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Achtzehntes Kapitel.

Am andern Morgen wurde es in dem Schlosse, in welchem nachts über der wackre Grenzer Elliot mit seinen Mannen die Wacht gehalten hatte, beizeiten lebendig; Westburnflat, der mit dem Schleichhändler von Newcastle aus dem Schlosse gewichen war, sobald Elshie sich gezeigt hatte, trotze, so hieß es, in seinem Turme der ganzen Sippe, die den Namen Elliot führe, und lasse sie fordern zum Kampfe. Nach Heugh-foot, wo sich schon eine beträchtliche Schar von Verwandten und Freunden Hobbies zusammengefunden, brach dieser jetzt auf. Aber der Turm war leer, als sie kamen, und Westburnflat selber schon unterwegs nach Frankreich, wo er vor Hobbies Grimm sicherer war, sich bei Marlboroughs Heer anwerben ließ und um seiner Verdienste willen für geschickte und rasche Verproviantierung der Söldner durch allerhand Raubzüge zum Leutnant befördert wurde, auf diesen Raubzügen auch Geld und Gut für sich zusammenbrachte, nach England zurückkam, den alten Turm von Westburnflat niederreißen ließ und an seiner Stelle ein drei Stock hohes schmales Wohnhaus errichtete, in welchem er, wie noch heute auf seinem Grabstein in Kirkwhistle zu lesen steht, nach mancherlei Fehde mit seinen Nachbarn und reichlichem Bier- und Schnapsgenuß im Besitz der Eigenschaften eines tüchtigen Soldaten und ehrlichen Christen eines natürlichen Todes gestorben ist.

Miß Isabel Vere empfing am Morgen nach der schreckensvollen Nacht den Besuch Sir Ratcliffes, der ihr ein Schreiben ihres Vaters brachte, in welchem derselbe ihr mitteilte, daß er es, um des eignen und auch ihres Friedens willen, für geraten erachtet habe, England mit Frankreich zu vertauschen, daß er sich von ihrer Seite des besten Einsehens und aller Nachsicht betreffs seines Verhaltens in den letzten Wochen ihres Zusammenlebens versichert halte, daß er ihr Schloß und Gut Ellieslaw als unveräußerliches Besitztum verschreibe mit der Verpflichtung, sich über alle Hypotheken, die Sir Hubert Ratcliffe auf Schloß und Gut geliehen habe, im gütlichen Wege zu verständigen, schließlich daß er, da sie auf solche Weise in den Genuß bedeutender Einkünfte noch zu seinen Lebzeiten gelange, von ihr dasjenige ausgesetzt zu erhalten hoffe, was ihm selber im Alter zur Lebensführung vonnöten sei, und deshalb auf ein Angebot Sir Edward Mauleys, ihm einen beträchtlichen Jahresgehalt für die Dauer seines Aufenthalts im Auslande auszusetzen, mit dem Stolz verzichtet habe, der ihm einem Manne gegenüber, zu dem ihn das Schicksal in viele trübe Verhältnisse gesetzt habe, ohne daß aber andere als ihn selber irgendwelche Schuld dabei träfe, als Selbstpflicht erscheine.

»Und Sir Mauley?« fragte Isabel, als sie den Brief des Vaters gelesen und von Sir Ratcliffe vernommen hatte, daß dieser schon auf dem Wege nach dem Hafen sei, um sich nach Frankreich einzuschiffen.

Den Klausnerzwerg hatte niemand mehr im Schlosse gesehen.

»Ich glaube, wir haben den weisen Elshie auf ewig verloren,« sprach Hobbie, als er am Spätnachmittag von seiner Streife zurückkehrte, die ihn bei der Steinhütte vorbeigeführt hatte – »die Tür seiner Hütte stand offen, das Feuer war erloschen, die Ziege kam mir blökend entgegen, denn die Zeit, da er sie zu melken pflegt, war lange vorbei. Von ihm selber keine Spur! nicht die geringste!« »Es ist, wie Ihr vermutet, Hobbie Elliot,« sagte Ratcliffe, ihm eine Urkunde überreichend; »Sir Mauley weilt nicht mehr dort. Leset das Schriftstück: Ihr werdet aus dem Inhalt sehen, daß Ihr durch Eure Bekanntschaft mit ihm nichts eingebüßt habt.«

Das Schriftstück war eine Schenkungsurkunde, in welcher Sir Edward Mauley, früher bekannt unter dem Namen Elshender der Klausner, Halbert oder Hobbie Elliot und seiner Frau Grace, gebornen Armstrong, die volle Summe als Geschenk überwies, die er ihm zum Wiederaufbau von Haus und Hof als Darlehn ausgefolgt hatte.

