William Shakespeare
Verlorene Liebesmüh
William Shakespeare

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Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Im Park. (Biron tritt auf, ein Papier in der Hand.)

Biron. Der König jagt das Wild, ich hetze mich selbst; sie sind erpicht auf ihre Netze, ich bin umnetzt von Pech; Pech, welches besudelt; besudelt! ein garstiges Wort! – Nun, setze dich, Gram! denn so, sagt man, sprach der Narr; und so sag' ich, ich, der Narr. Wohl bewiesen mein Witz! – Beim Himmel, diese Liebe ist so toll, wie Ajax, sie tötet Schafe: sie tötet mich, mich, das Schaf. Abermals wohl bewiesen meinerseits! – Ich will nicht lieben, wenn ich's thue, hängt mich auf; auf Ehre, ich will's nicht. Ach, aber ihr Auge! Beim Sonnenlicht, wär's nicht um ihres Auges willen, ich würde sie nicht lieben; ja, um ihrer beiden Augen willen; wahrhaftig, ich thue nichts in der Welt, als lügen, und in meinen Hals hineinlügen. Beim Himmel, ich liebe, und das lehrt mich reimen und schwermütig sein, und hier ist ein Stück von meinem Gereim und von meiner Schwermut. Nun, eins von meinen Sonetten hat sie schon: der Tölpel bracht' es, der Narr sandt' es, und das Fräulein hat es; süßer Tölpel, süßerer Narr, süßestes Fräulein! Bei Gott, ich wollte alles drum geben, wenn die drei andern auch so weit wären. Hier kommt einer mit einem Papier, gebe der Himmel, daß er
seufzen möge! (Er klettert auf einen Baum.)

König. Weh mir!

Biron (oben). Angeschossen, beim Himmel! Nur zu, liebster Cupido; du hast ihm mit deinen Vogelbolzen eins unter die linke Brust abgegeben. Wahrhaftig, Geschriebenes?

König (liest).
    So lieblich küßt die goldne Sonne nicht
    Die Morgenperlen, die an Rosen hangen,
    Als deiner Augen frisches Strahlenlicht
    Den Tau der Nacht vertilgt auf meinen Wangen.

    Der Silbermond nur halb so glänzend flimmert
    Durch der kristallnen Fluten tiefe Reine,
    Als dein Gesicht durch meine Thränen schimmert:
    Du strahlst in jeder Thräne, die ich weine.

    Dich trägt als Siegeswagen jede Zähre,
    Aus meinem Schmerz fährt deine Herrlichkeit;
    So schau, wie ich die Thränenschar vermehre,

    Es wächst dein Ruhm, je herber wird mein Leid.
    Doch liebe dich nicht selbst; die Thränen scheinen
    Dir Spiegel sonst, und ewig müßt' ich weinen.

O aller Jungfraun Haupt, du hochgekröntes,
Kein Geist erdenkt dein Lob, kein Mund ertönt es!
Wie wird mein Leid dir kund? Hier lieg du Blatt:
Birg Thorheit, freundlich Laub! Wer tritt hervor?
        (Der König tritt auf die Seite. Longaville kommt mit einem Papier.)
Was, Longaville und lesend? horch, mein Ohr!

Biron (oben). In gleicher Herrlichkeit der dritte Thor! –

Longaville. Weh mir, ich brach den Schwur! –

Biron (oben).                                                         Er trägt den Zettel
Wie einer, der für Meineid steht am Pranger! –

König (beiseite). Verliebt? Genossenschaft wird Scham versüßen!

Biron (oben). Ein Trunkenbold wird gern den andern grüßen.

Longaville. Ich bin wohl nicht meineidig so allein.

Biron (oben). Ich könnte leicht dich trösten, ich weiß sogar von zwei'n!
Wir woll'n als Kleeblatt uns, als Triumvirn associiren,
Die Redlichkeit am Tyburn des Amor stranguliren.

Longaville. Wenn Rührung nur dem starren Vers nicht fehlte!
O, süßes Kind, Maria, Auserwählte! –
Die Reime da zerreiß' ich, schreib' in Prose.

Biron (oben). Reime sind Schleifen an Cupidos Hofe;
Verdirb ihm nicht das Kleid!

Longaville.                                   Ja, ja, so geht's. (Liest das Sonett)

    Nur die Rhetorik deiner Himmelsblicke
    (Die Welt kann ihr nicht bündig widersprechen)
    Verführte mich zu dieses Meineids Tücke;
    Nicht sträflich ist's, um dich den Schwur zu brechen.

