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»He-he!« sagte Asmodai, hob den Kopf, als ob er lausche, und schnupperte mit der Nase.
Und bald kam mir Getümmel und Geplapper an die Ohren.
»Es ist nichts, es ist nichts, ein paar Hexen haben Krämpfe bekommen und sind in Ohnmacht gefallen«, sagte Asmodai mit einem Lachen, »das sind gewöhnliche Dinge. Ach, was für eine Zeit das ist, was für eine Zeit! Gar nicht mit den Hexen von einst zu vergleichen! Wenn früher eine Hexe sich ans Reiten machte, ritt sie aus Leibeskräften, und wurde gar nicht müde, und wenn der andere zum Teufel ging. Aber die heutigen Hexen, daß ich nicht lache, bei der geringsten Kleinigkeit haben sie es mit den Nerven und kriegen Krämpfe. Sie wollen sich von den Kavalieren gerne wieder zum Bewußtsein bringen lassen. Ach, diese Zeit! Wie die Menschen, so sind die Hexen. – He, Rohirot!«
Ein zusammengeschrumpfter, altersgebeugter Teufel, dürr wie ein Span, mit einem Körper von abscheulicher Farbe, einem ziemlichen Buckel und einer dünnen, langen, elefantenrüsselartig gewundenen Nase, kam schnell zu Asmodai geflogen, trat vor ihn hin, warf den langen haarlos gewordenen Schwanz zwischen seine Hühnerbeine und beugte die schmale Stirn, auf der in den beiden Winkeln zwei steife Zöpfe wie Hörner emporstanden.
»Rohirot, mein guter, treuer Diener!« wandte sich Asmodai lächelnd an den Teufel. »Wie geht es unsern Damen?«
»Sie tun schön, gnädiger Herr. Es sind Frauenzimmer! Was wollen die Weiber? Tanzen. Nach einer so langen Reise haben sie Lust, sich ein wenig auszuruhen, sich ein wenig aufzufrischen, sich zu putzen, sich zu unterhalten, irgend jemandem zu gefallen und wäre es der Hölle.«
»Gut, Rohirot! Geh und tu deine Sache.«
Es dauerte nicht lange, so breitete sich weit durch die Lüfte ein kostbarer Seidenteppich, mit edlem Gold, mit den schönsten Blüten und den kunstvollsten Gemälden der Erde bestickt. Vor den Augen funkelten und schillerten smaragdgrüne Wälder, aus denen rubinrote Orangen, reife, anmutige Pfirsiche hervorsahen und unter den Blättern ihre drallen, rotfarbenen, mit kurzen Haaren besetzten Wänglein hervorsteckten und wie von selbst stumm um einen Kuß baten. Schwarze Kirschen warfen Äuglein, blinzelten, winkten und lockten die Seele. Die Augen entbrannten einem vor Lust. Wohin man sah, war es schön und lieblich. Wohin man sich kehrte, zog und trieb es einen hin, das Herz sehnte sich in Begier – man hätte von Sinnen kommen mögen!
Wie die Heuschrecken ließen sich die Teufelsmassen hier nieder, klein und groß, jung und alt, liefen nach allen Seiten auseinander und verschwanden bald. Asmodai ließ mich los und befahl mir, ein wenig spazieren gehen.
Als ich aus den Händen des Teufels kam, war ich wie ein lange gebundener Hahn, der nach dem Losbinden noch eine Zeitlang angstvoll still daliegt, kaum aber, daß er Atem geholt hat, aufspringt und hochgereckt ein stolzes Kikeriki hinausschmettert, als sei er der größte, beste, strammste Hahn der Welt. Ich vergaß sogleich die Not und war ein forscher Gesell, ich spazierte umher. Was ich erblickte, begehrte ich, all die schönen Dinge wollte ich haben.
