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Ein Zimmer im Hause des Herrn Peter von Fopp. Herr Peter und Frau von Fopp.
Herr Peter: Madame, Madame, ich werde es nicht dulden!
Frau von Fopp: Herr Peter, Herr Peter, Ihr mögt es dulden oder nicht, ganz wie es Euch beliebt. Aber ich sollte in allem meinen eigenen Willen haben, sagtet Ihr, und – was wichtiger ist – ich werde es auch. Denn obgleich ich auf dem Lande aufgewachsen bin, so weiss ich doch, dass in London eine Dame von Welt, sobald sie verheiratet ist, niemand mehr Rechenschaft schuldet.
Herr Peter: Sehr schön, Gnädigste, sehr schön. Der Gatte hätte also keinen Einfluss, keine Autorität?
Frau von Fopp: Autorität! Nein, ganz sicher nicht! – Wenn Ihr Autorität über mich wolltet, hättet Ihr mich adoptieren, aber nicht heiraten sollen; Ihr wart sicherlich alt genug.
Herr Peter: Alt genug! – Da ist's heraus! Schön, schön, Madame, mögen mich auch Eure Launen unglücklich machen, so sollen mich Eure Extravaganzen doch nicht an den Bettelstab bringen.
Frau von Fopp: Meine Extravaganzen! Ich bin sicher nicht extravaganter, als eine Dame von Welt es sein muss.
Herr Peter: Nein, nein, Madame! Ihr sollt nicht mehr Unsummen für solch sinnlosen Luxus vergeuden. Zum Kuckuck! So viel Geld, nur um mitten im Winter Euer Zimmer mit Blumen anzufüllen – in einer Menge, die genügen würde, das Pantheon in ein Gewächshaus zu verwandeln – und zur Weihnachtszeit ein ländliches Fest zu geben!
Frau von Fopp: Und bin denn ich dafür zu tadeln, mein Herr, weil die Blumen bei kaltem Wetter teuer sind? Ihr solltet die Witterung anklagen, nicht mich. Von mir weiss ich, dass ich wünschte, es wäre das ganze Jahr Frühling und es blühten Rosen unter unsern Tritten!
Herr Peter: Potztausend, Ihro Gnaden! Wenn Ihr dazu geboren wäret, würde ich mich nicht wundern, Euch so reden zu hören; doch Ihr vergesst, in welcher Lage Ihr wart, als ich Euch heiratete.
Frau von Fopp: Nein, keineswegs. Es war eine höchst ungemütliche Lage, sonst hätte ich Euch sicherlich nicht genommen.
Herr Peter: Ja, ja, Madame, damals wart Ihr in etwas bescheidenerer Kondition – die Tochter eines einfachen Landedelmannes. Wisst Ihr noch, Frau von Fopp, als ich Euch das erstemal erblickte? Ihr sasset in einem geblümten Leinenkleid am Stickrahmen, den Schlüsselbund an der Seite, das Haar glatt zurückgekämmt, und die Wände Eures Zimmers waren mit Kanevasstickereien von Eurer eigenen Hand geschmückt.
Frau von Fopp: O ja! Ich weiss es noch ganz gut. Welch ein wunderliches Leben! Meine tägliche Beschäftigung war, die Molkerei zu inspizieren, das Geflügel zu überwachen, das Haushaltungsbuch zu führen und Tante Deborahs Schosshündchen zu kämmen.
Herr Peter: Ja, ja, Madame, so war es in der Tat.
Frau von Fopp: Und dann meine Abendunterhaltungen, wisst Ihr! Muster entwerfen für Halskrausen, die ich aus Mangel an Material nicht ausführen konnte; mit dem Kuraten Karten spielen; der Tante aus dem Andachtsbuch vorlesen oder wie angenagelt an dem altersschwachen Spinett sitzen, um meinen Vater nach einer Fuchsjagd in Schlaf zu klimpern.
Herr Peter: Es freut mich, dass Ihr ein so gutes Gedächtnis habt. Ja, Madame, solcherart waren die Belustigungen, denen ich Euch entriss; aber jetzt müsst Ihr Eure Chaise haben und drei Lakaien in Puderperücken hinter Eurem Stuhl, und im Sommer ein Paar weisse Traber, um Euch nach Kensington Gardens zu fahren. Vermutlich habt Ihr es vergessen, dass Ihr zufrieden wart, hinter dem Hausmann aufzusitzen auf einem struppierten Kutschengaul.
Frau von Fopp: Nein – ich schwöre, das hab' ich nie getan; ich leugne den Hausmann und das Kutschenpferd.
