William Shakespeare
Verlorene Liebesmüh
William Shakespeare

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Dritter Aufzug.

Erste Scene.

Im Park. (Es treten auf die Prinzessin, Rosaline, Maria, Katharine, Boyet, Lords, Gefolge, ein Förster.)

Prinzessin. War das der König, der sein Pferd so scharf
Die jähe Höh' des Hügels spornt hinan? –

Boyet. Ich weiß nicht, doch ich glaub', ein andrer war's.

Prinzessin. Wer es auch sei, aufstrebend zeigt er sich.
Nun heut', ihr Herrn, empfahn wir den Bescheid,
Und Samstag kehren wir nach Frankreich heim. –
Jetzt, lieber Förster, zeigt uns das Gehölz;
Wo stellt ihr uns, daß wir den Mörder spielen?

Förster. Hier in der Näh', am Saum des Unterholzes;
Der Stand ist gut, ihr habt den schönsten Schuß.

Prinzessin. Der Schönheit Preis! Die Schöne thut den Schuß,
Und drum mit Recht sprichst du vom schönsten Schuß.

Förster. So, Gnäd'ge, hab' ich's nicht gemeint, verzeiht! –

Prinzessin. Wie, hast du schon dein erstes Lob bereut?–
O kurzer Ruhm! Nicht schön? O Herzeleid! –

Förster. Ja, Fürstin, schön! –

Prinzessin.                               O laß die Schminke ruhn;
Wo Schönheit fehlt ist Schmeicheln eitles Thun.
Hier, lieber Spiegel, für die Wahrheit nimm es;
Zu schöner Lohn als Zahlung für so Schlimmes!

Förster. In euch hat einzig Schönheit sich gebettet.

Prinzessin. Seht, wie ein Goldstück meine Schönheit rettet!
O Schönheitsketzerei, der Zeiten wert;
Wenn sie nur schenkt, wird jede Hand verehrt.
Doch jetzt zur Jagd; wenn Sanftmut töten muß,
Schilt sie auf jeden gut gezielten Schuß;
So bleibt mein Ruf als Schützin unversehrt,
Denn, treff' ich nicht, hat Mitleid mir's gewehrt;
Treff' ich, wohlan, so muß der Tadel schweigen,
Ich that es nur, euch meine Kunst zu zeigen,
Unleugbar ist's, und die Erfahrung lehrt,
Wie Ruhmsucht zum Verbrechen sich entehrt;
Um Lob und Preis, um nichtige Erscheinung
Entsagen wir des Herzens bess'rer Meinung:
Wie meine Hand um Lob zu töten denkt
Das arme Wild, das mich noch nie gekränkt.

Boyet. Hat's auch der Ehrgeiz ihnen eingegeben,
Wenn böse Fraun nach Eigenherrschaft streben
Als Herrn des Eheherrn? –

Prinzessin. Ehrgeiz allein; und Ehr' und Preis gebührt
Jedweder Frau, die ihren Herrn regiert.

(Schädel tritt auf.)

Prinzessin. Hier kommt ein Bürger unsrer Republik.

Schädel. Schönen guten Abend! Um Vergebung, welches ist die Hauptdame? –

Prinzessin. Die kannst du an den übrigen erkennen, mein Freund, die ohne Haupt sind.

Schädel. Welches ist die größte Dame? Die höchste? –

Prinzessin. Die dickste und die längste.

Schädel. Die dickste und die längste! Nun ja, was wahr, bleibt wahr.
Ließ' eure Taille schmal und leicht sich wie mein Witz umfassen,
So möchte von den Fräulein hier euch jeder Gürtel passen.
Seid ihr nicht die Hauptdame? Die dickste seid ihr gewiß!

Prinzessin. Was wollt ihr, Freund? Was wollt ihr?

Schädel. Dem Fräulein Rosaline schrieb diesen Brief Mylord Biron.

Prinzessin. Geschwind den Brief, den Brief; den Schreiber kenn' ich schon.
Wart', Freund! – Boyet, ich weiß, ihr habt im Tranchiren Geschick;
Legt mir dies Hühnchen vor.

