Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Die Gemäldegalerie im Hause Karls von Obenaus. Es treten auf Karl von Obenaus, Herr Oliver von Obenaus, Moses und Ohnsorg.
Karl von Obenaus: Tretet ein, meine Herren, tretet ein. Da sind sie, die von Obenaus bis hinauf zu Wilhelm dem Eroberer.
Herr Oliver: Eine schöne Sammlung, meiner Ansicht nach.
Karl von Obenaus: Ja, ja! Die Bilder sind im wahren Porträtstil gehalten; ungekünstelt in Haltung und Ausdruck. Nicht wie die Werke Eurer modernen Raffaels, die wohl sprechende Ähnlichkeit haben, sich aber doch bemühen, das Bild vom Original unabhängig zu machen. Nein, nein! Der Wert dieser Bilder liegt in ihrer unbedingten Naturtreue; sie sind ganz so abscheulich steif wie die Originale und sonst nichts in der Welt.
Herr Oliver: Ach! Nie wieder wird es solche Gestalten geben!
Karl von Obenaus: Hoffentlich nicht! Nun, seht Ihr, Herr Premium, was für ein häuslicher Mensch ich bin. Hier sitze ich manchen Abend im Kreise meiner Familie. Doch kommt, Herr Auktionator, setzt Euch an Euer Pult. Hier der alte Krankenstuhl aus Grossvaters Zeit ist gerade recht dazu.
Ohnsorg: Doch ja, der tut's! Aber Karl, ich habe keinen Hammer, und was ist ein Auktionator ohne seinen Hammer.
Karl von Obenaus: Himmel! du hast recht! Was haben wir da für ein Pergament? Oh, der grosse Stammbaum! ( Nimmt ihn herunter.) Hör, Ohnsorg, du sollst mehr haben als ein Stück gewöhnliches Mahagoni. Da hast du den Stammbaum, Schelm! Der soll dein Hammer sein. Und nun magst du meine Ahnen mit ihrem eigenen Stammbaum dem Bieter zuschlagen.
Herr Oliver ( beiseite): Ein entmenschter Schurke! Ein »ex post facto« Vatermörder!
Ohnsorg: Ja, ja, das ist das ganze Verzeichnis deiner Ahnen. Auf Ehre, Karl, du konntest kein passenderes Werkzeug finden, denn es wird uns nicht nur als Hammer dienen, sondern auch als Katalog für den Handel. Kommt, fangen wir an. Los, los!
Karl von Obenaus: Bravo, Ohnsorg! – Dies also ist mein Grossonkel, Herr Richard von Ravelin, seinerzeit ein fabelhaft tüchtiger General, versichere ich Euch. Er machte alle die Kriege unter dem Herzog von Marlborough mit; den Hieb übers Auge bekam er in der Schlacht bei Malplaquet. Was sagt Ihr, Herr Premium? Seht ihn an! Das ist ein Held. Nicht so geschniegelt und geleckt wie Eure heutigen Offiziere, nein, in Perücke und Waffenrock; wie sich's für einen General gehört. Was bietet Ihr?
Herr Oliver ( beiseite zu Moses): Er soll sprechen!
Moses: Herr Premium bittet Euch, einen Preis zu nennen.
Karl von Obenaus: Gut also, Ihr sollt ihn für zehn Pfund haben; das ist doch sicher nicht teuer für einen Stabsoffizier.
Herr Oliver ( beiseite): Gott helfe mir, den berühmten Onkel Richard für zehn Pfund! ( Laut.) Gut, Herr, ich nehm ihn zu dem Preis.
Karl von Obenaus: Ohnsorg, schlag zu! – Dies nun ist eine seiner ledigen Schwestern, meine Grosstante Deborah, von Keller in seiner besten Manier gemalt, weit bekannt wegen der unglaublichen Ähnlichkeit. Da ist sie, wie Ihr seht, als Schäferin, wie sie ihre Herde füttert. Ihr sollt sie für fünfeinhalb Pfund haben – die Schafe allein sind das wert!
Herr Oliver ( beiseite): Ach, arme Deborah! Eine Frau, die so viel auf sich hielt! ( Laut.) Fünfeinhalb Pfund – gehört mir!
Karl von Obenaus: Fort mit der Tante Deborah! Diese beiden nun waren so was wie Cousinen von ihr; seht Ihr, Moses, diese Bilder wurden vor einiger Zeit gemacht, als noch die Gecken Perücken trugen und die Damen ihr eigenes Haar.
Herr Oliver: In der Tat, die Coiffüren scheinen damals etwas schlichter gewesen zu sein.
Karl von Obenaus: Gut, nehmt die beiden fürs halbe Geld.
Karl von Obenaus: Ohnsorg! – Dieser nächste ist ein Grossvater von meiner Mutter, ein gelehrter Richter, wohlbekannt in den westlichen Bezirken – wie hoch schätzt Ihr ihn, Moses?
Moses: Vier Guineen.
Karl von Obenaus: Vier Guineen! Zum Teufel, Ihr bietet mir nicht einmal den Preis für seine Perücke. Herr Premium, Ihr habt mehr Achtung vor dem Tribunal. Gebt mir fünfzehn für Seine Lordschaft.
Herr Oliver: Gerne.
Ohnsorg: Zugeschlagen!
Karl von Obenaus: Und dies sind zwei seiner Brüder, die edlen Herren Wilhelm und Walter Blunt, beide Mitglieder des Parlaments und berühmte Redner; und – was mir ganz ausserordentlich scheint – es ist das erste Mal, dass sie gekauft oder verkauft werden.
Herr Oliver: Ganz erstaunlich, in der Tat! Ich will sie zu Eurem eigenen Preise nehmen, zur Ehre des Parlaments.
Ohnsorg: Gut gesprochen, Gevatter! Um vierzig Pfund schlage ich zu.
Karl von Obenaus: Das hier ist ein netter Bursche – wie wir verwandt sind, weiss ich nicht; doch er war Bürgermeister von Norwich. Nehmt ihn um acht Pfund.
Herr Oliver: Nein, nein! Für die Bürgermeister sind sechs genug.
Karl von Obenaus: Kommt, sagt Guineen, und ich gebe Euch die beiden Ratsherren da in Kauf.
Herr Oliver: Gemacht.
Karl von Obenaus: Ohnsorg, schlag zu: Bürgermeister und Ratsherren! Aber zur Pest, auf diese Weise können wir den ganzen Tag herumspielen. Nehmen wir's in Bausch und Bogen! Was meint Ihr, Premium? Gebt mir dreihundert Pfund für den Rest der Familie im ganzen.