Herr Peter: Dies, Madame, war Eure Lage. Und was habe ich für Euch getan? Ich habe aus Euch eine Dame von Welt gemacht, von Rang und Vermögen. Kurz, ich habe Euch zu meiner Gattin gemacht.
Frau von Fopp: Also gut; und wenn Ihr mich Euch völlig verpflichten wolltet, so fehlte nur noch eines, mich …
Herr Peter: Zu meiner Witwe zu machen, vermute ich?
Frau von Fopp: Hem! Hem! …
Herr Peter: Ich danke Euch, Madame – aber triumphiert nicht zu früh; denn wenn auch Euer unmanierliches Betragen meinen Seelenfrieden stören kann – es wird mir nicht das Herz brechen, das verspreche ich Euch! Immerhin: ich bin Euch sehr verbunden für den Wink.
Frau von Fopp: Warum gebt Ihr Euch denn so viel Mühe, mir unangenehm zu werden und mir jede kleine geschmackvolle Ausgabe zu verbieten?
Herr Peter: Potztausend, Madame, hattet Ihr damals, als Ihr meine Frau wurdet, solche kleinen geschmackvollen Ausgaben?
Frau von Fopp: Himmel, Herr Peter! Wollt Ihr etwa, dass ich nicht modisch bin?
Herr Peter: Modisch? Zum Teufel! Was hattet Ihr mit modisch zu tun, ehe Ihr meine Frau wurdet?
Frau von Fopp: Ich dachte, Ihr hörtet es gerne, wenn man von Eurer Gattin sagt, sie sei eine Frau von Geschmack.
Herr Peter: He – schon wieder Geschmack! Sapperment, Madame, Ihr hattet keinen Geschmack, damals als Ihr meine Frau wurdet!
Frau von Fopp: Das ist wahr, sehr wahr, Herr Peter! Und da ich Euch geheiratet habe, sollte ich wohl nie mehr Anspruch auf Geschmack erheben, ich gebe es zu. Doch jetzt, Herr Peter, da wir unsern täglichen Disput beendet haben, gestattet Ihr wohl, dass ich der Einladung zur Frau von Böslich folge?
Herr Peter: Aha, da ist noch so eine nette Sache – was für liebenswürdige Bekanntschaften habt Ihr Euch da zugelegt!
Frau von Fopp: Nun, Herr Peter, es sind alles Leute von Rang und Vermögen und ausserordentlich bedacht auf Ansehen.
Herr Peter: Ja freilich! Bedacht auf Ansehen, doch sehr einseitig. Die meinen alle, sie allein hätten Ruf und Würde. Welch ein Pack! Wahrhaftig, es hat schon manch einer am Pranger gestanden, der weniger Schaden gestiftet hat als diese Verbreiter von Lügengeschichten, diese Skandalpräger und Ehrabschneider.
Frau von Fopp: Wie, wollt Ihr ihnen das Wort verbieten?
Herr Peter: Ach, sie haben Euch schon ganz verdorben und zu der ihrigen gemacht.
Frau von Fopp: Nun, ich glaube, ich spiele meine Rolle mit annehmbarer Grazie. Aber ich schwöre, dass ich den Leuten, die ich bespöttele, durchaus nicht übel gesinnt bin; wenn ich etwas Schlimmes sage, so geschieht es nur aus Übermut, und ich bin überzeugt, man springt in derselben Weise mit mir um. Aber Ihr wisst, Herr Peter, Ihr habt versprochen, ebenfalls zu Frau von Böslich zu kommen.
Herr Peter: Schön, schön. Ich werde vorsprechen, um etwas über meinen eigenen Ruf zu hören.
Frau von Fopp: Da müsst Ihr allerdings nicht allzulange nach mir erscheinen, oder Ihr kommt zu spät. Also lebt wohl. ( Ab.)
Herr Peter: So – ich habe mit meinem beabsichtigten Verweis ja viel gewonnen! Dennoch – mit welch entzückender Miene widerlegt sie jedes meiner Worte, und wie liebenswürdig zeigt sie ihre Verachtung meiner Autorität! Kurz: kann ich sie auch nicht dahin bringen, mich zu lieben, so ist es doch eine grosse Genugtuung, mit ihr zu streiten; und ich meine, nichts steht ihr so gut, als wenn sie alles tut, was in ihrer Macht steht, um mich zu plagen. ( Ab.)
