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Miß Carew, die den anormalen Verhältnissen bräutlichen Courmachens abhold war, vermied jede Verzögerung ihrer Heirat. Cashels Glück versagte ihm angesichts dieses Ereignisses auch fürderhin nicht seine Gunst. Bingley Byron segnete drei Wochen nach der Trauung – einer privaten und zivilen – das Zeitliche; Cashel mußte seine Ansprüche auf den Besitz geltend machen– im Widerspruch mit seinen eigensten Wünschen, die die Advokaten sich selbst samt dem Besitztum zum Teufel scheren und ihn seinen Honigmond in Ruhe genießen lassen sollten. Die Übertragung nahm geraume Zeit in Anspruch. Dank dem kapriziösen Zögern, mit dem seine Mutter die nötigen Auskünfte erst nach und nach ohne Rückhalt zu erteilen sich bequemte, und angesichts der üblichen Verzögerung gesetzlicher Erbschaftsangelegenheiten, erblickte sein erstes Kind bereits das Licht der Welt, ehe seine Ansprüche völlig begründet und nachgewiesen waren, und die Tore des baufälligen Landhauses in Dorsetshire sich zu seinem Empfange auftaten. Der Abschluß dieses Besitzwechsels erwies sich für Cashels Anwalt als eine große Erleichterung, insofern er sich vergeblich bemüht hatte, die Überzeugung seines Klienten ins Wanken zu bringen, demzufolge die ganze Sache klar wie die liebe Sonne und der Unparteiische geschmiert gewesen wäre. Letzteres sollte soviel heißen, daß der Lordkanzler ihm infolge von Bestechung sein Eigentum habe vorenthalten wollen.
Seine Ehe war glücklich. Um den Mangel seiner bisherigen Beschäftigung wettzumachen, befleißigte er sich der Landwirtschaft und setzte hierbei sechstausend Pfund zu; dann verlegte er sich mit günstigerem Erfolg auf den Gartenbau, begann sich als Direktor von Aktiengesellschaften in der Londoner City auf kommerzielle Unternehmungen einzulassen und wurde bald darauf aufgefordert, einen Dorsetshirer Wahlkreis im Interesse der Konservativen im Parlament zu vertreten. Er wurde mit großer Majorität gewählt; da er aber ebenso oft mit den extremen Radikalen votierte, als mit der Partei, die ihn gewählt hatte, so wurde ihm schleunigst nahegelegt, auf seinen Sitz zu verzichten. Dies Ansinnen wies er rundweg zurück und blieb bei der Stange bis zu den nächsten Neuwahlen, bei denen er als unabhängiger Kandidat den Sieg davon trug – und zwar auf Grund seiner lauten Stimme, seines freundlichen Wesens, der Gemeingültigkeit seiner eigenen Ansichten und der umfangreichen, aus der Hand seiner Gattin stammenden Informationen, die er antiquarisch en detail abzugeben pflegte.
Seine Jungfernrede im hohen Hause hielt er furchtlos gleich am ersten Abend, an dem er dort auf seinem Sitz saß. In der Tat fürchtete er auch nichts auf der Welt außer Einbrechern, großen Hunden, Ärzten, Zahntechnikern und Straßenkreuzungen. So oft irgendein mit diesen Rubriken im Zusammenhang stehender Unglücksfall in der Zeitung verzeichnet war, las er ihn Lydia mit tiefem Ernste vor und bewahrte das Blatt volle zwei Tage lang als ein Beweisdokument für seine Lieblingsbehauptung, daß ein Mensch nur im Boxerring seines Lebens sicher sei.
Da er fast allem Sport im Freien auf Grund der damit verbundenen Grausamkeit abhold war, befürchtete seine Gattin, er könne infolge mangelnder, systematischer, körperlicher Bewegung an Gesundheit und Anmut Schaden leiden, und schlug ihm vor, die Übungen mit Handschuhen wieder aufzunehmen. Er schüttelte abwehrend das Haupt. Boxen war ihm etwas zu Ernstes, als daß es zur Unterhaltung oder bloßen Körperbewegung dienen durfte. Zudem hegte er das Vorurteil, daß es sich für einen verheirateten Mann nicht gezieme. Solange es sein Geschäft bedeutete, war er mit Leib und Seele darin aufgegangen; zum Vergnügen aber wollte er sich damit nicht befassen. Seiner Laufbahn als Pugilist war durch seine Ehe ein abschließendes Ende gesetzt worden.
