William Shakespeare
Verlorene Liebesmüh
William Shakespeare

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Zweiter Aufzug.

Erste Scene.

Im Park. (Es treten auf die Prinzessin von Frankreich, Rosaline, Maria, Katharine, Boyet, Lords und Gefolge.)

Boyet. Nun regt, o Fürstin, auf die klarsten Geister:
Denkt, wen der König, euer Vater, schickt;
Zu wem er schickt und was sein Auftrag sei:
Ihr, kostbar in den Augen aller Welt,
Sollt unterhandeln mit dem einz'gen Erben
Jeglichen Vorzugs, dess' ein Mann sich rühmt,
Navarras Stolz: und das Gesuch nichts minder
Als Aquitanien, einer Kön'gin Mitgift. –
Verschwende nun so allen Zauberreiz,
Wie einst Natur den Reiz verschwendete,
Als sie der ganzen Welt ihn vorenthielt,
Um überreich nur dich damit zu schmücken.

Prinzessin. Wie arm, Lord Boyet, meine Schönheit sei,
Braucht sie doch nicht der Schminke eures Lobes.
Schönheit wird nur vom Kennerblick gekauft,
Nicht angebracht durch des Verkäufers Prahlen.
Mein Stolz ist kleiner, hör ich euch mich loben,
Als euer Eifer, weise zu erscheinen,
Und euern Witz, mich rühmend, auszuspenden.
Doch nun dem Mahner zur Ermahnung: Ihr,
Freund Boyet, wißt, wie der geschwätz'ge Ruf
Verbreitet, daß Navarra sich verpflichtet,
Eh' mühvoll Studium nicht drei Jahr verzehrt,
Soll keine Frau dem stillen Hofe nahn.
Deshalb scheint uns notwend'ge Vorbereitung,
Eh' wir betreten sein verbotnes Thor,
Zu hören seinen Willen; und deshalb
Erlasen wir, wohlkundig eures Werts,
Euch als beredten Anwalt unsrer Bitte.
Sagt ihm, die königliche Tochter Frankreichs,
In ernstem, Eile fordernden Geschäft,
Müss' ein Gespräch mit Seiner Hoheit heischen.
Eilt, ihm dies mitzuteilen; wir erwarten,
Klienten gleich, in Demut seinen Ausspruch.

Boyet. Stolz eures Auftrags geh' ich willig hin. (Er geht ab.)

Prinzessin. Nur will'ger Stolz ist Stolz, und so der eure!
Wer sind, ihr lieben Herrn, die Schwurgenossen,
Die mit dem frommen Herzog dies gelobt? –

Lord. Der ein' ist Longaville.

Prinzessin.                             Kennt ihr den Mann?

Maria. Ich kenn ihn wohl. Auf einem Hochzeitsfest,
Wo dem Lord Perigord die schöne Erbin
Des Jakob Faulconbridge ward anvermählt,
In Normandie, sah ich den Longaville.
Man rühmt ihn einen Mann von edlen Gaben,
Geschickt in Kunst, in Waffen hoch gepriesen;
Nichts steht ihm schlecht, was er mit Ernst versucht.
Der einz'ge Fleck in seiner Tugend Glanz
(Kann je ein Fleck den Glanz der Tugend trüben)
Ist kecker Witz mit allzudreistem Willen;
Er schneidet scharf, und will mit Willen keinen
Verschonen, der in seine Macht geriet.

Prinzessin. Ein lust'ger Spötter also, nicht, mein Kind?

Maria. Wer meist ihn kennt, hält meist ihn so gesinnt.

Prinzessin. Witz, schnell geboren, wächst und welkt geschwind.
Wer sind die andern? –

Katharina. Dumain, ein wohlerzogner junger Mann:
Wer Tugend liebt, muß ihn um Tugend lieben;
Zu schaden kräftig, doch dem Bösen fremd:
Denn er hat Witz, selbst Unform zu verschönen,
Und Schönheit, die auch ohne Witz bestäche.
Ich sah ihn einst beim Herzog Alençon,
Und zu gering, für das was ich gesehn,
Ist diese Schildrung seines hohen Werts.