Ein Zimmer in Frau von Böslichs Hause. Frau von Böslich, Frau Heimtuck, Holzapfel, Herr Benjamin von Spöttlich und Josef von Obenaus.
Frau von Böslich: Nein, wir müssen es unbedingt hören.
Herr Benjamin: Ach, hol's der Kuckuck, Onkel! Es ist doch barer Unsinn!
Holzapfel: Nein, nein, bei Gott! Für ein Extempore ausgezeichnet.
Josef von Obenaus: Ja, ja, unbedingt das Epigramm!
Herr Benjamin: Aber, meine Damen, Sie sollten die näheren Umstände kennen. Sie müssen wissen, dass, als in voriger Woche Frau Betty von Wagen eine Ausfahrt in ihrem winzigen Phaethon in den Hydepark unternahm, sie von mir, der ich sie begleitete, ein paar Verse auf ihre Ponys erbat. Ich zog mein Notizbuch und warf im Augenblick hin:
Ach, sah man wohl jemals solch prächtige Ponys?
Andre Pferde sind Knödel, doch die Makkaronis;
So glatt und so glänzend und voll Eleganz,
So schlank ihre Beine, so wallend ihr Schwanz.
Holzapfel: Da, meine Damen! Zwischen zwei Gertenhieben beim Reiten gemacht.
Josef von Obenaus: Ein wahrer Phöbus, beritten – wahrhaftig, Herr Benjamin!
Herr Benjamin: Lieber Himmel, Herr! Kleinigkeit – Kleinigkeit!
Frau Heimtuck: Ich muss eine Abschrift haben.
Frau von Böslich: Frau von Fopp, ich hoffe, wir bekommen Herrn Peter zu sehen?
Frau von Fopp: Ich denke, er wird Euer Gnaden sogleich seine Aufwartung machen.
Frau von Böslich: Maria, meine Liebe, du blickst so traurig. Komm und spiel mit Herrn von Obenaus eine Partie Pikett.
Maria: Ich habe nicht viel Freude am Kartenspiel – doch wie es Euer Gnaden gefällt.
Frau von Fopp ( beiseite): Es wundert mich, dass Herr von Obenaus den Vorschlag ohne weiteres annimmt; ich dachte, er würde mit Freuden die Gelegenheit ergreifen, mit mir zu reden, ehe Herr Peter kommt.
Frau Heimtuck: Nein, ich sterbe vor Lachen! Ihr seid allesamt so boshaft, ich werde Eurer Gesellschaft abschwören.
Frau von Fopp: Was gibt's, Frau Heimtuck?
Frau Heimtuck: Sie wollen es unserer Freundin, dem Fräulein Zinnober, nicht zugestehen, dass sie hübsch ist.
Frau von Böslich: Oh, gewiss, sie ist eine hübsche Person.
Holzapfel: Es freut mich, dies zu hören, Gnädigste.
Frau Heimtuck: Sie hat so reizend frische Farben.
Frau von Fopp: Ja, wenn sie sie frisch aufgelegt hat.
Frau Heimtuck: O pfui! Ich schwöre, ihre Farben sind Natur: man kann beobachten, wie sie kommen und gehn.
Frau von Fopp: Gewiss, Ihr habt recht, Madame: sie gehn des Abends und kommen am Morgen neu.
Herr Benjamin: Sehr wahr, Madame! Und nicht nur dass sie kommen und gehn – was mehr ist, meiner Treu: sie kann ihr Mädchen darum schicken.
Frau Heimtuck: Ha! ha! ha! Was für abscheuliche Reden! Doch das ist sicher: ihre Schwester ist oder war sehr schön.
Holzapfel: Wer? Frau Immergrün? O Gott, sie ist sechsundfünfzig, so sicher wie nur was!
Frau Heimtuck: Das heisst ihr unrecht tun, zweiundfünfzig oder dreiundfünfzig ist das Höchste – und ich finde nicht, dass sie älter aussieht.
Herr Benjamin: Ach, ich finde, nach ihrem Aussehen kann man nicht urteilen, es sei denn, man bekäm einmal ihr Gesicht zu sehen.
Frau von Böslich: Lassen wir's gut sein. Wenn Frau Immergrün ein paar Kniffe anwendet, um die Schäden der Zeit zu verdecken, so müsst Ihr doch zugeben, dass sie es sehr geschickt tut; und das ist doch viel sympathischer als die plumpe Art, in der die Witwe Ocker ihre Falten verkleistert.