    Dem Weib entsagt' ich: doch ist sonnenklar,
    Da Göttin du, niemals entsagt' ich dir;
    Himmlisch bist du, mein Eid nur irdisch war,
    Geheiligt dir, heilt jede Sünd' in mir.

    Ein Schwur ist Hauch, und Hauch ist Dunst; o schein'
    Auf meine Erde, Sonne, du mein Licht,
    Zieh auf das Dunstgelübd', dann ist es dein.

    Gebrochen dann, that ich die Sünde nicht.
    Ja, bräch' ich's auch, kein Thor wird sich besinnen,
    Um Wortsverlust den Himmel zu gewinnen.

Biron (oben). O, brünst'ge Liebesglut! Das nenn' ich Ketzerei!
Ein unreif Gänschen verehren, als ob's 'ne Göttin sei!
Gott helf' uns, ach, Gott helfe! Verirrten wir uns so weit? –

Longaville. Durch wen nur send' ich es? Halt! Gesellschaft? ich trete beiseit.

(Er tritt auf die Seite.)(Dumain kommt.)

Biron (oben). Versteckt in allen Ecken, ein Spiel aus Kinderzeit!
Ich throne wie ein Halbgott, verhüllt in meiner Wolke,
Zu strenger Aufsicht diesem höchst argen Sündervolke.
Noch neue Säcke zur Mühle? O, mehr als Hoffen verhieß!
Dumain ist auch verwandelt, vier Schnepfen an einem Spieß.

Dumain. O Käthchen, göttlich Käthchen!

Biron (oben). O Tropf, profaner Tropf!

Dumain. Beim Himmel! Als ein ätherisch Bild den Blick vergnügst du!

Biron (oben). Bei der Erde, sie ist höchst körperlich, dies lügst du.

Dumain. Ihr Ambrahaar beschämt den Ambra selber.

Biron (oben). Merkwürdig genug! Ein Rab', ein ambragelber! –

Dumain. Wie Zedern schlank.

Biron (oben).                               Ist guter Hoffnung nicht
Ihr Schulterblatt?

Dumain.                     Glanzvoll, wie Tageslicht?–

Biron (oben). O ja, nur muß die Sonne just nicht scheinen.

Dumain. O, hätt' ich meinen Wunsch!

Longaville (beiseite).                               Und ich den meinen!

König (beiseite). Und ich den meinen auch, du edler Lord!

Biron (oben). Amen, und meinen ich, das war ein trefflich Wort.

Dumain. Wo find' ich Ruh'? sie glüht als Fieber täglich
Im Blut mir; sie vergessen wird unmöglich.

Biron (oben). In deinem Blut? Dann mußt du Ader lassen,
Und, schöner Unsinn! fängst sie auf in Tassen.

Dumain. Noch einmal les' ich durch, was ich geschrieben.

Biron (oben). Noch einen seh' ich hier, verdummt durch lieben.

Dumain (liest)
    Einst, – o wehe, muß ich klagen!
    In des Maies Liebestagen
    Spähte Lieb' ein Röslein duftig,
    Wie's am Stengel schwankte luftig;
    Durch den Sammt der Blätter wehn
    Schmeichelwinde ungesehn:
    Der Geliebt', in Todespein,
    Wünscht des Himmels Hauch zu sein.
    Luft, spricht er, küßt deine Wangen,
    Könnt' ich den Triumph erlangen! –
    Schwur, ach! hält die Hand zurücke,
    Daß sie nicht vom Dorn dich pflücke;
    Ach, so schwört die Jugend nicht,
    Die so gerne Blüten bricht.
    Nenn' es Sünde nicht, daß ich
    Jene Eide brach für dich.
    Dir ja hätte Zeus geschworen,
    Juno gleiche schwarzen Mohren;
    Sterblich stieg er selbst zur Erden,
    Um in Liebe dein zu werden.

Dies send' ich, will noch klarer ihr in Bildern
Der treuen Liebe Sehnsuchtsqualen schildern.
O, daß der Fürst, Biron und Longaville
Auch liebten! Spielt hier jeder böses Spiel,
Wird meiner Stirn der Makel fortgeschafft,
Denn keiner fehlt, sind alle gleich vergafft.

Longaville (hervortretend). Dumain, fern ist dein Lieben aller Gnade!
Genossen willst du auf verliebtem Pfade? –
O, sieh nur blaß; ich weiß, ich würd' erröten,
Fänd' ich mich so ertappt im Uebertreten.