Boyet.                                             Ich gehorch' euch im Augenblick. –
Der Brief ging fehl, von uns ward er keinem zugedacht,
Er ist für Jacquenetta.

Prinzessin.                         Doch weil er uns gebracht,
Brich nur dem Wachs das Genick; nun lies, ihr alle gebt acht!

Boyet (liest). »Beim Himmel, daß du schön, ist untrugschlüßlich; wahr, daß du reizend; Wahrhaftigkeit selbst, daß du lieblich. O du, schöner denn schön, reizender denn reizend, wahrhaftiger denn Wahrhaftigkeit selber, habe Erbarmung mit deinem heroischen Vasallen! Der durchlauchtigste und allergroßmächtigste König Cophetua warf ein Auge auf die schelmische und unzweifelhafte Bettlerin Zenelophon: und eben derselbige war es, der da mit Fug konnte ausrufen: veni, vidi, vici; welches, dafern wir's zersetzen in Volkssprache (o niedrige und dunkle Volkssprache!) so viel als videlicet: er kam, sah und überwand. Er kam, eins; sah, zwei; überwand, drei. Wer kam? Der König. Weshalb kam er? Zu sehen. Weshalb sah er? Zu überwinden. Zu wem kam er? Zu der Bettlerin. Wen sah er? Die Bettlerin. Wen überwand er? Die Bettlerin. Der Erfolg ist Sieg; auf wessen Seite? Des Königs. Die Gefangennehmung bereichert; auf wessen Seite? Der Bettlerin. Die Katastrophe ist eine Vermählungsfeier; auf wessen Seite? Des Königs? – Nein, auf beiden in einer, oder einer in beiden Seiten. Ich bin der König, denn so fordert es das Gleichnis; du die Bettlerin, denn so zeuget deine Niedrigkeit. Soll ich deine Liebe erheischen? Ich könnte es. Soll ich deine Liebe erzwingen? Ich dürfte es. Soll ich um deine Liebe werben? Ich will es. Was wirst du eintauschen für Litzen? Spitzen. Für Bürden? Würden. Für dich? – Mich! – Also, entgegenharrend deiner Replik, profanir' ich meine Lippen an deinen Fuß, meine Augen an dein Conterfei, und mein Herz an dein Allenthalb; dein in der innigsten Dahingebung der Dienstbeflissenheit

Don Adriano de Armado

    Also brüllt des Nemäerlöwen Schlund
        Nach dir, du Lamm, das seiner Mordlust Ziel:
    Vor seinen stolzen Fuß sink' auf den Grund,
        Und von dem Raubzug neigt er sich zum Spiel.
    Doch sträubst du dich, was wird aus dir, o Seele?
        Fraß seiner Wut, Proviant für seine Höhle.

Prinzessin. Wer ist der Wetterhahn, der Federbusch, der Quast?
Hörtet ihr Bess'res je? Wer hat den Brief verfaßt?

Boyet. Wenn ich mich recht besinne, kenn' ich den harten Stil.

Prinzessin. Ja, nennt ihn so! Selbst Knittel wär' immer nicht zu viel.

Boyet. Armado ist's, ein Spanier, ein abgeschmackter Held,
Ein Phantast, ein Monarcho, dem König zugesellt,
Und seinen Buchgenossen.

Prinzessin.                                 Mein Freund, hör' auf ein Wort!
Wer gab dir jenen Brief?

Schädel.                                 Wie ich euch sagte, Mylord.

Prinzessin. Wem solltest du ihn geben?

Schädel.                                                     Von ihm an jenes Fräulein.

Prinzessin. Von wem an welches Fräulein? –

Schädel. Vom gnäd'gen Herrn Biron bin ich hieher gesandt,
An eine Dam' aus Frankreich, Lady Rosaline genannt.

Prinzessin. Der Brief ward falsch bestellt. Ihr Herren fort von hier;
Begnüge dich, mein Kind, bald wird der rechte dir.

(Die Prinzessin mit ihrem Gefolge geht ab.)