Ohnsorg: Gewiss, ja, es ist am besten so.
Herr Oliver: Gut, ganz wie es Euch beliebt. Abgemacht! Doch da ist ein Porträt, das Ihr immer übergangen habt.
Karl von Obenaus: Was, der hässliche kleine Kerl über dem Sofa?
Herr Oliver: Ja, Herr, den meine ich; obwohl ich nicht finden kann, dass er ein gar so hässlicher kleiner Kerl ist.
Karl von Obenaus: Wer, der? Ach, das ist mein Onkel Oliver. Das Bild ist gemacht, bevor er nach Indien ging.
Ohnsorg: Euer Onkel Oliver? Dann werdet ihr Euch nie mit ihm verstehn. Der scheint mir der hartherzigste Schuft, den ich je gesehen habe. Ein unerbittliches Auge hat er, und seine ganze Haltung sieht verdammt nach Enterbung aus. Ein hartgesottener Schurke, verlasst Euch darauf. Meint Ihr nicht, Premium?
Herr Oliver: Nein, Herr, das meine ich nicht. Mir scheint sein Gesicht so ehrlich, wie nur eines hier, tot oder lebendig. Doch ich denke, Onkel Oliver geht mit den andern mit?
Karl von Obenaus: Zum Henker, nein! Von dem armen Noll will ich mich nicht trennen! Der alte Knabe war sehr gut zu mir, und – bei Gott – ich will sein Bild behalten, solang ich nur einen Raum habe, um es hineinzuhängen.
Herr Oliver ( beiseite): Der Lump ist eben doch mein Neffe. ( Laut.) Aber, Herr, mir gefällt nun gerade dies Bild.
Karl von Obenaus: Das tut mir leid; denn Ihr sollt es ganz sicher nicht haben. Sapperlot, habt Ihr nicht genug mit den anderen?
Herr Oliver ( beiseite): Jetzt verzeih ich ihm alles! ( Laut.) Seht, Herr, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe, dann schau ich nicht aufs Geld. Ich will Euch für das eine so viel geben wie für alle andern zusammen.
Karl von Obenaus: Plagt mich nicht weiter, mein Lieber; ich sag' Euch, ich geb's nicht her, und damit Schluss!
Herr Oliver ( beiseite): Wie der Lausbub doch seinem Vater gleicht. ( Laut.) Nun gut, lassen wir's. ( Beiseite.) Ich hab vorher nicht darauf geachtet, doch mir scheint, als hätte ich nie eine so verblüffende Ähnlichkeit gesehen. ( Laut.) Da ist ein Scheck über die Summe.
Karl von Obenaus: Was, der ist ja über achthundert Pfund!
Herr Oliver: Ihr wollt Herrn Oliver nicht abgeben?
Karl von Obenaus: Donnerwetter, nein, sag' ich Euch noch einmal!
Herr Oliver: Dann lasst die Differenz; wir wollen das ein anderes Mal ausgleichen. Doch gebt mir Eure Hand auf den Handel; Ihr seid ein ehrlicher Bursche, Karl – verzeiht mir die Vertraulichkeit – kommt Moses.
Karl von Obenaus: Bei Gott, das ist ein gelungener alter Knabe! – Doch hört, Premium, Ihr müsst für diese Herrschaften Quartier machen.
Herr Oliver: Gewiss, ich will in ein oder zwei Tagen darum schicken.
Karl von Obenaus: Aber vergesst nicht, ein standesgemässes Ehrengeleite zu besorgen, denn ich versichere Euch, die meisten unter ihnen waren gewöhnt, im eigenen Wagen zu fahren.
Herr Oliver: Gerne, gerne. Für alle die Herren ausser Oliver.
Karl von Obenaus: Gewiss; für alle ausser dem kleinen Nabob.
Herr Oliver: Ist das Euer letztes Wort?
Karl von Obenaus: Unbedingt!
Herr Oliver ( beiseite): Der liebe tolle Kerl! ( Laut.) Guten Tag – kommt, Moses! ( Beiseite.) Jetzt will ich sehn, wer es wagt, ihn noch einmal einen Verworfenen zu nennen. ( Ab mit Moses.)
Ohnsorg: Das ist der fabelhafteste Kerl dieser Art, der mir je untergekommen ist!
Karl von Obenaus: Bei Gott, ja! Ein Fürst unter den Maklern. Ich kann gar nicht begreifen, wie, zum Teufel, Moses mit einem so anständigen Menschen bekannt werden konnte. Oho, da kommt Kügele! Bitte, Ohnsorg, sag unten, dass ich in ein paar Augenblicken zurückkommen will.
Ohnsorg: Ich gehe – doch lass dich von dem alten Esel nicht dazu überreden, von diesem Geld irgend was auf Schuldenzahlen oder solchen Blödsinn zu verwenden; denn die Geschäftsleute, Karl, sind ungeheuer anspruchsvoll.
Karl von Obenaus: Sehr wahr – und sie bezahlen heisst nur, sie aufmuntern.
Ohnsorg: Sonst wirklich nichts.
Karl von Obenaus: Na also, fürcht dich nicht! ( Ohnsorg ab.) So! Das war ein gelungener Alter, wirklich! Lass sehen! Zwei Drittel hiervon, fünfhundertunddreissig gute Pfund, gehören mir mit vollem Recht. Beim Himmel! Die Ahnen sind doch mehr wert als ich bisher immer dachte. Meine Herren und Damen – Ihr sehr ergebener und dankerfüllter Diener! ( Macht den Gemälden eine zeremonielle Verbeugung.)
( Kügele tritt auf.)
Karl von Obenaus: Hoho, der alte Kügele! Ihr kommt, weiss Gott, gerade Recht, um von Euren alten Bekannten Abschied zu nehmen.
Kügele: Ja, ich hab gehört, sie kämen fort. Ich staune nur, dass Ihr bei all Euren Sorgen noch so lustig sein könnt.
Karl von Obenaus: Das ist's gerade! Meine Sorgen sind so zahlreich, dass ich mich nicht entschliessen kann, mich von meiner guten Laune zu trennen; vielleicht werde ich später einmal reich und gallig sein, wer weiss! Doch Ihr scheint überrascht, dass mir der Abschied von so vielen und nahen Verwandten nicht schwerer fällt. Es ist ja sicherlich sehr rührend, doch Ihr seht ja, sie zucken mit keiner Wimper; warum sollte ich's tun?