König (hervortretend). Ja, werde rot, dein Fall ist grad so schwer!
Du schiltst auf ihn und sündigst zweimal mehr;
Du liebst wohl nicht Marien? Longaville
Schrieb niemals ein Sonett im hohen Stil? –
Thät niemals aus der Brust die Arme falten,
Um nieder nur sein klopfend Herz zu halten?
Hier im Gebüsch, das schirmend mich versteckt,
Sah ich euch beid', und war für beid' erschreckt.
Die freveln Reime last ihr recht beweglich.
Die Seufzer dampften auf, ihr stöhntet kläglich;
Der rief zum Zeus, der ließ ein Ach! erschallen,
Der nannt' ihr Haar Gold, der ihr Aug Kristallen,
Der wollt' um Meineid sich den Himmel kaufen,
Der ließ den Zeus der Juno selbst entlaufen.
Wie spottet wohl Biron, wenn er erfuhr,
Gebrochen sei, was man so eifrig schwur;
Wie wird er euch verlachen, jubiliren,
Und Witze sprühn und höhnisch triumphiren!
Um alle Schätze, die ich je gesehn,
Ich möcht' ihm so nicht gegenüber stehn.

Biron (sich vom Baum herablassend).
Jetzt, Heuchelei, jetzt ist's um dich geschehn:
Verzeih', o mein erlauchter Souverän!
Mit welchem Anstand schiltst du diese Kälber,
Sag, gutes Herz, wer liebt mehr als du selber?
Dein Aug' ist nie ein Wagen? Wenn es weint,
Gibt's keine Fürstin, die drin widerscheint?
Du brichst um keinen Preis den Eid, ich wette,
Und nur ein Bänkelsänger schreibt Sonette.
Schämt ihr euch nicht? Ihr schämt euch ohne Frage,
Ihr alle drei, daß dies so kam zu Tage.
Du fandst an ihm, der Fürst an dir den Splitter;
Ich euren Balken, ihr drei Liebesritter.
O Himmel, welch ausbünd'ge Narrenscene,
Von Seufzen, Gram, von Aechzen, von Gestöhne!
Wie ernsthaft blieb ich, als vor meinem Blicke
Ein hoher Fürst sich umgeformt zur Mücke!
Als Herkules, der Held, den Kreisel drehte,
Und Salomo ein Gassenliedchen krähte,
Nestor mit Kindern Seifenblasen machte,
Und Lästrer Timon über Possen lachte!
Wo schmerzt es dich, Freund Longaville, gesteh es?
Wo, Dumain, fließt die Quelle deines Wehes?
Wo Eurer Hoheit? Allen wohnt's im Herzen! –
He, bringt ein Licht! –

König.                                 Zu bitter wird dein Scherzen;
Sind wir durch deine Klugheit so verraten?

Biron. Nicht ihr durch mich, ich bin durch euch verraten;
Ich, stets so brav; ich, der's wie Sünde scheut,
Zu brechen den von mir gelobten Eid,
Ich bin verraten, weil ich mich verband,
Menschen, so menschlich, so voll Unbestand.
Wann sah man mich ein Lied in Reime zwingen?
Um Lenen stöhnen? Wann den Tag verbringen
Mit putzen? Wann vernahmt ihr, daß ich sang
Gedicht' auf Hand, auf Wang', auf Aug' und Gang,
Figur, Natur, auf Stirn, auf Fuß und Zeh',
Auf Lust und Brust?

(Jacquenette und Schädel treten auf; als Biron sie kommen sieht, läuft er ihnen entgegen.)

König.                             Wohin entläufst du? steh!
Trabst du als Ehrlich oder Dieb so eilig?

Biron. Der Lieb' entflieh'nd, nicht bei Verliebten weil' ich.

Jacquenette. Gott grüß den König!

König.                                                 Bringst du was für mich? –

Schädel. Was von Verrat, Herr!

König.                                           Wie entspann er sich? –

Schädel. Gesponnen ward er nicht.

König.                                                 Nun, wenn auch nicht gestrickt,
So seid Verrat und du nach Hause jetzt geschickt.

Jacquenette. Seid doch so gut, Herr König, lest, was sich begeben hat,
Dem Pfarrer schien's bedenklich; er sagt, es sei ein Verrat.

König. Nimm, Biron, lies ihn vor. Wer hat ihn dir gegeben?