In Hobbies Freude mischten sich Tränen, die ihm in dicken Tropfen über die rauhen Wangen rollten.

»Seltsam,« sprach er, »so recht aus Herzensgrund kann ich mich nicht freuen, so lange ich den edlen Mann, der mich so reich machte, nicht gleichfalls glücklich weiß.«

»Das Bewußtsein, andre glücklich gemacht zu haben,« versetzte Ratcliffe, »kommt eignem Glück am nächsten. Wer Wohltaten spendet ohne rechtes Urteil, übt niemals Gutes und wird niemals Dank finden, denn er säet Wind, um Sturm zu ernten.«

»Das wäre schlimme Ernte,« erwiderte Hobbie, »aber mit Veres gütigem Verlaub möchte ich gern Elshies Bienenstöcke mitnehmen und in dem Blumengarten meiner Frau aufstellen. Eingeräuchert sollen sie dort nie von uns werden. Auch die arme Ziege würde verkommen, wenn sie allein in der Hütte bliebe. Bei uns soll sie ihr Futter haben, und Grace mag sie täglich melken. Um Elshies willen stelle ich diese Bitte, denn er hatte die stummen Geschöpfe, wenn er auch mürrisch war, ja immer gern.«

Was der wackre Grenzer bat, wurde ihm gern gewährt, nicht ohne Verwunderung über die Feinfühligkeit seines Temperaments, die sich auf solche Weise an ihm offenbarte. Hobbie Elliot lebte hinfort so glücklich in Heugh-foot, wie er's durch seine Ehrlichkeit und Zärtlichkeit und auch durch seine Tapferkeit verdiente.

Zwischen Isabel und Earnscliff waren nun alle Hindernisse beseitigt, und die Höhe der Einkünfte, die dem jungen Paar im Auftrag Sir Edward Mauleys durch Ratcliffe überwiesen wurden, hätte sogar die Habgier des alten Laird Ellieslaw zu stillen vermocht. Seine Gattin aber ebenso wie Sir Ratcliffe erachteten es für unangebracht, Earnscliff darüber aufzuklären, daß ein wichtiger Beweggrund bei der Verfügung über sein Vermögen zugunsten von ihm und seiner Frau die Rücksicht auf die blutige Tat war, durch die Earnscliffs Vater vor Jahren sein Leben eingebüßt hatte. Jahre zogen hin über dem jungen Paare, aber eines derselben war immer glücklicher als das andere, und eine fröhliche Schar von Nachkommen freute ihr Alter.

Mareschal jagte so lange und führte Zweikämpfe so lange, bis er des einen wie des andern überdrüssig war und Miß Lucy Ilderton heimführte, die ihm gar bald Zügel anlegte.

Sir Frederick Langley verwickelte sich in den unglücklichen Aufstand von 1715 und fand in dem Treffen bei Preston ein unrühmliches Ende, während Sir Ratcliffe ein hohes Alter erreichte und auf dem Schlosse von Ellieslaw, wo er seinen Wohnsitz behalten hatte, starb. Jahrelang war er, ohne je zu verraten wo, im Frühjahr regelmäßig vier Wochen abwesend gewesen. Aber jedermann wußte, daß er diese Zeit bei seinem Freunde und Schützer verbrachte, dem unglücklichen Sir Edward. Dann war ein Tag gekommen, an welchem er in Trauerkleidern und mit Trauer im Herzen heimkehrte: Er hatte den edlen Menschenfeind zur Ruhe gebettet, der heute noch in der Gegend des Mucklestane-Moors weiter in freundlicher Erinnerung lebt als

der schwarze Zwerg.


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