Herr Benjamin: Aber nein, Frau von Böslich, Ihr seid zu streng gegen die Witwe. Geht, geht; es ist ja nicht, dass sie so schlecht malt – nur, wenn sie ihr Gesicht fertig hat, fügt sie es so ungeschickt ihrem Halse an, dass sie einer geflickten Statue gleicht, an der der Kenner sofort heraus hat, dass der Kopf modern, der Rumpf aber antik ist!
Holzapfel: Ha! ha! ha! Gut gesagt, Neffe!
Frau Heimtuck: Ha! ha! ha! Ihr macht mich wirklich lachen; aber bei Gott, ich hasse Euch dafür! Was denken Sie über Fräulein Zimperlich?
Herr Benjamin: Nun, sie hat sehr hübsche Zähne.
Frau von Fopp: Ja, und deswegen schliesst sie auch nie den Mund, wenn sie gerade nicht spricht oder lacht, was sehr selten vorkommt, sondern lässt ihn immer halb offen – so. ( Zeigt ihre Zähne.)
Frau Heimtuck: Wie könnt Ihr nur so bösartig sein?
Frau von Fopp: Gott, nein! Ich will sogar gerne zugeben, dass mir das lieber ist als das ewige Bestreben der Frau Wendehals, ihre vorderen Zahnlücken zu verbergen. Sie verzieht ihren Mund, bis er aussieht wie der Schlitz einer Sparbüchse, und die Worte gleiten ihr ganz überzwerch heraus, so etwa: »Wie geht es Euch, Madame? – Jawohl, Madame?«
Frau von Böslich: Schon gut, meine Liebe, ich sehe, Ihr könnt auch streng sein.
Frau von Fopp: Das ist doch nur in Ordnung, wenn man einen Freund verteidigt. Aber da kommt Herr Peter, um unser Vergnügen zu stören.
( Herr Peter von Fopp tritt auf.)
Herr Peter: Meine Damen, Ihr ergebener Diener. ( Beiseite.) Gütiger Himmel, da ist die ganze Brut! Jedes Wort ein bürgerliches Todesurteil, schätze ich.
Frau Heimtuck: Ich bin froh, dass Ihr gekommen seid, Herr Peter. Sie sind alle so tadelsüchtig gewesen – und Frau von Fopp so schlimm als nur einer.
Herr Peter: Ich kann wohl sagen, dass das sehr betrüblich für Euch sein muss, Frau Heimtuck.
Frau Heimtuck: Sie lassen an keinem Menschen ein gutes Haar, nicht einmal an unserer gutmütigen Freundin, Frau Kurz.
Frau von Fopp: Was, die fette Witwe, die da gestern abend bei Frau Polka war?
Frau Heimtuck: Ja, ihre Fülle ist ihr Unglück, und wenn sie sich solche Mühe gibt, sie loszuwerden, solltet Ihr nicht hämisch von ihr reden.
Frau von Böslich: Das ist freilich wahr.
Frau von Fopp: Ja, ich weiss, sie lebt fast nur von Essig und Molken, sie schnürt sich mit Hilfe einer Winde, und oft kann man sie im Sommer in der grössten Mittagshitze auf einem kleinen stämmigen Pony sehen, ihr Haar hinten in einen Zopf geflochten wie bei einem Trommler, und in vollem Trab den Ring herunterschnaufen.
Frau Heimtuck: Ich danke Euch, Frau von Fopp, für Eure Verteidigung.
Herr Peter: Eine schöne Verteidigung das!
Frau Heimtuck: Wahrhaftig, Frau von Fopp ist so tadelsüchtig wie Fräulein Gallich.
Holzapfel: Ja, nur ist es mehr als komisch, wenn die sich bissig nennt; es ist eine heillose Gans, die im Leben keine richtige Spitze zuwege bringt.
Frau Heimtuck: Sie sollten aber doch nicht so streng sein. Fräulein Gallich ist eine angeheiratete nahe Verwandte von mir, und man muss Nachsicht mit ihr haben. Eine Frau, die als Mädchen von sechsunddreissig gelten will, hat mit vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen.
Frau von Böslich: Doch gewiss, sie ist noch immer ganz hübsch, und was ihre schwachen Augen betrifft, so braucht man sich darüber nicht zu wundern, wenn man bedenkt, wieviel sie bei Kerzenlicht zusammenliest.
Frau Heimtuck: Wahr; und ihre Manieren, meine ich, sind eigentlich recht gut, wenn man bedenkt, dass sie keine Erziehung gehabt hat; denn Ihr wisst ja wohl, ihre Mutter war eine Putzmacherin aus Wales, und ihr Vater war ein Zuckerbäcker aus Bristol.