Jacquenette. Das war der Schädel da.

König.                                                       Wer hat ihn dir gegeben?

Schädel. Tonn' Adramotte war's, Tonn' Adramodio.

König. Wie nun, was ficht dich an? Warum den Brief zerstören?

Biron. 's ist kein Verrat, mein König: ein Tand, das kann ich beschwören.

Longaville. Er bracht' ihn ganz in Zorn und deshalb woll'n wir ihn hören.

Dumain. 's ist Birons Hand, wahrhaftig, und hier sein Name dazu.

Biron (zu Schädel). O Tölpel, verdammter Tropf! mußt du mich beschämen? du?
Strafbar, mein König, strafbar; ich klage selbst mich an.

König. Wie das?

Biron. Euch fehlt ein vierter Narr, vollständig ist nun das Gespann.
Den, diesen, und euch, mein Fürst, und mich traf gleiches Verderben;
Wir alle sind Gauner der Lieb', und verdienen des Todes zu sterben.
Entlaßt die edle Versammlung, und mehr noch meld' ich euch hier.

Dumain. Was ungleich, ward jetzt eben.

Biron.                                                           Ja wohl, wir sind nun vier.
Entfliehen die Tauben nicht bald?

König.                                                     Was zaudert ihr noch? geht fort! –

Schädel. Wir beiden Gerechten gehn, die Verräter bleiben am Ort.

(Schädel und Jacquenette ab.)

Biron. Nun, Freunde, liebende, seid mir umarmt! –
Wir sind so treu, als Fleisch und Blut nur reicht;
See ebbt und flutet, Winterluft erwarmt,
Jung Blut zerbricht die alte Satzung leicht.
Nicht zu umgehn ist, was uns selbst geboren,
Drum ward der Eid im Schwur schon falsch geschworen.

König. Sprach Liebe jenes Blatt? Ich wette drauf!

Biron. Du fragst? Wer schaut zu Rosalinen auf,
Der gleich dem wilden Sohn des Inderstrands,
Wenn sich der Ost erschließt zu Pracht und Lust,
Nicht beugt das Haupt, anbetend seinen Glanz,
Und küßt den Staub mit unterthän'ger Brust? –
Welch überkühnes Adlerauge wendet
Zur Sonne sich, von keiner Wolk' umhüllt,
Und wird von ihrer Hoheit nicht geblendet? –

König. Welch Eifern? Welche Wut hat dich erfüllt?
Ein Mond, herrscht meine Dam' in sanftem Licht,
Weil sie als Dienstgestirn kaum sichtbar funkelt.

Biron. Dann ist mein Sehn kein Sehn, ich Biron nicht;
Wär' nicht mein Liebchen, Tag wär' nachtumdunkelt.
Die Quintessenz der Farbenschönheit strahlt
Wie reinste Edelstein' auf ihren Wangen;
Wie sich ein Bild aus tausend Reizen malt,
Ein Meisterwerk selbst meisterndem Verlangen.
Hätt' ich den Zauber höchster Redekunst, –
Nein, sie bedarf dein nicht, erborgter Schimmer! –
Verkäuflich Gut empfehl' des Käufers Gunst,
Sie steht zu hoch dem Lob für jetzt und immer.
Ein Mönch, verdorrt und hundert Winter alt,
Wirft fünfzig ab, kann er ins Aug' ihr blicken;
Schönheit verjüngt ihm kräftig die Gestalt,
Tauscht mit der Kindheit Wiege seine Krücken:
O, Licht und Leben strahlt sie gleich der Sonne.

König. Ei, deine Dam' ist schwarz wie Ebenholz! –

Biron. Ist Ebenholz ihr gleich? O, Holz der Wonne! –
Ein Weib, daraus gezimmert, wär' mein Stolz.
Wo ist ein Buch? fest soll mein Schwur bestehn,
Daß Schönheit selbst die Schönheit nicht erreicht,
Lernt sie von ihrem Auge nicht das Sehn,
Und keine schön, die ihr an Schwärze weicht.

König. Sophisterei! Schwarz ist Livrei der Hölle,
Des Kerkers Farbe, und das Graun der Nacht,
Und helles Weiß thront auf des Himmels Schwelle.