So blieb ich auf meinem Spaziergang bei einem großen Strauß aus kostbarsten Edelsteinen stehen: Diamanten, Brillanten, Saphire, Rubinen aller Arten, in Gold gefaßt. In meinem Innern begann sich etwas zu regen. Nach meiner Schätzung war er gewiß Hunderttausende von Talern wert, vielleicht noch ein paar Pfennig darüber, ja, ein paar Millionen Taler, ohne zu übertreiben. Es quälte mich: »O weh, o weh, wenn ich das hätte! Ich verkaufte es, hätte dann ein hübsches Kapital beisammen, lebte als reicher Mann, hätte genug für Suppe und Brei und brächte so meine Jährlein zu!« Der böse Trieb packte mich heftig. »Wirklich«, sagte er, »warum solltest du einen solch kostbaren, ehrlichen Fund nicht aufheben, Ssruul? Wem nützt das hier, wer hat hier einen Genuß davon? Weder Gott noch die Menschen. Wenn die Teufel das nicht mehr haben, so müssen sie drum noch nicht zum Teufel gehen. Sie haben ja genug. Nimm! Du wirst dadurch die ewige Seligkeit erwerben. Bei jedem Bissen, den du dadurch genießen wirst, wirst du ja eine Benedeiung sprechen. Gott wird sich freuen, und du auch. Nimm, nimm!«
Ich sah mich nach allen Seiten um – niemand war da. Ich stand ein wenig und überlegte. Ich faßte mir ein Herz und –
Als ich die Hand ausstreckte, fühlte ich von hinten einen Schlag wie mit einem Riemen. Ich sah mich vor Schreck halbtot um, und erblickte den alten buckligen Teufel.
»Oh, oh, Friede mit Euch, willkommen!« sagte er lächelnd und gab mir mit dem Schweife einen leichten Schlag auf die Hand, so wie Teufel einander zu grüßen pflegten.
»Friede!« brummte ich in meinen Bart und sah ihn mit halbgeschlossenen Augen an. »Ich glaube . . . Ihr kommt mir bekannt vor.«
»Ich bin Rohirot! Habt Ihr mich vergessen? Ich bin Rohirot, der Statthalter dieses Teppichs.«
»So! Der Statthalter!!« fuhr ich erschrocken zusammen, lüftete meine Mütze, trat voll Ehrfurcht zurück und dachte bei mir: »O weh, er hat's gewiß erraten, was ich grade tun wollte.«
»Ach, nicht doch, Reb Ssruul, macht bloß kein Aufhebens! Ich will Euch hier bei mir als einen lieben Gast aufnehmen. Oh, oh: Reb Ssrulik! Daß ich das Glück habe, in meinem Lande den Enkel eines so berühmten Ahnen zu sehen!«
»Ach, Ihr scherzt!«
»Behüte! Ich bin ganz ernst. Ich habe Euern Ahnherrn sehr gut gekannt, den weltberühmten Weisen, den seligen König Salomo. Ich habe viele Jahre unter ihm gedient, meine besten Jahre, als ich noch jung war und mein Schweif noch nicht kahl. Er war es, der mich hier als Statthalter eingesetzt hat. Wollt Ihr vielleicht von der Weisheit Eures Ahnherrn hören, wollen wir uns hier auf den Teppich setzen und ich will Euch erzählen. Ich habe jetzt Zeit. Heute ist Teufelssabbat.«
Wir ließen uns bei dem Strauße meiner Begierde nieder. Rohirot streichelte mich mit dem Schweife als Zeichen der Ehrung und Zuneigung und erzählte mir mit folgenden Worten:
»Dieser Teppich, den Ihr da seht, er ist sechzig Meilen lang und sechzig Meilen breit, gehörte dem König Salomo. Er reiste mit ihm so schnell durch die Lüfte, daß er das Mittagmahl in Damaskus und das Abendbrot in Medien aß. Heere besaß er in unendlicher Zahl, von allen Geschöpfen der Welt. Seine obersten Flügeladjutanten, durch die er seine Kommandos erteilte und Befehle sandte, waren vier: Von den Menschen: Aßaf ben Berachja; von den Teufeln: Rohirot, meine Wenigkeit höchstpersönlich; von den Tieren: der Löwe; von den Vögeln: der Adler.«
»Aber wo ist denn der Auerhahn?!« fiel ich Rohirot in die Rede. »Man erzählt ja so viel vom Auerhahn!«
»Ach was, Unsinn! Bringt bitte die Dinge nicht durcheinander. Der Auerhahn ist eine Geschichte für sich, mit dem Würmlein, und das ist etwas ganz anderes«, sagte Rohirot mit saurer Miene, verzog die Nase und traf mich mit seinem Schweife absichtlich oder versehentlich viel heftiger als mit einer gewichtigen Ohrfeige und erzählte weiter.