Die Bewunderung, die er für seine Frau empfand, überlebte die Glut seiner ersten Liebe zu ihr; und ihre gewohnheitsmäßige Vorsorge bewahrte sie davor, sein blindes Vertrauen auf ihr Urteil zu enttäuschen. Ihre Kinder erbten ihre Intelligenz zusammen mit der Robustheit des Vaters und dessen Abneigung gegen Studieren. Sie waren frühreif und dreist, hatten gar keinen Respekt vor Cashel und legten das bißchen, das sie der Mutter zollten, in erster Linie dadurch an den Tag, daß sie zu ihr rannten, sobald sie nicht allein fertig werden konnten. An Strafen und Schelte sammelten die Kinder nur geringe Erfahrungen. Cashel war einer überlegten Ausübung einer Vergeltung einem Kinde gegenüber nicht fähig; in plötzlichen Zornesaufwallungen vermochte er seine Hand stets im Zaume zu halten – vielleicht, weil er es im Ring gelernt hatte; vielleicht, weil er sich seiner eigenen Kindheit erinnerte.
Lydia beaufsichtigte ihre Kinder, soweit diese der Beaufsichtigung zugänglich waren, genau so viel wie sie alle Menschen beaufsichtigte. Wenn sie der Kleinen Cashel gegenüber unter vier Augen Erwähnung tat, so sagte er selten mehr, als daß die Bälge ihm zu gerissen wären, oder daß er gehenkt sein wollte, wenn sie nicht älter zur Welt gekommen seien, als ihr eigener Vater. Lydia war oft derselben Meinung; doch brachte die Sorge um diese an Mühe und Lärm reiche Familie für sie auch ihr Gutes mit sich. Sie beließ ihr wenig Gelegenheit, über sich selbst nachzudenken – zu einer Zeit, wo die Illusion ihrer Liebe langsam von dannen flog, und sie Cashel sah, wie er wirklich war.
Bald gelangte sie dazu, ihn auch als eins ihrer Kinder zu betrachten. Er war bei weitem das törichtste von allen; aber er brauchte sie mehr, liebte sie mehr und war mehr ihr Eigentum als eines der anderen.
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Als Alice Goff von Lydias bevorstehender Heirat gehört hatte, erkannte sie die Notwendigkeit, nach Wiltstocken zurückzukehren und ihre kurze gesellschaftliche Glanzperiode tunlichst schnell zu vergessen. Sie dankte Miß Carew daher für ihre große Güte und bat ihre Stellung als Gesellschafterin aufgeben zu dürfen. Lydia gab ihre Zustimmung, brachte es aber fertig, dies den Anforderungen der Pflicht und Notwendigkeit gezollte Opfer bis zu einem Tage des Winteranfangs hinauszuschieben, an dem Lucian, der mit Selbstmordgedanken umging, sich von seiner Cousine überreden ließ, Alicen seine Hand anzutragen.
Diese wies den Antrag empört zurück: nicht daß sie irgend welchen Grund zur Klage über ihn gehabt hätte; aber sie empfand die Aussicht auf die Rückkehr in die Wiltstockener wie eine Mißhandlung und konnte daher nicht umhin, ihr Schmerzgefühl an der ersten Persönlichkeit auszulassen, die sich ihr unter irgend welchem Vorwand als Angriffsobjekt darbot. Er, der bisher lauwarm gewesen war, wurde nunmehr glühend; sie aber trieb, nachdem sie monatelang nach Herzenslust auf ihm herumgetrampelt hatte, ziemlich unbewußt in eine Verlobung und wurde ihm alsbald von Lydia angetraut, die auch diese Angelegenheit mit der ihr eigenen Entschlossenheit in die Hand nahm.
Alice stand Lucians Hausstand vor, empfing seine Gäste und dominierte in seinem erlesenen Kreise – alles mit glänzendem Erfolg. Sie entpuppte sich als eine Art häuslicher Raufboldin; doch geriet ihre Herrschaft über Gatten und Heim niemals ins Wanken. Lucian fand eine unerwartete Kraft und Tiefe in ihrer Natur; und sein hingehendes Pantoffelheldentum erhielt nur dann und wann durch die zornigen Müdigkeiten einen Dämpfer, kraft deren sie ihm zu fühlen gab, daß das Übermaß seiner Befriedigung zu dem Ausfall des ihren in gleichmäßiger Wechselbeziehung stand. Ihren Schwager und dessen Frau lud sie zu Johannis, Weihnachten und Ostern zum Essen; niemals aber gestand sie Wallace Parker oder Cashel Byron das Prädikat ›Gentleman‹ zu, wenngleich sie diesen letzteren sehr häufig zu sich entbot; was allerdings nicht ausschloß, daß er nach dem Diner allen möglichen Fremden ohne Rücksicht auf deren Berufe oder Vorurteile von seinen früheren Heldentaten erzählte.