Biron. Zu täuschen, wählt der Teufel lichte Tracht.
Wenn Schwarz die Stirne meiner Liebsten deckt,
So trauert sie, daß falsches Haar, Karmin
Verliebte reizt mit täuschendem Aspekt;
Das Schwarz ward hell, da sie zur Welt erschien.
Ihr Antlitz lenkt die Mod' auf neue Bahn,
Natürlich Blut hört man als Schminke schelten:
Und Rot, dess' Glänzen gilt für eitlen Wahn,
Färbt schwarz sich, ihrer Stirne gleich zu gelten.

Dumain. Ihr gleich zu sein sind schwarz die Schornsteinfeger!

Longaville. Seit sie erschien, dünkt sich der Köhler schmuck.

König. Mit seiner holden Farbe prangt der Neger!

Dumain. Spart alle Kerzen, Nacht ist hell genug.

Biron. Die Damen, die ihr wähltet, scheun den Regen,
Er möcht' an ihrer muntern Schminke naschen.

König. Doch deiner, dächt' ich, käm' er recht gelegen,
Du nennst die schönste, die sich nicht gewaschen.

Biron. Währt's bis zum jüngsten Tag, ihr Schönsein preis' ich!

König. Dann schreckt ihn mehr als sie der Teufel nicht.

Dumain. Kein Mensch war so vergafft in Dorn und Reisig!

Longaville. Sieh hier ihr Bild; mein Schuh und ihr Gesicht.

Biron. O wären deine Augen Pflastersteine,
Ihr Fuß wär' viel zu zart um drauf zu gehn.

Dumain. Damit recht deutlich dann der Straß' erscheine,
Was sonst, wenn auf dem Kopf man steht, zu sehn.

König. Sind alle wir verliebt? – All aus dem Gleise? –

Biron. Unleugbar; und meineidig alle drei.

König. So schweigt nun, und Biron, mein Freund, beweise,
Daß Lieb' erlaubt und nicht ein Treubruch sei.

Dumain. O ja, reich' etwas Balsam diesem Zweifel.

Longaville. Ach, stände jetzt dir Weisheit zu Gebot,
Logik und List, zu prellen klug den Teufel!

Dumain. Tinktur für Meineid!

Biron.                                         Wahrlich, die thut not.
Auf, ins Gewehr, streitbare Liebesritter! –
Erwägt, was ihr zuerst beschworen habt; –
Fasten, studiren, keine Frauen sehn; –
Klarer Verrat am Königtum der Jugend.
Sagt, könnt ihr fasten? Ihr seid all zu jung;
Und die Enthaltsamkeit zeugt Krankheit nur;
Und als ihr zu studiren habt gelobt,
Da habt ihr euerm Buch schon abgeschworen.
Könnt ihr stets träumen, grübeln, darauf starren?
Wie hättet ihr, o Herr, und ihr, und ihr
Erforscht die Herrlichkeit der Wissenschaft,
Half euch die Schönheit nicht der Fraungesichter?
Aus Frauenaugen zieh' ich diese Lehre;
Sie sind der Grund, das Buch, die hohe Schule,
Aus der Prometheus echtes Feu'r entglüht.
Ei, stets sich abarbeiten, kerkert ein
Die raschen Lebensgeister im Geblüt,
Wie rastlos angestrengtes Wandern endlich
Die Sehnenkraft des Reisenden ermüdet.
Nun, wollt ihr nie ein Frauenantlitz schaun,
Habt den Gebrauch der Augen ihr verschworen,
Und auch das Studium, dem ihr euch gelobt.
Denn, welcher Autor in der ganzen Welt
Lehrt solches Wissen, wie ein Frauenauge?
Das Wissen ist ein Anhang nur zu uns,
Und wo wir sind, ist unser Wissen auch.
Drum, wenn wir uns in Mädchenaugen sehn,
Sehn wir nicht gleichfalls unser Wissen dort? –
O, wir gelobten Studien, werte Lords;
Mit dem Gelübd' entsagten wir den Büchern.
Wie hättet ihr, o Herr, und ihr und ihr,
Durch bleierne Betrachtung je ersonnen
So glüh'nden Vers, als den begeisternd Augen
Von Schönheitspflegerinnen euch gespendet? –
Das andre träge Wissen bleibt im Hirn,
Und deshalb finden seine dürren Knechte
Mühsel'ge Ernte kaum nach schwerem Dienst.
Doch Lieb', in Frauenaugen erst gelernt,
Lebt nicht allein vermauert im Gehirn,
Nein, mit der Regung aller edlen Geister
Strömt sie gedankenschnell durch jede Kraft,
Und zeugt jedweder Kraft zwiefache Kraft,
Weit höher als ihr Wirken und ihr Amt.
Die feinste Schärfe leiht sie dem Gesicht;
Wer liebt, dess' Auge schaut den Adler blind.
Wer liebt, dess' Ohr vernimmt den schwächsten Laut,
Wo selbst des Diebs argwöhnisch Horchen taub ist.
Die Liebe fühlt empfindlicher und feiner,
Als der beschalten Schnecke zartes Horn;
Schmeckt sie, wird Bacchus leckre Zunge stumpf;
Ist Lieb' an Kühnheit nicht ein Herkules,
Der stets der Hesperiden Bäum' erklimmt? –
Schlau wie die Sphinx, so süß und musikalisch
Wie Phöbus Lei'r, bespannt mit seinem Haar? –
Wenn Liebe spricht, dann lullt der Götter Stimme
Den Himmel ein durch ihre Harmonie;
Nie wagt's ein Dichter und ergriff die Feder,
Eh' er sie eingetaucht in Liebesseufzer! –
Dann erst entzückt sein Lied des Wilden Ohr,
Pflanzt in Tyrannen holde Menschlichkeit.
Drum wart ihr Thoren, diesen Fraun entsagend,
Und haltet ihr den Schwur, so bleibt ihr Thoren.
Der Weisheit halb, – ein Wort, das jeder liebt, –
Der Liebe halb, – ein Wort, das jeden liebt, –
Der Männer halb, die Schöpfer sind der Fraun, –
Der Frauen halb, durch die wir Männer sind,
Laßt uns den Eid vernichten, uns zu retten,
Sonst retten wir den Eid, vernichten uns.
's ist Religion, meineidig so zu werden,
Denn Gnade selber schrieb uns das Gebot;
Und wer mag Liebe trennen von der Gnade?