Boyet. O sprich, wer ist der Geschoss'ne?

Rosaline.                                                     Sag' ich's euch frei und offen? –

Boyet. Ja, Ausbund aller Schönheit.

Rosaline.                                             Der Hirsch, den sie getroffen.
Schön abparirt! –

Boyet. Die Prinzessin schießt nach Hornwild; doch wirst du einst heiraten.
Zehn gegen eins, daß in dem Jahr die Hörner trefflich geraten,
Parire den! –

Rosaline. So hört, ich bin die Geschoss'ne.

Boyet.                                                               Und wer ist der Jäger allhier? –

Rosaline. Er trägt sein Horn an der Hüfte, und nicht am Kopf wie ihr.
Parire den! –

Maria. Ihr ruht nicht, bis sie euch trifft; wahrt euch die Stirn mit dem Hut!

Boyet. Sie selber traf man tiefer schon: nicht wahr, da zielt' ich gut?

Rosaline. Soll ich gegen dich anrücken mit einem alten Reim, der schon ein Mann war, als König Pipin von Frankreich noch als ein kleiner Bube herumlief, was das Treffen anbelangt?

Boyet. Wenn ich mich verschanzen darf mit einem eben so alten, der ein Weib war, als Königin Ginevra von Britannien noch ein kleines Mädchen, was das Treffen anbelangt? –

Rosaline. Du kannst nicht treffen, treffen, treffen,
Du kannst nicht treffen, mein guter Hans.

Boyet. Schon gut, ich kann nicht, kann nicht, kann nicht;
Kann ich's nicht, nun ein andrer kann's.

(Rosaline und Katharine ab.)

Schädel. Beim Element, recht lustig! Wie gut die beiden sich hielten!

Maria. Die Scheiben trafen sie trefflich, so oft sie zusammen zielten.

Boyet. Die Scheiben, sagt ihr, Fräulein? Nun, daß wir nichts vergessen,
Der Scheibe gebührt ein Pflock, um recht den Schuß zu messen.

Maria. O weit nach links gefehlt! – Ihr seid jetzt nicht bei der Hand.

Schädel. Ja wohl, um die Mitte zu treffen, nehmt näher euren Stand.

Boyet. Ich nicht bei der Hand? Dann zeigt mir, wie ihr den Pfeil regiert!

Schädel. Gebt acht! Sie gewinnt den Kernschuß, der Pflock wird ruinirt.

Maria. Kommt, kommt, ihr sprecht zu gröblich, den Anstand ganz verletzend!

Schädel. Ihr trefft sie weder mit Schuß noch Stich, das Spiel ist nicht ergötzend.

Boyet. So flücht' ich vor dem rauhen Kampf, mich dort zur Ruhe setzend.

(Boyet und Maria gegen ab.)

Schädel. Mein Seel, ein blöder Schäfer! Ein rechter simpler Tropf! –
O je, wie hieben die Damen und ich ihn über den Kopf!
Blitz, welche niedliche Spässe! Der Witz wie corrupt und zierlich!
Wenn's so glatt von der Zunge haspelt, so recht obscön und manierlich!
Narmado auf einer Seite, – welch nobler, preislicher Held!
Wie er sich spreizt vor den Fräuleins! Wie hübsch er den Fächer hält,
Und küßt sich im Gehn die Hand. Und kann im Schwören was thun!
Und starrt sie so schmachtend an, wie ein verliebtes Huhn!
Dann auf der andern sein Page, wie sticht er euch Silbe um Silbe,
Die kleine Hand voll Witz! Die stolze pathetische Milbe!

(Jagdgeschrei hinter der Scene: Holla! Holla! Schädel geht ab.)


Zweite Scene.

Ebendaselbst (Es treten auf Dumm, Holofernes und Sir Nathanael.)

Nathanael. Eine hochwürdige Jagdlustbarkeit, in der That, und unternommen nach dem Zeugnis eines guten Gewissens.