Kügele: Dass Ihr auch nie ernst sein könnt!
Karl von Obenaus: Ich bin es doch eben! Hier mein lieber Kügele, wechselt mir das sofort ein und bringt gleich hundert Pfund davon dem alten Stanley.
Kügele: Hundert Pfund! Bedenkt doch nur.
Karl von Obenaus: Zum Teufel, nichts weiter davon! Der arme Stanley braucht es dringend, und wenn Ihr nicht schnell macht, dann wird irgendeiner herkommen, der ein besseres Recht darauf hat.
Kügele: Aha, da haben wir's ja! Ich will nie aufhören, Euch mit dem alten Sprichwort in den Ohren zu liegen.
Karl von Obenaus: Sei gerecht, bevor du grossmütig bist – ich wollte schon, wenn ich könnte. Doch die Gerechtigkeit ist eine alte lahme Frau, und ich kann sie ums Leben nicht dazu bringen, mit der Grossmut Schritt zu halten.
Kügele: Doch, Karl, glaubt mir, eine Stunde Überlegung …
Karl von Obenaus: Ja, ja, 's ist alles wahr. Doch höre, Kügele, solang ich etwas habe, will ich geben, beim Himmel! Hol der Teufel deine Sparsamkeit! – Und jetzt auf zum Hasard. ( Ab.)
Anderes Zimmer im selben Haus. Herr Oliver von Obenaus und Moses treten auf.
Moses: Nun, Herr, ich denke mir, Ihr habt nun Herrn Karl in vollem Glanze gesehen, wie Herr Peter sagte. Schade, dass er ein solcher Verschwender ist –
Herr Oliver: Kann sein – doch er wollte mein Bild nicht verkaufen.
Moses: Und den Wein und die Frauen so sehr liebt –
Herr Oliver: Doch er wollte mein Bild nicht verkaufen.
Moses: Und so hoch spielt –
Herr Oliver: Doch er wollte mein Bild nicht verkaufen. – Ah, da kommt Kügele!
( Kügele tritt auf.)
Kügele: Nun, Herr Oliver, ich höre, Ihr habt einen Kauf abgeschlossen.
Herr Oliver: Ja. Der Racker hat seine Voreltern verschleudert wie alte Tapeten.
Kügele: Und hier hat er mich beauftragt, Euch einen Teil des Kaufgeldes wieder zu übermitteln; ich meine natürlich Euch in der armseligen Rolle des alten Stanley.
Moses: Ja, das ist das grösste Unglück; er ist so verdammt mildherzig.
Kügele: Und im Vorhaus traf ich einen Strumpfwirker und zwei Schneider, die sicher nicht bezahlt werden und mit diesen Hundert doch zu befriedigen wären.
Herr Oliver: Schon gut, ich will für seine Schulden und für seine Wohltätigkeit aufkommen; doch nun bin ich kein Makler mehr, und Ihr sollt mich bei dem älteren Bruder als Stanley einführen.
Kügele: Noch nicht gleich; denn ich weiss, dass Herr Peter hier vorsprechen will.
(Taps tritt auf.)
Taps: O meine Herren, verzeiht, dass ich Euch nicht hinausbegleitet habe; hierhin – Moses, auf ein Wort! ( Ab mit Moses.)
Herr Oliver: Eine feine Nummer! Wollt Ihr's glauben, das Früchterl kriegte den Juden fest, als wir kamen, und wollte bei ihm Geld aufnehmen, bevor er ihn zu seinem Herrn führte.
Kügele: Wirklich?
Herr Oliver: Ja, ja! Sie beraten sich jetzt über ein Rentengeschäft. Ach, Meister Kügele, zu meiner Zeit waren die Diener zufrieden, wenn sie die Narrheiten ihrer Herren abgetragen und ein wenig fadenscheinig übernehmen konnten. Doch heute haben sie ihre Laster wie ihre Festkleider ganz wie neu. ( Ab.)
Bibliothek bei Josef von Obenaus. Josef von Obenaus und Diener treten auf.
Josef von Obenaus: Kein Brief von Frau von Fopp?
Diener: Nein, Herr.
Josef von Obenaus ( beiseite): Es wundert mich, dass sie nicht absagt, wenn sie nicht kommen kann. Herr Peter hat sicher keinen Verdacht auf mich, und doch weiss ich nicht, ob ich nicht am Ende die Erbin verlieren werde, weil ich mich mit der Frau zu sehr eingelassen habe. Immerhin – Karls Torheit und schlechter Charakter sprechen sehr zu meinen Gunsten. ( Es klopft draussen.)
Diener: Herr, ich glaube, das muss Frau von Fopp sein.
Josef von Obenaus: Halt! Sieh nach, ob sie's ist oder nicht, bevor du zur Türe gehst. Sollte es mein Bruder sein, dann habe ich einen besonderen Auftrag für dich.
Diener: Es ist die Gnädige, Herr; sie lässt immer die Sänfte vor dem Putzladen in der nächsten Strasse.
Josef von Obenaus: Wart, wart! Stell diesen Schirm vor das Fenster. – Gut so. Mein Gegenüber ist eine alte Jungfer und unerhört neugierig. ( Diener stellt den Schirm. Ab.) Meine Rolle ist nicht leicht. Frau von Fopp hat neulich über meine Absichten zu Maria Verdacht geschöpft; sie darf aber unter keinen Umständen dahinterkommen, wenigstens nicht, bevor ich sie fester in der Hand habe.
( Frau von Fopp tritt auf.)
Frau von Fopp: Was? Jetzt philosophiert Ihr schon für Euch allein? Wart Ihr sehr ungeduldig? Ach Gott, gebt Euch keine Mühe, ernst auszusehen. Ich konnte wirklich nicht früher kommen.
Josef von Obenaus: O Madame, Pünktlichkeit ist eine Art Beständigkeit, die sich für eine Dame von Welt nicht schickt. ( Stellt Stühle zurecht und setzt sich, nachdem Frau von Fopp Platz genommen hat).
Frau von Fopp: Meiner Treu, Ihr solltet mich bedauern! Wisst Ihr, Herr Peter ist so furchtbar schlechter Laune und so eifersüchtig auf Karl – das ist das Beste daran, nicht wahr?
Josef von Obenaus: Es freut mich, dass meine Freunde mit ihrem Klatsch das aufrechterhalten.
