen.«

Er nickte ihnen zu und stieg dann die Wanten des Fockmastes hinauf, um den Schlachtplan zu überschauen.

»Schwarzer Herr, wohin?« fragte der Vortopp-Kapitän den Maler, der sich gemächlich durch das Soldatenloch drückte.

»Nicht weiter, als ich schon bin!« antwortete dieser. »Ich denke, von hier aus können wir der Schlacht bequem zuschauen. Ihr habt schon Gesellschaft? Guten Morgen, Fürst!«

Der junge Fürst von Monaco grüßte obenhin und spähte sorgsam dem Boote nach, mit welchem sein Schwager abgefahren war.

»Das könnt Ihr hier bequemer sehen!« sagte der Maler und hielt dem Fürsten seine Tafel hin. »Da habt Ihr das Boot und den Grafen dazu. Wird sich seiner Zeit in dem Admiralitätssaal zu Amsterdam leidlich genug ausnehmen. Fürstliche Gnaden, wo bringe ich Euch an?«

Der Fürst deutete mit der Hand auf das englische Admiralschiff »Prince royal«, das eben jetzt den Kampf anbot; dann eilte er auf das Verdeck zurück, während das englische Admiralschiff unter fortgesetztem Feuern wie ein unheildrohendes Gewitter heranschoß.

Der Segelmeister trat zu de Ruiter und meldete, daß die Schaluppe des Herrn von Grammont glücklich den linken Flügel erreicht habe, daß aber das befohlene Manöver nicht ausgeführt werden könne, da der Wind völlig aufgehört habe.

»Das ist nicht unsere Schuld!« entgegnete Herr de Ruiter. »Frisch, Jungens, brennt ihm tüchtig auf den Pelz!«

In diesem Augenblick erschien Admiral George Ascue auf der Galerie seines Schiffes. Als de Ruiter ihn erblickte, grüßte er verbindlich nach dem englischen Schiffe hinüber. Sir George Ascue erwiderte den Gruß mit vieler Förmlichkeit, während die Kanonen donnerten und Eisen auf Eisen von sich schleuderten.

Die Matrosen hielten die Enterhaken bereit, und beide Schiffe näherten sich auf eine bedrohliche Weise. Der Fürst von Monaco stand mit einem Dutzend von seinen Leuten auf der vorderen Schanze und wartete auf den günstigen Augenblick.

Der Maler war oben geblieben und sah dem Schauspiel mit wachsendem Erstaunen zu. »Hätte diesem Italiener nicht so viel Courage zugetraut,« sagte er vor sich hin. »Jetzt wird es bald so weit sein. Nun gilt es, sich festzuhalten, wenn die Schiffe seitlängs rennen.«

Vom Kiel bis zum Mast erbebten die Schiffe, als sie jetzt zusammenstießen und wieder von einander abprallten.

»Holla!« rief der Maler erregt. »Der Fürst wird nicht zum Entern kommen, wenn nicht . . .«

Er riß einem Seesoldaten, der nach einer andern Seite hingaffte, das Gewehr aus der Hand, feuerte, und gleich daraus stürzte von der Fockrahe des englischen Admiralsschiffes ein Matrose zu Deck, der auf den Fürsten angeschlagen hatte. In demselben Augenblicke wagte der Fürst einen kühnen Sprung und erreichte das Verdeck des Engländers. Als seine Genossen folgen wollten, gierten durch eine ungeschickte Bewegung des Steuers beide Schiffe auseinander; der wieder erwachte Wind warf sich in die Segel; der Fürst war gefangen.

»Lebt wohl, Fürst!« rief der Maler tragikomisch. »Wir werden uns wohl sobald nicht wiedersehen. Nimm Dein Gewehr wieder, Bursche, und Ihr, Landsmann, macht Euren Rücken zu meinem Tisch, damit ich das festhalte.«

Die Schlacht brauste weiter. Die Eskadre des Admirals Meppel hatte den Wind wieder eingefangen, aber nun war das Umsegeln der weit ausgedehnten englischen Linie nicht mehr möglich. Cornelius van Tromp focht noch immer mit gleicher Ausdauer, und Evertson kämpfte nun schon zwei Stunden mit dem Geschwader des Sir Thomas Allen.

