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Als die Schlacht vorüber war, betrachtete es Waverley für seine erste Aufgabe, dem englischen Offizier einen Besuch zu machen, dem er das Leben gerettet hatte, und der mit zahlreichen Unglücksgefährten in einem Edelhofe in der Nähe des Schlachtfeldes interniert worden war. Sie befanden sich zusammen in einer Stube. Aber es fiel Waverley nicht schwer, den Gefangnen, den er suchte, herauszufinden. Hätte ihm nicht Gestalt und Aeußeres dazu geholfen, so doch sicher der Wächter, der ihm an die Seite gegeben worden war, der Schotte Mahony, der seit dem Vorgange, der den Offizier zum Gefangnen gemacht hatte, mit seiner Streitaxt nicht von ihm gewichen war, in erster Linie, um der von Waverley verheißenen Prämie nicht verlustig zu gehen, dann aber auch, um den Offizier vor jeder Plünderung zu bewahren, denn hiervon hing doch, wie sich der pfiffige Schotte sagte, die Höhe der erstern ab. Deshalb beeilte er sich, Waverley sogleich zu versichern, daß er den »Rotrock« aufs sorgfältigste in Verwahrung gehalten habe, und daß derselbe »nicht um einen Kupferdreier ärmer« sei als zur Zeit, wo ihm der gnädige Herr verboten hatte, demselben »eins mit seiner Axt auf den Kopf zu geben«.
Waverley sicherte dem Schotten eine reiche Belohnung zu und trat dann zu dem englischen Offizier heran, um ihm zu sagen, daß er sich gern bemühen wolle, ihm in seiner peinvollen Lage jede Erleichterung zu schaffen, die irgend in seinen Kräften stehe.
»Ich bin als Soldat nicht so unerfahren, Sir,« erwiderte der Offizier, »daß ich mich beklagen sollte über ein Los, mit dem schließlich jeder einmal zu rechnen haben wird, der die Waffen gegen einen Feind erhebt. Mich schmerzt einzig und allein, daß ich auf unsrer Insel Szenen mit angesehen habe, die auf ihr nichts zu suchen haben sollten.«
»Noch ein Tag, wie dieser, und ich meine,« erwiderte Waverley, »die Ursache Eures Kummers dürfte gehoben sein.«
Der Offizier schüttelte lächelnd das Haupt.
»Ich bin Gefangner,« antwortete er, »und habe mich in eine förmliche Widerlegung Eurer Worte nicht einzulassen. Aber trotz Eures heutigen Sieges fürchte ich, Ihr habt Euch in ein Unternehmen eingelassen, das weit über Eure Kräfte gehen dürfte und aus dem Ihr ganz entschieden als Sieger nicht hervorgehen werdet.«
In diesem Augenblicke trat Fergus in die Stube.
»Kommt, Edward, kommt! der Prinz ist drüben in Pinkie-House. Dort sollen wir ihn treffen. Er erwartet uns mit dem Baron von Bradwardine, der darüber Rede stehen soll, weshalb er seinem Schösser solche Unbill angetan hat, ihn mit aufs Schlachtfeld zu zerren. Der arme Kerl von Macwheeble kennt keinen größern Gegenstand des Grausens als einen bewaffneten Hochländer und eine geladne Flinte. Und nun muß dieser arme Wicht hier stehen und sich die Proteste des Barons gegen die Angriffe der Regierung auf seine Besitzrechte anhören. Bei jedem Knall duckt sich das Kerlchen wie eine Rotgans ins Gefieder; und sobald er zittert oder sich ängstigt, läßt ihn sein Herr hart an, denn sich in seinem Vortrage durch irgend etwas stören zu lassen, und sei es richtig eine ganze Batterie, das ist bekanntlich Sache des Barons von Bradwardine nicht! ... vor allem dann nicht, wenn die Ehre seines Stammes oder seiner Familie in Betracht steht.«
»Aber wie hat ihn Mr. Bradwardine bewegen können, sich bis ins Lager hinein zu wagen?«
»Er ist ja bloß bis Musselberg gefahren, wahrscheinlich wohl in der Hoffnung, für den einen oder den andern von uns das Testament zu machen; aber der Baron hat ihn weiter geschleppt, bis die Schlacht von Preston vorbei war. Aber kommt, Waverley, kommt!«
»Waverley!« wiederholte mit tiefer Bewegung der englische Offizier, »der Neffe von Sir Everard Waverley auf und zu Waverley-Würden?«
»Der nämliche, Sir!« versetzte der Held unsrer Erzählung, betroffen über den Ton, in welchem die Worte fielen.