Frau von Fopp: Ich wäre so froh, wenn er Marie ihn heiraten liesse, denn dann wäre er vielleicht überzeugt, meint Ihr nicht?
Josef von Obenaus ( beiseite): Bei Gott nicht. ( Laut:) O gewiss, ja. Denn dann wäre meine liebe Frau von Fopp ebenfalls überzeugt, wie grundlos ihr Verdacht war, ich hätte Absichten auf das dumme Ding.
Frau von Fopp: Schon gut, ich will Euch glauben. Aber ist es nicht aufreizend, wenn so viele hässliche Sachen über einen gesprochen werden? Meine Freundin, Frau von Böslich, hat – ich weiss nicht wie viele – skandalöse Geschichten über mich in Umlauf gesetzt – und alle ganz unbegründet, das ärgert mich am meisten.
Josef von Obenaus: Ja gewiss, Madame, das ist das Aufreizende dabei – ganz unbegründet! Das ist das Furchtbare; denn wenn Skandalgeschichten über einen geglaubt werden, dann gibt es keinen besseren Trost als das Bewusstsein, sie verdient zu haben.
Frau von Fopp: Sicher, dann würde ich ihre Bosheit verzeihen. Aber über mich herzufallen, wo ich doch so unschuldig bin und nie über irgend jemand Böses sage – über einen Freund – heisst das. Und dazu noch Herrn Peter, der so mürrisch und misstrauisch ist, wo ich doch meine Herzensreinheit kenne; das ist grässlich!
Josef von Obenaus: Meine liebe Frau von Fopp, es ist Euer eigener Fehler, wenn Ihr es leidet. Wenn ein Ehemann einen grundlosen Verdacht gegen seine Frau nährt und ihr sein Vertrauen entzieht, dann ist die ursprüngliche Gemeinschaft aufgehoben, und die Frau ist es der Ehre ihres Geschlechtes schuldig, ihn zu überlisten.
Frau von Fopp: Wirklich? So dass es also, wenn er mich ohne Grund verdächtigt, folgerichtig der beste Weg wäre, seine Eifersucht zu heilen, wenn ich ihm Grund dazu gäbe?
Josef von Obenaus: Zweifellos, denn Ihr solltet Euren Gatten nie enttäuschen. Und in diesem Falle müsst Ihr einen Fehltritt begehen, um sein Misstrauen zu rechtfertigen.
Frau von Fopp: Was Ihr da sagt, klingt sehr logisch, und wenn das Bewusstsein meiner Unschuld –
Josef von Obenaus: Ach, beste Gnädige, das ist der grosse Fehler. Eben diese bewusste Unschuld bringt Euch so viel Schaden. Was ist es, was Euch Äusserlichkeiten vernachlässigen und die Meinung der Welt verachten lässt? Doch nur das Bewusstsein Eurer Unschuld. Was macht Euch gedankenlos in Eurer Aufführung und bereit, tausend kleine Torheiten zu begehen? Wieder nur das Bewusstsein Eurer eigenen Unschuld. Und was lässt Euch Herrn Peters schlechte Laune so unerträglich und seinen Verdacht so masslos verletzend erscheinen? Abermals das Bewusstsein Eurer eigenen Unschuld.
Frau von Fopp: Das ist richtig.
Josef von Obenaus: Und nun, liebe gnädige Frau, wenn Ihr nur einmal im Spiel einen faux pas tun wolltet, dann könnt Ihr Euch nicht vorstellen, wie vorsichtig Ihr würdet und wie bereit, Euch mit Eurem Ehemanne gut zu vertragen.
Frau von Fopp: Glaubt Ihr?
Josef von Obenaus: Ich weiss es gewiss! Und dann solltet Ihr auch sehen, wie aller Klatsch mit einemmal abbräche, denn – kurz, Euer Ruf scheint mir heute wie ein zu vollblütiger Mensch: er stirbt vor Gesundheit!
Frau von Fopp: So, so! Wenn ich Euch also recht verstehe, dann wollt Ihr, dass ich zu meiner Verteidigung sündigen und meine Tugend verlieren soll, um meinen Ruf zu retten?
Josef von Obenaus: Genau das, Madame, mein Wort darauf!
Frau von Fopp: Nun, das ist wohl die unerhörteste Lehre und das neueste Rezept, um Verleumdungen zu entgehen.
Josef von Obenaus: Es ist unfehlbar, glaubt mir. Die Klugheit will ebensowohl bezahlt sein wie die Erfahrung.
Frau von Fopp: Wollte ich je diese Überzeugung annehmen –
Josef von Obenaus: O gewiss, Madame, das solltet Ihr. Jawohl – da sei Gott vor, dass ich Euch zu etwas überreden wollte, was Euch schlecht schiene. O nein, dazu hab' ich zu viel Ehrgefühl.
Frau von Fopp: Glaubt Ihr nicht, dass wir die Ehre ganz gut aus dem Spiel lassen können?
Josef von Obenaus: Ach, ich sehe, die üblichen Nachwirkungen Eurer ländlichen Erziehung äussern sich immer noch.
Frau von Fopp: Ich glaube auch und will Euch gerne eingestehen, dass – wollte ich mich je zu einer Schlechtigkeit bringen lassen – Herrn Peters schlechte Behandlung das weit eher fertig brächte, als Eure ehrsame Logik.
Josef von Obenaus: Da! – bei dieser Hand, deren er unwert ist. ( Nimmt ihre Hand.)
(Diener tritt auf.)
Hol dich der Teufel, was willst du?
Diener: Verzeiht, Herr, aber ich dachte, Ihr würdet nicht wollen, dass Herr Peter heraufkommt, ohne dass ich ihn angemeldet habe.
Josef von Obenaus: Herr Peter! – Gottes Tod!
Frau von Fopp: Herr Peter! – Himmel, ich bin verloren! Ich bin verloren!
Diener: Ich habe ihn nicht hereingelassen –
Frau von Fopp: Ach, ich bin ganz ausser mir! Was soll aus mir werden? Nun – Herr Logikus. – Oh, gnad mir der Himmel! Er ist auf der Treppe – ich will mich hier verstecken, und wenn ich je wieder so unvorsichtig bin – ( versteckt sich hinter dem Schirm).
Josef von Obenaus: Gib mir das Buch. ( Setzt sich. Diener macht sich an einem Stuhl zu schaffen.)
( Herr Peter von Fopp tritt auf.)
Herr Peter: Ah, immer wissensdurstig – mein lieber Herr von Obenaus. ( Klopft Josef auf die Schulter.)