Kapitän Matthias van Zoom, der Flaggen-Kapitän des Admirals Evertson und dessen Freund von Jugend auf, standen auf dem Halbdeck. Der letztere, der schon am frühen Morgen einen Streifschuß empfangen hatte, trug den Arm in einer Binde und sah den Freund, der ihn vom Halbdeck haben wollte, unwillig an. »Was bekümmern mich Deine Ahnungen? Das ist eitel Aberglaube! Was sollen die Leute von unserm Flüstern denken?«

»Die Engländer haben Dich aufs Korn genommen! Sieh die Brigg, die gerade auf uns abhält.«

»Wir wollen sie umsegeln.«

»Sobald Du herunter bist, eher nicht.«

Der Admiral wurde nun ernstlich böse und rief mit lauter Stimme: »Kapitän Matthias van Zoom, umsegelt sogleich jene Brigg!«

»Wie Ihr befehlt,« entgegnete der Kapitän und ging. In diesem Augenblicke fuhr der Admiral mit der Hand nach dem Herzen und sank in die Arme des zurückeilenden Freundes.

Der Donner der Schlacht verstärkte sich. Der Pulverdampf hüllte die Schiffe so dicht ein, daß jede Fortsetzung des Kampfes unmöglich wurde. Die Geschütze schwiegen. Bald frischte der Wind stärker auf; er riß die Pulverwand, aber auch die Schiffe auseinander. Dann sank die Sonne unter den Horizont. Die ermüdeten Kämpfer schauten gleichgültig drein; sie dachten kaum an den folgenden Morgen.

Dieser brach an, und die Schlacht wurde von Engländern und Holländern auf der ganzen Linie wieder aufgenommen. Allen Schiffen war eine besondere Ordre erteilt worden, um eine Uebereinstimmung des Angriffs zuwege zu bringen. Bald aber wurden die einzelnen Schiffe voneinander getrennt, und jeder Kapitän mußte auf eigene Verantwortlichkeit handeln.

Admiral Cornelius van Tromp zog sein Geschwader, das während der Nacht bedeutend abwärts getrieben war, an sich. Es lag weit außerhalb der Schlachtlinie und bildete einen Halbkreis. Er umsegelte die befreundete Linie der Holländer und hielt gerade auf die englische Flanke ab. Zu seiner Linken segelte der Vice-Admiral Abraham van der Hulst, ein lustiger, fröhlicher Seemann, der seine Offiziere mit lautem Rufe bewillkommnete und die Mannschaft mit einem Trunke kräftigen Genevers zu erfrischen befahl. Darauf nahm er seinen Platz auf dem Halbdeck und betrachtete ein Signal, das von dem großen Topp des Admiralschiffes abwehte, welches eben jetzt vorübersegelte. Cornelius grüßte seinen Waffengefährten und rief ihm zu: »Gemächliche Station das. Wir haben die Engländer wie eine Herde Gänse vor uns hergetrieben.«

»Dafür bleibt der Treiberlohn nicht aus,« entgegnete van der Hulst und deutete auf ein bewaffnetes holländisches Fluitschiff, das mehrere englische Transportschiffe genommen hatte, die es jetzt in Sicherheit brachte.

Die Schlacht ging fort. Das Zentrum, wo de Ruiter befehligte, schien hart bedrängt, worauf denn Cornelius van Tromp seinem Geschwader den Befehl erteilte, zum Entsatz des Ober-Admirals herbeizueilen. Aber dies Geschwader war durch kleine Einzelgefechte zerstreut. Daher segelte der Admiral mit den vorhandenen Schiffen voran und befahl dem Viceadmiral, die anderen zusammenzuziehen und ihm dann zu folgen. Dies erforderte jedoch einige Zeit, da einzelne Schiffe erst in mehreren Streckbugen aufkreuzen mußten. Da es überdies Mittag war, benutzte man diese Zeit, die Leute zu speisen. Mitten durch den Kanonendonner läuteten die Mittagsglocken, und auch die Offiziere gingen unter Deck, um sich zu erfrischen.