»Euch hier zu treffen, beglückt und betrübt mich zu gleicher Zeit,« sagte der Gefangne.
»Ich wüßte nicht, Sir, wodurch ich solchen Anteils mich würdig gemacht hätte,« erwiderte Waverley.
»Hat Euer Oheim nie eines Freundes gedacht mit Namen Talbot?«
»Er hat immer mit höchster Achtung von einem Manne dieses Namens gesprochen,« erwiderte Edward, »der, sofern ich nicht irre, Armeeoberst war, verheiratet meines Wissens mit Lady Amily Blandeville. Aber ich war der Meinung, Obrist Talbot sei außer Landes?«
»Ich bin erst vor ganz kurzer Zeit wieder nach England zurückgekehrt, und da ich mich nun einmal in Schottland befand, habe ich gemeint, meine Dienste dort dem Vaterlande zur Verfügung zu stellen, wo es ihrer am meisten zu bedürfen schien. Und das ist der Platz gewesen, wo Ihr mich gefangen nahmt. ... Aber, Du mein Himmel! daß ich Sir Everard Neffen wiederfinden muß in solcher Umgebung und in solcher Tracht!«
»Die Tracht, Sir, die Mr. Waverley trägt, und die Umgebung, in der er sich befindet, sind jedes Mannes von Geburt und Herkunft würdig,« erwiderte aufbrausend der Häuptling Glennaquoich.
»Meine Lage verbietet mir, ein Wort hiergegen zu sagen. Andernfalls möchte es mir wohl nicht schwer fallen, dafür den Beweis zu erbringen, daß eine schlechte Sache nicht gut wird, mag noch so viel Mut und Geburtsstolz vorhanden sein. Aber, mit Mr. Waverleys Verlaub, wie auch, sofern dies notwendig, mit Eurem, ich möchte mit ihm über einige Dinge sprechen, die seine Familie und nächste Verwandtschaft betreffen.«
»Mr. Waverley, Sir, hat niemand Rechenschaft abzulegen über sein Tun und Lassen.... Nur der Hoffnung gebe ich Ausdruck, .Sir, daß Ihr mir nach Pinkie-House folgen werdet,« setzte Fergus hinzu, indem er sich zu Edward wandte, »sobald Eure Unterhaltung mit dieser neuen Bekanntschaft geendet sein wird.«
Mit diesen Worten schritt der Häuptling, sein Plaid mit unsäglichem Stolz um seine Hüfte schlagend, aus der Gefangnenstube hinaus.
Waverley erwirkte schnell für seinen Gefangnen die Freiheit zu einem Spaziergange durch den an das Gefängnis anstoßenden Park. Hier gingen sie ein paar Schritte auf und ab, ehe ein Wort zwischen ihnen fiel. Der Oberst schien nachzudenken, wie er am geschicktesten in die Unterhaltung einträte. Endlich nahm er das Wort.
»Mr. Waverley, Ihr habt mir heute das Leben gerettet, und doch, bei Gott! hätt ich es lieber verloren, als Euch in dieser Uniform und mit dieser Kokarde zu begegnen!«
»Ich nehme Euch, Herr Obrist, diese Worte nicht übel, denn ich weiß, sie sind gut gemeint, und Erziehung und Vorurteil geben sattsam die Begründung für Eure Worte. Aber einen Mann in Verhältnissen zu finden, die ihn am ehesten in die Lage setzen, erhaltnen Schimpf wett zu machen, dürfte so etwas Außerordentliches grade nicht sein.«
»Ich sollte lieber meinen, daß es Gesetz für Euch hätte sein müssen, solche Lage um deswillen zu meiden wie das Feuer, weil sie die im Umlauf befindlichen Gerüchte am meisten stützt,« versetzte der Obrist. »Sodann eine Frage: seid Ihr schon darüber unterrichtet, in welche Gefahren Euer Verhalten Eure Verwandten gestürzt hat, die Euch doch meines Wissens redlich und ehrlich im Leben förderten?«
»Was sagt Ihr da von Gefahren, Herr Obrist?« fragte Waverley in sichtlich großer Beruhigung.