Herr Benjamin: Ach, Sie sind alle beide zu gutmütig.
Herr Peter ( beiseite): Ja, verteufelt gutmütig! Gnad mir Gott, ihre eigene Verwandte.
Frau Heimtuck: Ich für meinen Teil gestehe, dass ich es nicht hören kann, wenn man von meinen Freunden Schlechtes spricht.
Herr Peter: Gewiss nicht!
Herr Benjamin: Oh! Ihr seid moralisch aufgelegt. Frau Heimtuck und ich können wohl eine Stunde sitzen und Frau von Putz empfindsam reden hören.
Frau von Fopp: Oh, ich behaupte, Frau von Putz hat Ähnlichkeit mit dem Konfekt; denn sie ist gerade wie ein Knallbonbon: nichts als Farbe und Verschen.
Frau Heimtuck: Nein, ich beteilige mich nicht daran, eine Freundin zu verlachen; das sagte ich auch immer meiner Cousine Eule, und Sie wissen alle, wie anmassend sie über Schönheit zu urteilen liebt.
Holzapfel: Ha! Sie selber hat das kurioseste Gesicht, das man sich vorstellen kann: eine ganze Auslese dessen, was die Erde an Gesichtszügen bietet.
Herr Benjamin: So hat sie – – eine irische Stirnbildung –
Frau Heimtuck: Kaledonische Locken –
Herr Benjamin: Holländische Nase –
Frau Heimtuck: Oesterreichischen Mund –
Herr Benjamin: Den Teint der Spanierin –
Frau Heimtuck: Und Zähne à la Chinoise –
Herr Benjamin: Kurz, ihr Gesicht erinnert an eine Table d'hôte in Spaa – wo keine zwei Gäste von derselben Nationalität sind.
Frau Heimtuck: Oder an eine Kongresssitzung am Ende eines Weltkrieges, weil doch alle Parteien, selbst die Augen, verschiedene Ziele zu verfolgen scheinen, während Nase und Kinn die einzigen sind, bei denen eine Einigung zu erwarten ist.
Frau Heimtuck: Ha! ha! ha!
Herr Peter ( beiseite): Gott sei uns gnädig! Das über eine Frau, mit der sie zweimal wöchentlich zu speisen pflegen!
Frau von Böslich: Geht, geht – Ihr seid ein Haufe giftiger Kröten.
Frau Heimtuck: Ja, doch ich gelobe, Ihr sollt die Lacher nicht so auf Eurer Seite behalten – denn erlaubt mir zu sagen, dass Frau Eule –
Herr Peter: Madame, Madame, ich bitte um Verzeihung – den Herren da ist der Mund nicht zu stopfen. Doch wenn ich Euch sage, Frau Heimtuck, dass die Dame, die da verhöhnt wird, meine besondere Freundin ist, so hoffe ich, dass Ihr nicht ihre Partei ergreifen werdet.
Frau von Böslich: Ha! ha! ha! Gut gesagt, Herr Peter! Doch Ihr seid ein schlimmer Mensch – zu phlegmatisch, selbst einen Spass zu machen, und zu grämlich, um den Witz bei anderen zu dulden.
Herr Peter: Oh, Madame, wahrer Witz ist der Gutmütigkeit näher verwandt, als Euer Gnaden anzunehmen scheinen.
Frau von Fopp: Sehr richtig, Herr Peter: ich glaube, sie sind so nahe verwandt, dass sie nie zusammenkommen können.
Herr Benjamin: Nehmt lieber an, Madame, sie seien Mann und Frau, weil man sie selten zusammen sieht.
Frau von Fopp: Aber Herr Peter ist solch ein Feind vom Klatsch – ich glaube, er liesse ihn am liebsten durchs Parlament niederschlagen.
Herr Peter: Beim Himmel, Madame, wollte man diesem Verleumdungssport die gleiche Wichtigkeit beimessen wie der Güterzertrümmerung und eine Verordnung zur Wahrung der Reputation erlassen – ich glaube, viele würden dafür dankbar sein.
Frau von Böslich: O Gott, Herr Peter! Wollt Ihr uns unserer Privilegien berauben?
Herr Peter: Ja, Madame; und dann würde es keinem erlaubt sein, die Ehre abzuschneiden und den guten Ruf anzutasten, als ausgemachten alten Jungfern und unzufriedenen Witwen.
Frau von Böslich: Geht, Ihr Ungeheuer!
Frau Heimtuck: Aber gewiss würdet Ihr nicht so streng mit denen verfahren, die nur wiedererzählen, was sie hören?