Josef von Obenaus: Ah, mein lieber Herr Peter, ich bitt' Euch um Verzeihung. ( Gähnt, wirft das Buch weg.) Ich hab' da über einem dummen Buch gebrütet. Ich bin Euch sehr verbunden für Euren Besuch. Ich glaube, Ihr seid nicht hier gewesen, seit ich die Zimmer eingerichtet habe. Ich bin ein Büchernarr, wisst Ihr – meine einzige Narrheit.
Herr Peter: Das ist sehr erfreulich; wirklich nett habt Ihr es hier. Sogar der Schirm scheint mir ein Born des Wissens. Er ist ja ganz mit Landkarten behangen.
Josef von Obenaus: O ja, er tut mir gute Dienste.
Herr Peter: Das kann ich mir denken, wenn Ihr schnell etwas finden wollt. –
Josef von Obenaus ( beiseite): Oder wenn ich schnell was verbergen will.
Herr Peter: Doch ich habe da eine kleine Privatangelegenheit.
Josef von Obenaus ( zum Diener): Er kann gehn.
Diener: Sehr wohl, Herr. ( Ab.)
Josef von Obenaus: Hier ist ein Stuhl, Herr Peter, bitte!
Herr Peter: Da wir nun allein sind, will ich Euch sagen: es gibt eine Sache, über die ich Euch gern mein Herz ausschütten wollte – eine Sache, die mir unendlich nahe geht – kurz, mein lieber Freund, Frau von Fopps Aufführung macht mich in letzter Zeit sehr unglücklich.
Josef von Obenaus: Wirklich? Das tut mir so leid.
Herr Peter: Ja, es ist leider nur zu klar, dass ihr gar nichts an mir liegt. Was aber noch weit schlimmer ist, das ist, dass ich guten Grund habe zu glauben, sie habe sich an einen anderen angeschlossen.
Josef von Obenaus: Wie? Ihr setzt mich in Erstaunen!
Herr Peter: Jawohl! Und ganz unter uns – ich glaube den Menschen zu kennen.
Josef von Obenaus: Spannt mich nicht auf die Folter …
Herr Peter: O mein lieber Freund, ich wusste wohl, Ihr würdet mit mir fühlen.
Josef von Obenaus: Gewiss. Glaubt mir, Herr Peter, eine solche Entdeckung würde mich ebenso hart treffen als Euch.
Herr Peter: Ich bin davon überzeugt. Oh, es ist ein Glück, einen Freund zu haben, dem man selbst seine intimsten Geheimnisse anvertrauen kann. Aber habt Ihr gar keine Ahnung, wen ich meine?
Josef von Obenaus: Nicht die leiseste Vorstellung! Es kann doch wohl nicht Herr Benjamin von Spöttlich sein?
Herr Peter: Ach nein! Was sagt Ihr zu Karl?
Josef von Obenaus: Mein Bruder? Unmöglich!
Herr Peter: O mein lieber Freund, Eure Gutherzigkeit macht Euch blind; Ihr beurteilt andere nach Euch selbst.
Josef von Obenaus: Gewiss, Herr Peter, der Mensch, der sich seiner eigenen Herzensreinheit bewusst ist, entschliesst sich immer schwer, an fremde Schurkerei zu glauben.
Herr Peter: Wohl wahr. Doch Euer Bruder hat kein Gefühl; nie hört Ihr ihn so sprechen.
Josef von Obenaus: Dann muss ich immer noch glauben, dass Frau von Fopp viel zu feste Grundsätze hat.
Herr Peter: Mag sein. Doch was bedeuten die neben den Schmeicheleien eines hübschen, lebensfrischen jungen Burschen?
Josef von Obenaus: Das stimmt allerdings.
Herr Peter: Und dann, wisst Ihr, der Unterschied unseres Alters macht es recht unwahrscheinlich, dass sie eine starke Zuneigung zu mir hätte. Und täte sie einen Fehltritt, und liesse ich darüber etwas laut werden, nun – dann würde die Stadt mich auslachen, den verrückten alten Junggesellen, der ein junges Mädchen geheiratet hat.
Josef von Obenaus: Das ist wahr – man würde lachen.
Herr Peter: Lachen! Ja, und Balladen und Artikel über mich schreiben – und weiss der Teufel was noch.
Josef von Obenaus: Nein, Ihr dürft nie etwas darüber sprechen.
Herr Peter: Doch dann wieder, dass der Neffe meines Freundes Oliver der Mann sein sollte, eine solche Schlechtigkeit zu begehen, das tut mir so weh.
Josef von Obenaus: Ja, das ist's. Wenn eine Undankbarkeit die Wunde vergiftet, die das Unrecht geschlagen hat, dann ist sie doppelt schwer.
Herr Peter: Ich – der ihm wie ein Vormund war, in dessen Haus er so oft aufgenommen wurde, der ihm nie im Leben einen Rat verweigert hat.
Josef von Obenaus: Nein, es ist nicht zu glauben! Möglich ist es ja unbedingt, dass ein Mensch so gemein handeln kann; solange Ihr mir aber keine bestimmten Beweise bringt, werde ich es stets bezweifeln. Wie immer: sollte er überführt werden, dann ist er nicht länger mein Bruder, ich verleugne ihn; denn der Mensch, der die Gesetze der Gastfreundschaft bricht und die Frau seines Freundes verführt, verdient es, gebrandmarkt zu werden.
Herr Peter: Welch ein Unterschied doch zwischen Euch ist! Welch edle Gefühle!
Josef von Obenaus: Und ich kann auch Frau von Fopps Ehre nicht bezweifeln.
Herr Peter: Ich habe keinen anderen Wunsch, als gut von ihr zu denken und allen Streit aus der Welt zu schaffen. Letzthin hat sie mir öfters vorgeworfen, dass ich ihr noch keine Leibrente ausgesetzt habe, und während unseres letzten Zanks hat sie sogar angedeutet, dass es ihr das Herz nicht brechen würde, wenn ich tot wäre. Da nun unsere Ideen über Geldausgeben ganz auseinanderzugehen scheinen, so habe ich beschlossen, sie ihren eigenen Weg gehen und ihr in dieser Richtung vollkommen Freiheit zu lassen. Und wenn ich einmal sterbe, dann soll sie sehen, dass ich zu Lebzeiten ihren Vorteil bedacht habe. Hier, lieber Freund, sind die Entwürfe zweier Verträge, über die ich gerne Eure Meinung hören möchte. In dem einen wird ihr eine lebenslängliche Rente von achthundert Pfund jährlich ausgesetzt, und im anderen ist ihr mein gesamtes Vermögen für den Fall meines Todes verschrieben.