Rosaline. Noch einer dieser Akademiker
War dort mit ihm, sofern ich recht vernahm:
Biron genannt; mit einem lust'gern Mann
(Doch in den Grenzen wohlanständ'gen Scherzes)
Hab ich noch nie ein Stündchen weggeschwatzt.
Sein Aug' erzeugt Gelegenheit für Witz;
Denn jeglich Ding, das jenes nur erfaßt,
Verwandelt dieser gleich in heitern Scherz,
Den die gewandte Zunge, seines Scharfsinns
Auslegerin, so fein und artig formt,
Daß selbst das Alter seinem Schwatzen horcht,
Und Jugend ganz von ihm bezaubert wird,
So hold und leicht beschwingt ist sein Gespräch.

Prinzessin. Gott helf euch! Seid ihr alle denn verliebt?
Daß jede so den Ihren hat geschmückt
Mit solchem Farbenaufwand prächt'gen Lobes? –

(Boyet kommt zurück.)

Maria. Hier kommt Boyet.

Prinzessin.                         Nun sagt, was für Empfang? –

Boyet. Navarra weiß von Eurer Hoheit Nähe,
Und er, samt den Genossen seines Eides,
Sie waren all euch zu empfahn bereit,
Bevor ich kam. So viel hab ich gehört,
Er meint, ihr solltet eh' im Felde lagern,
Wie wenn ihr kämt zu stürmen seinen Hof,
Als daß er Lösung sucht von seinem Eid,
Und euch herbergt in seinem öden Hause.
Hier kommt Navarra.

(Der König, Longaville, Biron und Dumain treten auf.)

König. Willkomm'n am Hof Navarras, schöne Fürstin.

Prinzessin. Schön geb ich euch zurück, und Willkommen hab ich noch nicht. Das Gewölbe dieses Hofs ist zu hoch, um das eure zu sein, und ein Willkommen aus offnem Felde zu niedrig, um mir zu geziemen.

König. Ihr sollt willkommen sein an meinem Hof.

Prinzessin. Ich will's denn sein; geleitet mich dahin.

König. Hört mich nur an: bei Gott hab ich geschworen, –

Prinzessin. So helf euch Gott, denn ihr habt falsch geschworen.

König. Nicht um die Welt mit meinem Willen, Fürstin!

Prinzessin. Nun, Wille bricht ihn, Will', und anders nichts.

König. Eu'r Hoheit ist unwissend seines Inhalts.

Prinzessin. Und wär't ihr das, wär't ihr unwissend weise,
Wo eure Weisheit jetzt zu Thorheit wird.
Ich hör, mein Fürst verschwur es, Haus zu halten;
Todsünde ist's, den Eid zu halten, Fürst,
Und Sünde, ihn zu brechen.
Allein verzeiht! – Zu bald erschein ich kühn;
Den Lehrer lehren wollen, ziemt mir schlecht.
Geruht zu lesen, weshalb ich gekommen,
Und schnelle Antwort gebt auf mein Gesuch.

König. Das will ich, wenn es kann so schnell geschehn.

Prinzessin. Ihr thut's so schneller, daß ich nur mag gehn;
Mein Bleiben kann nicht mit dem Eid bestehn.

Biron. Tanzt ich mit euch nicht in Brabant einmal?

Rosaline. Tanzt ich mit euch nicht in Brabant einmal?

Biron. Ja, ganz gewiß.

Rosaline.                       Wie überflüssig dann
Die Frag' an mich! –

Biron.                               O, seid doch nicht so rasch! –

Rosaline. Ihr habt mit solchem Fragen mich gespornt!

Biron. Eu'r Witz rennt allzu scharf, ihr jagt ihn stumpf.

Rosaline. Nicht bis er ließ den Reiter in dem Sumpf.

Biron. Was hat die Uhr geschlagen?

Rosaline. Die Stunde, wo Narren fragen.

Biron. Beglückt solch Maskentragen! –

Rosaline. Glück den Gesichtern drunter!

Biron. Gott send' euch Freier munter! –

Rosaline. Amen, und bess're als euch.

Biron. Dann geh ich lieber gleich.