Herr Peter: Doch, Madame, auch für sie würde ich ein Handelsgesetz verlangen; und im Falle betrügerischer Begebung – wenn der Aussteller der Lüge nicht herauszufinden ist – dann soll den Beleidigten ein Regressrecht gegen alle Giranten zustehen.
Holzapfel: Nun, was mich anlangt, so bin ich überzeugt, dass jede Skandalgeschichte ihre tatsächliche Begründung hat.
Frau von Böslich: Kommen Sie, meine Damen, setzen wir uns hier nebenan zu den Karten.
( Diener tritt auf und flüstert mit Herrn Peter.)
Herr Peter: Ich komme sofort. ( Diener ab. Peter beiseite): Ich werde mich davonstehlen.
Frau von Böslich: Herr Peter, Ihr beabsichtigt doch nicht, uns zu verlassen?
Herr Peter: Euer Gnaden müssen mich entschuldigen; ich werde in wichtiger Sache abgerufen. Aber ich lasse Euch meinen guten Ruf da. ( Ab.)
Herr Benjamin: Nun, wisst Ihr, Frau von Fopp, er ist ein sonderbarer Mensch, Euer Herr und Gebieter. Ich könnte Euch Geschichten von ihm erzählen, über die Ihr herzlich lachen würdet, wenn es nicht gerade Euer Gatte wäre.
Frau von Fopp: O bitte, das braucht Ihr nicht weiter zu beachten, lasst hören!
( Alle ab bis auf Josef von Obenaus und Maria.)
Josef von Obenaus: Ihr fühlt Euch nicht wohl in dieser Gesellschaft, Maria?
Maria: Wie sollte ich auch die Schwächen oder das Unglück von Leuten belächeln, die uns nichts getan haben – wenn das Witz und Humor sein soll, dann danke ich dem Himmel dafür, dass sie mir fehlen.
Josef von Obenaus: Es hört sich aber schlimmer an, als es gemeint ist; die Leute sind nicht herzlos.
Maria: Dann ist Ihr Benehmen um so verächtlicher; denn ich meine, die einzige Entschuldigung für so unmässigen Klatsch sei eine angeborene und unheilbare Verbitterung.
Josef von Obenaus: Zweifellos, Madame; und ich habe immer die Empfindung gehabt, dass es nichtswürdiger ist, eine boshafte Wahrheit leichtfertig zu verbreiten, als aus Rache eine Lüge zu erfinden. Aber könnt Ihr, Maria, so für andere fühlen und allein zu mir unliebenswürdig sein? Soll meine zärtliche Hoffnung enttäuscht werden?
Maria: Warum quält Ihr mich von neuem mit dieser Sache?
Josef von Obenaus: Ach, Maria. Ihr würdet mich nicht so behandeln und Euch dem Willen Eures Vormundes, Herrn Peter, widersetzen, wenn nicht Karl, dieser Halunke, mein bevorzugter Rivale wäre.
Maria: Euer Drängen ist nicht sehr edelmütig! Aber wie auch meine Gefühle für den unglücklichen jungen Mann sein mögen, so kann es mich doch nicht bestimmen, ihn aufzugeben, weil sein Elend ihm selbst die Achtung des Bruders genommen hat.
Josef von Obenaus: Nein, nein, Maria! Kein zorniges Stirnrunzeln! Bei meiner Ehre, ich schwöre ( Kniet nieder. Frau von Fopp tritt unbemerkt ein. Josef beiseite): Grosser Gott! Da kommt Frau von Fopp. ( Laut zu Maria.) Ihr dürft nicht – nein, Ihr sollt nicht – denn wenn ich auch die grösste Verehrung für Frau von Fopp habe –
Maria: Frau von Fopp!
Josef von Obenaus: Dennoch, wenn Herr Peter Verdacht schöpfte –
Frau von Fopp ( kommt nach vorne): Was soll das nur? Nehmt Ihr sie für mich? – Kind, man wünscht dich nebenan. ( Maria ab.) Was heisst all dies, bitte?
Josef von Obenaus: Ach, ein ganz unglücklicher Zufall, wirklich! Maria hat irgendeinen Verdacht, wie innig ich um Euer Glück besorgt bin, und drohte, Herrn Peter davon Mitteilung zu machen; da versuchte ich eben, sie davon abzubringen, als Ihr hereinkamt.
Frau von Fopp: Wirklich! Ihr schienet aber eine recht zärtliche Art gewählt zu haben – pflegt Ihr immer kniend zu diskutieren?
