William Shakespeare
Der Sturm; oder: Die bezauberte Insel.
William Shakespeare

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Dritter Aufzug.

Erste Scene.

(Vor Prosperos Celle.)

Ferdinand tritt mit einem Blok auf der Schulter auf.

Ferdinand. Es giebt Spiele welche mühsam sind, aber eben diese Mühe erhöht das Vergnügen das man dabey hat; es giebt niedrige Geschäfte, denen man sich auf eine edle Art unterziehen kan, und höchst geringschäzige Mittel, die zu einem sehr vortreflichen Ziel fuhren. Dieses mein knechtisches Tagwerk würde mir so beschwerlich als langweilig seyn, wenn nicht die Gebieterin, der ich diene, meine Arbeiten zu Ergözungen machte. O! sie ist zehnmal liebreizender als ihr Vater unfreundlich, ob er gleich aus Härte zusammengesezt ist. Auf seinen strengen Befehl soll ich etliche tausend dergleichen Blöke zusammentragen und auf einander beugen. Meine holdselige Geliebte weint wenn sie mich arbeiten sieht, und klagt, daß ich zu einem so sclavischen Geschäfte mißbraucht werden soll. Ich vergesse darüber das Verdriesliche meines Zustandes, und meine Arbeit verrichtet sich unter diesen angenehmen Gedanken so leicht, daß ich sie kaum empfinde.

Miranda zu den Vorigen; Prospero in einiger Entfernung.

Miranda. Ach! ich bitte euch, arbeitet nicht so strenge; ich wollte der Bliz hätte diese Blöke verbrennt, die du auf einander beugen sollst. Ich bitte euch sizet nieder und ruhet aus; Wenn diß Holz brennt, wird es weinen, daß es euch so abgemattet hat; mein Vater ist in seinem Studieren vertieft; ich bitte euch, ruhet aus; wir werden ihn in den nächsten drey Stunden nicht sehen.

Ferdinand. O theureste Gebieterin, die Sonne wird untergegangen seyn, eh ich mein auferlegtes Tagwerk vollendet haben werde.

Miranda. Wenn ihr mir versprecht, euch indessen nieder zu sezen, so will ich eure Blöke tragen. Ich bitte euch, thut es mir zu gefallen, ich will sie nur zu dem Hauffen tragen.

Ferdinand. Nein, du unschäzbares Geschöpf; eher sollten mir meine Sehnen springen und mein Rükgrat brechen, eh du eine solche Arbeit thun und ich müßig zusehen sollte.

Miranda. Sie würde sich nicht übler für mich schiken als für euch; und es würde mich noch einmal so leicht ankommen; denn ich thät es aus gutem Willen, und ihr thut es ungern.

Prospero (für sich.) Armer Wurm! du bist angestekt; dieser Besuch ist eine Probe davon.

Miranda. Ihr seht verdrieslich aus.

Ferdinand. Nein, meine edle Gebieterin, wenn ihr im Finstern bey mir wäret, so wär' es frischer Morgen um mich her. Ich bitte euch (vornehmlich damit ich ihn in mein Gebet sezen könne), wie ist euer Name?

Miranda. Miranda – – – O mein Vater, ich hab' euer Verbot übertreten, indem ich diß sagte.

Ferdinand. Bewundernswürdige Miranda, in der That, alles würdig, was die Welt schäzbarstes hat! Ich habe viele Damen gesehen, mit aufmerksamen Augen gesehen, und manchmal hat die Music ihrer Zungen mein allzuwilliges Ohr gefesselt; um verschiedner Vorzüge willen haben mir verschiedne Frauenzimmer gefallen, aber keine jemals so sehr, daß nicht bald irgend ein Fehler den ich an ihr bemerkt, ihre schönste Eigenschaft verdunkelt hätte. Du allein, o du, so vollkommen, so unvergleichlich, bist aus allem zusammengesezt, was an jedem Geschöpfe das Beste ist.

Miranda. Ich kenne keine von meinem Geschlecht, und habe nie ein weibliches Gesicht erblikt, ausser mein eignes in meinem Spiegel; noch habe ich mehr Männer gesehen, die ich so nennen mag, als euch, mein guter Freund, und meinen theuren Vater. Was für Geschöpfe anderswo seyn mögen, kan ich nicht wissen: Aber, bey meiner Unschuld, meinem besten Kleinod, ich wünsche mir keine andre Gesellschaft in der Welt als die eurige; noch kan meine Einbildungskraft sich eine andre Gestalt vorbilden, die mir gefallen könnte, als die eurige. Aber ich plaudre, denk ich, zu unbesonnen, und vergesse hierinn meines Vaters Ermahnungen.

Ferdinand. Ich bin meinem Stande nach ein Prinz, Miranda; ich denke, ein König (wollte der Himmel ich wär' es nicht!) und ich wollte diese hölzerne Sclaverey nicht mehr erdulden, als ich leiden wollte daß eine Fleischfliege mir auf die Lippen säße. Aber höret meine Seele reden: In dem ersten Augenblik, da ich euch sah, flog mein Herz in euern Dienst, und machte mich auf ewig zu euerm Leibeignen, und um euertwillen bin ich ein so geduldiger Holzträger.

Miranda. Liebet ihr mich also?

Ferdinand. O Himmel, o Erde, seyd meine Zeugen, und krönet meine Rede mit einem glüklichen Erfolg, so wie ich die Wahrheit rede; wo nicht, so verkehret meine besten Hoffnungen in Unglük. Ueber alles was in der Welt ist, über alle Grenzen, liebe, schäze und verehr' ich euch.

Miranda. Ich bin eine Thörin daß ich darüber weine, was ich so erfreut bin zu hören.

Prospero (für sich.) Wie selten treffen zwey solche Herzen einander an! Ihr Himmel, schüttet euern Segen auf ihre keimende Liebe!

Ferdinand. Warum weinet ihr?

Miranda. Ueber meine Unwürdigkeit, die es nicht wagen darf anzubieten was ich zu geben wünsche, und noch viel weniger anzunehmen, wessen Verlust mein Tod seyn würde. Doch diß ist Tändeley! Je mehr es sich selbst verbergen will, desto mehr zeigt es seine Grösse. Hinweg, falsche Schaamhaftigkeit, und du allein regiere meinen Mund, offenherzige und heilige Unschuld. Ich bin euer Weib, wenn ihr mich heurathen wollt, wo nicht, so will ich als euer Mädchen sterben; ihr könnt mir abschlagen, eure Gesellin zu seyn; aber eure Sclavin will ich seyn, ihr möget wollen oder nicht.

Ferdinand (kniend.) Meine theureste Gebieterin, und ich ewig der deinige.

Miranda. Mein Gemahl also?

Ferdinand. Mit so verlangendem Herzen, als die Knechtschaft sich nach Freyheit sehnt. Hier ist meine Hand.

Miranda. Und hier die meinige, mit meinem Herzen drinn; und nun lebet wohl, auf eine halbe Stunde.

Ferdinand. Tausend, tausend Lebewohl!

(Sie gehen ab.)

Prospero. So froh über dieses als sie, kan ich nicht seyn, sie, die lauter Entzükung sind; aber es ist nichts in der Welt, worüber ich eine grössere Freude haben könnte. Ich will zu meinem Buche. Denn zwischen izt und der Abend-Essens-Zeit muß ich noch vieles nöthige zu stande bringen.

(Geht ab.)


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