»Stolz war König Salomo – nicht wie der Teufel, sondern wie tausend Millionen Teufel zusammen. Er hielt furchtbar viel von sich. Darum beging er manchmal – es sei ihm keine Schande! – Dummheiten und zog sich dadurch Feindschaft und Gerede der Leute zu. Ich selbst hatte einmal einen Auftritt mit ihm und wollte diesen Teppich nicht mehr führen, so daß vierzigtausend Menschen auf die Erde hinunterstürzten und er in Schmach und Schande sich bessern mußte. Ein andermal bekam er folgendes ab: Auf einer Luftreise flogen wir einmal über das Tal der Milben, da hörte er, wie eine schwarze Milbe zu den übrigen sagte: ›Geschwind in Eure Häuser, damit euch die Heere König Salomos nicht vernichten!‹ – ›So!‹ sagte er grimmig. ›Steig hinunter, Rohirot!‹ Ich kam zu den Milben: ›Wer hat das zu sagen gewagt?‹ Da gestand eine: ›Ich fürchtete, sie könnten laufen, um eure Heere anzusehen und dabei die Lobpreisungen Gottes vernachlässigen, und er würde uns dann in seinem Zorne töten.‹ Ich fragte sie: ›Warum hast gerade du gesprochen?‹ – ›Ich bin die Königin!‹ sagte sie. ›Wie heißt du?‹ – ›Ich heiße Machschama.‹ Kurz und gut, ich nahm sie gefangen und brachte sie vor Salomo. Er nahm sie auf die Hand, hielt sie vor sein Gesicht und sprach zu ihr: ›Sage, gibt es auf der Welt denn jemanden, der größer wäre als ich?‹ – ›Ja!‹ antwortete sie kurz und bündig. – ›Wer?‹ – ›Wer? Ich!‹ – ›Wieso bist du größer?!‹ – ›Wenn ich nicht größer wäre als du, hätte dich Gott doch nicht hierher geschickt, um mich sorgfältig auf den Händen zu tragen.‹ Salomo geriet in helle Wut, schleuderte sie zur Erde und rief: ›Milbe, weißt du, wer ich bin?! Ich bin Salomo, der Sohn König Davids!‹ – ›Ach, darum brauchst du nicht groß zu tun‹, sagte sie, ›du bist ein Fleischklumpen wie alle andern!‹ Da war König Salomo starr und schämte sich sehr nach den Reden der Milbe.«
»Ich bitte Euch um Verzeihung«, sagte ich erstaunt, »aber das ist nicht so leicht zu verstehen. Eine Milbe und solche Reden! Wie kommt das zusammen?«
»Stille!« sagte Rohirot ganz gelassen. »Wenn ich Euch einen Midrasch beibringen und zeigen werde, daß dasselbe im Midrasch steht, werdet Ihr es dann glauben?«
Rohirot war wie alle alten ausgedienten Krieger. Sie schwatzen und schwindeln, erzählen mächtig viel von Wundern und Heldentaten, rühmen ihre Generäle und berichten unbedenklich die ungeheuersten Dinge: sie lassen Kamele über die Dächer fliegen, erfinden balkendicke Schlangen, lassen die Toten wieder auferstehen, sie schwingen ihre Speere über viele Tausende von Leichen. Und was das Schlimmste ist: wenn sie zu erzählen anfangen, reihen sie eine Geschichte an die andere, bis es die Ohren nicht mehr hören können.
