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Es ist nicht angenehm, oder vielmehr es ist oft angenehm, aus der Sprache eines Volks seinen Charakter zu sehen. »He is possessed of great riches«, sagt der Engländer gewöhnlich, ohne etwas Schlimmes zu denken, und drückt dadurch das Verhältnis des Mannes zum Gelde aus. Das letzte ist Herr. Desgleichen sagen die Briten: »He is worth ten thousand pounds«, und es heißt bei ihnen, er hat so und so viel. Subtrahiere die Summe, so bleibt nichts; also ist der Kerl nichts wert. He is not worth a groat heißt nicht, wie ungefähr bei uns moralisch: der Kerl ist keinen Heller wert, sondern: der Lump hat keinen Heller in der Tasche. Unsere deutschen Büttel aller Art sagen gewöhnlich sogleich: »Will der Kerl räsonnieren? Nur nicht räsonniert!« Man kann nicht besser bezeichnen. Der Gedanke ist verbannt. Das hat sich seit langer Zeit auch deutlich in Nationalsachen gezeigt. Rex, roi, imperator etc.: alles sind noch Benennungen, die humanen philosophischen Sinn haben; bei uns ist König, wer kann; die Knechtschaft bruta vis. Und wo sie oben versiegt, geht sie in die Unterköniglinge, die Satelliten über. Das Wort Vornehm ist eine eigene Unvernunft der Deutschen: »was voraus nimmt«. Keine andere Sprache hat, soviel ich weiß, ein Ähnliches in diesem Sinne. Es zerstört sogleich alle ersten Begriffe von Gerechtigkeit. Zum Glück hat die Dummheit den Menschensinn noch nie so herabwürdigen können, daß ein vornehmer Mann für ein reines Lob gälte. Darum bekümmert sich aber der vornehme Mann nicht, eben weil er vornehm ist.
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Bei Roßbach hat man das letztemal mit den Ausländern Deutsch gesprochen: seitdem haben sie uns ihre Sprache gelehrt. Das ist sehr begreiflich: sie sind klüger geworden, und wir beträchtlich dümmer.
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Unser deutsches Wort Höflichkeit ist ebenso zweideutig als das französische politesse. Ob uns von den Höfen viel Gutes kommt, weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß uns von ihnen viel Schlechtes kommt.
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Bei der allgemeinen Schande und Verwirrung des deutschen Vaterlandes tröstet mich, daß es nicht leicht schlechter und unvernünftiger werden kann, als es bisher war.
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Seitdem wir alle Herren sind, gibt es immer weniger und weniger Männer. Wenn die Franzosen den Ursprung des Wortes Allemands bedächten, würden sie noch bitterer spotten, daß wir mit unserm Namen so sehr im Gegensatz stehen.
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Wenn man so echtdeutsch apathisch faul ist, darf man nur hinaus in die freie Luft unter die Menschen gehen, und wenn man dann durch den Ärger nicht etwas wieder zum Leben geweckt wird, so ist man ohne Rettung zum moralischen Tode verdammt.
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Leider scheint jetzt für Deutschland die einzige Hoffnung in der Zerstörung zu sein. Unsere Leiden kommen nicht von außen, sondern von innen.
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Man vernichtete die Griechen durch Griechen. Nun zerstört man die Deutschen durch Deutsche. Es finden sich Niederträchtige genug. Doch vielleicht ist nur in der Zerstörung Hoffnung.
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Eine Nation nenne ich eine große Volksmasse, die durch ihre freien Abgeordneten gesetzlichen Anteil an ihren öffentlichen Verhandlungen hat. Wer die Deutschen zur Nation machen könnte, machte sich zum Diktator von Europa.
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»Was ist der Mann?« fragen andere. »Wer ist sein Herr Vater?« fragt der Deutsche.
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Ich kann mir nicht helfen, es ist meine tiefste Überzeugung: der allgemeine Charakter der Deutschen seit langer Zeit ist Dummheit und Niederträchtigkeit. Das ist die Schöpfung unserer Fürsten und Edelleute, der Ertrag des Privilegienwesens.
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Wir sind jetzt die Nation der Titel, des Adels, des Dienstzwangs, der Fröne, des Unsinns, der Dummheit; kurz die privilegierte Nation, oder die Nation der Privilegien.
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Es ist Schande für die Deutschen, daß ein Fremder sie beeinträchtigen kann, und es ist noch größere Schande für sie, daß ein Fremder ihr Retter sein soll.
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Es ist für Deutschland durchaus keine Rettung zu Sicherheit und Ehre als durch Zerstörung. Daß diese nicht eintrete und das Volk nicht seinen Vorteil und seine Kraft fühle, dafür werden schon die fremden Despoten und die einheimischen Pleonekten sorgen.
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Es gibt eine doppelte Energie: die Energie der Kultur und des Enthusiasmus der Freiheit, und die Energie der Barbarei. Die erste findet man bei Marathon, bei Thermopylä, am Vesuv bei Spartacus und sonst hier und da; seltener bei den Neuern. Die Energie der Barbarei hatten Cyrus, Sesostris, Attila, Peter der Erste und einige andere. Wo keine Vernunft und doch auch keine Barbarei ist, kann schwerlich Energie entstehen: daher die Schwerfälligkeit der Deutschen, die in öffentlichen Verhältnissen zuweilen an Dummheit grenzt.
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Wir sind mit Privilegien und Unsinn so beglückseligt, daß ich fürchte, wir werden nur durch die Barbarei den Weg zur Vernunft machen können.
