Charles Sealsfield
Das Kajütenbuch oder Nationale Charakteristiken
Charles Sealsfield

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»Nennt es deshalb auch seine Kajüte, wißt Ihr?« warf, an seinem Punschkelche nippend, der Bankdirektor hin.

»Ja, aber wie steht es mit ihm? Soll, hörte ich immer, ein armer Schlucker von Seekapitän gewesen sein. Auf einmal kommt er, entriert Geschäfte, übernimmt eine Pflanzung, die zweimalhunderttausend –«

»Bezahlt vierzigtausend bar, in den darauffolgenden drei Jahren hundertundsechzigtausend«, fügte der Bankdirektor trocken hinzu.

»Aber warum dies alte Ungeheuer von Brettern und Balken, dem bloß die Kanonen und Segel fehlen, um in die See zu stechen?«

»Warum?« meinte gemütlich der Bankdirektor, »kann nicht sagen, warum; wahrscheinlich darum, weil er ein queeres Seeungetüm ist, vielleicht auch, weil die Affäre nicht viel kostete, er das Holz in seinen Wäldern hatte, Baumeister selbst war. Legte aber dafür sein Geld in soliden New Yorker und Ohioer Sixpercents an. Sehr respektabel das wieder!« versicherte der Bankdirektor.

»Ah!« seufzte der General, »war gescheiter als wir in diesem Punkte, die Paläste bauten.«

»Um die nun statt der Edelhirsche – Schweine und Rinder wandeln«, lachte naiv der Bankdirektor. »Hat seine zwei- bis dreimalhunderttausend Dollar in guten, soliden New Yorker und Ohioer Aktien. Groß das!« beteuerte er.

»Sehr groß«, fiel andächtig der General ein. »Aber glaubt Ihr, daß er so viel?«

»Glaube ich? glaube ich? Ei, glaube ich, weil ich's weiß. Gingen ein paarmal hunderttausend durch meine Hand, ehe der verdammte Duncan. – Fing aber noch zur rechten Zeit an, Anno fünfundzwanzig im November. Weiß es, als ob es heute wäre, hatte dann statt sieben – zehn fette Kühe.«

»Jawohl, fette Kühe! – Sind nun mager geworden!« seufzte der General. »Je nun, ich bleibe.«

»Ich auch!« meinte naiv der Bankdirektor.

»Gentlemen!« hob wieder der vortretende General in recht begütigendem Tone an, »ist ein Mißverständnis, wie mir der Bankdirektor hier soeben erklärt, keine Beleidigung von Seite Kap'tän Murkys. Ist zu erhaben über Beleidigung, zu groß, ein zu großer Mann, Kap'tän Murky!«

»Zu erhaben! zu groß! großer Mann! Mißverständnis!« rief bitter lachend der Oberst Oakley.

»Zu erhaben über Beleidigung, Bentley! Wir halten es aber für eine Beleidigung, Gäste zu verlassen, ihnen den Rücken zu kehren. Dafür soll er zur Rechenschaft gezogen werden. Wir erklären es für ungentlemanisch.«

»Wir nicht!« versicherte ebenso stolz der General.

»Dann erfreut Ihr Euch eines obtusern Ehrgefühls, als wir in Euch vermuteten, General«, entgegnete wieder gereizt Oakley.

»Sir!« rief drohend der General.

»Sir!« riefen noch drohender die Obersten Oakley und Bentley. Der ganze Saal war jetzt in Aufruhr.

»Sirs! Sirs! Hotheads! Hotspurs!« schrie plötzlich, halb lachend, halb ärgerlich, eine Stimme, die einem Manne angehörte, der soeben und, wie es schien, in großer Aufregung eingerannt. »Was gibt es wieder mit euch, ihr heillosen Beelzebubs? Was treibt ihr nun schon wieder? Ist denn gar keine Ruhe mit euch, immer nur Hagel und Donner, Blitze und zehntausend Erdbeben? Seid ihr denn gerade des Teufels? Einander schon wieder in den Haaren?«

Der Mann wagte viel, aber seine Popularität war offenbar größer als das Wagnis, denn wie er nun schreiend, zankend, zugleich beweglich zwischen die gegeneinander anrückenden militärischen Würdenträger einsprang, mit ungemeiner Bonhomie eine Hand links, die andere rechts erfaßte und drückte, hatte sein Wesen bei aller guten Laune wieder etwas so Imponierendes – der General rechts und die Obersten links nahmen so freundlich herzlich die dargebotene Rechte und Linke! Der Sturm war mit einem Male vorüber.