König. Prinzessin, euer Vater nennt uns hier
Die Zahlung von einhunderttausend Kronen,
Was nur die Hälfte jener ganzen Summe,
So ihm mein Vater vorschoß für den Krieg.
Doch setzt, er oder ich – was nie geschah, –
Empfing dies Geld, so bleibt doch unbezahlt
Einhunderttausend noch, wofür als Pfand
Ein Teil von Aquitanien mir haftet,
Obschon es nicht der Summe Wert beträgt.
Will denn eu'r Vater uns zurückerstatten
Nur jene Hälfte, die uns noch gebührt,
So lassen wir ihm Aquitanien gern,
Und bleiben Freund mit seiner Majestät.
Doch dazu, scheint es, hat er wenig Lust;
Denn hier verlangt er wiederum die Zahlung
Der hunderttausend Kronen, und entsagt
Nach Zahlung jener hunderttausend Kronen,
All seinem Recht auf Aquitaniens Herrschaft,
Das ich weit lieber aus den Händen gäbe,
Und nähme, was mein Vater vorgestreckt,
Als Aquitanien, so erschöpft es ist.
Wär' seine Ford'rung nicht so fern, o Fürstin,
Von billiger Willfahrung, – eurer Schönheit
Willfahrte mehr, als billig, wohl mein Herz,
Daß ihr vergnügt nach Frankreich wiederkehrtet.

Prinzessin. Ihr thut dem König, meinem Vater, unrecht,
Und unrecht eures Namens würd'gem Ruf,
Wenn ihr beharrt zu leugnen den Empfang
Von dem, was doch so treulich ward gezahlt.

König. Ich schwöre, daß ich nie davon gehört;
Beweist ihr mir's, so zahl ich euch: wo nicht,
Ist Aquitanien eu'r.

Prinzessin.                   Es bleibt beim Wort.
Boyet, ihr könnt die Quittungen ihm zeigen
Für jene Summe, von den Staatsbeamten
Karls, seines Vaters.

König.                               Stellt mich so zufrieden.

Boyet. Erlaub' Eu'r Hoheit, das Paket blieb aus,
Das dies und andre Dokument' enthält:
Auf morgen wird euch alles vorgelegt.

König. Der Augenschein, o Fürstin, soll genügen;
Ich will mich allen bill'gen Gründen fügen.
Indes empfange solcherlei Willkommen,
Wie Ehre, sonder Bruch der Ehr', ihn darf
Anbieten deiner edlen Würdigkeit.
Ich kann, o Schönste, nicht mein Thor dir öffnen,
Doch draußen sollst du so empfangen werden,
Wie du sollst denken, mir im Herzen wohnst du,
Obschon ich dir des Hauses Gastrecht weigre.
Dein edler Sinn entschuld'ge mich, leb wohl!
Wir werden morgen wieder dich besuchen.

Prinzessin. Wohlsein und Heil begleit Eu'r Majestät. –

König. Dir wünsch' ich, was dein eigner Wunsch erfleht.

(Der König geht ab.)

Biron. Euch, Dam', empfehl ich meinem eignen Herzen.

Rosaline. Ich bitt' euch, Herr, bestellt ihm mein Empfehlen.
Ich säh' es gern einmal.

Biron. Ich wollt, ihr hörtet's ächzen.

Rosaline. Ist's Närrchen krank?

Biron. Von Herzen krank.

Rosaline. Ei, so laßt ihm Blut.

Biron. Wäre das ihm gut?

Rosaline. Meine Heilkunst sagt, es tauge.

Biron. So stich's mit deinem Auge.

Rosaline. Non point! Mit dem Messer.

Biron. Gott mache dich besser! –

Rosaline. Dich mach' er vernünftig!

Biron. Den Dank sag' ich künftig.

Dumain. Mein Herr, ein einz'ges Wort: sagt an, wer ist die Dame?–

Boyet. Die Erbin Alençons und Rosalin' ihr Name.

Dumain. Sehr reizend ist sie. Nun, mein Herr, lebt wohl! (Er geht ab.)

Longaville. Laßt mich um ein Wort euch bitten: wer ist in Weiß die da?

Boyet. Manchmal ein Frauenzimmer, wenn man bei Licht sie sah.

Longaville. Vielleicht bei Lichte leicht; nur ihren Namen will ich.

Boyet. Sie hat nur einen für sich, den wollen, wär' nicht billig.

Longaville. Ich bitte, wessen Tochter?

Boyet.                                                       Ihrer Mutter, wie man sagt.

Longaville. Was so ein Bart nicht wagt! –

Boyet. Lieber Herr, nur nicht so wild;
Erbin des Faulconbridge.

Longaville.                               Nun ist mein Zorn gestillt.
Sie zeigt sehr schönen Anstand.

Boyet. Wie's auch schon mancher Mann fand.

(Longaville geht ab.)