Holofernes. Der Hirsch war, wie ihr wisset, sanguis, in vollem Geblüt, reif wie ein Jungherrnapfel, welcher jetzt hanget gleich einem Juwel in dem Ohre coeli, der Luft, des Firmamentes, der Feste, – und plötzlich fället gleich einem Holzapfel auf das Angesicht terrae, – des Bodens, des Grundes, des Erdreichs.

Nathanael. In der That, Meister Holofernes, ihr wechselt anmutig mit denen Prädikaten, recht wie ein Schriftgelehrter; allein laßt mich euch bezeugen, Herr, es war ein Bock vom ersten Geweih.

Holofernes. Sir Nathanael, haud credo.

Dumm. Es war keine Hautkrähe, es war ein Spießer.

Holofernes. O barbarische Intimation! Und wiederumb eine Art Insinuation, gleichsam in via, auf dem Wege, einer Explikation: facere gleichsam eine Replikation, oder vielmehr gleichsam ostentare, darlegen seine Inklination: – nach seiner ohngesitteten, ohngeglätteten, ohnausgefeileten, ohngestutzeten, ohngeschmücketen oder vielmehr ohnkultivireten, oder vielmehrest ohnkonfirmireten Weise, – wiederumb einzuschalten mein haud credo statt eines Wildes.

Dumm. Ich sage, das Wild war keine Hautkrähe, es war ein Spießer.

Holofernes. Zweimal gesottene Einfalt, bis coctus! – O du monstrose Ignoranz, wie mißgeschaffen erscheinst du! –

Nathanael. Herr, er hat nie seine Nahrung gesogen aus den Leckerbißlein, welche werden erzielet in Büchern; er hat nicht gegessen des Papiers, so zu sagen, noch getrunken der Tinte; seine Sinneskraft ist nicht herangenährt; er ist nur ein Tier, nur fühlend in seinen gröbern Organen: – und solche unfruchtbare Gewächse sind vor uns hingestellt, auf daß wir sollten dankbar sein (wie wir, die da schmecken und Empfindung haben, es auch sind), für
solche Gaben, welche in uns zu bess'rer Frucht gedeihn:
Gleich falsch, wenn ich in Albernheit, als Narr und Geck mich blähte,
Als wenn ein solcher Hahn wie der, gelehrt in Schulen krähte.
Ich halt's mit jenem Kirchenvater, der oft zu sagen pflegt:
Manch einer steht das Wetter aus, der nicht den Wind erträgt.

Dumm. Ihr seid zwei Schriftgelehrte, könnt ihr das schmucke Rätsel mir lösen,
Was keine fünf Wochen jetzt alt und bei Kains Geburt schon 'nen Monat gewesen? –

Holofernes. Dictynna, ehrlicher Dumb; Dictynna,
ehrlicher Dumb.

Dumm. Wer ist dick und dünne?

Nathanael. Eine Titulatur Lunae, Phoebae, des Mondes.

Holofernes. Der Mond war 'nen Monat alt, als Adam nicht älter war,
Und keine fünf Wochen zählt' er, als jener hundert Jahr.
Die Allusion verleuret nichts bei dem Umbtausch.

Dumm. Das ist auch wahr, mein Seel, die Kollusion verliert nichts beim Umtausch.

Holofernes. Gott stärke deine Kapazität! Ich sage, die Allusion verleuret nichts bei dem Umbtausch.

Dumm. Und ich sage, die Konfusion verliert nichts beim Umtausch, denn der Mond wird nie älter, als nur einen Monat; und überdem bleib' ich dabei und sage, es war
ein Spießer, den die Prinzessin schoß.

Holofernes. Sir Nathanael, wollet ihr anhören ein extemporelles Epitaphium auf den Tod des Tieres? Und zwar habe ich, um mich der Einfalt zu accommodiren, das Tier, welches die Prinzessin schoß, einen Spießhirsch genennet.

Nathanael. Perge, werter Meister Holofernes, perge, dafern es euch beliebt, alle Skurrilität abzustellen.