»Präsidentchen!« rief der erstere.

»Bankpräsident!« die letzteren.

»Hol der Henker euer Präsidentchen, euren Bankpräsidenten, wenn ihr ihm und euch die Gurgeln abschneidet! Was ist's, Burnslow? Was, Bentley, Oakley?«

»Pshaw! was ist's?« versetzte spröde Oakley, »Kap'tän Murky läßt sich herab, uns bei sich dinieren zu lassen, und findet es dann genehm, uns den Rücken zu kehren, und General Burnslow –«

»Wohl, und General Burnslow findet es genehm, es als keine Beleidigung anzusehen«, fügte stolz der General hinzu.

»General Burnslow ist für dieses Mal der Gescheitere, und ihr«, lachte der Präsident, »Querköpfe, ihr würdet es, meiner Seele! für genehm finden, unserem Freunde Murky für sein Diner eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Würdet ihr nicht?«

»Er soll auf alle Fälle Rechenschaft geben!« rief Bentley. »Pshaw! Pshaw! Bentley, spannt die Saite nicht zu hoch, denn, gebe Euch mein Wort, Kap'tän Murky ist nicht der Mann, Eure Musik geduldig anzuhören, Euch dazu zu tanzen.«

»Er soll es nicht! Er soll es nicht«, riefen Bentley und Oakley zugleich, »wir hielten ihn immer für einen Ehrenmann – er hat Ehre im Leibe, wird als Gentleman handeln.«

»Nennt das Ehre«, rief lachend der Präsident, »einem Ehrenmanne, den ihr hochachtet, eine Kugel durch den Kopf zu schießen, um von ein paar Narren, die ihr verachtet, Lob einzuernten? Geht zum Henker mit eurem Ehrenkode!«

»Aber Bankpräsidentchen«, schrie bereits zum vierten Male der Bankdirektor und mit ihm ein paar Dutzend andere, »was bringt Euch nur so spät herab? Warum kamt Ihr nicht früher?«

»Ah!« jubelte wieder das Bankpräsidentchen, »ah, was mich herabbringt? Bald hätte ich es vergessen. Was mich herabbringt? – Überraschungen, Boys, bringen mich herab, köstliche Überraschungen.«

»Überraschungen?« riefen alle.

»Die gloriosesten Überraschungen, Boys«, jubelte wieder der Bankpräsident. »Grüß euch alle, Supreme Judge, Ihr auch da? auch Ihr, geistreicher oder vielmehr geistlicher Sweety?«

Alle lachten wieder laut.

»Aber was bringt Euch?« riefen sie wieder ungeduldig.

»Was mich bringt? Etwas, das ich euch bringe, eine gloriose Neuigkeit, eine herrliche, erquickende. Dachte schon um drei bei euch am St. Catharine zu sein, aber Überraschungen, Boys, gloriose Überraschungen!«

»Überraschungen?« riefen die einen.

»Präsidentchen!« die anderen.

»Überraschungen, die mich überraschten«, frohlockte das Präsidentchen, »gerade wie ich meinen Pacer besteigen wollte. Zwei der herrlichsten Magnolias grandifloras, die je auf Mississippiboden gewurzelt.«

»Präsidentchen! Präsidentchen!« riefen jubelnd alle.

»Die mich überraschten«, schaltete der Präsident ein, sich den Schweiß von der Stirn wischend, »gerade als ich herab zum Wettrennen und dann mit euch zu unserem Freunde Murky wollte.

Auf Ehre!« versicherte er, »zwei köstliche Blumen, die einem wohl das Herz hüpfen machen können. Freut euch, Jungens, die ihr nämlich noch Jungens seid, freut euch, zwei Helenen statt einer sind im Paradiese eingekehrt.«

»Im Paradiese?«

»Nun ja, im Paradiese, meiner Villa, wißt ihr, Kap'tän Murkys Tochter, Miß Alexandrine, mit ihrer Freundin.«

»Miß Alexandrine!« seufzte eine Stimme aus dem Hintergrunde des Saales hervor.

»Da habt ihr bereits einen Liebesseufzer, andere werden wohl nachkommen, bürg euch dafür!« lachte er wieder.