Josef von Obenaus: Oh, sie ist ein Kind, und ich glaubte, ein bisschen Bombast – doch, Gnädigste, wann werdet Ihr, wie versprochen, meine Bibliothek ansehen?
Frau von Fopp: Nein, nein, ich glaube, es wäre unvorsichtig! Und Ihr wisst, ich dulde Euch als Liebhaber nur, soweit die Mode es vorschreibt.
Josef von Obenaus: Richtig – ein ganz platonischer Cicisbeo, den jede Frau sich halten darf.
Frau von Fopp: Gewiss, man darf sich der Mode nicht entziehen. Immerhin habe ich mir doch noch so viel von meinen ländlichen Vorurteilen bewahrt, dass ich mich doch durch Herrn Peters schlechte Laune, mag sie mir noch so ärgerlich sein, nie hinreissen lassen würde zu –
Josef von Obenaus: Der einzigen Rache, die in Eurer Macht steht. Nun, Eure Mässigung erscheint mir löblich.
Frau von Fopp: Ach geht, Ihr seid ein freches Subjekt! Aber man wird uns vermissen. Kehren wir zu den anderen zurück.
Josef von Obenaus: Wir gingen aber besser nicht zusammen.
Frau von Fopp: Nun gut, doch wartet nicht, denn Maria wird nicht wiederkommen, Eure Beteuerungen weiter anzuhören; das verspreche ich Euch. ( Ab.)
Josef von Obenaus: Ein merkwürdiges Dilemma, bei Gott, in das ich durch meine Listen geraten bin! Zunächst wünschte ich mir Frau von Fopp zu verpflichten, damit sie mir bei Maria nicht feind sei, und nun bin ich, ich weiss nicht wie, ihr erklärter Liebhaber. Aufrichtig! Ich beginne zu wünschen, ich hätte mir nicht so viel Mühe gegeben, mich in den Ruf eines so ausgezeichneten Charakters zu bringen, denn ich habe mich dadurch in ein so verwünschtes Doppelspiel verrannt, dass ich fürchte, schliesslich noch erwischt zu werden. ( Ab.)
Ein Zimmer im Hause des Herrn von Fopp. Herr Oliver von Obenaus und Kügele treten auf.
Herr Oliver: Ha! ha! ha! Mein alter Freund ist also verheiratet, he? – Ein junges Weib vom Land? Ha! ha! ha! Dass er so lange den eingefleischten Junggesellen gespielt hat, um doch noch zum Ehemann herabzusinken!
Kügele: Ihr dürft ihn aber deswegen nicht verspotten, Herr Oliver; es ist ein heikler Punkt, versichere ich Euch, obzwar er erst sieben Monate verheiratet ist.
Herr Oliver: Dann hat er gerade ein halbes Jahr zum Bereuen Zeit gehabt! – Armer Peter! Doch Ihr sagt, er habe Karl ganz fallen lassen? – Sieht ihn gar nicht mehr, was?
Kügele: Sein Vorurteil gegen ihn ist ganz verwunderlich. Ich bin übrigens ganz sicher, dass es durch eine Eifersucht wegen Frau von Fopp wesentlich verschärft wird; in diese Eifersucht wurde Herr Peter systematisch hineingehetzt von einer Klatschgesellschaft in der Nachbarschaft – derselben übrigens, die nicht wenig zu Karls schlechtem Ruf beigetragen hat. Während doch der wahre Sachverhalt so liegt, dass sein Bruder der Bevorzugte ist, wenn die Dame sich überhaupt einem der beiden zuneigt.
Herr Oliver: Ja, ja, ich weiss, es gibt da so eine Sippe von verschlagenen, listigen Klatschbasen beiderlei Geschlechts, denen die Ehrabschneiderei ein Zeitvertreib ist; die würden Euch einen jungen Burschen um seinen guten Namen bringen, bevor er noch bei Jahren ist, um dessen Wert zu begreifen. Aber ich will mich nicht von solchen Leuten gegen meinen Neffen einnehmen lassen, das verspreche ich Euch. Nein, nein: wenn Karl keine Schlechtigkeiten oder Gemeinheiten begangen hat, dann will ich ihm seine bösen Streiche gern verzeihen.
Kügele: Wenn's so ist, dann werdet Ihr ihn, meiner Seel', rasch bekehrt haben. Ach, Herr, es gibt mir neuen Mut, dass Euer Herz für ihn nicht verschlossen ist und dass der Sohn meines guten alten Herrn doch noch einen Freund hat.