Holofernes. Ich werde die Alliteration in etwas vorwalten lassen, denn das zeuget von Leichtigkeit.
Straff spannt die Schöne, schnellt und schießt ein Spießtier schlank und schmächtig;
Man nannt' es Spießhirsch, denn am Spieß spießt ihn der Speisemeister.
Hierauf verspeist mit Gabeln wird's ein Gabelhirsch, so dächt' ich,
Und weil die Schützin Kronen trägt, mit Recht ein Kronhirsch heißt er.
Hell gellt die Jagd: nehmt vom Gebell zu Hirsch eins von den Llen,
Sind's fünfzig Hirschel: noch ein L, so thät sie hundert fällen.

Nathanael. Wie schmeidig bewegt er der Verse zähen Fuß!

Dumm. Was das für ein Wesen ist über seine Fersen und Fußzehen! –

Holofernes. Dieses ist eine Gabe, die mir verliehen ward – simpel, simpel; ein launischer abspringender Geist, erfüllet von Gestalten, Figuren, Formen, Gegenständen, Einbildungen, Wahrnehmungen, Motionen, Revolutionen: dieselben werden gezeuget in dem Mutterleibe des Gedächtnusses, ernähret in dem Schoße der pia mater, und an das Licht geboren bei zeitigender Gelegenheit. Indessen die Gabe ist gut, in solchen bei denen sie zur rechten Scharpfsinnigkeit gelangte, und ich bin dankbar für dieselbe.

Nathanael. Sir, ich preise den Herrn für euch, und das mögen auch meine Pfarrkinder. Denn ihre Söhne sind gut beraten bei euch, und ihre Töchter gewiß augenscheinlich unter euch; ihr seid ein stattliches Membrum des gemeinen Wesens.

Holofernes. Mehercle, wann ihre Söhne Ingenium besitzen, soll es ihnen nicht fehlen an Instruktion; wann ihre Töchter empfänglich sind, werd' ich's ihnen schon beibringen. Jedennoch vir sapit, qui pauca loquitur: Eine als Weib geschaffne Seele begrüßet uns.

(Jacquenette und Schädel treten auf.)

Jacquenette. Gott grüß' ihn, Herr Farr!

Holofernes. Nicht etwa fur, ein Dieb, noch fer bring'
her und gib, sondern far, die Spreu im Sieb. Wessenthalben far? –

Schädel. Weil Farr bei uns einen Ochsen bedeutet, und weil des Pfarrers Haupt so voller Gelehrsamkeit steckt, wie ein Oxhoft voll Wein.

Holofernes. Wie, ein Ochshaupt? – ein hübscher Funke des Witzes in einem Erdenkloße; Feuer genug für einen Kiesel, Perle genug für eine Sau. Es ist artlich, es ist hübsch.

Jacquenette. Lieber Herr Farr, sei er doch so gut und les' er mir den Brief; Schädel hat ihn mir gegeben und Don Armadill schrieb ihn mir; ich bitt' ihn drum, les' er ihn.

Holofernes. Fauste, precor gelida quando pecus omne sub umbra
Ruminat
– und so weiter. Ach, du guter alter Mantuanus! ich kann von dir sagen, wie der Reisende von Venedig:

        – Vinegia, Vinegia,
        Chi no ti vede, ei non ti pregia.

Alter Mantuanus! Alter Mantuanus! Wer dich nicht verstehet, der liebet dich nicht. – Ut, re, sol la mi fa. Mit eurem Vergunst, Herr Pfarrer, was ist der Inhalt? oder vielmehr wie Horatius saget in seinem – was zum Element! – Verse? –

Nathanael. Ja, Herr, und sehr gelehrte.

Holofernes. Lasset mich vernehmen eine Strophe, eine Stanza, einen Vers; lege, domine.