»Miß Alexandrine«, fuhr er in ernstem, achtungsvollem Tone fort, »mit ihrer Freundin, der Tochter des innigsten Freundes unseres Kap'tän Murkys, Generals – wie heißt er nur? – berühmten Generals und Generalgouverneurs von einhalb Dutzend südamerikanischen Staaten und vormaligen spanischen Vizekönigreichen. Sind beide aus Frankreich, wo sie erzogen wurden, angekommen.«

»Miß Alexandrine angekommen?« riefen alle.

Und alle verstummten sie und schauten sich mit so seltsamen Blicken an. Sie schienen einander in der Seele lesen zu wollen! Es war etwas wie Eifersucht, das sich bereits verriet.

»Schaut euch doch nicht so an, Jungens, als ob ihr einander schon wieder an die Krägen wolltet; brachte sie euch deshalb nicht, die köstliche Botschaft. Nur keine Kämpfe, haben deren ohnedem genug. Take it cooly!« rief lachend der Präsident.

»Sind vorgestern zu New Orleans gelandet«, fuhr er frohlockend fort, »gestern von da abgegangen, heute Schlag drei Uhr im Paradiese angekommen. Ist nun ein wahres Paradies.«

»Im Paradiese!« seufzte es wieder aus dem Hintergrunde des Saales hervor.

»Bin nur froh, daß das verdammte gelbe Fieber nicht mehr zu fürchten – hat sie wegen des heillosen Fiebers, das ihm, ihr wißt, Frau und vier Kinder gekostet, in Frankreich erziehen lassen, sie sechs Jahre nicht gesehen. War aber rührend zu schauen, wie sich die beiden in die Arme flogen. Komme jetzt, ihn zu entschuldigen, wenn es da noch einer Entschuldigung bedarf.« Der gute Präsident war ganz weich geworden.

»Bedarf keiner, ist entschuldigt!« riefen alle.

»Vollkommen entschuldigt!« versicherten zuvorkommend Oakley und Bentley, »und bitten Euch, Präsident, einstweilen statt seiner unsere Apologie anzunehmen.«

»Seid nicht entschuldigt!« gellte es wie rasend aus dem Hintergrunde des Saales hervor.

»Verbieten es Euch, zu seufzen, wenn der Name einer Dame erwähnt wird, die so unendlich über Euch erhaben.«

»Was zum Henker haben wir denn da schon wieder? Ist denn der Teufel abermals los?« schrie das Präsidentchen, den Kreis der Freunde durchbrechend und mit einer Hast unter die Streitenden hineinsprengend, die eine vollkommene Kenntnis unseres Mississippicharakters verriet. Auch standen sie sich bereits gegenüber, gerüstet wie Kampfhähne, Dolche und Kugeln aus den Augen sprühend.

»Ah! Cracker, Meadow, seid ihr's? Dachte ich's doch! Wo irgendeine Teufelei im Zuge, seid ihr sicher nicht weit!«

»Keine Eurer Familiaritäten!« sprach Cracker vornehm. »Seid so gut, mischt Euch nicht in Dinge, die Euch nichts angehen.«

»Betrifft gentlemanische Affären, nicht Geldsäcke«, fügte mit ebensoviel Würde als souveräner Verachtung Meadow hinzu.

»Dann sind wir freilich nicht die Person, die da Sitz und Stimme hat«, versetzte lachend der Bankpräsident, »da wir uns jedoch einstweilen als den Herrn des Hauses betrachten, müssen wir schon so unbescheiden sein, uns in eure gentlemanischen Affären zu mengen.«

»Betrachtet Euch als Herrn von was Ihr wollt, nur nicht als den unserer Affären, oder es dürfte Euch schlimm gehen!« rief stolz Cracker.

»Auf die Gefahr hin, tapferer Oberst, wollen wir es wagen, uns in Eure Affäre zu mischen. Vorerst erlaubt die Frage, um was sich der Streit handelt?«

Es war aber jetzt etwas in dem Blicke des Mannes, das bei aller scherzhaften Laune doch wieder den tapferen Obersten zu imponieren schien.

»Wollen den Burschen da für seine Vermessenheit züchtigen«, ließ sich Cracker herab zu antworten.

Der Bursche, wie er genannt wurde, unser Texaser, spielte ganz ruhig mit seiner Reitpeitsche, die er von Zeit zu Zeit hob.

»Zweifle, daß der – Bursche Lust dazu hat«, versetzte mit ironischem Lächeln der Präsident, »scheint mir fremd hier, deshalb den hohen Schwung, den unser Mississippi-Ehrenreglement genommen, noch nicht zu kennen. Hat er denn gar so Schlimmes getan?«

»Hat sich in einer Gesellschaft eingedrängt, in die er nicht gehört!« schrie Meadow.