Josef von Obenaus: Herr Peter, Ihr seid die Grossmut selber. ( Beiseite:) Wenn nur mein Schützling dadurch nicht umgestimmt wird.
Herr Peter: Ja, ich bin entschlossen, ihr keinen Grund zur Klage zu geben, nur wünsche ich, dass sie von diesem letzten Beweis meiner Liebe vorläufig nichts erfährt.
Josef von Obenaus ( beiseite): Das wünschte ich auch, wenn es zu machen wäre.
Herr Peter: Und jetzt, mein lieber Freund, wollen wir, wenn es Euch recht ist, über Eure Aussichten bei Maria sprechen.
Josef von Obenaus ( sanft): Ach nein, Herr Peter, ein andermal, wenn Ihr wollt.
Herr Peter: Ich bin aufrichtig bekümmert, dass Ihr bei ihr nur so langsam vorwärtskommt.
Josef von Obenaus ( leise): Ach bitte, sprecht nicht davon! Was bedeuten meine Enttäuschungen, wenn Euer Glück auf dem Spiele steht. ( Beiseite:) Tod und Teufel, ich bin glattweg verloren, wenn das so fortgeht!
Herr Peter: Und wenn Ihr auch nicht wünscht, dass ich Frau von Fopp von Eurer Liebe zu Maria Mitteilung mache, so weiss ich doch, dass sie in dieser Frage ganz auf Eurer Seite steht.
Josef von Obenaus: Bitte, Herr Peter, lassen wir das! Ich bin wirklich zu sehr erschüttert durch das Thema, das wir eben erst besprachen, als dass mir für meine eigenen Angelegenheiten ein Gedanke bliebe. Der Mann, der mit seines Freundes Kummer beladen ist, kann nie –
( Diener tritt auf.)
Was gibt's?
Diener: Euer Bruder, Herr, spricht auf der Strasse mit einem Herrn und sagt, er wisse, Ihr wäret zu Hause.
Josef von Obenaus: Zum Teufel! Ich bin nicht zu Hause, bin für den ganzen Tag fort.
Herr Peter: Halt – da kommt mir ein Gedanke! Ihr sollt zu Hause sein!
Josef von Obenaus: Gut also. Lass ihn ein! ( Diener ab.) ( Beiseite:) Er wird wenigstens Herrn Peter unterbrechen.
Herr Peter: Und nun, mein lieber Freund, tut mir einen Gefallen, verbergt mich hier irgendwo, und wenn Karl kommt, dann horcht ihn über das aus, was wir eben besprochen haben; seine Antworten können mir vielleicht mit einemmal meine Ruhe wiedergeben.
Josef von Obenaus: O pfui, Herr Peter! Ihr wollt Euch in ein so schmutziges Spiel verwickeln? – Meinen Bruder soll ich verkaufen?
Herr Peter: Nun, Ihr seid doch so fest überzeugt, dass er unschuldig ist; wenn dem so ist, dann tut Ihr ihm einen grossen Dienst, indem Ihr ihm die Möglichkeit gebt, sich reinzuwaschen; und mir, wie gesagt, gebt Ihr die Ruhe wieder. Kommt, schlagt mir das nicht ab! Hier hinter diesem Schirm will ich – hoho! Was Teufel! Da scheint mir schon ein Lauscher zu stecken – ich möchte schwören, dass ich einen Weiberrock gesehen habe!
Josef von Obenaus: Ha, ha, ha! Das ist wirklich lustig! Nun, Herr Peter, wenn ich auch alle Intrigen verabscheue, so folgt daraus doch noch nicht, dass ich ganz und gar der keusche Josef sein soll. Hört – es ist eine kleine französische Putzmacherin, ein dummes Ding, das mir nachläuft; und da sie auf ihren Ruf bedacht sein muss, so versteckte sie sich hinter den Schirm, als Ihr kamt.
Herr Peter: O die Schelmin – aber sie hat ja alles gehört, was ich Euch über meine Frau gesagt habe.
Josef von Obenaus: Sie wird nichts davon verlauten lassen, verlasst Euch darauf.
Herr Peter: Nicht? Nun, dann mag sie weiter horchen – da, die Tapetentür genügt mir auch.
Josef von Obenaus: Gut, geht dort hinein.
Herr Peter: Ihr Duckmäuser – Duckmäuser! ( Tritt hinter die Tapetentür.)
Josef von Obenaus: Das war knapp, bei Gott! Und in einer merkwürdigen Situation bin ich da! Mann und Weib so auseinander zu halten!
Frau von Fopp ( lugt hervor): Könnte ich mich nicht fortstehlen?
Josef von Obenaus: Sei still, mein Engel!
Herr Peter ( lugt hervor): Lasst ihn gründlich anlaufen!
Josef von Obenaus: Zurück, mein Bester!
Frau von Fopp ( lugt hervor): Könntet Ihr Herrn Peter nicht einschliessen?
Josef von Obenaus: Schweigt, ich bitte Euch!
Herr Peter ( lugt hervor): Ihr seid gewiss, dass die kleine Putzmacherin nicht plappern wird?
Josef von Obenaus: Hinein, hinein, Herr Peter! – Bei Gott, ich wollte, ich hätte einen Schlüssel zu der Tür.
( Karl tritt auf.)
Karl von Obenaus: Hallo, Bruder! Was war denn los? Dein Bursche wollte mich zuerst nicht einlassen. Hast du einen Juden bei dir gehabt oder ein Mädel?
Josef von Obenaus: Keins von beiden, Bruder, ich versichere es dir!
Karl von Obenaus: Warum hat sich Herr Peter fortgestohlen? Ich dachte, er sei bei dir gewesen?
Josef von Obenaus: Er war auch hier; als er aber hörte, dass du kommst, wollte er nicht bleiben.
Karl von Obenaus: Wie! meinte er vielleicht, ich wollte ihn um Geld bitten?
Josef von Obenaus: Nein. Es tut mir aber leid, dir sagen zu müssen, Karl, dass du in letzter Zeit dem würdigen Mann Anlass zu vieler Sorge warst.
Karl von Obenaus: Ja, ich höre, dass ich das für viele würdige Leute bin. Doch bitte, wieso?