König. Sankt Amor denn! Und, Ritter, auf! Ins Feld! –

Biron. Voran die Banner, und zum Angriff, Lords;
Nieder mit ihnen, drängt und sprengt die Reih'n;
Doch seid bedacht, die Sonn' im Kampf zu teilen.

Longaville. Nun, schlicht und ehrlich, ohne viel Figuren:
Soll'n wir um die französ'schen Mädchen frein?

König. Frein und gedeihn; deshalb laßt uns ersinnen
Ein festlich Spiel für sie in ihren Zelten.

Biron. Erst führen wir hieher sie aus dem Park,
Dann heimwärts leit' ein jeder an der Hand
Sein schönes Liebchen; diesen Nachmittag
Soll sie ein art'ger Zeitvertreib ergötzen,
So gut die kurze Zeit vergönnen will;
Es bahnen Spiele, Masken, Fest und Tänze
Den Weg der Lieb', und streun ihr Blumenkränze.

König. Fort, daß wir müßig nicht die Zeit versitzen,
Die Stunde, die noch unser, laßt uns nützen.

Biron. Allons! Wer Unkraut sä't, drischt kein Getreide,
Gerechtigkeit wägt stets in gleichen Schalen;
Der Dirnen Leichtsinn straft gebrochne Eide;
Nichts bess'res kaufen, die mit Kupfer zahlen.

(Sie gehen ab.)


Zweite Scene.

Ebendaselbst. (Holofernes, Nathanael und Dumm treten auf.)

Holofernes. Satis quod sufficit.

Nathanael. Ich preise Gott für euch, Sir; eure Tischreden waren vielgekörnt und sentenzenreich, ergötzlich ohne Skurrilität, witzig ohne Affektation, kühn ohne Frechheit, gelahrt ohne Eigendünkel und paradox ohne Ketzerei. Ich discurrirte an einem dieser quondam Tage mit einem Gesellschafter des Königs, welcher titulirt, benamset oder genannt wird Don Adriano de Armado.

Holofernes. Novi hominem tanquam te: sein Humor ist hochfliegend, seine Redeweise gebieterisch, seine Zunge pfeilscharf, sein Auge ehrsüchtig, sein Gang majestätisch, und sein Betragen überall pomphaft, lächerlich und thrasonisch. Er ist zu erlesen, zu verschniegelt, zu zierhaft, zu absonderlich sozusagen; ja, daß ich mich des Ausdrucks bediene, zu ausländerisch.

Nathanael. Ein höchst eigentümliches und auserwähltes Prädikat. (Er nimmt seine Schreibtafel.)