»Bei der Erwähnung einer Dame geseufzt, die unendlich über ihn erhaben ist!« Cracker.

»Was sagt Ihr dazu, Fremdling? Bekennt Ihr Euch schuldig dieser schweren Vergehungen?« fragte mit komischem Schauder der Präsident.

»Schuldig!« versetzte lächelnd der Fremde.

»Da habt Ihr aber entsetzlich gesündigt«, versicherte ihn wieder der Präsident, »furchtbar! Wißt Ihr das nicht? Ja, wie gesagt, Ihr kennt den sublimen Schwung, den unser gentlemanischer Point d'honneur genommen, noch nicht. Leben zwar in einem freien Lande, aber möchte Euch nicht raten zu seufzen, 'pon honour nicht!«

»Sir!« schrien ungeduldig ein Dutzend Stimmen.

»Wollen Euch ersuchen, Eure Hausherrschaft nicht zu weit auszudehnen!« rief Cracker.

»Die Parteien hier, insofern sie auf den Namen und Charakter eines Gentleman Anspruch machen dürfen, ihre Affäre ausgleichen zu lassen!« wieder Bentley.

»Das heißt sie Kugeln wechseln machen!« meinte ruhig der Präsident. »Habt Ihr Lust?« wandte er sich an den Fremden.

»Wenn es sein muß, warum nicht? obwohl, aufrichtig gesagt, ich eben keinen Grund sehe, mich mit jedem Tollkopfe da herumzuschlagen.«

»Sir!« schrie wütend Cracker.

»So Ihr ein Gentleman seid, werdet Ihr wissen!« Meadow.

»Stille, Cracker! Meadow! Verbitte mir diese Sprache hier, lege mein Veto ein.«

»Ihr legt Euer Veto ein?« schrien entrüstet Cracker und Meadow und Bentley und Oakley.

»Lege es ein!« versetzte der Bankpräsident, ruhig die Goldbüchse aus der Tasche ziehend und den beliebten Dulcissimus twiste herausnehmend.

»Wer gibt Euch das Recht?« schrien nun alle.

»My money, Gentlemen!« versetzte der Bankpräsident trocken; »my money – money is power.«

»Euer Geld?« schrien sie verächtlich.

»Ei, mein Geld, Cracker und Meadow!« wiederholte der Präsident, ruhig ein Stück vom Dulcissimus lösend. »Bin so frei, euch ins Gedächtnis zurückzurufen, daß Euch, Oberst Cracker, unser Kassier vor sechs Monaten, gerade drei Tage nach Eurem letzten Duelle – eine sehr häßliche Geschichte, wißt Ihr – zehntausend Dollars und Euch, Oberst Meadow, fünfzehntausend unter der Bedingung ausbezahlt, daß ihr euch in kein Duell, was immer der Grund, Veranlassung, Vorwand – einlasset oder darin assistiert, sekundiert, bis die ganze Summe auf Cent und Dollar abbezahlt.«

»Präsident!« schrie Oakley, »finde das ungenerös, ungentlemanisch, einen Vertrag, zwischen vier oder sechs Augen abgeschlossen, hier zu veröffentlichen.«

»Sehr ungenerös!« versicherte Bentley.

»Auf alle Fälle nicht schön!« ein Dutzend Obersten mehr.

»Nehmt Euch zu viel mit Eurem Gelde heraus, Präsident, will mich bedünken«, meinte der General, »Mississippi-Gentlemen in einer Ehrensache durch schnöde Geldrücksichten behindern zu wollen«, fügte er sehr mißbilligend hinzu.

»Unverzeihlich das, General!« meinte der Bankpräsident selbst.

»Wollen dem aber ein Ende machen; bürge für Cracker!« rief Oakley.

»Und ich für Meadow!« schrie Bentley.

»Bravo, Bentley! Oakley!« riefen hochherzig die einen. »Gloriose Bursche!« beteuerten die andern.

»Gloriose!« apostrophierte sie der Bankpräsident. »Splendide«, versicherte er, den Quid in den Mund schiebend, »herrliche Bursche! Hätte meiner Seele den Glauben nicht in Israel erwartet! Superbe Bursche, wahre Virginier!«

Und so rufend, reichte er den beiden entzückt die Hand.


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