Josef von Obenaus: Um ganz aufrichtig zu sein: er vermutet, dass du dich um Frau von Fopps Gunst bewirbst.
Karl von Obenaus: Wer, ich? O Teufel! Ich nicht, mein Wort darauf! Ha, ha, ha, ha! So ist der alte Knabe also draufgekommen, dass er ein junges Weib hat, was? Oder noch schlimmer: Frau von Fopp hat herausgefunden, dass sie einen alten Mann hat.
Josef von Obenaus: Darüber solltest du nicht scherzen. Wer lachen kann –
Karl von Obenaus: Sehr richtig, was du eben sagen wolltest – aber im Ernst: ich hatte nie die leiseste Ahnung, dass ich in dem Verdacht stände. Auf Ehre nicht!
Josef von Obenaus ( erhebt die Stimme): Das wird Herrn Peter sehr beruhigen.
Karl von Obenaus: Einmal dachte ich wohl, die Dame hätte eine Vorliebe für mich gefasst; doch, meiner Seele, ich habe das nie im geringsten erwidert. Und ausserdem weisst du doch, wie ich an Maria hänge.
Josef von Obenaus: Und, nicht wahr, wenn auch Frau von Fopp noch so starke Gefühle für dich an den Tag gelegt hätte –
Karl von Obenaus: Nun sieh, Josef – ich hoffe nie mit Überlegung eine Schlechtigkeit zu begehen. Stellte sich mir aber ein hübsches Weib ganz offensichtlich in den Weg, und hätte dieses hübsche Weib einen Mann, alt genug, um ihr Vater sein zu können –
Josef von Obenaus: Nun dann?
Karl von Obenaus: Ja, dann, glaube ich, würde ich Eure Moral zu Hilfe nehmen müssen. Weisst du aber, Bruder, dass du mich unendlich überraschst, wenn du mich mit Frau von Fopp in Verbindung bringst? Denn ich dachte doch immer, du seiest ihr Bevorzugter.
Josef von Obenaus: O schäm dich, Karl! Dieser Gegenvorwurf ist nicht am Platze.
Karl von Obenaus: Nein, ich schwöre es! Ich habe Euch so bedeutsame Blicke wechseln gesehn –
Josef von Obenaus: Hör doch, das ist kein Spass mehr –
Karl von Obenaus: Bei Gott, ich bin ganz ernst. Erinnerst du dich nicht eines Tages, als ich zu dir kam –
Josef von Obenaus: Nein, ich bitte dich, Karl!
Karl von Obenaus: Und Euch beisammen fand –
Josef von Obenaus: Nun still! Ich bestehe darauf.
Karl von Obenaus: Und noch einmal, als dein Diener –
Josef von Obenaus: Bruder, Bruder! Ein Wort! ( Beiseite:) Ich muss ihm den Mund stopfen.
Karl von Obenaus: – angab, wollte ich sagen, dass –
Josef von Obenaus: Pst! Verzeih – aber Herr Peter hat alles gehört, was wir gesprochen haben. Ich wusste wohl, du würdest dich reinwaschen, sonst hätte ich's nicht zugegeben.
Karl von Obenaus: Was! Herr Peter? Wo ist er?
Josef von Obenaus: Vorsichtig! Hier – ( zeigt auf die Tapetentür.)
Karl von Obenaus: O beim Himmel! Ich will ihn herauskriegen! Herr Peter, kommt heraus!
Josef von Obenaus: Nein, nein!
Karl von Obenaus: Herr Peter, sage ich, kommt vor Gericht! ( Zieht ihn herein.) Schau, schau! Mein alter Vormund – zum Inquisitor geworden, stellt inkognito Verhöre an. O pfui, o pfui!
Herr Peter: Gebt mir die Hand, Karl, ich habe Euch mit Unrecht verdächtigt, aber seid nicht böse auf Josef, es war meine Idee.
Karl von Obenaus: Wirklich?
Herr Peter: Ich spreche Euch frei. Mein Wort drauf, ich denke lange nicht mehr so schlecht von Euch wie früher. Was ich gehört habe, hat mich sehr befriedigt.
Karl von Obenaus: Bei Gott, dann war's nur gut, dass Ihr nicht mehr gehört habt. Nicht wahr, Josef?
Herr Peter: Aha! Ihr hättet ihm seine Vorwürfe zurückgegeben?
Karl von Obenaus: Ach, das war nur ein Scherz.
Herr Peter: Ja, denn ich kenne Josefs Ehrenhaftigkeit nur zu gut.
Karl von Obenaus: Schliesslich hättet Ihr aber in dieser Sache ihn ebensogut verdächtigen können wie mich. Nicht so, Josef?
Herr Peter: Schon gut, ich glaube Euch.
Josef von Obenaus ( beiseite): Ich wollte, sie wären beide draussen.
Herr Peter: Und in Zukunft wollen wir uns nicht gar so feind sein.
( Diener tritt auf und flüstert Josef etwas zu.)
Diener: Frau von Böslich ist unten und will heraufkommen.
Josef von Obenaus: Meine Herren – verzeiht. Ich muss Euch verlassen. Es ist jemand da, der mich in dringender Sache zu sprechen wünscht.
Karl von Obenaus: Du kannst ihn doch ebensogut in einem anderen Zimmer empfangen. Herr Peter und ich haben uns lange nicht mehr gesehn, und ich hätte ihm etwas zu sagen.
Josef von Obenaus ( beiseite): Sie dürfen nicht beisammen bleiben. ( Laut:) Ich will Frau von Böslich verabschieden und komme sofort zurück. ( Leise zu Herrn Peter:) Herr Peter, kein Wort von der französischen Putzmacherin!
Herr Peter ( leise zu Josef): Ich? Nicht um die Welt! ( Josef ab.) Ach Karl, wenn Ihr Euch mehr an Euren Bruder anschliessen wolltet, dann könnte man noch auf Eure Bekehrung hoffen. Das ist ein Gefühlsmensch! Kann es etwas Edleres geben?
Karl von Obenaus: Mir ist er um die Hälfte zu moralisch! Und so ängstlich besorgt um seinen guten Namen, wie er's nennt, dass er, glaube ich, eher einen Priester ins Haus liesse als ein Mädel.
Herr Peter: Nein, nein! Kommt, Ihr tut ihm unrecht. Nein, Josef ist kein Wüstling, aber auch kein solcher Heiliger in der Beziehung. ( Beiseite:) Ich habe grosse Lust, es ihm zu sagen – wir würden über Josef so lachen!