Biron. Wie heißt in der Mütze die?

Boyet. Katharine, Gott schütze sie!

Biron. Ist sie vermählt oder nicht?

Boyet. Wie just die Laune sie sticht.

Biron. Willkommen, mein Herr, lebt wohl zugleich! –

Boyet. Lebt wohl, für mich; willkommen für euch.

(Biron geht ab.)

Maria. Der letzte ist Biron, der tolle, lust'ge Lord.
Kein Wort, das nicht ein Scherz ist.

Boyet.                                                       Und jeder Scherz nur ein Wort.

Prinzessin. Drum war es gut gethan, als ihr ihn faßtet beim Wort.

Boyet. Ich war so rasch zu entern, als er zu nahn dem Bord.

Maria. Zwei tapfre Schafe, wahrlich!

Boyet.                                                     Nein, Schiffe, meine Beste;
Nur Schafe, Lamm, sind wir auf deinen Lippen Gäste.

Maria. Ihr Schaf' und ich die Weide; endigt der Spaß nun hier?–

Boyet. Wenn ihr mir zu weiden erlaubt.

Maria.                                                         Nicht so, mein zartes Tier.
Meine Lippen sind kein Gemeinfeld, wenngleich offen Revier.

Boyet. Und wem denn zugehörig?

Maria.                                               Nun, meinem Glück und mir.

Prinzessin. Die Witz'gen lieben Zank; doch sei der Streit geendet,
Der Bürgerkrieg des Witzes ist besser angewendet
Auf Navarras Bücherhelden; hier wär' er nur verschwendet.

Boyet. Wenn meine Seherkunst, und diese irrt wohl nicht,
Des Herzens stumme Rhetorik, die aus den Augen spricht,
Mir richtig deutete, versank Navarras Mut . . .

Prinzessin. In was?

Boyet. Ei nun, wir Kenner betiteln's Liebesglut.

Prinzessin. Eu'r Grund?

Boyet. Zum Hofhalt seines Auges entflohn Geberd' und Sinnen,
Und schauten durchs Verlangen aus dem Verstecke drinnen.
Sein Herz glich einem Achat, auf den eu'r Bild gedrückt;
Stolz glüht' in seinem Auge, er trug eu'r Siegel entzückt.
Die Zunge ganz erzürnt zu reden, statt zu sehn,
Sie stolpert übereilt, und möcht im Auge stehn.
Zum Sinn des Auges drängte der andern Sinne Gewühl,
Die Schönste der Schönen zu sehn, das war ihr einzig Gefühl;
Sein Auge, wie ein Schrein, dünkt mich, umschloß sie alle,
Wie man dem Fürsten beut Juwelen im Kristalle;
Der, nicht durchs Glas bestochen, der Steine Wert erspäht,
Und sie zu kaufen winkt, wie er vorübergeht.
Auf seiner Stirne Rand las ich in klaren Lettern
Der Glosse Schrift; er schien euch schauend zu vergöttern.
Ich bürg euch Aquitanien und seines Reichs Genuß,
Gebt ihr um meinetwillen ihm einen lieblichen Kuß.

Prinzessin. Kommt, gehn wir in unser Zelt, Boyet ist aufgeweckt, –

Boyet. Nur das in Worte zu fassen, was längst sein Aug' entdeckt.
Ich wußte seinem Auge den Mund hinzuzufügen,
Und lieh der Zunge Worte, die, glaubt mir fest, nicht lügen.

Prinzessin. Dich alten Liebeshändler wird keiner leicht betrügen!

Maria. Er ist Amors Großvater, der muß ihm alles entdecken.

Rosaline. Dann gleicht Venus der Mutter; ihr Vater ist zum Erschrecken.

Boyet. Hört ihr, ihr tollen Dirnen?

Maria.                                               Nein.

Boyet.                                                           Könnt ihr auch nicht sehn?

Rosaline. O ja, den Weg nach Hause.

Boyet.                                                     Ihr mögt in Frieden gehn!

(Alle ab.)


Zweite Scene.

Ebendaselbst. (Armado und Motte treten auf.)

Armado. Trillre mein Kind; affizire mir den Sinn des Gehörs.

Motte (singt).

Armado. Melodische Manier! – Geh, Zartheit der Jahre; nimm diesen Schlüssel, gib dem Bauer Entfess'lung, – bring ihn windschnell hieher; ich bedarf sein wegen eines Briefs an meine Huldin.