»Allerdings Gefahren, mein Herr, und Gefahren sehr schwerer Art. Euer Vater sowohl wie Euer Oheim sind des Hochverrats beschuldigt und unter Anklage gestellt worden, und nur unter hoher Bürgschaft ist beiden die Freiheit belassen worden. Ich bin nach Schottland einzig und allein zu dem Zwecke gekommen, Euch aus dem Strudel zu retten, in den Ihr Euch habt reißen lassen. Denn ich bin außer stande, die Folgen zu taxieren, die über Eure Familie hereinbrechen können, darum weil Ihr Euch an die Rebellen angeschlossen habt, und zwar als Soldat und Kriegsmann, denn das, was dieselben bisher erlitten haben, das haben sie erlitten, weil nur Verdacht gegen Euch vorlag, Ihr könntet solch Tun im Sinne haben! ... Es schmerzt mich furchtbar, Mr. Waverley, daß ich Euch nicht früher traf, bevor Ihr dieser letzten Verirrung Euch schuldig machtet.»
«Ich wüßte mir keineswegs zu erklären, aus welchen Gründen sich Obrist Talbot um meinetwillen solches Herzeleid bereitet hat,» bemerkte, nicht frei von leisem Spott, Edward.
«Mr. Waverley, ich will taub bleiben gegen all Eure ironischen Reden,» erwiderte der Oberst, «und will deshalb Eure Worte bloß dem Sinne nach beantworten, den sie haben. Ich bin Eurem Oheim zu unendlichem Dank verpflichtet, zu größerm Danke, als ich je im Leben abtragen kann. Und deshalb liebe ich ihn wie einen Vater; ich darf so sprechen, denn er ist reichlich ein Vierteljahrhundert älter als ich. Sodann weiß ich, daß ich seine Liebe nicht besser wett machen könnte, als wenn es mir gelänge, Euch auf die rechte Bahn zurückzuführen, gleichwohl ob ich Euch mit solchen Worten und solchem Beginnen zu nahe trete oder nicht. »
«Eure Absichten mögen ja gut sein, aber Eure Sprache, das muß ich sagen, ist sehr anmaßend, oder wenigstens doch recht rückhaltlos,» sagte Waverley.
«Mr. Waverley, nehmts, wie Ihr wollt. Aber ich kann nicht anders. Als ich nach langer Abwesenheit wieder nach England zurückkehrte, da traf ich Euern Oheim, zufolge des Verdachts, in den er um Euretwillen gekommen ist, in königlicher Haft. Er konnte nirgends wohin gehen, nichts sprechen, keine Handlung vornehmen, ohne daß der ihm beigegebne Polizist darum wußte. Und das war um so herber für ihn, als er zufolge langjähriger Lebensgewohnheit, zufolge eines angebornen Gefühls von Würde und, verzeiht mir diese Worte, weil er vollständig frei von eigner Verschuldung in solche Lage geriet, für solchen Büttel ein ewiges Ziel von Schikanen abgab. Die Empfindungen, die mich bei diesem Anblick erfüllten, kann ich nicht schildern, sie waren höchst peinlich für mich, und ich muß hinzusetzen, ich fühlte einen namenlosen Groll gegen Euch. Euer Oheim ist, ich wiederhole es Euch, mein größter Wohltäter. Er hat nie ein Wort gesprochen, nie eine Aeußerung getan, die nicht Güte und Liebe verraten hätte. Sobald ich es durch die Beziehungen zum Hofe, die von einigem Belang sind, irgendwie erreichen konnte, habe ich Sir Everard seine Freiheit wieder vermittelt und bin dann nach Schottland geeilt. Hier fand ich den Obristen Eures Regiments, und er sagte mir, daß er durch den weitern Verlauf