Nathanael (liest) Macht Liebe mich verschwor'n, darf ich noch Liebe schwören?
Treu' hält nur stand, gab sie der Schönheit sich zu eigen;
Meineidig an mir selbst, will ich dir treu gehören;
Was eichenfest mir schien kannst du wie Binsen beugen!
Die Forschung lechzt im Durst, dein Auge sei mein Bronnen,
Dort thront die Seligkeit, die uns das Buch verheißt;
Der Kenntnis Inbegriff hat, wer dich kennt, gewonnen! –
Viel kundig ist der Mund, der mit Verstand dich preist,
Stumpfsinnig, wer nicht beugt sein Knie vor deiner Schöne;
Mein größter Ruhm, daß ich so hohen Wert empfand,
Der Augen Feuerblitz, der Rede Donnertöne
Sind Wonneglanz, Musik, hast du den Zorn verbannt.
Doch göttlich. wie du bist, vergib, wenn rauhe Zungen
Des ew'gen Himmels Lob mit ird'schem Laut gesungen!

Holofernes. Ihr findet nicht die Apostrophen, und darüber verfehlt ihr den Accent. Lasset mich die Canzonetta überspähen; hier ist nur das Silbenmaß observiret, allein was da heißet die Elegantia, die Leichtigkeit zusampt dem güldenen Schlußfall des Gedichtes, – caret. Ovidius Naso, der war der Mann! – Und warumb auch Naso? Warumb sonst, als weil er auswitterte der Phantasei ihre balsamischen Duftblüten? Der Erfindungskraft ihre Absprünge? – Imitari, ist nichts: das thut der Hund seinem Herrn, der Affe seinem Wärter, das aufgeputzte Kunstpferd seinem Reuter. Aber Damosella Jungfrau,
ward dieses euch zugewendet? –

Nathanael. Ja, Herr, von einem Musjeh Biron, einem von den Lords der ausländischen Königin.

Holofernes. Ich will einmal beäugeln die Aufschrift: An die schneeweiße Hand des allerschönsten Fräuleins Rosaline. – Wiederumb will ich mir ansehen den Inhalt des Briefes, um die Bezeichnung zu finden. Das Objekt, das da schreibet, an die Person, welcher da geschrieben wird:

Eu'r Gnaden zu allem Dienst bereitwilligster Biron.

Sir Nathanael, dieser Biron ist einer von denen Eidgenossen des Königes, und hat allhier einen Brief gefertiget an eine Geleitsdame der fremden Monarchin, welcher accidenteller Weise oder auf dem Wege der Progression in die Verirrung geraten ist. Entschlüpfe, mein Kind; überantworte dieses Blatt in die Hand der Majestät;
es mag von besonderem Moment sein. Verweile dich hier nicht mit Verbeugungen; ich überhebe dich deiner Pflicht; lebe wohl.

Jacquenette. Du, Schädel, komm mit. Herr, Gott grüß' ihn! –

Schädel. Nimm mich mit, Mädel.

(Beide gehen ab.)

Nathanael. Sir, ihr habt dies in der Furcht Gottes gethan, sehr gewissenhaft; und wie irgend ein Kirchenvater

Holofernes. Sir, redet mir nicht von dem Kirchenvater, ich verargwöhne schmuckhafte Ausschmückungen. Aber umb zurückzukommen auf die Verse; gefielen sie euch, Sir Nathanael?

Nathanael. Meisterlich, was die Fassung betrifft.

Holofernes. Ich speise heute mittag bei dem Vater eines sicheren Zöglinges, allwo, wenn es euch gefällig sein sollte, vor der Mahlzeit die Tafel mit einem gratias zu gratifiziren, ich kraft meines Privilegii bei denen Eltern fürbesageten Kindes oder Pfleglinges, euer benvenuto auf mich nehmen will. Daselbst werde ich dann die Behaupt- und Erhärtung führen, wie jene Verse sehr ohngelahrt seien, und keine Würze haben von Poesei, Witz, noch Erfindung. Ich ersuche umb eure Gesellschaft.

Nathanael. Und ich danke euch: denn Gesellschaft, – sagt die Schrift, – ist die Glückseligkeit des Lebens.

Holofernes. Ja, wahrhaftiglich! Darin thut die Schrift einen höchst ohnwiderleglichen Ausspruch. Euch, Freund, lad' ich zugleich, versagt's nicht; nein! pauca verba! – Hinweg! die Herren sind jetzt bei der Jagd; gehn wir zu unsrer Erquickung.

(Sie gehen ab.)

 


 


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