Drei Stunden waren verstrichen. Die Engländer hatten den ihnen gebotenen Kampf angenommen. Schiff wechselte mit Schiff, Mannschaft mit Mannschaft. Da trat ein Offizier zu dem Admiral van der Hulst und meldete, daß das Geschwader de Ruiters von dem Admiral der weißen Flagge, George Ascue, hart bedrängt werde und sich von diesem Teil des Kampfplatzes zurückziehe. Der Admiral war voll frohen Mutes und befahl, den englischen Dreidecker anzugreifen, der sich ihnen im Luv näherte. Dieser nahm die Schlacht an. Die Schiffe lagen Bord an Bord; man sprang herüber und hinüber. Ein Kampf begann, Mann an Mann, blutiger, erbitterter, wie er bisher an diesen Schlachttagen geführt worden. Da warf sich in der Wut ein englischer Offizier auf den Admiral und rannte diesem den Degen durch den Leib. Er sank sterbend zusammen.

Erschreckt, keines Wortes mächtig, standen die Männer umher. Der sich erhebende Wind riß die Schiffe auseinander. Die Matrosen lösten kampfesmüde die Taue der Enterhaken.

Einer der Offiziere deckte die Flagge über den gefallenen Admiral. In diesem Augenblick berührte der obere Rand der Sonne den westlichen Horizont, und auf beiden Seiten zogen sich die Streitenden zurück. Sie waren nicht besiegt, aber bis zum Tode ermüdet.

Der neue Tag brach an. Der erste rötliche Schimmer fiel auf den Wasserspiegel und ließ die Umrisse der Flotten erkennen, die sich ziemlich weit voneinander befanden. Eine kleine Galiote unter holländischer Flagge näherte sich dem Admiralschiff und brachte einen Offizier an Bord, der sich angelegentlich nach dem Marquis de la Ferté erkundigte.

Es war der 13. Juni und der erste Pfingstfeiertag. Unter einem Führer, so fromm und gottergeben wie de Ruiter, durfte ein solcher Tag, selbst unter den Kanonen des Feindes, nicht unbemerkt vorübergehen

Feierliches Geläut erscholl auf dem Verdeck des Admiralschiffes. Aus dem Raume, von den Batterien, vom Bugspriet und aus den Marsen kamen die Matrosen und Soldaten herbei, sich um den großen Mast reihend, während die Offiziere einen Halbkreis um ihren Admiral bildeten. Der Prediger erschien darauf, erhob die Hände zum Gebet und sprach zu den wettergebräunten Männern: »Der Kampf für das Vaterland ist auch ein Kampf für den Glauben. Wir können nur mit Erfolg streiten, wenn wir nicht sündigen wider Ihn und an diesem heiligen Tage uns demütigen und unser Herz reinigen. Dazu verhelfe uns der allbarmherzige Gott!« – Der Geistliche fuhr fort aus der Tiefe seines Herzens zu beten. Er rief Heil und Segen auf die Waffen des Vaterlandes herab, flehte um Kraft und Mut, wenn es Gottes Wille sei, daß man unterliege, und bat um ein demütiges Herz für den Sieger.

Da begannen plötzlich auf dem rechten Flügel, wo Cornelius van Tromp stationierte, die Kanonen zu donnern, und das Geschwader Sir George Ascues segelte majestätisch auf das Zentrum der Niederländer ein. Der Geistliche, hingerissen von der Größe des Augenblickes, rief mit mächtiger Stimme:

»Knieet nieder und empfanget den Segen des Herrn, ohne dessen Willen kein Haar von Eurem Haupte fällt. Der Herr segne Euch und behüte Euch. Er hebe sein Angesicht auf Euch und sei Euch gnädig. Er neige sich zu Euch und gebe Euch seinen Frieden. Amen!« – »Amen!« wiederholte de Ruiter, und männiglich sprach es ihm nach.

Und lauter donnerten die Geschütze, näher brauste der Feind heran. Ein Wink des Admirals, und alle standen schlagfertig bei den Geschützen.

Da trat der Marquis de la Ferté an den Admiral heran und sagte. »Mein Vetter Armand von Grammont empfiehlt sich Euch für immer. Er ist gestern auf dem Verdecke eines englischen Schiffes nach einem hartnäckigen Kampfe gefallen. Die Botschaft langte vor einer Stunde hier an.«

»Das thut mir herzlich leid!« entgegnete der Admiral lebhaft. »Herr von Grammont erwarb sich in einem kurzen Augenblicke meine volle Achtung. Ich würdige diesen Verlust, wie er es verdient. Bleibt Ihr an meiner Seite. Die weiße Flagge Sir Georges Ascues weht so stolz von dem Hauptmaste ab; wir wollen versuchen, sie herunterzubringen.