Motte. Herr, wollt ihr eure Huldin mit neumodischen Singweisen und Arien gewinnen?

Armado. Wie meinst du? Gibt es Arien, welche weise sind?  –

Motte. Nein, mein vollendeter Gebieter; aber schnellt einen Ton, staccato, von der Spitze eurer Zunge, vibrirt dazu, tremulando, mit euren Füßen, würzt ihn mit Ausdruck, indem ihr die Augenlider aufschlagt; seufzt eine Note und singt eine Note; einmal durch die Gurgel, als schlucktet ihr Liebe, indem ihr Liebe singt; einmal durch die Nase, als schnupftet ihr Liebe, indem ihr Liebe riecht; euern Hut gleich einem Vordach über den Laden eurer Augen; die Arme kreuzweis über euerm dünnen Wamse, wie ein Kaninchen am Spieß; oder eure Hände in der Tasche, wie eine Figur aus den alten Bildern. Dabei müßt ihr nicht zu lange in einer Tonart verweilen, sondern ein Schnippchen, und linksum. Das sind Gaben, das sind Talente, das fängt spröde Mädchen, die sich auch ohnedies fangen ließen: das macht, daß man von den Gemütern, die solches in ihrer Gewalt haben, – notirt's euch, Notiz nimmt.

Armado. Womit hast du diese Erfahrung eingekauft?

Motte. Für meine Pfennig der Beobachtung.

Armado. Doch o! Doch o! –

Motte. »Vergessen ist das Steckenpferd!«

Armado. Nennst du meine Huldin Steckenpferd?

Motte. Nein, Herr, das Steckenpferd ist immer ein rohes Füllen, und eure Huldin ist vielleicht ein Mietklepper. Aber habt ihr eure Huldin vergessen? –

Armado. Beinahe hätt' ich's.

Motte. Nachlässiger Student! Lernt sie auswendig.

Armado. Ich liebe sie auswendig und inwendig, Knabe.

Motte. Und abwendig, Herr; alles beweis' ich euch.

Armado. Was willst du beweisen?

Motte. Mich, als Mann, wenn ich leben bleibe; und dies aus-, in- und abwendig im Augenblick. Auswendig liebt ihr sie, weil ihr ihren Namen ohne Anstoß hersagen könnt; inwendig, weil ihr nicht aus der Haut fahren dürft; und abwendig, weil sie sich von euch abwendet.

Armado. Ich bin in allen diesen drei Fällen.

Motte. Und wär't ihr auch in sechs Fellen, so würdet ihr in allen euren Fellen ungefällig bleiben.

Armado. Führe mir den Bauer hieher, er soll mir einen Brief überbringen.

Motte. Eine sympathetische Botschaft! Ein Pferd als Gesandter eines Esels! –

Armado. Ha! Was sagst du? –

Motte. Meiner Treu, Herr, ihr müßt den Esel auf dem Pferde schicken, denn er ist nur langsam zu Fuß; doch ich gehe.

Armado. Der Weg ist nur kurz; hinweg!

Motte. So schnell wie Blei, Herr.

Armado. Deine Meinung, artiges Ingenium? – Blei dünkt mich ein Metall, dumm, schwer und träg zu sein.

Motte. Minime, edler Sennor, oder wahrlich, Sennor, nein.

Armado. Ich sage, Blei ist langsam.

Motte.                                                 Ihr folgt zu schnell dem Schein;
Ist langsam wohl ein Blei, wenn aus dem Lauf geschossen? –

Armado. Ein würdig Rednerblümchen!
Ich also bin das Rohr, die Kugel paßt auf ihn.
Jetzt schieß ich dich auf den Bauer.

Motte.                                                       Bauz denn und seht mich fliehn. (Läuft ab.)

Armado. Ein höchst scharfsinn'ger Juvenil, so flink, hat so bei der Hand Witz! –
Erlaube, liebes Firmament, ich seufze dir in dein Antlitz! –
Fahr wohl, o Mut, mein Herz ist jetzt der trüben Schwermut Landsitz! –
Mein Herold kommt zurück.

(Motte kommt mit Schädel zurück.)

Motte. Ein Wunder, Herr! seht 'nen Schädel, der sich zerstieß das Bein.

Armado. Ein Enigma, ein Rätsel: komm, wie mag der l'envoy sein?