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Rede an die Deutschen. – Die Rede war fertig im Geiste, und du siehst an den vier Bogen Papier dazu, daß die Philippika nicht klein ist. Nicht der Lohn des Griechen und Römers hält mich zurück, sondern der Gedanke der gänzlichen Vergeblichkeit. Also mag es genug sein mit dem Worte von Christus: Ich hätte euch wohl viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
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Nach dem Kalabresen halte ich den Deutschen in seiner Vornehmheit für den größten Barbaren in Europa, die Finnen und Lappen nicht ausgenommen.
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Der Deutsche ist meistens alles nur halb: nur Pedant und Privilegiat ist er ganz, auch Grobian zuweilen.
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Die Y.schen Offiziere machen sich sehr breit; das heißt sie gehen sechs bis sieben Mann breit in den öffentlichen Spaziergängen, so daß sie sie ganz besetzen und es schwer wird, ihnen auszuweichen. Eine Unschicklichkeit und Unanständigkeit, die ich nie bei den Franzosen oder andern Fremden gesehen habe, und die nur ein Privilegium der Deutschen zu sein scheint! Berührt man von ungefähr einen der Herren, so blickt und spricht er mit einer unsäglichen, altpreußischen Impertinenz, als ob er den Blocksberg zusammentreten wollte: und doch ist's ein Mann von Halle, Magdeburg oder Prenzlow, der eine andere Kokarde aufgepflanzt hat. Die Gemeinen zerhauen die Pflanzungen um die Stadt herum mit einer echt bestialischen Zerstörungswut, und wehe der Polizei, wenn sie es wagt, ihre Lindenalleen zu schützen.
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Der Geist eines Griechen strebte zum Himmel empor bei dem Gedanken von Recht und Freiheit und Vaterland: wir zucken zurück, wie die Austern. Unsere Xerxesse messen unsere erbärmliche Existenz mit Quadratellen und peitschen uns zur hündischen Proskynese, zur Verzichtleistung der Menschenvernunft.
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»Er ist in Ungnade gefallen«, ist ein Lieblingsausdruck der Deutschen: ein Beweis, daß diejenigen, die so reden, nicht unter der Ägide der Vernunft stehen!
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Wenn für das deutsche Vaterland etwas zu tun wäre, so würde ich die Gefahr nicht scheuen, es zu tun. Aber wir sind durch unsere eigenen Krebsgeschwüre zur Verworfenheit verdammt. Nur einige Männer könnten durch ihre Verhältnisse die Nation neu schaffen und gründen und halten: aber diese sind zu fürstlich privilegiert, um die Größe des Vaterlandsgeistes, Bürgersinns und der höhern allgemeinen Gerechtigkeit zum göttlichen Enthusiasmus zu fühlen.
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Es ist nirgends mehr Haß als unter den Diminutivnatiönchen der deutschen Horden, und alle geben einander zur großen Freude der Fremden reichliche Ursache.
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Der verstorbene Lord Bristol, liederlichen Andenkens, teilte in Rom die Deutschen ein in Weintrinker und Biertrinker, mit der Bemerkung, die Weintrinker seien Schurken und die Biertrinker Dummköpfe. Soviel zynische Arroganz auch in dem Urteil liegt, muß man doch bekennen, der Mann kann durch das Studium unserer öffentlichen Verhältnisse füglich darauf geleitet worden sein. Jetzt haben wir der Weintrinker beträchtlich weniger, aber der Biertrinker beträchtlich mehr, und sind also dadurch nichts gebessert.
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Ich höre überall von heißpatriotischen Preußen, Österreichern, Bayern, Sachsen usw., die einander um die Wette hassen; nur höre ich von keinem Deutschen. Wehe also meinem Vaterlande! In hundert Jahren sind wir wahrscheinlich, wenn das Glück sich nicht unserer Dummheit erbarmt, die erbärmliche Zwittergeburt der Elsässer, Lothringer und Kurländer und Livländer, die ihre alte Nationalität verloren haben und keine neue finden können.
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Nun sind endlich die Deutschen politisch aus ihrer zwitterhaften Existenz heraus in die entschiedene Nullität gekommen.
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Die gefühllosesten Klötze für Nationalehre und Nationalschande sind die deutschen Gelehrten; davon überzeuge ich mich täglich mehr.
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Die Griechen waren immer nur Spartaner, Athenienser usw. Was sind sie nun? Die Deutschen scheinen bloß den griechischen Buchstaben zu studieren. Sie sind Partikelkrämer; darüber geht das Ganze zugrunde.
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Die Deutschen sind immer nur Barbaren und Halbbarbaren gewesen, haben sich nie zu allgemeiner Gerechtigkeit und Freiheit, nie zur Einheit des Vaterlandes erhoben. Die Kaiser haben die Verbrechen begangen, die Heiligtümer der Nation an einzelne zu vergeuden und dadurch die Spaltung zu verewigen. Die größten Toren sind die deutschen Weisheitskrämer, die Publizisten, welche die Dokumente unseres Nationalsinns, die goldene Bulle, den Westfälischen Frieden, die Wahlkapitulation usw. lobpreisend posaunen. Alles dieses hat endlich die Nation in die jetzige Schande gestürzt.
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Die Deutschen haben bei jeder Gelegenheit einen sehr gewöhnlichen Ausdruck: Das kann ich gar nicht leiden, und doch ist nichts Schlechtes, Vernunftwidriges, Dummes und Niederträchtiges, was seit fünfhundert Jahren und besonders in der letzten Zeit die Deutschen von innen und außen nicht gelitten hätten.