Die »sieben vereinigten Provinzen« segelten kühn auf den »Prince royal« ein. Beide Admirale standen auf der Galerie. Sie begrüßten sich, zogen dann die Schwerter und immer lauter donnerten die Geschütze. Beide Schiffe wurden arg zugerichtet, aber keins ließ von dem andern ab. Die Erbitterung wuchs mit jeder Viertelstunde.

Willem van der Velde saß in der Fockmars und zeichnete. Gleich darauf erblickte er den Fürsten von Monaco an derselben Stelle am Bord des Admiralschiffes. Sie machten sich Zeichen.

Der Vortopp-Kapitän, der nahe bei dem Maler stand, rief plötzlich laut: »Es wird geentert!« und war mit den Seinigen alsbald zu Deck. Die Schiffe stießen so heftig zusammen, daß der Maler fast aus der Mars herabgestürzt wäre. Die Enterhaken fielen von Bord zu Bord. Der junge Fürst von Monaco hatte den Platz in der Mars sofort verlassen, und der Maler folgte seinem Beispiele. Bald hatte der Fürst dieselbe Stelle erreicht, auf der er am vorigen Tage enterte, und suchte auf das holländische Admiralschiff zurückzugelangen; der Maler stand ihm bei. Aber jener erschien nur auf dem holländischen Deck, um sich zu bewaffnen, dann kehrte er, von dem Maler begleitet, auf das englische Schiff zurück.

George Ascue lehnte kampfesmüde gegen den Besanmast. Sein Antlitz war totenbleich, die Lippen preßte er krampfhaft zusammen.

»Ergebt Euch, Herr! sprach de Ruiter. »Macht diesem Blutvergießen ein Ende; jeder Widerstand ist unnütz.«

»Ich will nicht!« rief der englische Admiral, die geballte Hand erhebend.

»Gerne schone ich einen so edlen, tapfern Gegner,« sagte de Ruiter. »Das Glück des Tages entschied gegen Euch.«

»Soll ich mich feige ergeben, so lange die Flagge Großbritanniens über meinem Haupte weht?« fragte Ascue stolz.

In demselben Augenblicke erscholl ein lauter Jubel von dem Besanmaste, wo Willem van der Velde die Admiralsflagge gestrichen hatte. Er kam damit zu Deck, überreichte sie dem Admiral de Ruiter und sagte: »Hiermit bezahle ich den Aufwand für Kost und Obdach. Nehmt vorlieb mit der Gabe des Künstlers.«

George Ascue bedeckte die Augen mit der Hand und sagte: »Ich folge dem Verhängnis. Weiset mir an, wohin ich zu gehen habe.«

Die Engländer wurden entwaffnet und auf verschiedene Schiffe verteilt. Der »Prince royal« ward dagegen mit holländischen Seeleuten besetzt. Beide Admiralschiffe zogen sich aus der Linie zurück, um die erlittenen Havarieen zu klaren.

Noch war die Schlacht nicht entschieden. Vorteil und Nachteil standen auf beiden Seiten gleich. Leicht konnten die Engländer sich ihres schönen Fahrzeuges wieder bemächtigen und dessen Kanonen gegen die Holländer gebrauchen. Darum hielt Herr de Ruiter einen Rat, was mit dem eroberten Linienschiff zu thun sei. Vernichtung! lautete der allgemeine Ausspruch.

»Das ist nur gerecht!« sagte der Hochbootsmann, Herr Abraham Lely, der mit zur Beratung gezogen war.

»Wie meint Ihr das?« fragte de Ruiter.

»Mit Genehm vor Euer Admiralschaft,« entgegnete der Hochbootsmann. »Es ist heute jährig, seit der tapfere Admiral von Wassenaar mit seinem herrlichen Schiffe daran glauben mußte. Nun, Zug um Zug! Haben wir doch die Engländer erst geborgen, und unsere Leute mußten damals den Sprung mitmachen. Darum darf, mit Genehm, dies englische Ungeheuer aus seinen neunzig Mäulern nicht mehr mitblaffen.«

Der Tag war im Scheiden begriffen. Die Holländer hatten das englische Admiralschiff verlassen und sandten zwei Brander gegen dasselbe. Herr de Ruiter aber sagte zu dem Maler: »Ich bin damit beschäftige Euch ein Schauspiel zu bereiten, wie es kein König dem andern geben würde, um nicht in den Ruf eines Verschwenders zu kommen. Ihr sollt ein Bild sehen, gegen welches alle Bilder, die Ihr bisher maltet, kalt und tot erscheinen.«

»Mit welchen Farben denkt Ihr das zu malen?« fragte der Maler rasch.