Schädel. Nichts da von Nicknahmen und Rätseln oder Langfahnen; weg mit euren Salbenbüchsen, Herr; ach, Herr, Wegerich, puren Wegerich, keine Langfahnen, keine Langfahnen, oder Salben, Herr, nichts als Wegerich! –

Armado. Bei der Tugend! Du erzwingst Gelächter; dein alberner Gedanke meinen Humor; das Schwellen meiner Lunge regt mich an zu verächtlichem Lächeln; o vergebt mir, ihr Gestirne! Hält der Unbedachtsame Salbe für l'envoy, und das Wort l'envoy für Salbe!

Motte. Betrachtet der Weise sie etwa anders? Ist nicht l'envoy ein salbungsvoller Gruß? –

Armado. Nein, Page, 's ist ein Epilog, ein Diskurs, der uns erklärt
Irgend ein dunkles Präambulum, das wir zuvor gehört.
Ein Exempel mache dir's klar.
        Der Fuchs, der Affe, die Biene klein,
        Weil's drei sind, mußten sie ungleich sein.
Dies ist die Moral; nun folgt der l'envoy.

Motte. Ich will den l'envoy hinzufügen, sagt ihr die Moral noch einmal.

Armado. Der Fuchs, der Affe, die Biene klein,
Weil's drei sind, mußten sie ungleich sein.

Motte. Bis dann die Gans kam aus der Thür,
Da wurden sie gleich, denn drei ward vier.
Nun will ich mit eurer Moral anfangen; folgt ihr mir nach mit meinem l'envoy.
        Der Fuchs, der Affe, die Biene klein,
        Weil's drei sind, mußten sie ungleich sein.

Armado.
        Bis dann die Gans kam aus der Thür,
        Da wurden sie gleich, denn drei ward vier.

Motte. Ein erfreulicher l'envoy, der sich mit einer Gans endigt. Was könnt ihr mehr verlangen?

Schädel. Der Junge hat ihn zum Besten mit der Gans, das wollt' ich wetten: –
Eu'r Handel wär' nicht schlecht, wär's eine von den fetten. –
Braucht wer 'nen pfiffigen Schelm, ei, seht den Kleinen, der kann's! –
Ihr sucht 'nen fetten l'envoy – Er verkauft euch 'ne fette Gans.

Armado. O wart' noch! Wartet noch! Dies Argument, wie begann's?

Motte. Ich erzählt' euch, wie ein Schädel sich heut das Bein geschunden.
Darauf rieft ihr nach dem l'envoy.

Schädel. Ja wohl; und ich nach Wegerich: so hat sich's eingefunden,
Dann kam der fette l'envoy, die Gans, die er gekauft,
So endigte der Markt.

Armado. Aber erkläre mir, welche Allegorie liegt verborgen unter dem Schädel, welcher sein Bein zerstoßen? –

Motte. Ich will's euch auf eine gefühlvolle Weise deutlich machen.

Schädel. Du hast kein Gefühl dafür, Motte! Diesen l'envoy will ich sprechen:
        Ich Schädel rannt' hinaus, statt ruhig im Hause zu sein,
        Und stolpert' in der Thür, und stieß mich an das Bein.

Armado. Wir wollen die Sache ruhen lassen.

Schädel. Ja, das wird dem Beine wohl bekommen.

Armado. Du, Schädel, ich will dich emanzipiren.

Schädel. Ihr wollt mich als Ehmann citiren? – Das läuft wohl wieder auf so 'nen l'envoy, auf eine Gans hinaus?

Armado. Bei meiner zarten Seele, ich meine, dich in Freiheit setzen, deine Person frankiren; du warst vermauert, gebunden, eingekorkt, verstopft.

Schädel. Richtig, richtig; und nun wollt ihr meine Purganz sein und mich loslassen.

Armado. Ich schenke dir deine Freiheit, erlöse dich aus der Gebundenheit, und als Gegenleistung lege ich dir nur dieses auf: überreiche gegenwärtiges Sendschreiben dem Landmädchen Jacquenetta. Hier ist Remuneration: (gibt ihm Geld) denn die beste Stütze meiner Ehre ist, meine Vasallen zu unterstützen. Motte, folge. (Er geht ab.)

Motte. Wie das X auf das U. Leb wohl, Freund Schädel, du würdiger Kerl!