Karl von Obenaus: Was, zum Teufel! Er ist ein wahrer Anachoret, ein junger Einsiedler.
Herr Peter: Hört – Ihr solltet ihn nicht so schlecht machen, er könnte es wieder hören, sage ich Euch.
Karl von Obenaus: Wer sollte es ihm erzählen?
Herr Peter: Nein – aber vielleicht … ( Beiseite:) Ach was, ich sag' es ihm! ( Laut.) Hört – wollt Ihr einmal herzlich über Josef lachen?
Karl von Obenaus: Gewiss, mit grossem Vergnügen!
Herr Peter: Dann wollen wir es tun! Dann bin ich mit ihm quitt, weil er mich verraten hat. ( Flüstert:) Er hatte ein Mädel bei sich, als ich kam.
Karl von Obenaus: Was! – Josef – Ihr spasst!
Herr Peter: Pst! Eine kleine französische Putzmacherin. Und das Beste dabei – sie ist hier im Zimmer.
Karl von Obenaus: Den Teufel ist sie! –
Herr Peter: Wenn ich's Euch doch sage. ( Deutet auf den Schirm.)
Karl von Obenaus: Hinter dem Schirm? Holen wir sie doch heraus!
Herr Peter: Nein, nein, er kommt! Tut's nicht, wirklich!
Karl von Obenaus: Ach was! Ich will mir die kleine Putzmacherin ansehen!
Herr Peter: Nicht um die Welt! Josef würde mir nie vergeben!
Karl von Obenaus: Ich helfe Euch
Herr Peter: Halt, da kommt er! ( Karl wirft den Schirm um.)
(Josef von Obenaus tritt auf.)
Karl von Obenaus: Frau von Fopp! Das finde ich prächtig!
Herr Peter: Frau von Fopp! Das ist furchtbar!
Karl von Obenaus: Herr Peter, das ist eine der nettesten Putzmacherinnen, die ich je gesehen habe. Ihr scheint da alle Verstecken gespielt zu haben. Wer ist hier eigentlich der Gefoppte? Darf ich Euer Gnaden bitten, mich aufzuklären? – Kein Wort! – Bruder, willst du so freundlich sein, diese Sache zu erklären? Wie? Ist die Moral auch taub? – Herr Peter, wenn ich Euch auch im Dunkeln fand – vielleicht seid Ihr's jetzt nicht mehr? – Alles schweigt! – Gut – wenn ich mir auch keinen Vers auf all das machen kann, so denke ich mir doch, Ihr versteht Euch untereinander vortrefflich und will Euch allein lassen. ( Wendet sich zum Gehen.) Bruder, es tut mir leid, dir sagen zu müssen, dass du dem alten Mann Anlass zu vieler Sorge warst. – Herr Peter, gibt es etwas Schöneres als einen Gefühlsmenschen?
Josef von Obenaus: Herr Peter – trotzdem – ich gestehe – der Schein gegen mich spricht – wenn Ihr mich geduldig anhören wollt – dann zweifle ich nicht – ich werde Euch alles zu Eurer Befriedigung aufklären können.
Herr Peter: Ich bitte darum.
Josef von Obenaus: Die Sache ist die, dass Frau von Fopp meine Absichten auf Euer Mündel Maria kannte – Frau von Fopp, sage ich, litt unter Eurer Eifersucht – und da ihr meine Freundschaft für die Familie bekannt war, kam sie – sage ich, Herr – hierher, um – von mir – etwas über meine Absichten zu erfahren. – Bei Eurem Kommen aber – da ihr doch – wie ich sagte – Eure Eifersucht bekannt war – zog sie sich zurück – und das, verlasst Euch drauf, ist die volle Wahrheit.
Herr Peter: Ein sehr klarer Bericht, meiner Seel'! Und die Dame wird wohl jedes Wort bestätigen, denke ich mir?
Frau von Fopp: Nicht eines davon, Herr Peter!
Herr Peter: Was? Scheint es Euch nicht der Mühe wert, der Lüge beizustimmen?
Frau von Fopp: An alledem, was dieser Herr Euch gesagt hat, ist nicht eine wahre Silbe!
Herr Peter: Das glaube ich Euch gerne, Madame.
Josef von Obenaus ( leise zu Frau von Fopp): Beim Himmel, Madame, wollt Ihr mich verraten?
Frau von Fopp: Mein Herr Heuchler, mit Eurem Verlaub will ich für mich selbst sprechen.
Herr Peter: Ja, lasst sie allein! Ihr sollt sehn, sie wird ohne Zögern eine weit bessere Geschichte zurechtmachen als Ihr.
Frau von Fopp: Hört mich an, Herr Peter! Ich kam durchaus nicht Eures Mündels wegen hierher und wusste nicht einmal von den Absichten dieses Herrn auf sie. Sondern ich kam her, von seinen verfänglichen Reden betört, um seine erheuchelte Leidenschaft anzuhören oder vielleicht sogar Eure Ehre seiner Gemeinheit zu opfern.
Herr Peter: Nun glaube ich wirklich, dass die Wahrheit herauskommt.
Josef von Obenaus: Die Frau ist verrückt!
Frau von Fopp: Nein, Herr, sie ist wieder bei klarem Verstand, und Eure eigene Handlungsweise hat sie dazu gebracht. Herr Peter, ich erwarte nicht, dass Ihr mir glaubt – aber – die Zärtlichkeit, die Ihr für mich zeigtet, als Ihr doch sicher nicht annehmen konntet, dass ich Zeugin wäre – die hat mich so ganz durchdrungen, dass mein künftiges Leben Euch von meiner aufrichtigen Dankbarkeit hätte überzeugen müssen, wäre mir auch die Schmach dieser Entdeckung erspart geblieben. Diesen glattzüngigen Heuchler aber, der ruhig das Weib seines allzu leichtgläubigen Freundes verführt hätte, während er ehrsame Absichten auf sein Mündel zu haben vorgab – den habe ich nun in aller seiner Schlechtigkeit so durchschaut, dass ich es mir nie verzeihen werde, ihn jemals angehört zu haben.
Josef von Obenaus: Trotz alledem, Herr Peter, weiss Gott –
Herr Peter: Dass Ihr ein Schuft seid, und ich überlasse Euch Eurem Gewissen.
Josef von Obenaus: Ihr seid so hitzig, Herr Peter, hört mich an. Der Mann, der sich nicht überzeugen lässt, indem er sich weigert –
(Ab mit Herrn Peter.)