der Untersuchung, durch das Ergebnis neuerer Vernehmungen mehr zu Euren Gunsten eingenommen sei und sich noch bessre Ergebnisse durch ein abermaliges Verhör der in die Meuterei verwickelten Mannschaften für Euch verspräche. Ich zweifelte darauf nicht länger, daß sich alles noch zum besten wenden lassen werde, wenn es mir gelänge, Euch ausfindig zu machen. Aber dieser unvernünftige Aufstand hat alles zu nichte gemacht. Zum erstenmal in meiner ganzen Laufbahn als Soldat habe ich es mitansehen müssen, daß britische Soldaten den Schimpf einer feigen Flucht auf sich luden. Obendrein von einem Feinde ohne Mannszucht und ohne Waffen. Und nun erblicke ich den Neffen und Erben meines teuersten Freundes ... den Sohn seiner Liebe, wie ich wirklich sagen darf ... als Mitglied eines jener räuberischen Clans, die zu diesem Siege einer königsmörderischen Rotte verholfen haben!! ... Ha, warum ist mir nicht ein gleiches Los beschieden, wie dem braven Obristen jenes Regiments, dem Ihr einst mit Stolz angehörtet! Sein Los, mit dem meinigen verglichen, ist glücklich zu preisen.»
Ein so hoher Grad von Würde, eine solche Mischung von kriegerischem Stolz und männlichem Schmerz kam in diesen Worten des Obristen zum Ausdruck, und so tief ergriffen war er von dem Schicksale seines Freundes Sir Everard, und so beredt wußte er dessen Unglück zu malen, daß sich Everard tiefbeschämt fühlte und, zerknirscht vor dem gefangnen Offizier stehend, das Wort an ihn richten wollte. Da unterbrach Fergus, eben wieder eingetreten, zum andern Male die Unterhaltung.
«Königliche Hoheit haben Eure Gegenwart befohlen, Mr. Waverley.»
Orist Talbot heftete einen vorwurfsvollen Blick auf Edward, was dem klugen Häuptlinge nicht entging.
«Mr. Waverleys augenblickliche Gegenwart,» wiederholte Fergus mit besonderm Nachdruck.
Waverley wandte sich zu dem Obersten.
«Wir werden uns wiedersehen,» sagte er, «inzwischen soll Euch jede mögliche Erleichterung ...» »Ich mache keinen Anspruch auf irgend welchen Unterschied ... ich bin Gefangner, und mir gebührt nichts Besseres als dem geringsten meiner Unglücksgefährten. Könnte ich annehmen, daß meine Worte auf Eure Entschlüsse von einigem Einflusse sein möchten ...«
»Der Obrist Talbot,« fiel ihm, zu dem Hochschottenoffizier gewandt, der die Wache hatte, Fergus in die Rede, »wird scharf bewacht. Es ist der ausdrückliche Befehl des Prinzen; er ist Gefangner von Wichtigkeit.«
»Aber es sind ihm sämtliche Vorteile zu gewähren, auf die er seinem Range gemäß Anspruch hat,« ergänzte Waverley mit strenger Stimme.
»Soweit sich das mit scharfer Bewachung vereinbaren läßt,« sagte Fergus wiederum.
Der Offizier gab zu verstehen, daß er beiden gerecht zu werden bemüht sein werde, und Edward folgte dem Häuptling zum Gartentor, wo Callum-Beg mit drei Pferden wartete. Noch einmal blickte er zurück und sah, wie Oberst Talbot durch einen Trupp Hochländer ins Gefängnis zurückgebracht wurde. Der Oberst blickte sich gleichfalls um und winkte Waverley mit der Hand, wie wenn er bemüht sein wolle, ihn nochmals an die von seinem Herzen diktierten Worte zu erinnern.