Und auch Rohirot erzählte, als er von Salomo angefangen hatte, wieder weiter:
»Einmal machte seine Majestät, der selige König Salomo, eine Luftreise und blieb zehn Tage und zehn Nächte oben. Eines Tages sah er einen hohen Palast, der ganz aus Holz gebaut war. Da sagte er zu seinen Fürsten: ›Einen solchen Palast habe ich in der Welt noch nicht gesehen.‹ Er befahl dem Wind, hinunterzusteigen, und spazierte mit Aßaf ben Barachja um das Schloß herum – die Kräuter dufteten wie im Paradies –, aber sie fanden keine Tür zum Eintreten. Da waren sie sehr erstaunt: ›Wie sollen wir's anstellen, daß wir hineinkommen?‹ Da trat ich zum König und sagte zu ihm: ›Mein Herr, warum bist du so bekümmert?‹ Der König antwortete: ›Ich bin wegen dieses Schlosses bekümmert, das keinen Eingang hat.‹ Da sagte ich ihm: ›Herr König, ich werde den Teufeln befehlen, über das Dach des Palastes zu gehen, vielleicht finden sie dort was, Menschen oder Vögel oder sonst ein Wesen.‹ Ich schrie die Teufel an und befahl ihnen: ›Steigt schnell auf das Dach und seht nach, ob ihr was findet!‹ Sie gingen und berichteten bei der Rückkehr: ›Herr, wir sahen dort keinen Menschen, sondern bloß einen großen Vogel namens Adler, der über seinen Jungen saß.‹ Da rief er den Vogelfürsten und sagte zu ihm: ›Geh und bring mir den Adler.‹ Da ging der Vogelfürst und brachte den Adler vor König Salomo, und er sang und lobpries den Herrn und begrüßte den König. Der fragte ihn: ›Wie heißt du?‹ Er antwortete: ›Alenad.‹ – ›Wie alt bist du?‹ fragte er ihn. ›Siebenhundert Jahre.‹ – ›Hast du gesehen oder gehört oder weißt du, daß dieses Haus einen Eingang hat?‹ Er antwortete: ›Mein Herr, bei meinem Leben, ich weiß es nicht, aber ich habe einen Bruder, der ist zweihundert Jahre älter und weiß und versteht mehr, er wohnt auf der zweiten Stufe.‹ Da sagte Salomo zum Vogelfürsten: ›Führ diesen Adler zurück und bring mir seinen älteren Bruder.‹ Nach einer Weile kam er mit einem Adler zurück, der größer als der erste war und den Schöpfer pries und lobsang und den König begrüßte. Er fragte ihn: ›Wie heißt du?‹ Er antwortete: ›Alëuf.‹ Er fragte ihn: ›Wie alt bist du?‹ – ›Neunhundert Jahre.‹ Er fragte ihn: ›Weißt du oder hast du gehört, daß dieser Palast einen Eingang hat?‹ Er antwortete: ›Mein Herr, bei meinem Leben, ich weiß es nicht, aber ich habe einen Bruder, der ist zweihundert Jahre älter, der weiß und versteht mehr, er wohnt auf der dritten Stufe.‹ Da sagte Salomo zum Vogelfürsten: ›Führ den zurück und bring mir seinen ältern Bruder.‹ Nach einer Weile kam der große Adler, der war sehr alt und konnte nicht fliegen. Sie hoben ihn auf ihre Flügel und brachten ihn vor Salomo, er pries den Schöpfer und begrüßte den König. Salomo sprach zu ihm: ›Wie heißt du?‹ Er erwiderte: ›Altamar.‹ Dann fragte er: ›Wie alt bist du?‹ Er erwiderte: ›Tausendunddreihundert Jahre.‹ Er fragte ihn: ›Weißt du oder hast du gehört, daß dieses Schloß einen Eingang hat?‹ Er antwortete: ›Mein Herr, bei meinem Leben, ich weiß es nicht, aber mein Vater erzählte mir, daß es auf der Westseite einen Eingang hätte, doch im Laufe der vielen Jahre sei er vom Sand verschüttet worden. Wenn du willst, so befiehl dem Wind, den Sand abzutragen und das Tor bloßzulegen.