Holofernes. Er zeucht den Faden seiner Loquacität feiner, als es der Wollenvorrat seiner Gedanken verträgt. Ich abscheue dergleichen adrogante Phantasmen, solche ungeselligliche und zierausbündige Pürschlein, solche Folterknechte Orthographiae, als die da sagen: »kein« statt: »nicht ein«; – »Harfe« statt: »Harpfe«; er spricht statt: er scheußet, er schießt; ich verleure, vocatur verliere; er benamset einen Nachbauer, Nachbar; Viech, abbreviiret, Vieh; Pfui! (welches er verunstalten würde in fi!), solches ist ein Scheuel und Greuel; es reget in einem auf insaniaintelligisne, domine? machet mich fast gallenerbittert, ja abersinnig.

Nathanael. Laus deo, bone intelligo.

Holofernes Bone? – bone, für bene! Priscianus einigermaßen geohrfeiget: muß hingehen.

(Armado, Motte und Schädel treten auf.)

Nathanael. Videsne qui venit?

Holofernes. Video et gaudeo.

Armado. Bursch, –

Holofernes. Quare Bursch? warum nicht Pursch? –

Armado. Männer des Friedens, willkommen.

Holofernes. Höchst kriegerischer Herr, Salutationem.

Motte (beiseite zu Schädel). Sie sind auf einem großen Schmaus von Sprachen gewesen, und haben sich die Brocken gestohlen.

Schädel. O, sie zehren schon lange aus dem Almosenkorb der Worte. Mich wundert, daß dein Herr dich nicht schon als ein Wort aufgegessen hat; denn du bist von Kopf zu Fuß noch nicht so lang als honorificabilitudinitatibus: man schlingt dich leichter hinunter als ein Mandelschiffchen.

Motte. Still, das Läuten fängt an.

Armado (zu Holofernes). Monsieur, seid ihr kein Literatus?

Motte. Ja, ja, er erklärt den Buben die Fibel. Was reimt sich auf Graf und trägt Hörner auf dem Kopf? –

Holofernes. Auf Graf, pueritia?

Motte. Ihr selbst, o einfältiges Schaf, mit euren Hörnern: da hört ihr nun seine Gelehrsamkeit.

Holofernes. Quis, quis, du Konsonant? –

Motte. Begreift ihr's nicht? – Teilt euch einmal in den Namen Erich, laßt den die erste Hälfte sagen, und sprecht ihr die zweite, da sollt ihr's hören. Wer ist das Schaf?

Armado. Er.

Holofernes. Ich?

Armado. Nun, bei der salzigen Woge des Mediterraneums, ein artiger Stoß, eine lebhafte Stoccata: tik tak, spitzig und witzig: es erfreut meinen Scharfsinn: es ist echter Humor, dem Sitz des Hauptes entsprossen.

Motte. Oder echte Sprossen, die auf dem Haupte sitzen.

Holofernes. Was besaget diese Allusion? diese Figur?

Motte. Hörner.

Holofernes. Du disputirest wie Infantia; geh, peitsche deinen Kreisel.

Motte. Leiht mir euer Horn, einen draus zu drechseln und herumzupeitschen eure infamia, circum, circa: ein Kreisel von Hahnreihorn! –

Schädel. Und hätte ich nur einen Pfennig im Sack, du solltest ihn haben, um dir Pfeffernüsse zu kaufen; halt, da ist noch dieselbe Remuneration, die ich von deinem Herrn bekam, du Hellerbüchse von Witz, du Taubenei von Manierlichkeit. Ei, wenn's der Himmel doch so gefügt hätte, daß du auch nur mein Bastard wär'st! Zu welchem freudigen Vater würdest du mich machen! – Geh, Kleiner, du triffst es ad unken, den Nagel auf den Kopf, wie man zu sagen pflegt.

Holofernes. Oho, ich wittere falsches Latein; – für ad unguem.

Armado. Kunstmann, praeambula; wir wollen uns abscheiden von den Barbaren. Disziplinirt ihr nicht pueritiam in dem Scholarchengebäude auf dem Haupte des Gebirges?

Holofernes. Oder auf mons, dem Hügel.

Armado. Je nach eurem gütigen Wohlgefallen, statt des Gebirgs.

Holofernes. Also thue ich, senza dubbio.

Armado. Sir, es ist des Königs allerliebstes Wohlmeinen und Affektation, die Prinzessin zu beglückwünschen in ihren Pavillonen, in den Posterioribus des Tages, welche der rohe Pöbel nennt, – Nachmittag.