»Mit Feuer!« entgegnen de Ruiter.

Die Brander krallten sich wie Harpyien an den »Prince royal« an. Aus ihrem unheilbergendem Rumpfe stieg ein tödlicher Dampf empor; einzelne Flammen schlängelten sich um das Takelwerk. Sie wuchsen mit dem Fluge der Sekunden, und ein zischendes, prasselndes Glutmeer wogte auf den Wellen mit steigender Kraft auf und ab.

Der Maler blickte unverwandt auf dieses Schauspiel. Sein Gesicht war bleich, aber seine Augen glühten, und die Arme hielt er ineinander verschränkt. »Wer das malen könnte!« sprach er unbewußt vor sich hin.

Jetzt flog das feindliche Admiralschiff mit einem furchtbaren Knall in die Luft. Das Firmament erbebte, und in der tiefsten Tiefe hallte es wieder. In der unabsehbaren Dampfwolke flogen brennende Trümmer. Endlich verlöschten die letzten Reste des gewaltigen Baues, der noch vor wenigen Stunden der Stolz und die Hoffnung einer ganzen Flotte war. Und als endlich der letzte Stumpf versank, wagte kein Holländer, einen Ruf der Freude laut werden zu lassen. War es doch, als töne ein Schmerzensschrei aus der Tiefe herauf, der in jeder Brust ein Echo fand.

Der neue Morgen stieg aus den Wellen empor; es wehte eine frische Bramsegelkühle. Die nach verschiedenen Seiten hin versprengten Schiffe der beiden Flotten sammelten sich zu den ihrigen. Kein Brite hinderte den Holländer, kein Holländer den Briten; jeder hatte genug mit sich und seinen Havarieen zu thun. Offiziere und Matrosen waren durch die dreitägige Schlacht völlig erschöpft; sie thaten nur maschinenmäßig, was unumgänglich nötig war.

Der Fürst von Monaco lag auf dem Ruhebette in seiner Kajüte, und Herr Willem van der Velde pflegte ihn sorgsam, indem er ihn zugleich durch harmlose Scherze zu erheitern suchte. Herr de Ruiter, der einen Rundgang durch das Schiff gemacht und überall mit der größten Umsicht die erforderlichen Maßregeln getroffen hatte, trat ein und sagte zu dem Fürsten: »Mut, edler Herr! Wir werden eine Gelegenheit finden, Euch zu rächen. Euer Freund, der Marquis de la Ferté, wird es übernehmen, und jeder brave Offizier wird ihm beistehen. Ich hoffe, Ihr seid mit allem Nötigen hinreichend versehen?«

Ein Offizier unterbrach das Gespräch. Der Admiral ging mit demselben hinaus und sagte: »Herr Lieutenant, was Ihr auch immer zu melden habt, ich mag nicht die Zeichen der Furcht an den Personen meiner Umgebung sehen. Wenn die Offiziere mit den Knieen schlottern, was sollen dann die Matrosen thun?«

»Herr Admiral, vergebt!« entgegnete jener. »Es ist eine neue englische Flotte im Ansegeln begriffen. Wenn Ihr Euch auf das Verdeck bemüht, werdet Ihr sehen, daß ich die Wahrheit sagte.«

Der Admiral eilte nach oben.

Hier hatte sich der Schauplatz seit kurzem bedeutend verändert. Die beiden Flottenlinien lagen sich wieder geordnet gegenüber, aber von keiner Seite wurde an einen Angriff gedacht. Jeder hatte mit seinen schweren Havarieen genug zu thun. Allein plötzlich veränderte sich der Schauplatz. Prinz Robert Stuart eilte mit achtzehn wohlausgerüsteten Schiffen und völlig ausgeruhter Mannschaft herbei, um den erschöpften Freunden beizustehen, und wurde mit lautem Jubel empfangen. Dies Ereignis goß neue Lebenskraft in die Adern jedes Briten.

Die Holländer fühlten nur stummes Entsetzen und sahen starren Blickes auf diese unerwartete Erscheinung. Herr de Ruiter blieb in dieser Verwirrung allein ruhig. Indem er seine Befehle mit klaren Worten erteilte, warf er feurige Blicke auf die Flotte der Feinde, und ein stolzer Gedanke umleuchtete seine Stirn.