Herr Oliver: Wie sollte ich's vergessen, Meister Kügele, dass ich auch einmal jung war! Bei Gott, weder mein Bruder noch ich waren sonderlich massvolle Knaben. Und doch, denke ich mir, habt Ihr nicht viel so gute Männer gesehn, wie Euer alter Herr einer war.
Kügele: Herr, eben diese Überlegung lässt mich glauben, dass Karl noch ein Stolz für seine Familie werden kann. Doch hier kommt Herr Peter.
Herr Oliver: Bei Gott ja! – Gnad' mir der Himmel, der ist stark verändert und sieht ganz verheiratet und gesetzt aus! Man kann ihm den Ehemann auf diese Entfernung vom Gesicht ablesen!
( Herr Peter von Fopp tritt ein.)
Herr Peter: Ach, Oliver – alter Freund! Tausendmal willkommen in England!
Herr Oliver: Dank' Euch, dank' Euch, Herr Peter! Und Ihr könnt mir glauben, dass es mich freut, Euch wohlauf zu finden.
Herr Peter: Oh, es ist lange her, seit wir uns sahen – fünfzehn Jahre wohl, Herr Oliver, und in der Zeit hat's manchen bösen Zwischenfall gegeben.
Herr Oliver: Ja, ich hab' auch mein Teil davon gehabt. Aber wie? Ich finde Euch verheiratet, he, alter Knabe? Nun gut, zu helfen ist da nichts, und da wünsche ich Euch denn von Herzen Glück!
Herr Peter: Dank' Euch, dank' Euch, Herr Oliver. – Ja, ich bin also in den – glückseligen Stand eingetreten. Aber davon wollen wir jetzt nicht sprechen.
Herr Oliver: Ganz recht, Herr Peter; alte Freunde sollen nicht gleich beim ersten Wiedersehen mit Sorgen beginnen. Nein, nein.
Kügele ( halblaut zu Herrn Oliver): Ach bitte, Herr, gebt acht.
Herr Oliver: Ja richtig – einer meiner Neffen ist ein wüster Lump, was?
Herr Peter: Wüst! Ach, alter Freund, ich bin betrübt über die Enttäuschung, die Euch hier erwartet; der junge Mann ist einfach verloren! Sein Bruder allerdings wird Euch darüber weghelfen; denn Josef ist in der Tat das Muster eines Jünglings. Alle Welt spricht gut von ihm.
Herr Oliver: Tut mir leid, das zu hören; er hat einen gar zu guten Ruf, um ein anständiger Kerl sein zu können. Alle Welt spricht gut von ihm! Pschah! Dann hat er sich vor Sklavenseelen und Narren ebenso tief gebeugt als vor der ehrlichen Würde von Geist und Tugend.
Herr Peter: Wie, Herr Oliver? Ihr tadelt ihn, weil er sich keine Feinde machte?
Herr Oliver: Jawohl, wenn er Verdienst genug hat, um welche haben zu können.
Herr Peter: Was, was – Ihr werdet überzeugt sein, wenn Ihr ihn erst kennt. Es ist eine Erbauung, ihn reden zu hören. Er bekennt sich zu den edelsten Gefühlen.
Herr Oliver: Ach, hol der Teufel seine Gefühle! Wenn er mich mit so einem moralischen Sprüchlein begrüsst, wird's mir einfach schlecht. Doch für alle Fälle, Herr Peter, missversteht mich nicht! Ich will nicht Karls Irrungen verteidigen; aber bevor ich mir ein Urteil über die beiden bilde, will ich erst ihre Herzen prüfen; und wir haben uns mit Freund Kügele schon einen Plan dafür ausgedacht.
Kügele: Und Herr Peter soll es zugeben, wenn er im Irrtum war.
Herr Peter: Oh, ich setze mein Leben für Josefs Ehrenhaftigkeit!
Herr Oliver: Nun gut, kommt! Gebt uns eine Flasche guten Wein, wir wollen den Jungen leben lassen und Euch dabei unsern Plan erzählen.
Herr Peter: Allons denn!
Herr Oliver: Und, Herr Peter, seid nicht so streng gegen Eures alten Freundes Sohn. Hole mich der und jener! Mich kränkt es nicht so, dass er ein wenig aus der Bahn geraten ist. Ich für mein Teil hasse es, wenn sich die Lebensweisheit an die grünen Triebe der Jugend hängt. Das wirkt wie Efeu an einem Schössling; es hindert das Wachstum des Baumes. ( Ab.)