Ihren Respekt vor Lydia behielt sie in derartig unveränderter Form bei, daß sie nie über Cashel Klage zu führen wagte – ausgenommen in einem Falle, wo er bei einem erlesenen Diner in ihrem Hause einem Konsistorialrat, dessen Haus vor kurzem nach einem Einbruch ausgeplündert worden war, handgreiflich nachwies, wie man einem Einbrecher durch einen besonderen Griff die Wirbelsäule umbiegen könnte.
Die Skenes kehrten nach Australien zurück und wandelten – wie Mrs. Byron solches in England tat – auf denselben Wegen weiter, die sie Jahre hindurch vorher durchschritten hatten. Cashel sprach von Mrs. Skene stets als von seiner ›Mutter‹, von Mrs. Byron als von seiner ›Mama‹.
William Paradise, an dem das schöne Geschlecht wegen seiner Kraft, seines Mutes und Ruhmes wohl Gefallen fand, war dennoch nicht so klug oder glücklich, sich mit einer guten Frau zu verbinden, wie es bei Cashel und Skene sich ereignet hatte. Er trank so übermäßig viel, daß er, nachdem er dem Arme des Gesetzes entronnen war, nur wenige Zeitspannen der Nüchternheit durchlebte. Nach Cashels Ausscheiden aus dem Ring maßte er sich den Titel eines Champions von England an und forderte die ganze Welt heraus. Die Welt leistete diesem Ruf in der Person einiger junger Arbeitsleute verschiedenen Genres Folge, die den Durst nach Ruhm und die Neigung fürs Boxen in sich fühlten. Paradise boxte zweimal und ging als Sieger hervor. Dann trank er während des Trainings und wurde geschlagen. Mittlerweile war der Ring auch wieder in den Verruf geraten, aus dem Cashel ihn mit seiner ungewöhnlichen Vereinigung pugilistischen Genies und allgemeiner Ehrenhaftigkeit für kurze Zeit emporgehoben hatte. Und das Gesetz, das sich Paradises bemächtigte, als er besiegt vom Platze getragen wurde, machte seine ehemalige Nachsicht wieder gut, indem es ihn auf sechs Monate einsperrte. Die ihm solchermaßen aufgezwungene Abstinenz gab ihn der Gesundheit und Kraft zurück; er errang einen neuen Sieg, ehe es ihm gelang, sich an der Hand des Trunkes wiederum in seinen früheren Zustand zu versetzen. Damit hatte er seinen Zenit überschritten. Dank seiner angeborenen, nunmehr mit Trunksucht kombinierten Rauhbeinigkeit ging es rapide mit ihm abwärts, bis er in den Tiefen der Erniedrigung untertauchte.
Da er sich mit seiner Bereitwilligkeit, die Siege, die er nicht mehr erkämpfen konnte, zu verkaufen, bald einen entsprechenden Ruf erwarb, so erschien er nur noch im Ring, um für die Fähigkeiten unerprobter Jünglinge Zeugnis abzulegen, die ihn mit der ganzen Inbrunst ihrer Jahre verprügelten. Er wurde in einer Schenke als eine Art Hausknecht angestellt, aber bald infolge seiner Trunkenboldigkeit seines Amtes wieder entsetzt. So wäre er fast zum Bettler herabgesunken, hätte er nicht in seinem Elend davon gehört, daß sein früherer Gegner damit beschäftigt sei, eine parlamentarische Wahl anzufechten. Unverzüglich wandte er sich also um ein Almosen an ihn. Cashel weilte damals in Dorsetshire; und so half Lydia denn dem herabgekommenen Rowdy, dessen Zustand jetzt weit schlimmer war als bei ihrem beiderseitigen letzten Zusammentreffen. Bei seiner nächsten Bettelei, die in rascher Folge eintrat, wurde er von Cashel in Empfang genommen, der ihm fürchterlich die Wahrheit sagte, ihm jeden Knochen im Leibe zu zerbrechen drohte, falls er sich jemals wieder vor Lydia blicken ließe, ihm fünf Schilling vor die Füße warf und ihm alsdann die Türe wies.
Cashel nährte für Paradise jenen verachtenden, unbarmherzigen Haß, den der qualifizierte Fachmann dem Pfuscher entgegenbringt. Der arme Teufel, der gegen die Beschimpfung und Gewalttätigkeit solcher Leute bereits abgehärtet war, die ihn früher wegen seines Könnens gefürchtet hatten, der arme Teufel erachtete die Scheltworte für natürlich und die hingeworfene Gabe für großmütig. Er sammelte das Geld auf und watschelte von dannen, um sich für ein paar Pence etwas Eßbares zu kaufen und den Rest in Branntwein zu vertun.
Kurze Zeit darauf berichteten die Zeitungen von seinem Tode und erklärten diesen mit Schwindsucht als Folge der furchtbaren Verletzungen, die er bei seinem berühmten Zweikampf mit Cashel Byron erlitten habe.