Ein Signal ward an alle Schiffe abgegeben; jedes sollte einige der Seinen an das Admiralschiff senden; nicht Offiziere allein, sondern Leute von allen Graden, Halbmatrosen und Seesoldaten nicht ausgeschlossen. Dichtgedrängt standen bald die Massen versammelt und blickten auf den Admiral, der noch immer nach der feindlichen Linie hinübersah. Plötzlich trat er mitten unter sie und sagte: »Dort ist der Feind! Er ist voll Kraft und Stärke. Wir sind schwach, denn unser Mut ist bei dem Unerwarteten gebrochen. Darum wollen wir retten, was noch zu retten ist. Ich habe Euch zu mir beordert, um Euch zu sagen, daß wir nur noch in eiliger Flucht allein unser Heil finden können.«

Tiefe Stille herrschte nach diesen Worten. Manche der Umstehenden sahen den Admiral fragend an, und dieser fuhr fort: »Wenn wir heimkommen, werden sie mit Fingern auf uns zeigen. Sie werden uns eine Weibermütze auf den Kopf setzen und Schandlieder auf uns singen. Aber wir können uns doch am Herdfeuer niederlassen und sagen, daß wir drei Tage gefochten haben . . .«

»Aber am vierten wie arme Sünder davongelaufen sind!« rief Willem van der Velde plötzlich dazwischen. »Das paßt nicht in die Bilder, die ich malen soll. Holländische Schiffe auf der Flucht haben auf der Leinwand keinen Platz. Wir wissen wohl, daß unser Admiral uns nur bei der Ehre fassen will, aber das ist gar nicht nötig, denn jeder brave Seemann hat das Herz auf dem rechten Fleck. Wir fechten!«

»Wir fechten!« stimmten die Matrosen, unwillkürlich fortgerissen, ein.

»Ich hätte es gleich wissen sollen,« rief de Ruiter aus, »daß meine braven Jungen ihre Flagge nicht verlassen würden. Keiner! Gebt mir Eure Hand, Cornelius Tromp, und Ihr, Johannes Meppel, die Eurige. Mancher ist uns in diesen ruhmwürdigen Tagen vorangegangen; laßt sie nicht umsonst gefallen sein. Seid Ihr fest entschlossen, jeder von Euch, vornehm und gering, dem Feinde die Stirn zu bieten?«

Ein lautes Ja! ertönte von allen Seiten.

»Dann ist auch der Sieg unser. Alle Mann an Bord ihrer Schiffe und mutig dem Feinde entgegen! Mit der Sonne muß auch die englische Flagge sinken. Braßt an den Wind! Wir wollen uns nicht verteidigen, wir wollen angreifen.«

Kaum waren die Böte nach den verschiedenen Schiffen zurückgekehrt, als die vordersten Fahrzeuge der englischen Flotte bei den Holländern anlangten. Diese zogen sich zurück und dehnten sich nach beiden Seiten aus, um die Engländer ringsum einzuschließen. Es war ein durch die Not gebotenes Manöver. Und kaum war es ausgeführt, als sie auf den stutzig gewordenen Feind ein mörderisches Feuer eröffneten.

Mehrere Stunden währte der Kampf, dann zog sich das Schiff des Prinzen Robert Stuart zurück. Admiral Monk folgte, und Siegesruf erscholl auf dem Verdeck der »sieben vereinigten Provinzen«. Offiziere und Gemeine lagen sich weinend in den Armen. Schon rüsteten sich diejenigen Schiffe, die noch am tüchtigsten waren, zum Verfolgen der fliehenden Feinde, – da graute ein dichter Nebel aus der Tiefe auf, der sich mit jeder Minute verdichtete, und kein Seemann durfte Gott versuchen, indem er in diese Nacht hineinsteuerte.

»Gott will es nicht!« sprach de Ruiter. »Er gab den Sieg, Ihm allein sei die Ehre!«

Er zog den Hut und schaute zum Himmel.

»So male ich ihn!« rief Willem van der Velde, der in den Anblick des Helden versunken dastand.


Willem v. d. Velde d. J.: Die während der viertägigen Seeschlacht 1666 eroberten Schiffe

Willem van de Velde d. J.: Die während der viertägigen Seeschlacht 1666 eroberten Schiffe


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