‹ Salomo gebot es dem Wind, der blies und entfernte den Sand und das Tor wurde frei. Es war ein sehr großes eisernes Tor und auf dem Schloß der Tür stand geschrieben: ›Wisset, ihr Menschen, in diesem Schlosse wohnten wir viele Jahre herrlich und in Freuden, und als der Hunger über uns kam, mahlten wir Perlen in den Weizen hinein, aber es half uns nichts, und wir ließen das Haus den Adlern und lagen auf der Erde.‹ Dann stand noch: ›Dieses Haus betrete nur Prophet oder König. Wenn er hineingehen will, so grabe er bei der rechten Seite des Tores, dort wird er einen Kasten finden, den zerschlage er und nehme die Schlüssel heraus.‹ Er öffnete das Tor, da fand er eine goldene Pforte. Er öffnete und durchschritt sie, und fand ein schönes Gebäude mit sehr, sehr vielen schönen Zimmern und fliesenbedeckten Höfen, aus Gold und Silber. Darin sah er einen silbernen Skorpion, er entfernte ihn und entdeckte ein unterirdisches Gemach voll Perlen, Silber und Gold. Dann fand er ein zweites Tor und auf der Tür stand geschrieben: ›Der Herr dieses Schlosses lebte in Macht und Ehren, die Löwen und Bären fürchteten seine Herrschaft und Hoheit. Er saß auf dem Thron und kam vor der Zeit zum Sterben und die Krone fiel ihm vom Haupte.‹ Dann öffnete er das Tor, durchschritt es, fand ein drittes Tor und darauf stand geschrieben, daß sie in Ehren und großem Reichtum lebten, daß die Schätze zurückblieben und sie starben. Dann öffnete er das Tor. Er fand eine Aufschrift: ›Wieviel bestand ich, wieviel erlebte ich, wieviel aß ich, wieviel trank ich, wieviel schöne Kleider trug ich, wieviel bedrohte ich und wieviel bedräute mich.‹ Er ging weiter und fand ein schönes Gelaß aus Rubin und Topas, das hatte drei Türen. Auf der einen stand: ›Mensch, du gehst dahin von deinem Ort und ruhst in der Erde.‹ Auf der zweiten Tür: ›Eile nicht, geh langsam, denn die Welt wird dem einen genommen und dem andern gegeben.‹ Auf der dritten stand: ›Nimm dir Wegzehrung und schaffe dir Speise, solange es noch Tag ist, denn du wirst nicht auf der Erde bleiben und kennst den Tag deines Todes nicht.‹ Er öffnete die Tür und ging hinein und sah eine sitzende Gestalt; wer sie ansah, hielt sie für lebendig, und er ging vor das Bild und trat heran, da bebte es und schrie mit lauter Stimme: ›Kommet, ihr Söhne des Satans, sehet, Salomo ist gekommen, um euch zu vernichten!‹ Und es sprühte Feuer und Dampf aus seinen Nüstern. Da rief Salomo ihnen entgegen: ›Ihr wollt mich bedrohen? Ihr wißt nicht, daß ich König Salomo bin, der über alles Wesen herrscht, das Gott geschaffen hat! Ich will euch züchtigen und ihr erhebt euch wider mich!‹ Und er sprach den ausdrücklichen Namen über sie. Da schwiegen sie alle und fielen aufs Gesicht. Da trat Salomo zu dem Bilde, nahm eine silberne Tafel aus seiner Kehle und eine Kette, und auf der Tafel stand alles über das Schloß, aber er wußte es nicht zu lesen und er betrübte sich sehr und sprach zu seinen Fürsten: ›Fürwahr, ihr wisset, so sehr habe ich mich gemüht, um an das Bild zu gelangen! Jetzt habe ich die Tafel und weiß nicht, was auf ihr steht.‹ Da sah er einen Jüngling aus der Wüste nahen. Er kam vor Salomo, bückte sich vor ihm und sprach: ›Was ist dir, König Salomo, daß du bekümmert bist?‹ Er erwiderte: ›Ich bin wegen dieser Tafel betrübt, weil ich nicht weiß, was auf ihr steht.