Schädel. Mein süßes Quentchen Mannsfleisch! Spitzbübische, niedliche Perl'!

Nun will ich seine Remuneration ansehn. Remuneration? Ach, das ist das lateinische Wort für drei Heller; drei Heller heißt Remuneration? Was kostet der Bindfaden? Einen Pfennig. Nein, ich will euch eine Remuneration geben; gelt, das klingt? Remuneration? Ei, das lautet viel hübscher, als eine französische Krone! Ich will ohne dies Wort nichts wieder einkaufen noch verkaufen.

(Biron kommt.)

Biron. O mein guter Kerl Schädel, vortrefflich, daß ich dich finde.

Schädel. Bitt' euch, Herr, wie viel rotes Band kann man für eine Remuneration kaufen? –

Biron. Was ist eine Remuneration? –

Schädel. Ei je, Herr, anderthalb Pfennig.

Biron. Nun also für drei Heller Seide.

Schädel. Ich danke Eu'r Gnaden, Gott befohlen!

Biron. Halt, warte, Mensch, ich muß dich jetzt gebrauchen.
Willst meine Gunst gewinnen, guter Kerl,
So thu' ein Ding, um das ich bitten will.

Schädel. Wann soll es denn geschehn, Herr?

Biron. O, diesen Nachmittag.

Schädel. Nun gut, ich will es thun, so lebt denn wohl!

Biron. Du weißt ja noch nicht, was es ist.

Schädel. Ich werd's schon wissen, Herr, wenn ich's gethan habe.

Biron. Ei, Schlingel, du mußt es vorher wissen.

Schädel. Ich will morgen früh zu Eu'r Gnaden kommen.

Biron. Es muß den Nachmittag geschehn. Hör', Bursch, Es ist nur dies:
Die Fürstin kommt zur Jagd hier in den Park,
Und eine edle Dam' ist im Gefolge.
Spricht süß ein Mund, so spricht er ihren Namen,
Und nennt sie Rosaline. Frag' nach ihr,
Und ihrer weißen Hand gib dies Geheimnis
Versiegelt. Hier dein Recompens; nun geh. (Gibt ihm Geld.)

Schädel. Recompens – o süßer Recompens! Besser als Remuneration, elfte halb Pfennig besser. Ei, du herziger Recompens; ich will's thun, Herr, wie gedruckt. Recompens! Remuneration! (Ab.)

Biron. O! Und ich verliebt, seht doch! –
Ich, der Cupidos Geißel sonst gewesen! –
Ein wahrer Büttel jedem Sehnsuchtsseufzer,
Ein Lästrer, ja, nachtwachender Konstabel,
Ein strenger Schuldespot des armen Knaben,
Kein Sterblicher so überstolz als ich!
Der laun'sche Junge, greinend, blind, verkappt,
Des Giulio Riesenzwerg, Ritter Cupido,
Sonettenfürst, Herzog gekreuzter Arme,
Gesalbter König aller Ach und O,
Lehnsherr der Tagedieb' und Mißvergnügten,
Monarch der Mieder, Schah der Hosenlätze,
Alleiniger Kaiser, großer Feldzeugmeister
Der Kirchenbüßer; – o mein kleines Herz!
Ich soll sein Adjutant sein, soll mich kleiden
In seine Farben, wie ein Maientänzer?
Wie, was, ich lieb', ich werb', ich such' ein Weib? –
Ein Weib, das einer deutschen Schlaguhr gleicht,
Stets dran zu bessern, ewig aus den Fugen,
Die niemals recht geht, wie sie auch sich stellt,
Als wenn man stets sie stellt, damit sie recht geht?
Und was das Schlimmste, noch meineidig werden! –
Und just die Schlimmste lieben von den dreien! –
Ein bläßlich Ding mit einer sammtnen Braue,
Mit zwei Pechkugeln im Gesicht statt Augen;
Und eine wahrlich, die die That wird thun,
Und wär' ein Argus ihr gesetzt zum Wächter!
Und ach, um die nun seufzen, für sie wachen! –
Ich für sie beten? – Gut denn! 's ist 'ne Strafe,
Die Amor mir diktirt für das Verachten
Seiner allmächtig furchtbar kleinen Macht.
Nun wohl! So will
Ich lieben, schreiben, seufzen, ächzen, beten;
Der liebt das Fräulein, jener schwärmt für Greten. (Ab.)

 


 


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