Holofernes. Die Posteriora des Tages, höchst edelmütiger Ritter, sind adäquat, congruent und anfügsam für den Nachmittag; das Wort ist selekt, erlesen süß und würzig, das beteuere ich, hochansehnlicher Herr, das beteure ich.

Armado. Herr, der König ist ein wackrer Edelmann, und mein vertrauter, ich darf sagen, mein sehr guter Freund, – was innerlich unter uns vorgeht, dessen sei nichts erwähnt; ich bitte dich, gedenke nicht dieses Zeremoniels, ich bitte dich, laß dein Haupt gedeckt, – und benebst andern gewichtvollen und höchst ernstlichen Entwürfen – und gewiß von nachdrücklichem Gewicht, – aber dessen sei nichts erwähnt –: denn ich muß dir sagen, es ist Seiner Majestät gefällig, – beim Sonnenlicht! – manchmal sich zu lehnen auf meine unwürdige Schulter, und mit ihren königlichen Fingern so zu tändeln mit meinem Auswuchs, meinem Knebelbart: allein, süßes Herz, dessen sei nichts erwähnt. Beim Licht des Aethers! ich trage dir keine Fabeln vor; manche sonderliche und ausbündige Ehren gefällt es seiner Machtvollkommenheit zu erweisen dem Armado, einem Soldaten, einem Vielgewanderten, einem, der die Welt gesehn, aber dessen sei nichts erwähnt. Der eigentliche Kern dess' allen ist, – aber, süßes Herz, ich flehe um Verschwiegenheit, – daß der König verlangt, ich solle die Prinzessin, sein holdes Lamm, regaliren mit einer vorzüglichen Ostentation, Prunkschau, einem Aufzug, Mummenschanz, oder Feuerwerk. Nun, wohlwissend, wie der Pfarrer und euer süßes Selbst tüchtig seid für dergleichen Ausbruch und plötzlichen Erguß der Hilarität, habe ich euch hievon verständiget, in Absicht, euren Beistand in Ansprache zu nehmen.

Holofernes. Ritter, dann müsset ihr die neun Helden vor ihr agiren. Sir Nathanael, – was da anbelangt eine Zeitkürzung, eine Schaustellung in den Posterioribus dieses Tages, welche aufgeführt werden soll durch unsre Mitwirkung, auf der Majestät Gebot, und dieses höchst galanten, illustrirten und gelahrten Edelmannes vor der Prinzessin, – behaupte ich nicht eines so angemessen als eine Darstellung der neun Helden.

Nathanael. Wo finden wir Männer, die heldenhaft genug sein, sie darzustellen? –

Holofernes. Den Josua, ihr selbsten; ich oder dieser tapfre Edelmann, den Judas Maccabäus; dieser Schäfer hier vermöge seiner großen Struktur und Gliederfügung soll Pompejus den Großen übernehmen; der Page den Herkules.

Armado. Verzeiht, Herr, ein Irrtum: er hat nicht Quantität genug für jenes Helden Daumen; er ist nicht so dick, als der Knopf seiner Keule.

Holofernes. Vergönnet man mir Anhörung? Er soll den Herkules agiren in seiner Minorennität, sein Auftreten und sein Abschreiten soll sein die Erdrosselung des Lindwurmes; und ich werde eine Apologie für diesen Endzweck in Bereitschaft halten.

Motte. Vortrefflich ersonnen! Wenn dann einer von den Zuhörern zischt, so könnt ihr rufen: Recht so, Herkules, nun würgst du die Schlange; so gibt man den Fehlern eine Wendung, obgleich wenige gewandt genug sind, das mit Anstand auszuführen.

Armado. Und das Residuum der Heldenzahl?

Holofernes. Drei will ich selbsten spielen.

Motte. Dreimal heldenhafter Mann! –

Armado. Soll ich euch etwas anvertrauen?

Holofernes. Wir horchen auf.

Armado. Wann dies nicht erkleckt, agiren wir einen Mummenschanz. Ich ersuch' euch, kommt.

Holofernes. Animo, Gevatter Dumb! du hast die ganze Zeit kein Wort gesagt.

Dumm. Auch keins verstanden, Herr.

Holofernes. Andiamo, wir wollen dich anstellen.

Dumm. Ich will eins tanzen, oder so; oder ich will den Helden eins auf der Trommel spielen, dann sollen sie den Bauerntanz drehn.

Holofernes. Ja, du ehrlicher, dümblicher Dumb; wir wollen an die Arbeit gehn.

(Sie gehen ab.)

 


 


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