‹ Der Jüngling sagte: ›Gib sie mir, ich werde sie dir vorlesen. Ich saß an meiner Stätte und Gott sah, daß du bekümmert bist, und schickte mich, um dir die Schrift vorzulesen.‹ Er überreichte sie ihm. Der Jüngling betrachtete sie, war erstaunt und weinte: ›Ach, Salomo, diese Schrift ist in griechischer Sprache und sagt: Ich Schadar ben Ad herrschte über Myriaden von Ländern und ritt auf Myriaden von Rossen, und unter meinen Händen waren Myriaden von Königen, ich tötete Myriaden von Helden, und in der Stunde, da der Todesengel zu mir kam, überwand ich ihn nicht. Jeder, der diese Schrift liest, wird sich in dieser Welt nicht sehr mühen, denn das Ende jedes Menschen ist der Tod und nichts bleibt dem Menschen über als ein guter Name.‹ Ich habe noch viele Geschichten aus dem Leben Salomos, aber da ich sehe, daß Ihr ein wenig ketzerisch seid, nichts für ungut, und einem grauen, alten Teufel nichts glaubt, ist es klüger und besser zu schweigen. Daß ich Euch aber so einfach fortlasse, geht nicht. Ihr seid ja schließlich Reb Ssrulik, ein so lieber Gast, der Enkel König Salomos. Sagt, was wollt Ihr, Reb Ssrulik?«
Ich wollte um den Brillantenstrauß bitten, den mein Herz so sehr begehrte, aber ich überlegte es mir sofort: Nein! Das gleich so einfach hinauszusagen: »Gib mir!« das hatte keinen Zweck. Der Teufel mochte wissen, was er beabsichtigte. Vielleicht war es nur ein Kniff. Also was sollte ich tun? Ich mußte es hinten herum und pfiffig machen. Ich hatte bald einen ganz schlauen Einfall und fragte ihn:
»Sagt mir, Herr Rohirot: Nach Euern eigenen Worten hat dieser Teppich dem König Salomo gehört, also meinem Großvater, wie Ihr sagt. Nun, da fragt es sich doch, wie kommt er jetzt zu Asmodai?«
Hierin lag ein Wink mit dem Zaunpfahl, eine Einleitung für den Strauß: »Gibst du mir's gutwillig, so ist es recht, dann werde ich auch damit schon zufrieden sein. Mit hunderttausend Millionen Talern kann man schon irgendwie leben. Sonst trete ich als Erbe auf, fordere den ganzen Teppich und führe dich als Zeugen.«
Rohirot verstand mich offenbar wohl. Er war verwirrt, schnitt Gesichter und stotterte mit halben Worten:
»Das ist so eine Sache . . . versteht Ihr . . . das war eine Geschichte . . . Zwischen König Salomo und Asmodai fiel etwas vor . . . Asmodai wurde von Salomo durch List gefangen und mit Wein betäubt. Dann rächte er sich und warf Salomo vierhundert Meilen weit, nahm ihm das Reich weg, nahm ihm die Frauen, den Teppich, alles . . . Das ist eine ganze Geschichte . . . Aber . . . Ihr seid ja ein wenig von einem Ketzer«, schloß Rohirot, versetzte mir, mit oder ohne Absicht, einen mächtigen Schlag mit dem Schwanz und verschwand.
»Wartet nur, wartet nur«, dachte ich in starkem Zorne, »der Teufel wird euch holen! Was das für ein Grund ist: ›Er nahm es ihm!‹ Eine schöne Geschichte, wahrhaftig, sehr schön! Versteht man's: König Salomos Königreich, ein Gut von sechzig Meilen in die Länge und in die Breite – und plötzlich mochte er mit langer Nase zum Teufel abziehen.«
Den Feinden Zions mein bitteres Leid! Bei jedem Schritt hatte ich alle die wunderbaren Herrlichkeiten vor Augen, all den Reichtum, all das Gut – mir gehörte es, mir und doch nicht mir, Gott sei's geklagt! . . .